Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall nach dem SGB VII; Objektive Beweislast des Unfallversicherungsträgers; Berücksichtigung von Schwindel als nichtversicherte Wirkursache bei
der Beurteilung der Unfallkausalität; Berücksichtigung eines nicht arretierten Schreibtischrollcontainers als betriebsspezifisches
Risiko
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines am 16. Oktober 2008 erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall nach dem Sozialgesetzbuch
Siebtes Buch (
SGB VII).
Der 1964 geborene Kläger ist Biologe und war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses als Laborleiter im Tumorvakzinationszentrum
des Klinikums der D. Universität D-Stadt beschäftigt. Am 16. Oktober 2008 befand sich der Kläger gegen 10:30 Uhr in seinem
Büro, um Daten in den PC einzugeben. Als er nach Abschluss dieser Arbeit von seinem Schreibtisch aufstand, um zu dem in einem
anderen Raum befindlichen Labor zu gehen, wurde ihm nach eigenen Angaben nach wenigen Schritten schwindlig. Bei dem Versuch,
sich mit der rechten Hand auf einem im Büro befindlichen, unter dem dortigen Waschbecken stehenden Schubladenrollcontainer
abzustützen, rutschte dieser weg, der Kläger stürzte zu Boden und blieb für einige Minuten bewusstlos liegen. Beim Sturz zerbrach
ein Brillenglas des Klägers und perforierte die linke Hornhautlinse. Der Kläger bemerkte, nachdem er das Bewusstsein wiedererlangt
hatte, eine deutliche Visusreduktion links und wurde daher zur notfallmäßigen Versorgung in die Augenklinik der D. Universität
D-Stadt verbracht. Dort erfolgten noch am Unfalltag eine Hornhautnaht und eine Linsenabsaugung. Im Rahmen weiterer Operationen
wurden am 3. März 2009 die Hornhautnaht und am 20. August 2009 der Hornhautfaden entfernt. Am 21. April 2010 erfolgte eine
Hornhauttransplantation (Keratoplastik). Die zur Abklärung der Synkope veranlasste internistische und neurologische Untersuchung
ergab keinen Befund.
Mit Schreiben vom 8. April 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer "Unfallrente" für die Folgen des
Ereignisses vom 16. Oktober 2008, da er seit dem Unfall nur noch mit einem Auge sehen könne und er durch diesen Verlust des
räumlichen Sehens seine vor dem Unfall ausgeübte Tätigkeit habe aufgeben und sich beruflich neu orientieren müssen. Er fügte
seinem Antrag den Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales E-Stadt vom 31. März 2010 über die Zuerkennung
eines Grades der Behinderung von 30 für eine beidseitige Sehbehinderung bei.
Die Beklagte veranlasste im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung eine augenärztliche Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr.
E. - Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums E-Stadt und A-Stadt (Gutachten vom 24. September 2010). Der Gutachter
diagnostizierte bei dem Kläger eine Aphakie (Linsenlosigkeit) nach erfolgter Hornhauttransplantation und eine hierdurch bedingte
Aufhebung des räumlichen Sehens sowie ein deutlich reduziertes Sehvermögen auf dem linken Auge. Diese Beeinträchtigungen seien
in ihrer Gesamtheit ursächlich auf das Ereignis vom 16. Oktober 2008 zurückzuführen. Die MdE betrage 25 v. H. für die Zeit
vom 1. Oktober 2008 bis voraussichtlich Ende 2011.
Im Anschluss zog die Beklagte die Behandlungsberichte der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikum E-Stadt und A-Stadt
GmbH bei und befragte den behandelnden Arzt und vorherigen Gutachter des Klägers - Prof. Dr. E. - zum Heilungsverlauf. Dieser
teilte am 25. März 2011 mit, dass die Heilbehandlung noch nicht beendet sei. Erst nach dem Zug des zweiten Hornhautfadens
und einer ggf. noch durchzuführenden Implantation einer torischen Intraokularlinse sowie der eventuell vorzunehmenden Entfernung
der hinteren Linsenkapsel könne über ein endgültiges Untersuchungsergebnis berichtet werden. Hinsichtlich der MdE-Einschätzung
ergebe sich bis dato keine Änderung.
