Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Fahrten zur ambulanten ärztlichen Behandlung
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen hat.
Der 1964 geborene, in A-Stadt wohnende Kläger ist als Rentner bei der Beklagten versichert. Er leidet an einer HIV-Infektion
mit den Begleitkrankheiten arterielle Hypertonie, Asthma bronchiale, reaktive Depression, Schlafapnoe-Syndrom, degeneratives
Wirbelsäulensyndrom und Fettverteilungsstörung durch antivirale Therapien. Er hat mit Schreiben vom 25.11.2007 bei der Beklagten
die Übernahme der Fahrkosten zum Facharzt nach N. in Höhe von 42,00 Euro monatlich beantragt. Es gebe in A-Stadt keine geeigneten
niedergelassenen Fachärzte, so dass er gezwungen sei, auf N. auszuweichen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29.11.2007 den
Antrag auf Erstattung von Fahrkosten mit der Begründung abgelehnt, Fahrten zur ambulanten Behandlung könnten laut Gesetz nicht
übernommen werden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, es gebe dort keine gleichwertige Facharztpraxis,
wie sie in N. von Dr. A. betrieben werde. Mit weiterem Bescheid vom 19.03.2008 lehnte die Beklagte die beantragte Erstattung
der Fahrkosten erneut ab und wies darauf hin, dass beim Kläger die Ausnahmeregelungen zur Kostenerstattung nicht vorliegen.
Die Beklagte holte vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) ein Gutachten zur medizinischen Notwendigkeit
der Behandlung des Klägers in N. ein. Dr. H. kam dabei zu dem Ergebnis, sämtliche Krankheiten des Klägers könnten medizinisch
adäquat in A-Stadt behandelt werden. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2008 zurück.
Bereits am 13.03.2008 ging Klage beim Sozialgericht Würzburg ein. Am 31.03.2008 erklärte der Kläger zur Niederschrift beim
Sozialgericht Würzburg, die Beklagte habe mitgeteilt, sie sei unzuständig, er solle sich an das Sozialamt wenden. Weiter gibt
der Kläger an, durch Behandlungen in der Universitätsklinik A-Stadt sei er medikamentenabhängig gemacht worden. Er lehne die
Behandlung dort ab. Die Fahrt koste einfach 18,80 Euro nach N., die U-Bahn-Fahrt 2,20 Euro. Daraus errechne sich der Betrag
von 42,00 Euro für Hin- und Rückfahrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 01.07.2008 wies das Sozialgericht den Kläger
darauf hin, dass hepathologische Schwerpunktpraxen auch in F., S. und Bad K. ausgewiesen seien. Darüber hinaus gebe es Ambulanzen
in der Universitätsklinik A-Stadt, in der Missionsärztlichen Klinik A-Stadt und in K ... Der Kläger hat angegeben, der behandelnde
Arzt habe ihm gegenüber geäußert, dass vergleichbare Behandlungen nur in Frankfurt, München oder Stuttgart vorgenommen werden
könnten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.07.2008 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der geltend
gemachten Fahrkosten durch die Beklagte. Der Kläger habe seine Klage zwar zutreffend auf die Zeit nach der Antragstellung
beschränkt, da eine Kostenübernahme ohnehin erst nach vorheriger Genehmigung möglich wäre. Aus den gesetzlichen Bestimmungen
ergebe sich jedoch, dass der Gesetzgeber Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen grundsätzlich nicht mehr als Kassenleistung
ansehen wolle, außer wenn besonders erhöhte Belastungen durch eine regelmäßige Behandlung in hoher Behandlungsfrequenz erfolgt.
Dies ergebe sich aus §
60 Abs.
1 Satz 1
SGB V, wonach die Krankenkassen die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach §
133 SGB V übernehme, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig seien.
Hierzu führe Satz 3 aus, dass die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach §
61 Satz 1
SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen übernehme, die der Gemeinsame Bundesausschuss
in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 (Krankenhaustransport-Richtlinien) festgelegt habe. Eine weitere Anspruchsgrundlage
könnte bestehen, wenn durch die ambulante Krankenbehandlung eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung
vermieden werde. Beim Kläger liege keine dieser Voraussetzungen vor. Eine HIV-Kontrollbehandlung falle auch nicht unter den
vom Gemeinsamen Bundesausschuss aufgestellten Ausnahmekatalog. Es handele sich auch nicht um vergleichbare Fälle, es fehle
an der notwendigen hohen Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum. Es reiche keinesfalls aus, dass eine Behandlung
ca. einmal im Quartal notwendig sei. Die bisher explizit zugelassenen Ausnahmefälle hätten alle eine Behandlungsfrequenz von
mehrmals in der Woche gehabt. Damit gebe es keine gesetzliche Grundlage für eine Kostenübernahme durch die Beklagte.
Gegen die Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die dieser zur Niederschrift am 01.08.2008 eingelegt hat. Zur
Begründung führt der Kläger mit Schreiben vom 02.09.2008 aus, er sei von dem ehemaligen Leiter der Fachabteilung HIV an der
Uni A-Stadt an die Arztpraxis Dr. A. nach N. überwiesen worden. Daher verstehe er nicht, weshalb der Medizinische Dienst jetzt
vorschreibe, dass er wieder an die Uni A-Stadt solle. Er habe zur Uni A-Stadt kein Vertrauen in Sachen HIV, da dort jedes
Mal andere Ärzte anwesend seien sowie auch Pflegepersonal, dies sei nicht gerade vertrauenswürdig. Bei der Arztpraxis Dr.
