Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsausschluss bei Ortsabwesenheit ohne Zustimmung, Anwendbarkeit bei
Sozialgeldbeziehern
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 03.08.2008 bis 31.08.2008
streitig.
Der Kläger zu 1, seine Ehefrau, die Klägerin zu 2, sowie ihre vier 2002, 2003, 2004 und 2006 geborenen Kinder, die Kläger
zu 3 bis 6, leben in einem gemeinsamen Haushalt und bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Mit an die Klägerin zu 2 gerichtetem
Bescheid vom 03.03.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2008 bis 31.08.2008 in Höhe von insgesamt monatlich 1.220,43 € (Kläger
zu 1 und 2 Regelleistung je 312,00 €, Kosten der Unterkunft (KdU) Kläger zu 1 80,08 €, Klägerin zu 2 80,07 €; Kläger zu 3
bis 6 jeweils Sozialgeld 29,00 €, KdU 80,07 €). Der Bewilligungsbescheid enthielt u.a. folgenden Hinweis: "Sie müssen immer
unter der von Ihnen benannten Adresse erreichbar sein. Sollten Sie eine Ortsabwesenheit planen, sind Sie verpflichtet, den
Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit mit Ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit
kann zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen."
Im Rahmen der Vorlage von Unterlagen für die Weiterbewilligung der Leistung teilte der Kläger zu 1 am 01.08.2008 telefonisch
mit, er könne die fehlenden Unterlagen nicht abgeben, da er mit seiner Familie am Sonntag den 03.08.2008 für drei Wochen in
die Türkei in Urlaub fahre. Ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks (Bl. 603 VwA) wurde dem Kläger zu 1 mitgeteilt,
die Zustimmung zur Ortsabwesenheit liege nicht vor.
Am 04.08.2008 teilte ein Bekannter des Klägers zu 1 telefonisch mit, dieser sei bereits am 01. oder 02.08.2008 in Urlaub gefahren
und habe bei der Arbeitsvermittlung vorher niemanden telefonisch erreichen können.
1. Mit an die Klägerin zu 2 gerichtetem Bescheid vom 05.08.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II vom
03.08.2008 bis 31.08.2008 ganz auf mit der Begründung, sie habe sich außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufgehalten und deshalb nicht ohne Verzug jede zumutbare Beschäftigung aufnehmen
können. Weiter setzte sie die Erstattung der gewährten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (insgesamt
1.284,49 €) fest.
Hiergegen legte die Klägerin zu 2 am 08.09.2008 Widerspruch ein mit der Begründung, bei dem Aufenthalt in der Türkei habe
es sich nur um einen kurzen Durchreiseaufenthalt für die Heimreise in den Libanon zu ihrer kranken Mutter gehandelt. Sie habe
nicht gewusst, dass sie die Ortsabwesenheit schriftlich mitteilen müsse, den Urlaub habe sie mehrfach mündlich mitgeteilt
und zudem vergeblich versucht, ihren Arbeitsvermittler telefonisch zu erreichen. Der Reisepass der Klägerin zu 2 (Bl. 733
VwA) trägt einen Einreisestempel des Libanon vom 06.08.2008 und einen Ausreisestempel vom 31.08.2008.
Mit Abhilfebescheid vom 16.09.2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 05.08.2008 auf. Zur Begründung führte sie aus, die Aufhebung
erfolge ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen. Die Beklagte behalte sich vor, die Angelegenheit in Kürze erneut
aufzugreifen.
2. Mit Bescheid vom 04.08.2008 teilte die Beklagte dem Kläger zu 1 mit, der Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 3 der EAO werde nicht zugestimmt, da eine Ortsabwesenheit im Voraus durch den Leistungsträger genehmigt werden müsse. Den hiergegen
eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.10.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 15 AS 4451/08 -) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe bereits eine Woche vor der geplanten Auslandsreise mehrere Male versucht,
den für ihn zuständigen Sachbearbeiter bei der Beklagten telefonisch zu erreichen, um seine drei- bis maximal vierwöchige
Reise mitzuteilen. Dieser sei jedoch nie erreichbar gewesen. Am Tag vor seiner Abreise habe er eine andere Mitarbeiterin der
Beklagten erreicht und gebeten, die Ortsabwesenheit mitzuteilen. Dies sei zugesagt worden, ohne dass dabei besondere Hinweise
bezüglich eines eventuellen Genehmigungserfordernisses erteilt worden seien. Er sei zudem der Auffassung, dass es sich bei
dem Genehmigungserfordernis um eine leere Förmelei handle, da bereits in den vergangenen Jahren stets auf entsprechende telefonische
Mitteilung hin, ohne dass es einer förmlichen Genehmigung bedurft hätte, ein drei- bis vierwöchiger Auslandsaufenthalt genehmigt
worden sei.