Des Weiteren befragte die Beklagte die Universitätsmedizin D-Stadt der D. Universität zum Arbeitsverhältnis des Klägers. Die
zuständige Abteilung Personalservice teilte am 27. Dezember 2010 mit, der Kläger sei zum 31. Dezember 2008 durch einvernehmlichen
Aufhebungsvertrag aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden. Ob hierfür die unfallbedingte Verletzung maßgebend sei,
könne nicht beantwortet werden. Seit März 2009 sei der Kläger als wissenschaftlicher Referent bei der F-Universität A-Stadt
beschäftigt. Ferner zog die Beklagte Arbeitsplatzbeschreibungen und Verdienstbescheinigungen des alten und neuen Arbeitgebers
des Klägers bei.
Vor dem Hintergrund der Dauer der Ermittlungen erhob der Kläger am 14. November 2011 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht
Marburg und begehrte die Bescheidung seines Antrags vom April 2010 (Az.: S 3 U 99/11). Im Verlauf dieses Verfahrens erging am 21. Dezember 2011 ein Bescheid, mit dem die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses
vom 16. Oktober 2008 als Arbeitsunfall ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, der Unfall sei rechtlich wesentlich auf eine
körpereigene Ursache - den vom Kläger angegebenen Schwindel - zurückzuführen. Die der versicherten Tätigkeit zuzuordnende
Verrichtung zur Zeit des Unfalls stelle hingegen keine rechtlich wesentliche Bedingung für den Eintritt des Unfalls dar. Der
Nachweis, dass Art und Schwere der Verletzung rechtlich wesentlich durch eine Betriebseinrichtung verursacht worden seien,
könne ebenfalls nicht geführt werden. Da sich der Kläger an den Aufprall nicht erinnern könne und eine Gehirnerschütterung
bei der ärztlichen Untersuchung nicht festgestellt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Bewusstlosigkeit schon
während des Sturzvorgangs eingetreten sei, so dass der Kläger auch ohne den rollbaren Schubladencontainer zu Boden gestürzt
wäre. Der Unfall wäre somit in gleicher Weise auch ohne die Betriebseinrichtung eingetreten, so dass eine solche nicht als
wesentliche Ursache für den Unfall angesehen werden könne.
Der Kläger erhob, nachdem er das Verfahren betreffend die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt hatte, am 3. Januar 2012
Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 21. Dezember 2011. Zur Begründung gab der Kläger an, der am Unfalltag aufgetretene
Schwindel habe seine Ursache nicht in der körpereigenen Konstitution, sondern sei auf die äußeren Arbeitsumstände am Unfalltag
zurückzuführen. Sein Arbeitsbereich habe sich zu dieser Zeit in der Umzugsphase befunden. Er habe zum damaligen Zeitpunkt
einen Teil der Arbeit eines Kollegen miterledigen und den Arbeitsort ständig wechseln müssen. Der Unfall selbst habe sich
während der Ausführung von Arbeiten am PC und dem beabsichtigten Wechsel zum Labor ereignet. Ihm sei, nachdem er vom Arbeitsplatz
am PC aufgestanden und zwei Schritte gegangen sei, aufgrund der Hektik "schummerig" geworden. Er habe versucht, sich an einem
nicht arretierbaren, jedenfalls nicht arretierten Schreibtischcontainer festzuhalten, der ihm aber entglitten sei. Hierdurch
sei er gestürzt. In der Gesamtschau bestehe somit ein unmittelbarer Sachzusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit und
der unfallbedingten Verletzung. Selbst wenn man von einer inneren Ursache ausgehen würde, sei die unfallbedingte Verletzung
letztlich durch eine zusätzliche äußere Einwirkung in Form des Sturzes verursacht worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2012 mit der Begründung zurück, dass zwar der
Sturz auf den Boden eine "äußere Einwirkung" darstelle, die aber nicht durch die Arbeitstätigkeit, sondern durch den körpereigenen
Schwindel ausgelöst worden sei. Insofern fehle nicht die äußere Einwirkung, sondern die innere Beziehung zur Arbeitstätigkeit.
