Gründe:
I
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Tankschiffes, das bis 23.11.2011 die deutsche, dann bis 20.3.2013 die Flagge Liberias
und seither wieder die deutsche Bundesflagge führte. Sie beschäftigte auf diesem Schiff angestellte Seeleute, darunter den
Beigeladenen zu 1. als Kapitän. Die Klägerin erbat von der Berufsgenossenschaft für Verkehr (BG) eine Stellungnahme zur Versicherungspflicht
in der Unfallversicherung. Die BG leitete diese Bitte an die beklagte Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als
Einzugsstelle weiter. Diese stellte die "Versicherung kraft Ausstrahlung" des Beigeladenen zu 1. in allen Zweigen der Sozialversicherung
fest; für die Zeit der Ausflaggung (24.11.2011 bis 23.11.2013) liege eine ebenfalls zur Sozialversicherungspflicht führende
Entsendung vor (Bescheid vom 15.5.2012, Widerspruchsbescheid vom 16.1.2013). Das SG Bremen hat diese Entscheidung wegen fehlender
Zuständigkeit der Beklagten aufgehoben (Gerichtsbescheid vom 27.11.2014). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid
des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere
sei die Beklagte auf der Grundlage des §
28h Abs
2 S 1 iVm §
4 Abs
1 SGB IV auch hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht in der Unfallversicherung zuständig gewesen.
Das Urteil des LSG vom 28.2.2017 ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis vom 24.3.2017 zugestellt
worden. Er hat mit Schreiben vom 21.4.2017, das beim BSG am 24.4.2017 eingegangen ist, die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Der Berichterstatter hat den Prozessbevollmächtigten
mit Schreiben vom 14.6.2017 darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung der Revision am 24.5.2017 abgelaufen ist. Der
Prozessbevollmächtigte, dem dieser Hinweis am 22.6.2017 zugegangen ist (Empfangsbekenntnis), hat mit am 26.6.2017 beim BSG eingegangenem Schreiben vom 23.6.2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die am 24.5.2017 abgelaufene Frist zur Begründung
der Revision beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Versäumnis sei durch "außergewöhnliche persönliche Umstände
verursacht worden (akute Herzklappenerkrankung meines Sohnes mit notwendiger Operation)". Er habe sich in der dadurch hervorgerufenen
Anspannung den 24.6.2017 als Termin zur Begründung der Revision notiert und den anliegenden Schriftsatz zur Begründung der
Revision für dieses Datum vorbereitet und den Fehler erst durch den ihm am 22.6.2017 eingegangenen Hinweis des Gerichts bemerkt.
II
1. Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist begründet worden.
Nach §
164 Abs
2 S 1
SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision
zu begründen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht rechtzeitig geschehen. Die Revisionsbegründung ist erst am 26.6.2017 und
damit nach Ablauf der Zweimonatsfrist beim BSG eingegangen; diese begann am Tag nach der am 24.3.2017 erfolgten Zustellung des Berufungsurteils gemäß §
64 Abs
1 SGG zu laufen und endete gemäß §
64 Abs
2 SGG mit dem Ablauf des 24.5.2017 (Mittwoch).
2. Der Antrag der Klägerin, ihr wegen Versäumens der Revisionsbegründungsfrist nach §
67 Abs
1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist abzulehnen. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die
gesetzliche Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Sie muss sich nach §
73 Abs
6 S 7
SGG iVm §
85 Abs
2 ZPO das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
a) Bei der Prüfung von Wiedereinsetzungsgründen ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches
Gehör, das in Art
103 Abs
1 GG garantiert ist, in einem funktionellen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie steht. Die Gerichte dürfen durch ihre Auslegung
und Anwendung des Prozessrechts den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht
in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Daher dürfen die Anforderungen daran, was
der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden (vgl BAG
Urteil vom 7.11.2012 - 7 AZR 314/12; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 26.2.2008 - 1 BvR 2327/07 - Juris RdNr 22 mwN, NJW 2008, 2167).
Eine (eigene) Krankheit kann das Verschulden einer Fristversäumnis entfallen lassen. Jedoch ist dies nur dann der Fall, wenn
die Erkrankung in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit des Beteiligten
hat. Die Erkrankung muss demnach so schwer sein, dass der Beteiligte selbst nicht handeln kann und auch zur Beauftragung eines
Dritten nicht in der Lage ist (vgl BSG Beschluss vom 20.1.1989 - 5 BJ 281/88 - Juris RdNr 3; Senger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl 2017, §
67 RdNr 48). Auch eine stressbedingte Arbeitsüberlastung eines Rechtsanwaltes ohne Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit kann Verschulden
ausräumen; dies setzt allerdings voraus, dass sie plötzlich und unvorhergesehen eingetreten und die Fähigkeit zu konzentrierter
Arbeit erheblich eingeschränkt ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
67 RdNr 7c; BAG Urteil vom 7.11.2012 - 7 AZR 314/12 - Juris RdNr 32 zu einem Fall, in dem der Prozessbevollmächtigte darlegt, dass er aufgrund einer ständig schwerer werdenden
Depression unter einer Antriebslosigkeit gelitten habe und zunehmend nur noch unter großer und extremer Überwindung in der
Lage gewesen sei, kurzzeitig einzelne berufliche und auch private Tätigkeiten wahrzunehmen).
b) Derartige Umstände und Gründe hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht vorgetragen. Zwar können Sorgen um Familienangehörige
die Konzentrationsfähigkeit zB bei der Berechnung einer Frist beeinträchtigen. Damit ist die Schwelle, ab der zur Fristversäumnis
führende Ereignisse in der Sphäre des Rechtsanwaltes größeres Gewicht zukommt als dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit (Eintritt
von formeller Rechtskraft), aber nicht erreicht. Käme es maßgeblich auf die subjektive Reaktion des Prozessbevollmächtigten
auf in seinem familiären Umfeld liegende Umstände an, die nicht - wie zB eine Depression oder schwere physische Erkrankung
- weiter objektiviert werden können, verlören Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen weithin ihre Bedeutung.
Schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch nicht vorgetragen, weshalb er in der für ihn offenbar belastenden
Situation bis zu deren Beruhigung innerhalb der einmonatigen Frist nicht vorsorglich einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist
(vgl §
164 Abs
2 S 2
SGG) gestellt hat oder weshalb er nicht einen Kollegen mit der weiteren Bearbeitung fristgebundener Sachen beauftragt hat.
Auch trägt er nicht vor, warum er trotz der vorgetragenen akuten Situation und seiner damit einhergehenden Anspannung bedeutende
Handlungen (vorliegend das Notieren eines Fristendes) vorgenommen hat und warum er diese Handlungen nach dem Abklingen der
akuten Situation nicht innerhalb der einmonatigen Frist auf mögliche Fehler hin überprüft hat.
3. Die nicht in der gesetzlichen Frist begründete Revision ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als
unzulässig zu verwerfen (§
169 S 2 und 3
SGG).
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.