Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Streitig ist die Absenkung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 04.05.2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Alg II für die Zeit vom 01.05.2011 bis 31.10.2011.
Wegen Nichterfüllung der Auflagen eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes vom 03.03.2011 stellte
der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.07.2011 den Eintritt einer Minderung des Anspruches auf Alg II um 30 vH für die Zeit
vom 01.08.2011 bis 31.10.2011 und wegen (erneuter) Nichterfüllung um 60 vH für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2011 (Bescheid
vom 14.09.2011) fest. Mit Bescheid vom 27.10.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26.11.2011 bewilligte der Antragsgegner
dem Antragsteller auf seinen Weiterzahlungsantrag hin Alg II für die Zeit vom 01.11.2011 bis 31.12.2011 unter Berücksichtigung
der Minderung um 60 vH und für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.04.2012 in ungekürzter Höhe.
Wegen der Minderungsbescheide vom 20.07.2011 und 14.09.2011 hat der Antragsteller jeweils einstweiligen Rechtsschutz beim
Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt. Er hat die ungekürzte Auszahlung der bewilligten Leistungen für September und Oktober 2011 begehrt. Das SG hat diese Anträge mit Beschluss vom 19.12.2011 abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die beiden Minderungsbescheide
seien nicht anzuordnen (S 8 AS 1327/11 ER verbunden mit S 8 AS 1328/11 ER). Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 11 AS 153/12 BER), über die noch nicht entschieden ist.
Mit weiterem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat der Antragsteller beim SG die Auszahlung der ungekürzten Leistungen für Dezember 2011 begehrt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss vom 19.12.2011 hat das SG den Antrag auf Auszahlung der ungekürzten Leistung für Dezember 2011 als unzulässig abgelehnt, denn die Frage der Kürzung
des Anspruches auf Alg II für diese Zeit sei bereits Gegenstand des Verfahrens S 8 AS 1327/11 ER sowie des Beschwerdeverfahrens L 11 AS 153/12 BER und von daher bereits rechtshängig. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG mit Beschluss vom 21.12.2011 mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das
SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Antragsteller "Nichtzulassungsbeschwerde" zum LSG eingelegt. Die Beschlüsse des SG seien "rechtsmangelhaft". Eine Kürzung der Leistungen habe nicht erfolgen dürfen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten aus dem Verfahren
L 11 AS 153/12 BER und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die vom Antragsteller eingelegte "Nichtzulassungsbeschwerde" ist als unzulässig zu verwerfen. Ein solches Rechtsmittel
steht gegen die vorliegende Entscheidung des SG nicht zur Verfügung; es ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Eine Auslegung der "Nichtzulassungsbeschwerde" in eine Beschwerde
führt ebenfalls zu keinem Erfolg, denn diese gemäß §§
172 Abs
1,
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) iVm §
127 Abs
2 Satz 2
Zivilprozessordnung (
ZPO) ausgeschlossen. Der Wert des Beschwerdegegen-standes in der Hauptsache überschreitet nicht den Betrag von 750,00 EUR (§
144 Abs
1 SGG).
Dabei stellt §
172 Abs
3 SGG keine abschließende Regelung dar. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des §
172 Abs
1 HS 2
SGG ("soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist"). Eine Bestimmung in diesem Sinn ist auch in §
73a Abs
1 Satz 1
SGG zu sehen, der u.a. auf §
127 Abs
2 Satz 2 HS 2
ZPO verweist, wonach die Beschwerde bei einem PKH-Verfahren ausgeschlossen ist, wenn aufgrund des Streitgegenstandes kein zulassungsfreies
Rechtsmittel in der Hauptsache stattfinden kann (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 07.11.2011 - L 11 AS 754/11 B PKH - sowie Beschluss vom 18.04.2011 - L 11 AS 221/11 B PKH - veröffentlicht in juris mwN). Diese Auslegung ist aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn
und Zweck der Regelung herzuleiten und auch die neue Fassung des §
172 SGG durch das Gesetz zur Änderung des
SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) sowie durch das 3. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2011 (BGBl. I S.
1127) spricht gegen eine andere Betrachtungsweise. Die Beschwerdefähigkeit einer PKH-Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren,
in dem ein Rechtsmittel Zulassung bedarf, würde der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, die Rechtspflege zu entlasten,
denn ohne diese Einschränkung käme es in einem Nebenverfahren zu einer intensiveren rechtlichen Prüfung, die im Hauptsacheverfahren
gerade ausgeschlossen werden soll (vgl. hierzu Beschluss des Senates aaO.). In diesem Zusammenhang stellt gerade die Regelung
des §
172 Abs
3 Nr
2 SGG einen Beleg für den gesetzgeberischen Willen dar, die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen PKH-Verfahren weiter einzuschränken
als in anderen Verfahrensarten (§
127 Abs
2 Satz 3
ZPO, § 11a Abs 3 ArbGG, §
166 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -), die unmittelbar oder durch Verweis auf die
ZPO eine Beschwerdemöglichkeit vorsehen, soweit PKH aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei abgelehnt
worden ist.
Unter dem Aspekt der einheitlichen Rechtsordnung ist kein systematisch nachvollziehbarer Ansatz zu erkennen, aus welchen Gründen
der Gesetzgeber die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen Verfahren (Beschwerde bei Ablehnung wegen hinreichender Erfolgsaussicht;
nicht jedoch wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen) gegenläufig zu den übrigen Verfahrensordnungen
(Beschwerde bei Ablehnung wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen; nicht jedoch wegen hinreichender
Erfolgsaussichten) hätte ausgestalten sollen, sodass §
172 Abs
3 Nr
2 SGG - bei Vergleich mit anderen Verfahrensordnungen - nicht als abschließende Regelung in Bezug auf die Beschwerdemöglichkeiten
im PKH-Verfahren anzusehen ist, sondern als zusätzliche, über §
127 Abs
2 Satz 2 HS 2
ZPO hinausgehende Beschränkung des sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.
Hierbei ist gemäß §
127 Abs
2 Satz 2 HS 2
ZPO ausdrücklich auf den Streitwert der Hauptsache abzustellen, nicht jedoch auf die Möglichkeit der Berufung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens.
Diese Auslegung ergibt sich aus einem Vergleich mit der Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit durch §
172 Abs
3 Nr
1 SGG. Dort ist auch lediglich von einer zulässigen, nicht aber von einer eventuell zuzulassenden Berufung die Rede (vgl. hierzu
die Beschlüsse des Senates aaO.).
Nach alledem war die Beschwerde zu verwerfen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).