Im Übrigen seien die Angaben des Klägers im Widerspruchsverfahren, ihm sei wegen der beruflichen Hektik schwindlig geworden,
nicht nachvollziehbar. Die vom Kläger geschilderte Arbeitssituation sei nicht über die Anforderungen einer anstrengenden,
aber bei leitenden Angestellten regelmäßig auftretenden Arbeitsschicht hinausgegangen. Insbesondere könne nicht angenommen
werden, dass es sich um eine außergewöhnliche, die körperliche Konstitution der Mitarbeiter angreifende Belastung gehandelt
habe. Auch habe der Kläger als Leiter des Labors die Möglichkeit gehabt, die Arbeit einzuteilen und Aufgaben zu delegieren.
Hiergegen richtet sich die Klage, die der Kläger am 29. Februar 2012 beim Sozialgericht Marburg erhoben und zu deren Begründung
er sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren bezogen hat. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass
zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls eine hohe Arbeitsdichte bedingt durch den Ausfall eines Mitarbeiters und
die Umzugssituation geherrscht habe. Diese besondere Stresssituation habe über längere Zeit bestanden. In der Zeit vor dem
Unfallereignis habe er keine gesundheitlichen Probleme, insbesondere keine Schwindelanfälle gehabt, was sich aus der beigefügten
Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. vom 19. Juni 2012 ergebe. Letztlich sei Ursache für den Unfall ein nicht
ordentlich fixierter Schubladencontainer im Arbeitsbereich gewesen, der beim Abstützen mit der Hand weggerollt sei und zu
dem Sturz auf den Boden geführt habe, was den Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit ebenfalls belege.
Die Beklagte hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, es sei im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Angaben
des Klägers zum Unfallhergang nachgewiesen, dass vor der äußeren Einwirkung in Form des Sturzes auf den Boden eine körpereigene
Erscheinung - der Schwindel/die Synkope - aufgetreten sei, die als konkurrenzfähige Ursache neben die versicherte Verrichtung
trete und in der Bewertung als rechtlich wesentlich anzusehen sei. Selbst wenn aufgrund der erfolgten internistischen Abklärung
eine körpereigene Ursache für den Schwindel bzw. die Synkope am Unfalltag nicht zweifelsfrei bewiesen sei, bedeute dies im
Umkehrschluss nicht, dass der Schwindel/die Synkope durch betriebsbedingte Umstände verursache worden sei. Ein letztlich ungeklärter
Sturz in "nur" zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit führe nicht notwendig zur Anerkennung
des Vorgangs als Arbeitsunfall. Die zur begehrten Anerkennung des streitigen Ereignisses als Arbeitsunfall erforderliche Kausalkette
bestehe vielmehr nur dann, wenn ein tätigkeitsbezogener Schwindel - z. B. durch besondere Umstände am Arbeitsplatz - nachgewiesen
werden könne. Dies werde von der Beklagten aber gerade in Zweifel gezogen. Sie gehe vielmehr davon aus, dass ein arbeitsbedingter
Grund für den Schwindel nicht feststellbar sei und somit der Schwindel eine Gelegenheitsursache für den Sturz darstelle, welche
die Kausalkette durchbreche. Letztlich könne auch nicht angenommen werden, dass eine betriebsbedingte Einrichtung am Zustandekommen
des Unfalls mitgewirkt habe, denn der Kläger sei nicht gestürzt, weil er sich am Rollcontainer festgehalten habe, sondern
er habe sich festgehalten, weil er gestürzt sei.
Das Gericht hat im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere zur Klärung der Ursache der am Unfalltag aufgetretenen Schwindelsymptomatik,
Befundberichte beim Herz- und Gefäßzentrum A-Stadt (Bericht vom 14. Juni 2012), bei der Fachärztin für Augenheilkunde Dr.
H. (Bericht vom 14 Juni 2012), bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. (Bericht vom 20. Juni 2012), bei der Klinik für
Augenheilkunde des Universitätsklinikums E-Stadt und A-Stadt (Bericht vom 19. Juni 2012), bei der Universitäts-Augenklinik
D-Stadt (Bericht vom 2. August 2012) sowie bei der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin D-Stadt (Bericht
vom 21. Januar 2013) eingeholt.