Hierzu kann den Verwaltungsakten Folgendes entnommen werden: Am 22.10.2007 hatte der Kläger zu 1 eine Ortsabwesenheit ab 02.11.2007
zusammen mit seiner Familie für eine noch unbekannte Dauer beantragt. Nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass ab dem 22. Kalendertag
kein Alg II-Anspruch mehr bestehe, gab er an, er werde sich nach Rückkehr zurückmelden und dann die Flugtickets vorlegen (Bl.
761 VwA). Am 30.10.2007 teilte der Kläger sodann telefonisch mit, er gehe doch nicht in Urlaub und habe die Flugtickets aus
finanziellen Gründen stornieren lassen (Bl. 759 VwA). Es liege somit keine Ortsabwesenheit vor. Der Reisepass der Klägerin
zu 2 enthält jedoch einen Einreisevermerk des Libanon vom 02.10.2007 und einen Ausreisevermerk vom 25.10.2007 (Bl. 733 VwA).
3. Mit Bescheid vom 16.09.2008 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II an den Kläger
zu 1 vom 03.08.2008 bis 31.08.2008 auf und setzte die Erstattung der gewährten Leistungen (Regelleistung 294,93 €, KdU 74,80
€) sowie der Beiträge zur Kranken- (110,42 €) und Pflegeversicherung (16,37 €) in Höhe von 496,44 € fest. Mit weiteren Bescheiden
vom 16.09.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II gegenüber der Klägerin zu 2 (Regelleistung 294,93
€, KdU 74,80) in Höhe von 369,73 € und gegenüber den Klägern zu 3 bis 6 in Höhe von jeweils 104,58 € auf und setzte die Erstattung
dieser Beträge fest.
Die am 13.10.2008 von den Klägern zu 1 bis 6 eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2008
zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 20.11.2008 Klage zum SG erhoben (S 15 AS 5109/08).
Mit Beschluss vom 11.02.2009 hat das SG die Rechtsstreitigkeiten S 15 AS 4451/08 und S 15 AS 5109/08 unter dem Aktenzeichen S 15 AS 4451/08 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 erklärt, am Samstag (02.08.2008) weggefahren und am 03. oder 04.09.2008
zurückgekehrt zu sein.
Mit Urteil vom 14.07.2009 hat das SG die Klagen abgewiesen. Der Bescheid vom 04.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2008 sei rechtmäßig.
Aus dem ausdrücklichen Verweis in § 7 Abs. 4a SGB II auf die Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 in der Fassung der Anordnung vom 16. November 2001 ergebe sich, dass nur eine Zustimmung, die erteilt
werde, bevor sich der Betroffene aus dem Nahbereich entfernt habe, einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs.4a SGB II entgegenstehe.
Ein Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs stehe der Verfügbarkeit des Arbeitslosen bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nur dann
nicht entgegen, wenn vor der Aufenthaltsverlagerung eine Zustimmung erteilt worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Bei der Antragstellung am 04.08.2008 hätten sich die Kläger bereits auf der am 02.08.2008 angetretenen Urlaubsreise befunden,
sodass eine Zustimmung nicht mehr habe erteilt werden können.