A. habe er ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Er habe ja die ganze Zeit die Fahrkosten selbst aus eigener Tasche bezahlt,
dies sei ihm leider nicht mehr möglich. Der Kläger legt zwei Atteste der Gemeinschaftspraxis Dr. A./Dr. H. vom 14. und 15.08.2008
vor. Da sie seit über 15 Jahren HIV-Patienten betreuten, sähen sie es auch in Zukunft als erforderlich an, dass die Betreuung
des Klägers weiterhin durch HIV-spezialisierte Hausärzte erfolgen sollte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 01.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm jeweils die Fahrkosten
von A-Stadt nach N. und zurück zur erforderlichen Behandlung in der Praxis Dr. A. zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unabhängig von den bereits vom Sozialgericht Würzburg dargestellten Gründen, wonach eine Übernahme der Fahrkosten für die
hier streitgegenständlichen Behandlungen ohne hin nicht möglich sei, verweist sie im Übrigen auf die Bestimmungen des §
76 Abs.
2 SGB V, wonach, sofern ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächst erreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmenden Ärzte oder medizinischen Versorgungszentren in Anspruch genommen werde, der Versicherte die Mehrkosten zu tragen
habe. Bereits die erste Instanz habe in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2008 darauf hingewiesen, dass entsprechende Schwerpunktpraxen
bzw. Ambulanzen sowie Klinikeinrichtungen wohnortnah für den Kläger zur Verfügung stünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen
Bezug genommen.
II. Die gemäß §
143 SGG statthafte Berufung, die form- und fristgerecht eingelegt wurde (§
151 SGG), ist zulässig. Der Senat konnte gemäß §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten hierzu angehört
worden sind.
Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte und das Sozialgericht haben zutreffend entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
für eine Übernahme der Fahrkosten nicht gegeben sind. Dies ergibt sich aus §
60 Abs.
1 Satz 1
SGB V, wonach die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach §
133 SGB V übernimmt, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind.
Solche Gründe sieht der Senat ebenso wenig wie die Beklagte und das Sozialgericht. Die Voraussetzungen des § 8 der Richtlinien
des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach
§
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
12 SGB V (Krankentransport-Richtlinien) i. d. F. vom 22.01.2004, zuletzt geändert am 21.12.2004, veröffentlich im Bundesanzeiger 2005,
Nr. 41 S. 2937 sind nicht erfüllt. Nach § 8 Abs. 1 der Richtlinien können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten
Behandlung außer der in § 7 Abs. 2 Buchstabe b und c geregelten Fälle bei medizinischer zwingender Notwendigkeit von der Krankenkasse
übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Bei den
Fahrten des Klägers von A-Stadt nach N. handelt es sich nicht um Fahrten i. S. d. § 7 Abs. 2 Buchstabe b und c. Buchstabe
b betrifft Fahrten zu einer vor- oder nachstationären Behandlung gemäß §
115 a SGB V, wenn dadurch eine aus medizinischer Sicht gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung verkürzt oder
vermieden werden kann. Buchstabe c betrifft Fahrten zu einer ambulanten Operation gemäß §
115 b SGB V im Krankenhaus oder in der Vertragsarztpraxis mit im Zusammenhang mit dieser Operation erfolgender Vor- oder Nachbehandlung.
Beim Kläger steht weder eine vor- oder nachstationäre Behandlung gemäß §
115 a SGB V noch eine ambulante Operation gemäß §
115 b SGB V zur Debatte. Es handelt sich lediglich um Fahrten zur ambulanten ärztlichen Behandlung nicht am Wohnort des Klägers.
Auch die in § 8 Abs. 2 und 3 der Richtlinien geregelten Ausnahmemöglichkeiten liegen nicht vor. Hierzu hat bereits das Sozialgericht
überzeugend ausgeführt, dass von einer hohen Behandlungsfrequenz nicht gesprochen werden kann, wenn die Behandlung ca. einmal
im Quartal vorgenommen wird. Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass der Senat mit Urteil vom 26.03.2009 (L 4 KR 235/07) entschieden hat, dass es sich bei einer durchschnittlich einmal monatlich stattfindenden Nachsorgeuntersuchung um keine
hohe Behandlungsfrequenz handelt. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28.07.2008 (B 1 KR 27/07 R) hat der Senat weiter ausgeführt, dass von einer hohen Behandlungsfrequenz i. a. R nur auszugehen ist, wenn eine Behandlung
mindestens einmal wöchentlich anstehe. Der Senat hält auch im Fall des Klägers an dieser Rechtsprechung fest. Die Berufung
ist damit unbegründet. Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger seinen - neben der gewünschten Verpflichtung zur
zukünftigen Zahlung - bisher angefallenen Fahrkosten, die er erstattet haben möchte, nicht beziffert und belegt hat.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §
193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
1 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Als grundsätzlich sieht der Senat, anders als in der Streitsache L 4 KR 235/07, wo es um wöchentliche Krankenfahrten geht, die hier zu lösenden Streitfragen bei der geringen Frequenz der Fahrten nicht
an.