Im Anschluss hat das Sozialgericht nach einer Befragung des Klägers zum Unfallhergang im Termin zur mündlichen Verhandlung
am 31. Oktober 2014 durch Urteil vom selben Tag den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. Februar 2012 aufgehoben und das Ereignis vom 16. Oktober 2008 als Arbeitsunfall anerkannt. Zur Begründung hat das Sozialgericht
ausgeführt, dass in Bezug auf das Ereignis vom 16. Oktober 2008 sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung als Arbeitsunfall
erfüllt seien. Insbesondere sei auch die Unfallkausalität gegeben. In diesem Kontext reiche es für den Ausschluss der versicherten
Tätigkeit als wesentliche Ursache für das Unfallereignis nicht aus, wenn feststehe, dass der Versicherte eine als Konkurrenzursache
grundsätzlich in Frage kommende Grunderkrankung als innere Ursache in sich trage und somit ein konkurrierender körpereigener
Umstand latent und abstrakt vorliege. Vielmehr müsse in Fallkonstellationen dieser Art auch feststehen, dass diese innere
Ursache tatsächlich kausal geworden sei, d. h. einen Ursachenbeitrag gesetzt und das konkrete Unfallereignis zumindest mitverursacht
habe. Ein Schwindel aus innerer Ursache, welcher infolge einer Grunderkrankung des Klägers an der Arbeit aufgetreten sei,
lasse sich vorliegend jedoch ebenso wenig im Vollbeweis nachweisen, wie das Vorliegen einer anderen Konkurrenzursache. Die
Annahme der Beklagten, ein Schwindel sei per se Folge einer inneren Ursache, werde von der Kammer nicht geteilt. Ein Schwindel
könne sowohl versicherte als auch unversicherte Ursachen haben und stelle für sich genommen lediglich ein Symptom dar. Um
insoweit eine innere Ursache annehmen zu können, müsse eine Grunderkrankung im Vollbeweis belegt sein, welche zu dem vom Kläger
beschriebenen Schwindelgefühl oder einer Bewusstlosigkeit führen könne. Eine solche manifeste Grunderkrankung sei jedoch nach
den geführten Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren weder auf internistischem noch auf neurologischem Fachgebiet feststellbar
gewesen. Die Nichterweislichkeit einer inneren Ursache gehe zu Lasten der hierfür beweispflichtigen Beklagten. Deren Auffassung,
Grund für den Sturz sei ein Schwindel aus innerer Ursache, sei reine Spekulation und somit für die Unfallkausalität nicht
maßgebend.
Gegen die ihr am 7. Januar 2015 zugestellte Entscheidung des Sozialgerichts wendet sich die Beklagte mit ihrer am 9. Januar
2015 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegten Berufung, mit der sie geltend macht, die erstinstanzliche Entscheidung
sei rechtlich nicht zutreffend. Zwar müsse eine konkurrierende Ursache in Form einer inneren Ursache im Vollbeweis nachgewiesen
sein. Nicht erforderlich sei aber in Fallkonstellationen der vorliegenden Art, dass gleichzeitig vor oder nach dem Unfall
eine mit Schwindelbeschwerden einhergehende behandlungsbedürftige Erkrankung ärztlich festgestellt bzw. dokumentiert werde.
