Kostenübernahme für Gutachten gemäß § 109 SGG auf die Staatskasse im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an eine wesentliche Förderung der Aufklärung des Sachverhaltes bei der Feststellung des Grades der Behinderung
im Schwerbehindertenrecht
Gründe
Die nach §
172 SGG statthafte sowie nach §
173 Satz 1
SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht Mannheim hat es durch Beschluss vom 21.01.2020 zu Unrecht abgelehnt, die Kosten des nach §
109 SGG von Dr. K. unter dem 01.12.2017 erstatteten Gutachtens und die damit verbundenen Auslagen des Klägers auf die Staatskasse
zu übernehmen.
Über die endgültige Pflicht, die Kosten für ein nach §
109 SGG eingeholtes Gutachten zu tragen, entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss. Bei der zu treffenden Ermessenentscheidung
ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat, wobei das gesamte Verfahren, auch das
Berufungsverfahren, einzubeziehen ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
109, Rn. 16 f.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat das Gutachten des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie
für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. K. vom 01.12.2017 die Aufklärung des Sachverhaltes wesentlich gefördert. Dr. K. hat auf
seinem Fachgebiet die dort bestehenden Behinderungen des Klägers zwar mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet und damit lediglich
den bereits vom Beklagten zuvor in dieser Höhe festgestellten Einzel-GdB (vgl. Versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr.
W. vom 20.08.2015) bestätigt. Nicht zwingend ist jedoch, dass die Förderung der Sachaufklärung durch das nach §
109 SGG eingeholte Gutachten zu einem für den Kläger positiven Ergebnis geführt hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
109, Rn. 16 f.). Das Ausmaß des Erfolges im Klageverfahren stellt - jedenfalls bei einem einheitlichen Streitgegenstand und im
Regelfall - kein geeignetes Kriterium bei der Entscheidung über die Übernahme der Kosten eines nach §
109 SGG eingeholten Gutachtens dar (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.05.2012 - L 10 R 1764/12 B - juris, Rn. 9). Eine wesentliche Förderung des Sachverhaltes kann auch darin liegen, dass das Gericht seine Entscheidung
in nicht unwesentlichen Teilen auf das nach §
109 SGG eingeholte Gutachten stützt und damit das Gutachten Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung gewonnen hat (vgl. Bayerisches
LSG, Beschluss vom 18.01.2012 - L 2 U 221/11 B - juris, Rn. 9; Müller in: Roos/Wahrendorf,
SGG, 1. Aufl. 2014, §
109, Rn. 29). Vorliegend hat sich das LSG Baden-Württemberg in dem die Berufung des Klägers zurückweisenden Urteil vom 15.05.2019
(L 3 SB 2384/18) wesentlich auf das Gutachten des Dr. K. vom 01.12.2017 gestützt. Das Gutachten war wesentlich für die Feststellung, dass
in der Zeit vom 20.12.2013 bis zum 23.01.2019 der Einzel-GdB für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" nicht
mehr als 30 betragen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG. Bei Beschwerdesachen nach §
109 Abs.
1 Satz 2 letzter Halbsatz
SGG hat das Beschwerdegericht eine Kostenentscheidung zu treffen, weil das Beschwerdeverfahren seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 05.05.2004 einen eigenständigen Verfahrensabschnitt bildet (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R - juris, Rn. 20; Bayerisches LSG, Beschluss vom 27.07.2012 - L 16 SB 2/12 B - juris, Rn. 12; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
176, Rn. 5a). Die Pflicht zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten trifft die Staatskasse und nicht den Beklagten
des Hauptsacheverfahrens. Das vorliegende Verfahren, in dem um die endgültige Kostentragung für eine Begutachtung nach §
109 Abs.
1 SGG gestritten wird, liegt gänzlich außerhalb der Interessensphäre des Beklagten. Ursächlich für die dem Kläger im Beschwerdeverfahren
entstandenen Kosten ist nicht ein Verhalten des Beklagten, sondern die im Beschwerdeverfahren korrigierte Entscheidung des
Sozialgerichts (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 27.07.2012 - L 16 SB 2/12 B - juris, Rn. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.04.2016 - L 14 R 562/12 B - juris, Rn. 13; a. A.: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2013 - L 13 SB 83/13 - juris, Rn. 7).
Diese Entscheidung ist nach §
177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.