Auch die Aufhebung der Bewilligung und die Festsetzung der Erstattung seien rechtmäßig, da aufgrund der nicht genehmigten
Ortsabwesenheit ab dem 03.08.2008 eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Kläger seien auch nicht im Wege des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte die Beklagte bereits am 01.08.2008 ihre Zustimmung erteilt. Zwar hätten die
Kläger bereits am 01.08.2008 der Beklagten ihre Absicht mitgeteilt, für mehrere Wochen ins Ausland zu verreisen und damit
zumindest konkludent die Zustimmung zu der beabsichtigten Ortsabwesenheit beantragt. Der persönliche Ansprechpartner der Hilfebedürftigen,
dem die Entscheidung gemäß § 7 Abs. 4a SGB II oblegen habe, sei jedoch nicht über die geplante Reise informiert worden. Die
Kläger zu 1 und 2 seien hinsichtlich des Wegfalls des Anspruchs zumindest grob fahrlässig gewesen. Deren Kennenmüssen sei
den Klägern zu 3 bis 6 zuzurechnen.
Gegen das am 24.07.2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 05.08.2009 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Sie tragen nochmals vor, der Kläger zu 1 habe während der gesamten Woche vor dem 01.08.2008
vergeblich versucht, den für ihn zuständigen Sachbearbeiter bei der Beklagten zu erreichen. Beim Telefongespräch am 01.08.2008
habe er um Genehmigung für die geplante Ortsabwesenheit ersucht. Nach seiner Erinnerung habe die Sachbearbeiterin zugesagt,
dieses Ersuchen an den zuständigen Sachbearbeiter weiterzuleiten.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 16. September 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge,
welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §
144 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegen nicht vor. Die Berufung der Kläger zu 1 und 2 ist jedoch nicht begründet (1.). Die Berufung der Kläger zu 3 bis 6
ist begründet (2.)
1. Die Berufung der Kläger zu 1 und 2 ist nicht begründet.
a) Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2008 ist rechtmäßig. Der Kläger
zu 1 hatte keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit für sich und die Klägerin zu 2.
Der Aufenthalt in der Türkei bzw. im Libanon gehört unstreitig nicht mehr zum Nahbereich im Sinne von § 2 EAO, so dass eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit erforderlich ist. Erfüllt der Arbeitslose nicht die Voraussetzungen
des § 2 Nrn. 1 bis 3 EAO, so steht dies der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung
erteilt hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EAO).
Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass nur eine Zustimmung, die erteilt wurde, bevor sich der Betroffene aus dem Nahbereich entfernt
hat, einem Leistungsausschluss nach §
7 Abs.
4a SGB II entgegensteht, hierauf wird gem. §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen. Der Kläger zu 1 hat bei dem Telefongespräch am 01.08.2008 ausweislich der hierüber gefertigten Protokollnotiz
mitgeteilt, er fahre mit seiner Familie am Sonntag den 03.08.2008 für drei Wochen in die Türkei. Hierbei wurde ihm auch mitgeteilt,
dass eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht vorliege. Eine - grundsätzlich mögliche - mündliche Genehmigung kann der Protokollnotiz
auch nicht entnommen werden. Auch der Kläger zu 1 hat hierzu vorgetragen, ihm sei lediglich die Weiterleitung des Ersuchens
an den zuständigen Sachbearbeiter zugesagt worden. Somit ist eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht erfolgt.
Der Kläger zu 1 hat auch keinen Anspruch darauf, im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden,
als hätte die Beklagte bereits am 01.08.2008 und damit vor der Ortsabwesenheit ab dem 03.08.2008 ihre Zustimmung erteilt.
Hierzu wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil gem. §
153 Abs.
2 SGG ebenfalls Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger zu 1 bei dem Telefongespräch am 01.08.2008 lediglich
mitgeteilt hat, er könne die für die Entscheidung über den Weiterbewilligungsantrag erforderlichen Unterlagen nicht vorlegen,
da er für drei Wochen in die Türkei fahre. Diese Angaben haben jedoch bereits nicht dem tatsächlichen Geschehensablauf entsprochen,
da sich die Kläger mehr als drei Wochen im Ausland aufgehalten haben und zumindest die Klägerin zu 2 während ihres Auslandsaufenthalts
nur kurz in der Türkei und überwiegend im Libanon war. Dem Kläger ist bei diesem Telefongespräch eine Weiterleitung des Antrags
auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit an den zuständigen Sachbearbeiter auch nicht zugesagt worden. Der Aktenvermerk enthält
lediglich den Vermerk, der Kläger sei auf die fehlende Zustimmung hingewiesen worden. Hiergegen spricht zudem, dass ein Bekannter
des Klägers zu 1 am folgenden Montag mitgeteilt hat, der Kläger sei "bereits seit Freitag oder Samstag" in Urlaub gefahren.
