Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Ausgleichs nach § 85 Abs. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen der Folgen der Wehrdienstbeschädigung vom 29. April 2009.
Der 1982 geborene Kläger ist am 1. Januar 2004 in den Dienst der Bundeswehr eingetreten. Der Vertragsarzt der Bundeswehr Dr.
C. vermerkte bei der Einstellungsuntersuchung: "Keine Änderung des Gesundheitszustands seit der Musterung/Annahmeuntersuchung,
keine akuten Beschwerden." Am 27. Juli 2007 erlitt der Kläger im Rahmen einer Truppenübung einen Hörsturz.
Am 29. April 2009 befand sich der Kläger im Rahmen eines Auslandseinsatzes in Afghanistan. Er war als Fahrer eines Fahrzeugs
vom Typ Dingo in der Infanterie-Kompanie D. eingesetzt, als das Fahrzeug gegen 19:00 Uhr von einer RPG-7-Granate getroffen
wurde, welche die Panzerung durchdrang und unter der Sitzbank explodierte. Bei diesem Angriff aus dem Hinterhalt auf die deutsche
Patrouille fand ein deutscher Soldat den Tod, sieben weitere Soldaten wurden verletzt. Erst am nächsten Tag konnten die verletzten
Soldaten im Rettungszentrum D. ärztlich versorgt werden. Im Medical Report vom 25. Juni 2009 (Bericht über die Behandlung
des Klägers im Rettungszentrum D.) ist als Diagnose "Knalltrauma, Tinnitus beidseits" aufgeführt. Der Kläger sei nach dem
Ereignis vom 29. April 2009 mit dem sog. Koblenzer Standardschema (Stennert-Schema) behandelt worden. Anschließend habe man
es versäumt, die folgende orale Therapie Pentoxyphyllin schemagerecht durch orale Cortisongabe zu ergänzen. Aufgrund der persistierenden
Hörminderung bis -60 dB(A) habe man nach einem Kontrollaudiogramm entschieden, die Stennert-Infusion zu wiederholen und habe
den Kläger hierzu vom 21. Juni 2009 bis 25. Juni 2009 stationär aufgenommen. Der Kläger wurde am 3. Juli 2009 nach Deutschland
zurückverlegt und stellte sich zur weiteren Behandlung am 8. Juli 2009 im Bundeswehrkrankenhaus Berlin vor.
Am 1. September 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) durch eine
ärztliche Mitteilung des Oberstabsarztes Dr. E. Als vorläufige Krankheitsbezeichnung wurde angegeben: Beidseitiger Hörverlust
durch Schallempfindungsstörung, Posttraumatische Belastungsstörung. Die Beklagte leitete daraufhin das entsprechende Verwaltungsverfahren
ein.
Dr. E. erstellte am 19. Februar 2010 ein truppenärztliches Gutachten. Unter dem Punkt "eigene Vorgeschichte" hielt er unter
anderem fest: Zustand nach Hörsturz 2007. Er hielt folgende geklagte Beschwerden des Klägers fest: Tinnitus, fast ständig,
Einschlafstörungen, Kopfschmerzen, Hörminderung beidseits und dadurch Zwang zum Tragen von Hörgeräten, Gewöhnungsschwierigkeiten
an das Tragen der Hörgeräte. Als aktuellen Befund hielt er fest: unauffälliger psychischer Befund, Hörminderung beidseits
mit der Notwendigkeit zum lebenslangen Tragen der Hörgeräte.
Die Beklagte holte im Anschluss daran eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. F., Arzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin
und Umweltmedizin ein. Dieser führte unter dem 29. März 2010 aus, der Kläger habe am 29. April 2009 ein beidseitiges Knalltrauma
erlitten. Er regte weitere Untersuchungen zur Abgrenzung eines Vorschadens an, da sich der Kläger im Jahr 2007 in HNO-ärztlicher
Behandlung befunden habe. Im Hinblick auf die psychischen Beschwerden sei davon auszugehen, dass die Belastungsreaktion ausgeklungen
sei.
