Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Alterssicherung der Landwirte
Nichterfüllung der Wartezeit
Keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
Gründe:
I
Mit Beschluss vom 24.10.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 1.2.1976
bis 31.12.1982 als Beitragszeit in der allgemeinen Rentenversicherung verneint. Im genannten Zeitraum hatte der Kläger als
landwirtschaftlicher Unternehmer Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) entrichtet, bei der er pflichtversichert
war. Eine Beitragserstattung oder einen Rentenanspruch des Klägers hat die LAK abgelehnt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrundes
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so
genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung zu:
"Steht es mit Art.
14 Abs.
1 GG in Einklang, wenn abgeführte Beiträge im Rahmen einer Pflichtversicherung der Landwirtschaftlichen Alterskasse für einen
begrenzten Zeitraum aufgrund eines später erfolgten notwendigen Wechsels in die gesetzliche Rentenversicherung bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund keine Berücksichtigung bei der Rentenberechnung als Beitragszeit finden und auch keine Erstattung
der abgeführten Beiträge an die Landwirtschaftliche Alterskasse stattfindet, und ist die vom Gesetz in §
23 SGB I vorgenommene Unterscheidung zwischen den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und denjenigen der Alterssicherung
für Landwirte unter Berücksichtigung der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a ALG verfassungskonform?".
Das BSG habe zu dieser Frage bisher nicht entschieden. Das Urteil vom 6.2.2003 - B 13 RJ 17/02 R (BSGE 90, 286 = SozR 4-2600 § 55 Nr 1), auf welches sich das LSG berufe, beziehe sich nur auf eine analoge Anwendung des § 17 Abs 1 S 2 Nr 1a ALG und auf Art
3 GG. Der Anrechnungsausschluss von Pflichtbeitragszeiten der landwirtschaftlichen Alterssicherung nach § 17 Abs 1 S 2 Nr 1a ALG stelle einen Eingriff in sein (des Klägers) Eigentum dar. Es sei nicht erkennbar, wie der Regelungszweck, die bessere finanzielle
und eigenständige Sicherung der Bäuerinnen und ihrer Familien, geeignet sein solle, die Interessen und die Eigentumsverhältnisse
aller Beteiligten ausreichend zu berücksichtigen. Der Eingriff sei unzumutbar, da die mit dem Gesetz verfolgten öffentlichen
Interessen in einem unangemessenen Verhältnis zu der den Betroffenen auferlegten Belastung stünden.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur
Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt
ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage jeweils unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit
dieser Frage nicht den nach §
160a Abs
2 S 3
SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt. Wird mit der Beschwerde - wie hier - ein Verfassungsverstoß geltend
gemacht, darf sich die Beschwerdebegründung nicht auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern
muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen
welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 24.7.2018 - B 13 R 23/18 B - Juris RdNr 8 mwN).
Um diesen Anforderungen zu genügen, hätte der Kläger zumindest darlegen müssen, inwiefern sich aufgrund der von ihm zur LAK
gezahlten Beiträge in seinem vorliegend allein streitbefangenen Rechtsverhältnis zur allgemeinen Rentenversicherung eine Rechtsposition
ergeben könnte, die dem Eigentumsschutz nach Art
14 Abs
1 S 1
GG unterliegen könnte. Denn das BSG hat ua bereits entschieden, dass selbst im Verhältnis zur LAK die Anwartschaft auf Erstattung der für eine mitarbeitende
Familienangehörige während fünf Jahren und acht Monaten entrichteten Beiträge nicht den vom BVerfG aufgestellten Anforderungen
an die Einordnung rentenversicherungsrechtlicher Positionen als Eigentum iS des Art
14 Abs
1 GG genügt (BSG Urteil vom 2.12.1999 - B 10 LW 15/98 R - SozR 3-5850 § 27a Nr 3 - Juris RdNr 20 unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 28.4.1999 - 1 BvL 32/95 ua - EuGRZ 1999, 245, 253 ff mwN). Es fehle insoweit insbesondere daran, dass Beitragserstattungsansprüche der Existenzsicherung dienten (BVerfG
aaO S 254; s auch BSG Urteil vom 14.9.1989 - 4 RA 27/89 - SozR 2200 § 1303 Nr 35 - Juris RdNr 17, wonach jedenfalls ein verfassungswidriger Eingriff in den Schutzbereich des Art
14 Abs
1 S 1
GG aus diesem Grunde ausscheidet). Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger im Einzelnen auf die Rechtsprechung des BVerfG zum
Eigentumsschutz rentenversicherungsrechtlicher Positionen eingehen und aufzeigen müssen, welche dem Schutzbereich des Art
14 Abs
1 GG unterfallende Ansprüche er aufgrund der Beitragszahlung zur LAK erworben haben könnte. Solche Ausführungen fehlen in der
Beschwerdebegründung.