Der Kläger selbst habe angegeben, dass ihm schwindlig geworden sei. Betriebsbedingte Umstände, die diesen Schwindel hätten
auslösen können, seien nach Auffassung der Beklagten nicht nachgewiesen. Bei dieser Sachlage müsse davon ausgegangen werden,
dass die äußere Einwirkung - der Sturz - rechtlich wesentlich durch die innere Ursache - den Schwindel - verursacht worden
sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 31. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er fühlt sich durch die erstinstanzliche Entscheidung in seiner Rechtsauffassung bestätigt und trägt ergänzend vor, für eine
von der Beklagten angenommene und die Schwindelattacke am Unfalltag auslösende behandlungsbedürftige Grunderkrankung gebe
es keinen substanziellen Hinweis. Der Vollbeweis für eine konkurrierende Ursache sei der Beklagten nicht einmal ansatzweise
gelungen. Vielmehr habe sie die Angaben des Klägers in der Unfallanzeige und zum Unfallhergang in einseitiger interessenorientierter
Weise interpretiert. Die Beklagte verkenne im vorliegenden Fall sowohl die in höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Unfallversicherungsrecht
entwickelten Ursachenzusammenhänge als auch die insoweit geltenden Beweismaßstäbe. Vorliegend habe allein die konkrete Arbeitssituation
am Unfalltag den Sturz und die hierbei erlittene Augenverletzung verursacht. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei die Arbeit einerseits
durch ständige Störungen infolge der noch laufenden (Um-)Bauarbeiten und andererseits durch die bereits eingeleitete Umzugsphase
mit zusätzlichen Wegen zwischen den unterschiedlichen Arbeitsbereichen geprägt gewesen. Unter diesen absolut stressfördernden
Arbeitsbedingungen sei ihm beim Gang von seinem Büroschreibtisch zum Labor schwindlig geworden. Er habe sich nach einigen
Schritten mit der rechten Hand an einem rollbaren Schubladencontainer abstützen wollen, der aber nachgegeben und in der Konsequenz
zu dem Sturz auf den Boden geführt habe.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2015 die ehemalige Arbeitskollegin des Klägers - C. C. - als
Zeugin vernommen und den Kläger zum Unfallhergang befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Befragung des
Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift vom selben Tag verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten im Sachverhalt wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143,
144 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte sowie gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht
festgestellt, dass es sich bei dem Unfall des Klägers vom 16. Oktober 2008 um einen in die Leistungspflicht der Beklagten
fallenden Arbeitsunfall handelt und die entgegenstehenden Bescheide aufgehoben.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Feststellung des Ereignisses vom 16. Oktober 2008 als Arbeitsunfall. Die Gewährung
konkreter Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfallereignisses vom 16. Oktober 2008 ist hingegen nicht (mehr) streitgegenständlich.
Insoweit fehlt es bereits an einer gemäß §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG anfechtbaren Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 21. Dezember 2011, so dass eine auf die Gewährung von Leistungen
der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage mangels eines vorherigen Verwaltungsverfahrens
unzulässig wäre. Dementsprechend hat der Kläger seinen ursprünglich noch mit der Klage geltend gemachten Leistungsantrag im
Termin zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht mehr aufrecht erhalten und verfolgt sein Begehren nunmehr zulässigerweise
im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage. Diese auf Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten
und Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage ist statthaft. Lehnt ein Versicherungsträger die Anerkennung eines
Arbeitsunfalls ab, kann der Versicherte die Grundlagen der (künftig) in Betracht kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege
der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen; die Statthaftigkeit der Feststellungsklage ergibt sich
in diesen Fällen aus §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG (BSG vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111, 113 f.; BSG vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 m. w. N). Das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche besondere Feststellungsinteresse
liegt vor, weil die Beklagte das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zum Kläger grundsätzlich bestreitet und eine nicht fernliegende
Möglichkeit für die künftige Verwirklichung der Leistungspflicht der Beklagten durch das Bestehen bzw. Auftreten von dauerhaften
Unfallfolgen besteht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. 2014, § 55 Rn. 15a; BSG vom 3. April 1990 - 8 RKnU 3/88). Vorliegend sind - ausgehend von den aktenkundigen medizinischen Befunden - künftige (Leistungs-)Ansprüche des Klägers aufgrund
des erlittenen Unfalls nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar konkret zu erwarten.
Die somit zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung
des Ereignisses vom 16. Oktober 2008 als Arbeitsunfall. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember
2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Arbeitsunfälle sind gemäß §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 bzw. §
8 Abs.
2 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt somit voraus, dass die Verrichtung des Verletzten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), dass diese versicherte Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen
auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich
wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität) (std. Rspr. BSG: BSG vom 4. Dezember 2014 - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 31; BSG vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; BSG vom 14. November 2013 B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 27; BSG vom 18. Juni 2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 47; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46; BSG vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44; BSG vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 21). Das Entstehen von (dauerhaften) Unfallfolgen aufgrund eines Gesundheitserstschadens ist keine
Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, jedoch für die Gewährung einer (hier nicht streitigen) Verletztenrente
(BSG vom 29. November 2011 - B 2 U 23/10 R; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die den Versicherungsschutz begründende Verrichtung, die (möglicherweise dadurch verursachte) Einwirkung und der (möglicherweise
dadurch bedingte) Erstschaden müssen im Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststehen (BSG vom 24. Juli 2012 B 2 u 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Demgegenüber genügt für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge
zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst
recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 4. Juli 2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90; BSG vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44; BSG vom 15. Mai 2012 B 2 U 31/11 R; BSG vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 43; BSG vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 3; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Diese Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind in Bezug auf das Ereignis vom 16. Oktober 2008 erfüllt.
