Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung.
Die 1943 geborene und bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin leidet unter anderem an degenerativen Wirbelsäulenveränderungen
mit gelegentlichen Schmerzen, Adipositas per magna mit Fettschürze, tablettenpflichtigem Diabetes mellitus, Hypertonus und
einer beginnenden Gonarthrose rechts.
Am 10. Mai 2006 ging bei der Beklagten ein ärztliches Attest zur Erlangung von Leistungen der Pflegeversicherung der die Klägerin
behandelnden Ärzte für Innere Medizin und vom 5. Mai 2006 ein. Ein der Klägerin daraufhin von der Beklagten übersandtes Antragsformular
ging am 12. Juni 2006 bei der Beklagten ein. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK). Die Gutachterin verneinte in ihrem Gutachten vom 10. August 2006 das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit:
Der tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege umfasse 0 Minuten; der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung
betrage täglich 45 Minuten. Mit Bescheid vom 22. August 2006 lehnte die Beklagte, gestützt auf die Feststellungen des MDK,
den Antrag auf Gewährung von Pflegegeld ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 24. August 2006 wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2006 zurück.
Mit der am 11. Januar 2007 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht
hat das Gutachten der Ärztin vom 12. Juni 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. September 2007 eingeholt. Die Sachverständige
kam zu dem Ergebnis, dass Pflegebedürftigkeit nicht vorliege. Im Bereich der Grundpflege setzte sie einen täglichen Hilfebedarf
von 18 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf von täglich 36 Minuten an und verwies
auf eine verstärkte Schwerfälligkeit im Rahmen zunehmender Fettsucht, die im Wesentlichen den festgestellten höheren Bedarf
im Bereich der Grundpflege begründe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. Mai 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin
die Voraussetzungen für die Zuordnung in die Pflegestufe I nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen, die
Feststellungen der MDK-Gutachterin im Ergebnis bestätigt habe, nicht erfülle.
Gegen das am 11. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Juni 2010 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt,
mit der sie insbesondere auf eine weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und einen erneuten Antrag auf Leistungen
der Pflegeversicherung verweist.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung der Klägerin durch den MDK, der ausweislich des Gutachtens vom
30. Oktober 2010 das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe I ab 1. September 2010 feststellte. Der MDK ermittelte
im Bereich der Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf von 46 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung einen
Hilfebedarf von täglich 60 Minuten. Dem folgend gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 5. November 2010 rückwirkend
ab 1. September 2010 Pflegegeld der Stufe I. Die Klägerin verfolgt danach ihr Begehren auf Gewährung von Pflegegeld der Stufe
I beschränkt auf den Zeitraum vom 10. Mai 2006 bis zum 31. August 2010 weiter.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2006 in der Fassung des Bescheides vom 5. November 2010 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 10. Mai 2006 bis zum 31. August 2010 Pflegegeld der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für den noch streitbefangenen Zeitraum für zutreffend, wobei von einer Antragstellung
erst zum 12. Juni 2006 auszugehen sei.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge
der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch
vertreten gewesen ist. Denn die Klägerin ist ordnungsgemäß über den Termin unterrichtet und in der Terminsmitteilung auf diese
Möglichkeit hingewiesen worden.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage für den vorliegend noch streitbefangenen Zeitraum vom 10. Mai 2006 bis zum 31. August
2010 abgewiesen. Der Leistungen der Pflegeversicherung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 22. August 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2006 in der Fassung des Bescheides vom 5. November 2010 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann das begehrte Pflegegeld der Pflegestufe I für diesen Zeitraum mangels
Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht beanspruchen. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob das am 10. Mai 2006
bei der Beklagten eingegangene Attest der Ärzte für Innere Medizin und als eine durch die Klägerin genehmigte Antragstellung
durch Dritte gemäß §
7 Abs.
2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) i.V.m. § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angesehen werden kann.
Nach §
37 SGB XI setzt der Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe nach der Pflegestufe I u. a. voraus, dass
der Anspruchsteller pflegebedürftig ist und Pflegestufe I zugeordnet werden kann. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach §
14 Abs.
1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen
und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs
Monate in erheblichen oder höheren Maße der Hilfe bedarf, die nach §
14 Abs.
3 SGB XI in der Unterstützung in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder
in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als außergewöhnliche
und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach §
14 Abs.
4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen,
Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung, das mundgerechte
Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und das Zubettgehen, das An-
und Auskleiden, das Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassung und wieder Aufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der
hauswirtschaftlichen Versorgung, das Einkaufen, Kochen, das Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche
und Kleidung oder das Beheizen.
Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus
einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine nicht als Pflegekraft ausgebildete
Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, hat hierbei
wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten zu betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen
müssen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Grundpflegebedarf
der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum vom 10. Mai 2006 bis 31. August 2010 wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 45
Minuten betrug. Das Sozialgericht ist mit Recht und zutreffender Begründung den überzeugenden Feststellungen der sachverständigen
Ärztin gefolgt, welche zudem im Ergebnis die Feststellungen der Gutachterin im Verwaltungsverfahren bestätigt hat. Auf die
insoweit zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils vom 12. Mai 2010 wird nach §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen.
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Soweit sich ab 1. September
2010 infolge einer im Verlauf des Verfahrens fortschreitenden gesundheitlichen Verschlechterung eine geänderte Sachlage ergeben
hat, so hat die Beklagte dem mit Bescheid vom 5. November 2010 durch rückwirkende Gewährung von Pflegegeld der Stufe I ab
1. September 2010 hinreichend Rechnung getragen. Für den die Vergangenheit betreffenden noch streitbefangenen Zeitraum vom
10. Mai 2006 bis zum 31. August 2010 sind hingegen die Voraussetzungen für das Vorliegen der Pflegestufe I unter Berücksichtigung
der überzeugenden zeitnahen Feststellungen der MDK-Gutachterin sowie der Sachverständigen, die übereinstimmend keine Pflegestufe
festgestellt haben, nicht nachgewiesen. Insoweit lassen sich auch aus den Feststellungen des MDK zum Vorliegen der Voraussetzungen
der Pflegestufe I ab 1. September 2010 keine hinreichenden Rückschlüsse ziehen, zumal die Klägerin mit dem ermittelten Hilfebedarf
von 46 Minuten täglich im Bereich der Grundpflege auch nur knapp die Voraussetzungen für die Zuordnung der Pflegestufe I erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst. Den geänderten Verhältnissen hat die Beklagte mit Bescheid
vom 5. November 2010 von selbst hinreichend Rechnung getragen.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen von §
160 Abs.
2 SGG nicht zuzulassen.