Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; Anordnung der aufschiebenden Wirkung; Verletzung der Mitwirkungspflicht
beim Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Bestreitung des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft
Gründe:
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Bg) begehrt Leistungen nach SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (Bf) hat der Bg Leistungen mit Bescheid vom 24.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 11.05.2009 mit der Begründung versagt, sie lebe seit sechs Jahren in einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft
mit Herrn H. Dieser verdiene als Informatiker wohl genug bzw. habe Vermögen. Herr H habe aber entsprechende Auskünfte verweigert,
so dass bei der Bg Leistungen nach § 60, 66 SGB X wegen mangelnder Mitwirkung versagt werden müssten.
Hiergegen hat die Bg Klage zum Sozialgericht München eingereicht, über die bislang noch nicht entschieden ist, und anschließend
dort die Gewährung von Leistungen im Wegen des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13.07.2009 Leistungen in Höhe von 242,33 Euro monatlich bis zum 31.01.2009 im Wege
einer Regelungsanordnung nach §
86 b Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zugesprochen. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde im Unklaren gelassen. Jedoch hat das Sozialgericht im Wege der Abwägung
eine Regelungsanordnung zugunsten der Bg erlassen. Zwar läge wohl eine Einstehens- und Verantwortungspartnerschaft vor. Trotzdem
seien angesichts der unklaren Einkommens- und Vermögenslage des Partners Leistungen zu gewähren.
Hiergegen hat die Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und gleichzeitig die Aussetzung der Vollstreckung
des Beschlusses des Sozialgerichts beantragt.
Mit Beschluss des Senatsvorsitzenden wurde die Vollstreckung des Beschlusses des Sozialgerichts ausgesetzt, da das Sozialgericht
nicht über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Versagungsbescheid entschieden hat und damit eine
Regelungsanordnung durch den Versagungsbescheid gesperrt war.
Die Bf hält die Entscheidung des Sozialgerichts für nicht haltbar, nachdem dieses selbst das Vorliegen einer Einstehens- und
Verantwortungsgemeinschaft angenommen habe. Die Bg verweist auf die Entscheidung des Sozialgerichts, die zutreffend sei.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die gerichtlichen Akte erster und zweiter Instanz.
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
Das Sozialgericht hat sich nicht hinreichend mit der Wirkung der Klage gegen den Versagungsbescheid auseinandergesetzt und
nicht über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage entschieden.
Die Bg durfte davon ausgehen, dass die Regelungsanordnung des Sozialgerichts eine solche Entscheidung beinhaltet und musste
nicht ihrerseits Beschwerde einlegen, um im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
zu erreichen.
1. Im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zugunsten der Bg zu entscheiden.
Denn der Versagungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig. Die Bf hat die Versagung der Leistung
darauf gestützt, dass der angebliche Partner der Bg seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Eine solche Mitwirkungspflicht,
die zur Versagung der Leistungen eines Antragstellers führen kann, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
aber gerade dann nicht, wenn das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungspartnerschaft bestritten wird. In einem solchen
Fall ist die Mitwirkung des die Gemeinschaft bestreitenden Partners über solche Maßnahmen zu bewirken, wie sie gegenüber unbeteiligten
Dritten getroffen werden können. Dem Antragsteller kann die mangelnde Mitwirkung Dritter nicht so vorgehalten werden, dass
ihm die Leistung mangels Mitwirkung versagt wird.
Vielmehr ist anhand der Prinzipien der Sachverhaltsermittlung und ggf. Beweislast über den Anspruch des Antragstellers zu
entscheiden.
Die Versagung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung Dritter - und als solche ist die Weigerung der Mitwirkung des vermuteten
Partners hier zu sehen - ist jedenfalls rechtswidrig. Die Bf hat erneut über einen Anspruch der Antragstellerin zu entscheiden.
2. Im Hinblick auf die Regelungsanordnung des Sozialgerichts, wonach der Antragstellerin Leistungen zu gewähren sind, hat
die Beschwerde Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Bg Leistungen gewährt werden, muss
abgelehnt werden.
Denn es ist weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch von der Bg glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund im Sinne vom Eilbedürftigkeit ist nicht ersichtlich. Die Bg lebt seit Jahren mit Herrn H zusammen. Herr
H ist der Bg stets zur Seite gestanden, zumindest soweit es um die Verhinderung von Notlagen geht. Auch jetzt bestehen keine
objektiven Anhaltspunkte, dass Herr H die Bg nicht weiter versorgen würde, geschweige denn dass er die Bg aus der Wohnung
entfernen würde. Vielmehr lässt sich Herr H dahingehend ein, dass er erst in Zukunft plane, die gemeinsame Wohnung aufzulösen,
ohne hierfür die geringsten Aktivitäten zu belegen.
Schon mangels Anordnungsgrund kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Frage.
Zudem ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass nach den
objektiven Hinweistatsachen sowie der gesetzlichen Vermutungsregelung eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft angenommen
werden muss. Die Bg hat nichts vorgetragen bzw. objektiv belegt, was die Vermutungsregelung entkräften könnte. Erst recht
ist es ihr - umgekehrt - nicht gelungen, einen eigenen Anspruch glaubhaft zu machen, also zum Entkräften der Vermutungsregelung
noch zusätzlich glaubhaft zu belegen, dass tatsächlich keine Partnerschaft besteht.
Bei bestehender Einstehens- und Verantwortungspartnerschaft ist die Hilfebedürftigkeit der Bg anhand des gemeinsamen Einkommens
und Vermögens zu beurteilen. Weigert sich ein Partner - wie hier - seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen,
ist seitens eines Antragstellers die Hilfebedürftigkeit nicht ausreichend belegt. Hierfür trägt regelmäßig der Antragsteller
die Beweislast und der Anspruch ist mangels Hilfebedürftigkeit zu verneinen.
Ob im Ausnahmefall abweichend von diesem Grundsatz Leistungen gewährt werden müssen, wenn ein Partner die Auskünfte verweigert,
kann hier dahingestellt bleiben. Denn Herr H bezieht seit Jahren ein regelmäßiges Einkommen, von dem die Bg und er leben konnten.
Umstände, dass das Einkommen von Herrn H jetzt nicht mehr reichen könnte, um einen möglichen Hilfebedarf abdecken zu können,
sind nicht ersichtlich, erst recht nicht, dass Herr H selbst hilfebedürftig wäre.
Nach alledem ist auf die Beschwerde der Beschluss des Sozialgerichts insoweit aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und der Erwägung, dass einerseits der Versagungsbescheid rechtswidrig war, die Bg andererseits keinen Erfolg mit ihrem Leistungsbegehren
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hat, so dass bei hälftigem Erfolg eine Hälftelung der Kosten angemessen erscheint.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.