Der Kläger gab unter dem 8. Juni 2010 zum Vorfall im Jahr 2007 an, er sei als Fahrer auf dem Truppenübungsplatz eingesetzt
gewesen und habe unter hohem zeitlichen Belastungsdruck gestanden. Der behandelnde Arzt habe ihm gegenüber diese Belastung
als Grund für den Hörsturz genannt.
In einer zweiten Stellungnahme vom 19. August 2010 hielt Dr. F. fest, dass die Gehörteste, welche nach dem Ereignis am 29.
April 2009 und die am 28. Juni 2007 angefertigt wurden, im Wesentlichen den gleichen Verlauf zeigten. Lediglich das beidseitige
Ohrgeräusch (Tinnitus) sei neu hinzugekommen. Es handele sich bei dem durch das Ereignis am 28. Juni 2007 hervorgerufenen
Gesundheitsschaden um einen wehrdienstbedingten Vorschaden des Gehörs, der durch das Ereignis am 29. April 2009 verschlimmert
worden sei. Einen GdS von mindestens 25 für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten verneinte er.
Prof. Dr. G. (Bundeswehrkrankenhaus Ulm) hielt unter dem 17. September 2010 fest, dass bei dem Kläger eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit
vorliege. Hierbei handele es sich um eine seit längerer Zeit bestehende Lärmschwerhörigkeit, welche durch das Knalltrauma
im Rahmen des Auslandseinsatzes in D. verschlechtert wurde.
Dr. F. führte in einer weiteren Stellungnahme vom 27. September 2010 aus, dass der beidseitige Gehörschaden als Folge eines
bei dem Attentat erlittenen Knalltraumas gewertet werden müsse. Zu dem Ereignis vom Juni 2007 hält er nun fest, der beidseitige
Hörsturz sei nicht als wehrdienstbedingt zu werten. Ein GdS von mindestens 25 liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 17. November 2010 stellte die Beklagte folgende Gesundheitsstörungen als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung
fest: "knalltraumatisch bedingte beidseitige Innenohr-Hochtonstörung mit beidseitigem Ohrgeräusch, konservativ behandelt",
psychische Belastungsreaktion, nach konservativer Behandlung abgeklungen". Ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG bestehe nicht, da der GdS nicht mindestens 25 betrage.
Dagegen legte der Kläger Beschwerde ein. Zur Begründung führte er an, es sei kein ärztliches Gutachten erstellt worden, welches
ihm zugänglich gemacht worden sei. Zudem sei eine prozentuale Feststellung des Grades seiner Hörbehinderung nicht getroffen
worden.
Mit Beschwerdebescheid vom 27. Juni 2011 wies die Beklagte die Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der GdS
für die anerkannten Folgen der WDB liege unter 25.
Dagegen hat der Kläger am 27. Juli 2011 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen erhoben. Mit Beschluss vom 23. Januar 2012
hat sich das Sozialgericht Reutlingen für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Kassel verwiesen.
Der Kläger hat zur Klagebegründung vorgetragen, dass sein Hörvermögen durch den Vorfall in Afghanistan derart beeinträchtigt
sei, dass im Zusammenhang mit dem Tinnitus ein GdS von mindestens 25 erreicht werde. Das Bundeswehrkrankenhaus Berlin habe
ihn im September 2011 wegen der Hörstörung als vorübergehend nur bedingt verwendungsfähig (keine Lärmexposition über 85 dB)
eingestuft.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei Dr. H. (Hausarzt/Oberfeldarzt), Dr. J. (Oberfeldärztin für HNO-Krankheiten), Dr.
K. (Oberstabsärztin), Dr. L. (HNO-Ärztin, Bundeswehrkrankenhaus Berlin) und Prof. Dr. G. (HNO-Arzt, Bundeswehrkrankenhaus
Ulm) eingeholt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Sachverständigengutachten gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch den Facharzt für HNO-Krankheiten M. sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N.