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls als angestellter Laborleiter des Tumorvakzinationszentrum des Klinikums der D. Universität
D-Stadt bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 i. V. m. §
128 Abs.
1 Nr.
1a SGB VII). Die vom Kläger vor bzw. zum Unfallzeitpunkt vorgenommene Verrichtung - die Eingabe von Daten in den PC und der anschließend
beabsichtigte Gang von seinem Dienstzimmer in das Labor - war unmittelbarer Bestandteil der versicherten Tätigkeit, d. h.
dieser zuzurechnen (innerer Zusammenhang). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Sturz des Klägers auf den Boden seines Dienstzimmers stellt auch ein Unfallereignis dar. Der Kläger ist ausweislich seiner
glaubhaften Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen, nachdem er zuvor von seinem
Schreibtisch im Dienstzimmer aufgestanden und wenige Schritte in Richtung Tür gegangen war. Diese Angaben werden im Wesentlichen
durch die Aussage der Zeugin C. bestätigt, welche zum Unfallzeitpunkt im Nachbarbüro einen Knall - offensichtlich bedingt
durch das Aufschlagen des Klägers auf den Boden - wahrgenommen hat. Das zur Überzeugung des Senats nachgewiesene Aufschlagen
des Klägers auf den Boden stellt eine von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Einwirkung im Sinne des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII dar. Denn diese erfordert kein besonderes oder ungewöhnliches Geschehen. Ausreichend sind insoweit auch alltägliche Vorgänge,
wie ein Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper
einwirkt (BSG vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 42; BSG vom 27. April 2010 - B 2 U 11/09 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 14; BSG vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 3; BSG vom 30. Januar 2007 B 2 U 23/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 22; BSG vom 12. April 2005 B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269, 271; BSG vom 18. April 2000 B 2 U 7/99 R; BSG vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83; Becker, SGb 2007, 721, 726; vgl. auch Köhler, SGb 2014, S. 69, 70). Dies bedeutet, dass ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis im Sinne des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII im Fall eines Aufschlagens auf den Boden immer anzunehmen ist, unabhängig von der Frage nach der Ursache des Sturzes. Die
vorliegend zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Sturz allein oder zumindest rechtlich wesentlich durch eine innere
Ursache oder durch die versicherte Verrichtung hervorgerufen worden ist, steht somit der Annahme eines Unfallereignisses nicht
entgegen, sondern wird erst bei der Frage der Unfallkausalität relevant (so auch Köhler, SGb 2014, 69, 71).
Die Unfallkausalität ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall ebenfalls gegeben. Die Unfallkausalität bezeichnet
die ursächliche Verknüpfung zwischen der Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls und der von außen auf den Körper wirkenden,
zeitlich begrenzten Einwirkung (Unfallereignis), im vorliegenden Fall somit konkret die Frage, ob der Sturz auf den Boden
nicht nur "bei", sondern "infolge" der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit eingetreten und ihr somit zuzurechnen
ist.
Der in §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII verwendete Terminus eines "infolge der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit" eingetretenen Unfalls umschreibt den
Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit verbandszuständige Unfallversicherungsträger
überhaupt versicherungsrechtlich für Schäden und Nachteile des Verletzten einzustehen hat. Denn Versicherungsschutz in der
gesetzlichen Unfallversicherung ist durch deren Träger nicht für jedwede Schädigung zu leisten, die zeitlich während einer
versicherten Tätigkeit eintritt (BSG vom 24. Juli 2012 B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Vielmehr besteht eine Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur dann, wenn sich durch
eine Handlung des Verletzten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht,
gegen dessen Eintritt nicht nur die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand
schützen soll (BSG, aaO.).
Die somit notwendige Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert zweistufig die Erfüllung
tatsächlicher und darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die äußere
Einwirkung (und in gleicher Weise muss die äußere Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten) sowohl
objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl. BSG vom 18. Juni 2013 B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 47; BSG vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44).
