Bestimmung des Streitwerts im sozialgerichtlichen Verfahren bei Beitragsstreitigkeiten über einen Veranlagungsbescheid in
der gesetzlichen Unfallversicherung
Gründe
1. Wird das Verfahren in anderer Weise als durch Urteil beendet, so hat gemäß §
161 Abs.
1 VwGO das Gericht durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.
Da die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat, waren ihr die Kosten gemäß §
155 Abs.
2 VwGO aufzuerlegen.
2. Den Streitwert setzt gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG das Gericht für die zu erhebenden Gebühren fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder
sich das Verfahren anderweitig erledigt.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 52 Abs. 1 GKG der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Streitgegenstand ist ein Veranlagungsbescheid, mit dem ab dem 01.01.2011 die Einstufung in Gefahrklassen auf unbestimmte Zeit
festgelegt wurde. Dadurch erhöhte sich der von der Klägerin zu zahlende Beitrag von 1876 EUR im Jahr 2010 auf 2789 EUR im
Jahr 2011, wobei sich allerdings auch gleichzeitig die Lohnsumme erhöht hatte. Die Beitragsdifferenz zwischen den Jahren 2011
von 2010 beträgt also 913 EUR, wobei diese Differenz nicht allein auf die streitgegenständliche Änderung des Gefahrtarifs,
sondern auch auf die Erhöhung der Lohnsumme als maßgeblichen Berechnungsfaktor zurückging. Nicht in ihrer genauen Höhe bekannt
sind die Auswirkungen auf die Beitragslast für die Jahre 2012 und 2013.
Für die erste Instanz hat das Sozialgericht den Streitwert auf 15.000 EUR festgesetzt und sich dabei auf die Entscheidung
des BSG vom 03.05.2006 (Az. B 2 U 415/05 B) gestützt. Danach richtet sich der Streitwert bei einem Streit über die Veranlagung eines Unternehmens nach dem Gefahrtarif
der Berufsgenossenschaft nach der Höhe der mit der Klage erstrebten Beitragsersparnis. Anzusetzen sei das Zweifache des Differenzbetrags
zwischen dem nach der bisherigen Veranlagung zu zahlenden und dem bei einem Erfolg der Klage zu erwartenden Jahresbeitrag,
mindestens aber der dreifache Auffangstreitwert.
Dagegen hat das BSG später durch Beschluss vom 05.03.2008 (Az. B 2 U 353/07 B) entschieden, dass in Beitragsstreitigkeiten mindestens der gesetzliche Auffangstreitwert zu Grunde zu legen ist, weil die
den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die
Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind.
Becker/ Spellbrink (NZS 2012, 283) haben die Unstimmigkeiten in der Rechtsprechung des BSG zum Streitwert in unfallversicherungsrechtlichen Beitragsstreitigkeiten ausführlich dargestellt und selbst die Auffassung
entwickelt, dass zunächst der konkret für ein Jahr streitige Betrag zu ermitteln ist, dieser dann mit maximal dem Faktor 3
zu vervielfachen ist, wenn die wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger wegen der Auswirkungen auf spätere Beitragsjahre höher
ist, und dass der einfache Auffangstreitwert von 5000 EUR zu Grunde zu legen ist, wenn der konkrete Betrag nicht zu ermitteln
ist. Der vom LSG Rheinland-Pfalz herausgegebene Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2012 hat sich dieser Auffassung
angeschlossen.
Der Senat schließt sich der von Becker/ Spellbrink entwickelten und in den Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit
2012 übernommenen Auffassung an. Hierfür spricht, dass zum einen § 42 Abs. 1 GKG bei Streitigkeiten betreffend Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für den Streitwert den dreifachen Jahresbetrag für
maßgebend erklärt, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Umgekehrt enthält § 52 Abs. 2 GKG keine Anhaltspunkte, die eine Verdreifachung des Auffangstreitwerts rechtfertigen würden, und auch § 42 Abs. 1 Satz 2 GKG verweist bei Verfahren betreffend Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, bei denen die Höhe des Jahresbetrags nicht nach
dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar ist, auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine Verdreifachung unverhältnismäßig wäre in Fällen, in denen - wie in dem vorliegenden
- die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Beiträge in drei Jahren erheblich geringer als der dreifache Auffangstreitwert
sind. Demnach ist als Streitwert in Streitigkeiten über Veranlagungsbescheide in der gesetzlichen Unfallversicherung festzusetzen
die tatsächliche bzw. zu erwartende streitige Beitragslast für die ersten drei Umlagejahre, sofern der Gefahrtarif keine kürzere
Laufzeit hat. Ist dieser Wert nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand festzustellen, ist auf den Auffangstreitwert in Höhe
von 5000 EUR nach § 52 Abs. 2 GKG zurückzugreifen.
Somit ist im vorliegenden Fall der einfache Auffangstreitwert von 5000 EUR nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen, da die in den ersten drei Umlagejahren aufgrund der angefochtenen Veranlagung streitige Beitragsdifferenz aufgrund
der bisherigen Angaben der Parteien nicht exakt zu ermitteln ist. Hierfür spricht auch, dass der in den ersten drei Umlagejahren
nach den vorhandenen Angaben in etwa streitige Betrag bei einer Größenordnung von 3 x 913 EUR = knapp 3000 EUR dem Auffangstreitwert
relativ nahekommt.
Die Parteien haben sich nach Anhörung mit dieser Entscheidung für einverstanden erklärt. Insbesondere haben die Parteien von
der ihnen angebotenen Möglichkeit, weitere Details zur exakten Berechnung der streitigen Beitragsdifferenz in den Jahren 2011
bis 2013 zu benennen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Entscheidung trifft der Berichterstatter gemäß §
155 Abs.
4 i. V. m. Abs.
2 Satz 1 Nrn. 4 und 5
SGG.
Der Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.