Der HNO-Arzt M. hat in seinem Gutachten vom 19. Februar 2014 als Diagnosen festgestellt: Beiderseitige Hörstörung und beiderseitige
Tinnituswahrnehmung. Diese Gesundheitsstörungen seien auf das Ereignis am 29. April 2009 zurückzuführen. Bei der jetzt festgestellten
Hörstörung handele es sich um eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit
links. Hierfür sei ein GdS von 20 anzunehmen. Für die beiderseitige Tinnituswahrnehmung ohne psycho-vegetative Begleiterscheinung
sei ein GdS von 10 anzunehmen, so dass in der Gesamtbewertung ein GdS von 25 vorliege. Dieser Schädigungsgrad liege seit dem
Zeitpunkt der Untersuchung (19. Februar 2014) vor.
Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 25. Februar 2014 festgehalten, dass auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Erkrankungen
vorlägen.
Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Sozialmedizinerin Dr. O. vom 15. Juni 2014 hat die Beklagte eingewandt, dass ein
GdS von unter 25 vorliege. Der Sachverständige M. habe einen Hörverlust rechts von 30 %, links von 40 % nach den Tabellen
von Röser und Boenninghaus errechnet. Er habe bestätigt, dass vor dem Ereignis am 29. April 2009 eine Hörstörung im Jahr 2007
vorgelegen habe. Diese sei als relevanter Vorschaden zu beurteilen, so dass die jetzt festgestellte Hörminderung nicht in
ursächlichem Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit dem Ereignis vom 29. April 2009 stehe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. November 2014 hat der HNO-Arzt M. ausgeführt, dass er bei der GdS-Bildung den
Vorschaden berücksichtigt habe. Anhand der sprachaudiometrischen Angaben des Klägers im Jahre 2007 sei ein Hörverlust von
rechts 0 % und rechts 20 % zu ermitteln, entsprechend einer rechtsseitigen Normalhörigkeit und linksseitigen knapp geringgradigen
Schwerhörigkeit. Aus dieser Konstellation lasse sich kein messbarer GdS ableiten. Demgegenüber sei das gesamte Ausmaß des
Hörschadens zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung einem GdS von 15 zuzuordnen. Nach seiner Einschätzung sei eine
beidseitige Tinnituswahrnehmung des Klägers zusätzlich mit einem GdS von 10 zu berücksichtigen. Der Gesamt-GdS betrage maximal
20.
Das Sozialgericht hat daraufhin ein weiteres Sachverständigengutachten gemäß §
106 SGG bei dem Facharzt für HNO-Krankheiten P. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 13. Mai 2015 folgende Diagnosen gestellt:
Innenohrschwerhörigkeit beidseits, Tinnitus aurium beidseits, Zustand nach Explosionstrauma. Hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitszusammenhangs
hat der Sachverständige ausgeführt, dass eine klare Bewertung des Schadens nicht möglich sei. Ebensowenig sei eine Bewertung
dazu möglich, ob die festgestellten Gesundheitsstörungen auf körpereigene Ursachen zurückzuführen seien. Er hält einen GdS
von 15 für die Hörstörung und einen GdS von 10 für den Tinnitus sowie einen Gesamt-GdS von 20 für gegeben.
Mit Urteil vom 18. November 2015 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. November 2010
in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 27. Juni 2011 verurteilt, dem Kläger einen Ausgleich gemäß § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) nach einem Grad der Schädigung von 25 seit dem 19. Februar 2014 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Bescheid
vom 17. November 2010 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 27. Juni 2011 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in