Der Kläger zu 1 habe vor seiner Abreise bei der Arbeitsvermittlung niemand erreichen können. Danach ist der Kläger zu 1 selbst
davon ausgegangen, dass ein Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit noch nicht gestellt war. Schließlich ist der Aktenvermerk
über das Telefongespräch am Freitag den 01.08.2008 um 12:43 Uhr gefertigt worden. Geht man davon aus, dass der Aktenvermerk
unmittelbar nach dem Telefongespräch gefertigt worden ist, dürfte fraglich sein, ob selbst bei sofortiger Weiterleitung des
Antrags an den persönlichen Sachbearbeiter bei der Arbeitsvermittlung eine Entscheidung noch vor der Ortsabwesenheit hätte
getroffen werden können.
b) Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden vom 16.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2008
auch zu Recht die Bewilligung von Leistungen an die Kläger zu 1 und 2 aufgehoben und die Erstattung der erbrachten Leistungen
sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in zutreffender Höhe festgesetzt.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. §
40 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB II, §
330 Abs.
3 Satz 1
SGB III. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem
Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Abs. 1 Satz 1). Nach
Satz 2 Nr. 4 der Vorschrift ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass
der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen
ist.
Eine wesentliche Änderung ist dadurch eingetreten, dass aufgrund der nicht genehmigten Ortsabwesenheit die Anspruchsvoraussetzung
des § 7 Abs. 4a SGB II nicht mehr vorgelegen hat.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Kläger zu 1 und 2 zumindest grob fahrlässig hinsichtlich der Kenntnis des Wegfalls der
Anspruchsgrundlagen waren. Dies kann insbesondere dem Vortrag des Klägers zu 1 entnommen werden, wonach er in der Woche vor
dem 01.08.2008 mehrmals versucht habe, seinen Arbeitsvermittler zu erreichen und die Ortsabwesenheit genehmigen zu lassen.
Danach war dem Kläger bekannt, dass die Ortsabwesenheit genehmigt sein muss. Die Kläger zu 1 und 2 sind darüber hinaus aufgrund
der Hinweise in der Bewilligungsentscheidung darüber informiert worden, dass sie immer unter der von ihnen benannten Adresse
erreichbar sein müssen und bei geplanter Ortsabwesenheit verpflichtet sind, den Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit
mit ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Sie sind weiter darüber informiert worden, dass eine unerlaubte
Abwesenheit zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen kann.
Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, bei dem Genehmigungserfordernis handele es sich um eine leere Förmelei, insbesondere
da bereits in den vergangenen Jahren stets auf entsprechende telefonische Mitteilung hin, ohne dass es einer förmlichen Genehmigung
bedurft hätte, ein Auslandsaufenthalt von drei bis vier Wochen genehmigt worden sei, nicht zutreffend. Den Verwaltungsakten
kann vielmehr entnommen werden, dass zumindest die Klägerin zu 2 vom 02.10.2007 bis 25.10.2007 ortsabwesend war, ohne dass
eine entsprechende Genehmigung erteilt worden ist. Denn ihr Reisepass trägt entsprechende Einreise- bzw. Ausreisevermerke
des Libanon mit diesen Daten. Ausweislich des Aktenvermerks über ein Telefongespräch mit dem Kläger zu 1 am 30.10.2007 hat
dieser mitgeteilt, er gehe doch nicht in Urlaub und habe die Flugtickets aus finanziellen Gründen stornieren lassen, es liege
deshalb keine Ortsabwesenheit vor. Hierbei hat er offensichtlich nicht mitgeteilt, dass sich die Klägerin zu 2 zu diesem Zeitpunkt
bereits für mehrere Wochen im Ausland befunden hatte.
Die Erstattungspflicht beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit danach ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die Beklagte hat
den Erstattungsbetrag auch in zutreffender Höhe festgesetzt.
2. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 48 SGB X gegenüber den Klägern zu 3 bis 6 liegen nicht vor. Denn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass
des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, ist hinsichtlich der Kläger zu 3 bis 6 keine wesentliche Änderung eingetreten.