Die Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage ist im Übrigen auch deshalb nicht dargelegt, weil es der Kläger weitgehend
versäumt, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für deren Beantwortung enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt
anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch
zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - Juris RdNr 19). Zwar erwähnt er das vom LSG durch Bezugnahme auf das Urteil des SG zitierte BSG-Urteil vom 6.2.2003 (B 13 RJ 17/02 R - BSGE 90, 286 = SozR 4-2600 § 55 Nr 1). Sofern er aber auch unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene einen (weiterbestehenden) Klärungsbedarf
der von ihm formulierten Frage hat dartun wollen, durfte er sich nicht auf den Vortrag beschränken, diese Entscheidung bezöge
sich "nur auf eine analoge Anwendung des § 17 Abs 1 S 2 Nr 1a ALG". Vielmehr hätte er auch aufzeigen müssen, welche andere Grundlage es für den von ihm eingeklagten Anspruch auf Feststellung
der streitigen Zeiten geben könnte. Darüber hinaus hätte der Kläger neben diesem auch die weiteren Urteile des BSG zur Frage der Anrechnung von Beitragszeiten der LAK in der allgemeinen Rentenversicherung in den Blick nehmen müssen (zB
BSG Urteil vom 22.2.1990 - 4 RA 62/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 3; BSG Urteil vom 27.6.1990 - 5 RJ 19/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 6; BSG Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 4/04 R - Juris). Dies hat er versäumt.
Auch wenn es vorliegend nicht darauf ankommt, sei der Kläger darauf hingewiesen, dass das BSG zu dem vom Kläger gerügten Fehlen eines Rentenanspruchs aus der Alterssicherung der Landwirte wiederholt festgestellt hat,
dass die vom GAL vor dem 1.1.1995 als Anspruchsvoraussetzung für die Leistungsgewährung geforderte "Lückenlosigkeit" der Beitragsentrichtung
(§ 2 Abs 1 Buchst b GAL) durch § 90 Abs 1 S 1 ALG in das ALG hinein verlängert worden ist (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 2.10.2015 - B 10 LW 2/15 B - Juris RdNr 8 mwN). Ansprüche auf Leistungen, die vor dem Inkrafttreten des ALG wegen der Nichterfüllung der Wartezeit ausgeschlossen waren, sollten durch das ALG nicht begründet werden, auch nicht mit Hilfe von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (vgl insgesamt BSG Beschluss vom 18.2.2004 - B 10 LW 10/03 B - Juris RdNr 6). Ebenso wenig musste hier auf die Rechtsprechung des BSG eingegangen werden, wonach die übergangsrechtliche Regelung des § 117 Abs 1 ALG nur denjenigen einen Erstattungsanspruch gibt, die (ua) am 31.12.1994 für 180 Kalendermonate rechtswirksame Beiträge als
Landwirt an die LAK gezahlt haben, § 117 Abs 2 ALG die Beitragserstattung nach § 75 ALG einschränkt, aber keine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen von § 117 Abs 1 ALG nicht erfassten Personenkreis ist, und dass das in der dargestellten Weise ausgelegte seit 1.1.1995 geltende Recht der Beitragserstattung
nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (vgl BSG Urteil vom 2.12.1999 - B 10 LW 15/98 R - SozR 3-5850 § 27a Nr 3 - Juris RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 11.12.2002 - B 10 LW 9/01 R - Juris RdNr 15 ff).
Dass der Kläger die Berufungsentscheidung inhaltlich für unrichtig hält, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr;
vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.