seinen Rechten aus §
54 Abs.
2 SGG, soweit der Anspruch auch über den 19. Februar 2014 hinaus abgelehnt worden sei. Der Kläger habe einen Anspruch auf Ausgleich
nach § 85 Abs. 1 SVG i.V.m. § 30, 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen der Folgen der Wehrdienstbeschädigung vom 29. April 2009 ab dem 19. Februar 2014. Für den Zeitraum vom 29. April 2009
bis 18. Februar 2014 bestehe kein Anspruch, da der GdS in diesem Zeitraum unter 25 gelegen habe. Nach § 85 Abs. 1 SVG erhielten Soldaten wegen der Folgen der Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente
und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 des BVG. Der Beklagte habe mit Bescheid vom 17. November 2010 knalltraumatisch bedingte beidseitige Innenohr-Hochtonstörung mit beidseitigem
Ohrgeräusch als Wehrdienstbeschädigung nach § 81 SVG anerkannt. Zwischen den Beteiligten sei im vorliegenden Verfahren einzig die Höhe des GdS streitig. Beschädigte erhielten
gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente, deren Höhe sich nach dem GdS richte. Die Gewährung einer Grundrente komme erst ab einem GdS von
25 in Betracht (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BVG). Der GdS sei nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen,
geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt seien, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS sei nach Zehnergraden
von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS werde vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhielten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Da jedoch nach § 30 Abs. 1 Satz 2 auch ein bis zu fünf Grad geringerer GdS vom höheren Zehnergrad umfasst sei, bedeute dies, dass der Anspruch
auf eine monatliche Grundrente bereits ab einem GdS von 25 bestehe. Nach § 30 Abs. 17 BVG werde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verteidigung
und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung
von Schädigungsfolgen maßgebend seien. Diese Rechtsverordnung sei mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Versorgungsmedizinverordnung
- VersMedV -) geschaffen worden, die sich inhaltlich mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht
und nach dem Schwerbehindertenrecht deckten. Mit der Neufassung des § 30 BVG sei der Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch den Begriff "Grad der Schädigungsfolgen" (GdS) ersetzt worden
(Röhr/Sträßer/Dahm, BVG Kommentar, Stand Januar 2009, § 30 Nr. 1a). Inhaltlich würden sich nach den VersMedV und der Ersetzung des Begriffs der MdE durch den GdS keine Unterschiede ergeben. Für die Bewertung von Schäden am Hörorgan
gelte Teil B Punkt 5 der Anlage zu § 2 der VersMedV. Danach sei maßgebend für die Bewertung des GdS bei Hörstörungen die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung
ohne Hörhilfen zu bestimmen sei. Der Beurteilung sei die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-
und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (Punkt 5.2.4 der Anlage zu § 2 der VersMedV) zugrunde zu legen. Seien mit der Hörstörung andere Erscheinungen verbunden, z.B. Ohrgeräusche (…), so könne der GdS entsprechend
höher bewertet werden. Das Gericht habe keine begründeten Zweifel daran, dass die anerkannten Folgen der WDB ursächlich mit
Wahrscheinlichkeit auf dem Ereignis vom 29. April 2009 beruhten. Bei der Beurteilung der haftungsbegründenden ebenso wie der
haftungsausfüllenden Kausalität sei im sozialen Entschädigungsrecht die Theorie der wesentlichen Bedingung heranzuziehen.
Ursachen seien die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg, zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt
hätten. Hätten mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, seien sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen,
wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig seien. Komme einem der Umstände
gegenüber einem anderen eine überragende Bedeutung zu, sei dieser Umstand Alleinursache im Sinne des BVG (Hessisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2008, L 4 VG 6/07, Rn. 22; Doering-Striening in: Berchtold/Richter (Hrsg.), Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 17 Rn. 90). Die festgestellten
Gesundheitsstörungen müssten ihre Ursache mit Wahrscheinlichkeit wesentlich im schädigenden Ereignis gehabt haben. Eine solche
Wahrscheinlichkeit sei gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen
solchen ursächlichen Zusammenhang spreche (vgl. Teil C Nr. 3 der Anlage zu § 2 der VersMedV). Es genüge also nicht eine bloße Möglichkeit, vielmehr müsse das Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass der ursächliche
Zusammenhang wahrscheinlich sei. Anzumerken sei insoweit, dass der Beklagte in dem Bescheid vom 17. November 2010 selbst festgestellt