Insbesondere stellt die tatsächlich vorliegende Ortsabwesenheit keine wesentliche Änderung dar.
Die Kläger zu 3 bis 3 haben Sozialgeld bezogen. Nach § 28 Abs. 1 SGB II erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel
des Zwölften Buches haben. Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungen.
Zwar bestimmt § 7 Abs. 4a SGB II, dass Leistungen nach diesem Buch nicht erhält, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen
Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten
zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält, wobei die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung entsprechend gelten. Diese Vorschrift
ist jedoch lediglich auf Berechtigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht auf Bezieher von Sozialgeld anzuwenden.
Allein ihrem Wortlaut nach ist die Vorschrift zwar auch auf die Bezieher von Sozialgeld anzuwenden, da sie sich auf alle Leistungen
nach dem SGB II bezieht (so auch Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 Rn. 87).
Bedenken hiergegen ergeben sich bereits daraus, dass für die Ortsabwesenheit die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners
erforderlich ist, jedoch nur Alg II-Bezieher, nicht dagegen die Bezieher von Sozialgeld wie die Kläger zu 3 bis 6 einen persönlichen
Ansprechpartner haben.
Gegen eine Anwendbarkeit der Norm auf Bezieher von Sozialgeld spricht auch deren Entstehungsgeschichte. Abs. 4a ist durch
das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (FortentwicklungsG) vom 20.07.2003 mit Wirkung vom 01.08.2006
in das SGB II eingefügt worden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/1696 S. 24) wird hierzu ausgeführt, Verstöße eines
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegen die bisher in der Eingliederungsvereinbarung zu treffenden Regelungen über einen auswärtigen
Aufenthalt könnten lediglich über eine Absenkung nach § 31 SGB II sanktioniert werden. Insbesondere bei einem längeren Aufenthalt
im Ausland sei dies nicht geeignet, den Hilfebedürftigen zu einer Rückkehr nach Deutschland und der aktiven Mitwirkung an
seiner Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bewegen. Danach sollte diese Regelung allein für erwerbsfähige Hilfebedürftige
im Hinblick auf deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt geschaffen werden. Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der Vorschrift
auch auf die Bezieher von Sozialgeld kann den Gesetzesmotiven nicht entnommen werden.
Gegen eine Anwendung der Norm auf Bezieher von Sozialgeld spricht zudem Sinn und Zweck der Regelung, da bei diesen, anders
als bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit keine Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung
von Leistungen ist (und auch nicht sein kann). Mit der Vorschrift, die die Regelung der Erreichbarkeit für Bezieher von Arbeitslosengeld
nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II entsprechend für anwendbar
erklärt, soll eine effektive Vermittlungstätigkeit sichergestellt werden. Es soll die Erreichbarkeit zwecks Arbeitseingliederung
gewährleistet werden (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, § 7 Rn. 110). Diese arbeitsmarktpolitischen Zwecksetzungen gelten jedoch
nicht für Bezieher von Sozialgeld.
Gegen eine Anwendung der Norm spricht schließlich die systematische Stellung in § 7 SGB II, welcher die Voraussetzungen für
die Leistungen bestimmt und in Abs. 1 als Leistungsvoraussetzung u.a. die Vollendung des 15. Lebensjahres und das Vorliegen
von Erwerbsfähigkeit nennt.
Dementsprechend wird auch in den Dienstanweisungen der Bundesagentur zum SGB II ausgeführt, die Erteilung einer Zustimmung
zu Ortsabwesenheiten von Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sei entbehrlich (DA 7.57).
Für die Bezieher von Sozialgeld ist danach allein erforderlich, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Leistungsträgers
haben (§ 36 SGB II). Der gewöhnliche Aufenthalt wird nach §
30 Abs.
3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) dort begründet, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet
nicht nur vorübergehend verweilt. Die Kläger zu 3 bis 6 hatten danach ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Karlsruhe. Durch Urlaubsfahrten
in das Ausland wird der gewöhnliche Aufenthalt nicht aufgegeben (Schoch in LPK-SGB II, § 36 Rn. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob § 7 Abs. 4a SGB II auch auf Bezieher von Sozialgeld nach §
28 SGB II anzuwenden ist, zugelassen.