habe, dass der ursächliche Zusammenhang nach § 81 Abs. 6 SVG vorliege (sog. haftungsbegründende Kausalität). Die Beklagte habe jedoch die sog. haftungsausfüllende Kausalität unter Verweis
auf einen Vorschaden aus dem Jahr 2007 verneint. Nach Teil C Nr. 12 a) der Anlage zu § 2 der VersMedV sei ein Vorschaden eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung, die bei Eintritt der Schädigung bereits nachweisbar bestanden
habe. Nach Teil C Nr. 12 aa) der Anlage zu § 2 der VersMedV müsse der schädigungsbedingte GdS niedriger sein als der GdS, der sich aus dem nun bestehenden Gesamtschaden ergebe, es sei
denn, dass der Vorschaden nach seinem Umfang oder seiner Art keine wesentliche Bedeutung für die gesamte Gesundheitsstörung
habe. Das Sozialgericht schließe sich den Ausführungen des Sachverständigen M. zu diesem Punkt an, der keine wesentliche Vorschädigung
des Gehörs sehe. Er habe nachvollziehbar ausgeführt, dass das Gehör grundsätzlich in der Lage sei, sich nach einem Hörsturz
(so im Jahr 2007 für den Kläger dokumentiert) zu erholen und sich im vorliegenden Fall auch erholt habe. Diese Bewertung decke
sich auch mit den Angaben von Dr. F., der in der Stellungnahme vom 27. September 2010 feststellt habe, dass das Gehör des
Klägers bei einem Gehörtest am 13. Januar 2009 einen unauffälligen Verlauf der Hörkurven gezeigt habe. Nach diesen Maßstäben
sei das Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger wegen der anerkannten Folgen der WDB insgesamt ein GdS
von 25 seit dem 19. Februar 2014 (Zeitpunkt der Untersuchung bei dem Sachverständigen M.) bestehe. Bei dem Kläger bestünden
als Folge der WDB seit dem 19. Februar 2014 eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit
links. Das Ausmaß der Hörstörung sei unter Zugrundelegung der Tabelle von Boenninghaus und Roeser rechts mit 30 % und links
mit 40 % festzuhalten. Hierfür sei nach der Tabelle in Punkt 5.2.4 der Anlage zu § 2 der VersMedV ein GdS von 20 anzunehmen. Das Sozialgericht sei bei einem medizinisch geklärten Sachverhalt nicht an die Vorschläge zur
Bewertung des GdS durch einen Sachverständigen gebunden (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Januar 2014, L 7 VE 11/12, juris,
Rn. 35). Das Sozialgericht habe vorliegend unter Zugrundelegung einer geringgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer mittelgradigen
Schwerhörigkeit links die vorgenannte Tabelle konsequent angewandt und so einen GdS von 20 ermittelt. Insbesondere gehe aus
dieser Tabelle hervor, dass ab einem Hörverlust von 40 % von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit gesprochen werden könne.
Ein Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen sei nach Teil B Punkt 5.3 der Anlage zu § 2 der VersMedV mit einem GdS von 0 - 10 zu bewerten. Da der Tinnitus, welcher als Folge der WDB auch anerkannt sei, bei dem Kläger permanent
und beidseits vorhanden sei, halte das Sozialgericht einen GdS von 10 für zutreffend. Dies habe auch der Sachverständige M.
angenommen. Den Ausführungen des Facharztes P. könne insoweit nicht gefolgt werden, da der Sachverständige einen GdS von 5
angegeben habe, der so jedoch nicht existiere. Eine andere Bewertung des GdS im Hinblick auf den von der Beklagten vorgetragenen
"Vorschaden" aus dem Jahr 2007 ergebe sich für das Sozialgericht nicht.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 26. Januar 2016 zugestellte Urteil am 24. Februar 2016 vor dem Hessischen Landessozialgericht
Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass ein ausgleichsberechtigender GdS nicht festgestellt worden sei. Auch
der Sachverständige M. habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. November 2014 festgestellt, dass der Gesamt-GdS 20
v.H. betrage. Im Übrigen liege die objektive Beweislast beim Kläger. Daher könne der Umstand, dass ein Erstschadensbild erst
nach 2 Tagen dokumentiert sei, nicht die objektive Beweislast umkehren. Schließlich bedinge ein GdS von 10 v.H. außer in begründeten
Ausnahmefällen keine Erhöhung des Gesamt-GdS.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Er hat darauf verwiesen, dass der Sachverständige M. einen Gesamt-GdS
von 25 v.H. festgestellt habe.
Der Senat hat gemäß §
106 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. Q. eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers unter dem 17. Februar 2017
zusammenfassend festgestellt, dass bei dem Kläger ein Schallereignis am 29. April 2009 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
eine Hörschädigung mit Tinnituswahrnehmung verursacht hat. Das letzte vor dem Ereignis durchgeführte Audiogramm zeige ein
beiderseitiges Normalgehör, so dass es sich bei diesem Schadensereignis nicht um eine Verschlimmerung eines vorbestehenden
Leidens handele. Es könne davon ausgegangen werden, dass zu diesem Zeitpunkt keine Vorschädigung beider Ohren bestanden habe.
Insoweit sei die gesamte Diskussion über einen Hörsturz im Jahre 2007 müßig, da dieses Tonschwellenaudiogramm belege, dass
zu dem Zeitpunkt vor dem Schallereignis am 29. April 2009 keine Hörschädigung bestanden habe. Die in der Folgezeit gemessene
beiderseitige Hörminderung sei also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das vorgenannte Schallereignis zurückzuführen.
Es handele sich dabei mithin nicht um eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens. Der Auffassung der Sozialmedizinerin
Dr. O. könne in keinem Punkt gefolgt werden. Die von ihr vertretenen Auffassungen würden nicht der allgemeinen wissenschaftlichen
Lehrmeinung entsprechen. Das Ausmaß der Schädigung, die im Laufe der Jahre zugenommen habe, sei anfangs am 16. Juli 2009 im
Sprachaudiogramm bei Anwendung des gewichteten Gesamtwortverstehens mit einem Hörverlust von 10 % auf dem rechten Ohr und
10 % auf dem linken Ohr bewertet worden. Die gutachterliche Untersuchung des Klägers habe sicherlich zu schlechte Ergebnisse
gezeigt, so dass die Bewertung im Gutachten P. wie auch bei der heutigen Untersuchung mit einem Hörverlust auf dem rechten
Ohr von 20 % und auf dem linken Ohr von 30 % wahrscheinlicher und zutreffend erscheine. Diese Werte ließen die bestehende
Hörminderung als eine beiderseits geringgradige Schwerhörigkeit einschätzen. Daraus ergebe sich ein GdS von 15 für die Hörstörung.
Der Tinnitus, durch welchen der Kläger psychovegetativ nicht erheblich eingeschränkt sei, sei seit dem 19. Februar 2014 mit
einem GdS von 10 zu bewerten. Gehe man davon aus, dass ein GdS von 10 bei der Gesamtbewertung zu keiner Erhöhung aufgrund
des wegen der Hauptbeschwerdesymptomatik ermittelten GdS führe, sei ein Gesamt-GdS mit 15 festzustellen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand
der Entscheidung waren, Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 17. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27. Juni 2011 den Antrag des Klägers auf Ausgleich nach § 85 SVG abgelehnt. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. November 2015 war daher entsprechend aufzuheben.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist ein aus dieser Wehrdienstbeschädigung resultierender GdS von mindestens 25
allerdings nicht nachgewiesen, so dass ein Ausgleichsanspruch gemäß § 85 SVG i.V.m. §§ 30 f. BVG nicht besteht.
Gemäß Teil A: 3. a) VersMedV sind, soweit mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, Einzel-GdS anzugeben. Bei der Ermittlung des Gesamt-GdS durch
alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen
der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Hierzu muss aus der ärztlichen Gesamtschau heraus beachtet werden, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander
unterschiedlich sein können, Teil A: 3. d) VersMedV. Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit)
abgesehen - führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des
Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen,
Teil A: 3. d) ee) VersMedV.
Dementsprechend hat der Sachverständige M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. November 2014 - nach entsprechenden
Ausführungen des Beklagten - seine Feststellungen zum Gesamt-GdS zutreffend korrigiert und diesen anstelle mit 25 v.H. nunmehr
mit 20 v.H. bewertet. Der Sachverständige Prof. Dr. Q. hat in seinem überzeugenden Gutachten vom 17. Februar 2017 festgestellt,
dass eine beidseits geringgradige Schwerhörigkeit vorliegt, die einen GdS von 15 ergibt und der vorliegende Tinnitus einen
GdS von 10 bedingt. Hieraus folgt maximal ein Gesamt-GdS von 15 v.H. Dies steht im Einklang mit den Bestimmungen in Teil B
5.2.4 und der Anmerkung zu Teil B 5.3 der VersMedV. Ein Gesamt-GdS von mindestens 25 ist mithin nicht nachgewiesen.