Auf der 1. Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit)verursacht
wurde. Die versicherte Verrichtung muss Wirkursache des Erfolges - der Einwirkung - gewesen sein (BSG vom 26. Juni 2014 B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer
Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen und nicht nur als zufällige Randbedingung anzusehen sind (BSG vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 52). Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie,
nach der jeder Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
entfiele (conditio sine qua non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist
eine rein tatsächliche Frage (vgl. BSG vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Sie muss ex post nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über
Kausalbeziehungen beantwortet werden (vgl. BSG vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; BSG vom 24. Juli 2012 B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Auf dieser 1. Stufe ist zudem auch festzustellen, ob es neben der versicherten Ursache für die
Einwirkung noch andere konkurrierende nichtversicherte Ursachen (z. B. Krankheitsanlagen) gab.
Ist die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache für die äußere Einwirkung, besteht keine Unfallkausalität und somit keine
Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers. Steht hingegen die versicherte Tätigkeit als Wirkursache fest, muss sich
auf der 2. Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren, auf der 1. Stufe festgestellten mitwirkenden
nichtversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden
Gefahr darstellen. Bei dieser Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für die Einwirkung bzw. den
Erfolg der Einwirkung muss beurteilt werden, ob sich durch das zum Unfallereignis führende versicherte Handeln ein Risiko
verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 52; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung
der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht (BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Vielmehr sind die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten
Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks
des Versicherungstatbestandes zu bewerten (BSG vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44; BSG vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46). Andere unversicherte Wirkursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall,
wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen,
so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt.
Als kausal und rechtserheblich werden dabei nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg
zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des
praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (vgl. dazu Becker,
SGb 2007, 721, 722 f. m. w. N.).
Bezogen auf die Unfallkausalität sind folgende Fallkonstellationen denkbar: Ist die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache
für die äußere Einwirkung besteht keine Unfallkausalität und somit keine Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers.
Ist die versicherte Tätigkeit bzw. die versicherte Verrichtung zum Unfallzeitpunkt die einzige Wirkursache, d. h. können außer
dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt werden, die als Konkurrenzursachen
nach der conditio-Formel wirksam geworden sein könnten, ist die Unfallkausalität bereits auf der 1. Stufe zu bejahen. Ist
die versicherte Verrichtung im naturwissenschaftlichen Sinne als Wirkursache anzusehen und liegen nichtversicherte Konkurrenzursachen
vor, die ebenfalls im naturwissenschaftlichen Sinne für das Unfallereignis wirksam geworden sind, muss auf der 2. Stufe entschieden
werden, welche der Ursachen rechtserheblich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist (vgl. dazu: Köhler, VSSR 2013,
47, 64 ff.; ders., SGb 2014, 69, 70 ff.).
Im vorliegenden Fall kann die versicherte Tätigkeit des Klägers bzw. dessen Verrichtung im Unfallzeitpunkt (das Aufstehen
vom Schreibtisch im Dienstzimmer und der beabsichtigte Gang zum Labor) nicht - im naturwissenschaftlichen Sinne - hinweggedacht
werden, ohne dass der Sturz auf den Boden entfiele, so dass die versicherte Verrichtung Wirkursache für das Unfallereignis
ist.
Fraglich ist jedoch, ob bei dem Kläger als konkurrierende nichtversicherte Ursache für den Sturz am Arbeitsplatz ein körpereigener
Vorgang (sogenannte innere Ursache) vorgelegen hat, die im naturwissenschaftlichen Sinne ebenfalls für den Sturz maßgebend
gewesen ist. Der Kläger hat nach seinen unmittelbar nach dem Ereignis in der Unfallanzeige getätigten und im Termin zur mündlichen
Verhandlung bestätigten, zwischen den Beteiligten unstreitigen Angaben unmittelbar vor dem Sturz einen Schwindelanfall erlitten.
Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Rechtsauffassung stellt dieser Schwindelanfall eine konkurrierende nichtversicherte
(Wirk-)Ursache (innere Ursache) dar. Zwar geht das Sozialgericht zu Recht davon aus, dass die Anknüpfungstatsachen für die
innere Ursache im Vollbeweis nachgewiesen sein müssen, um in den Abwägungsprozess mit der versicherten Wirkursache einbezogen
werden zu können (BSG vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31; BSG vom 24. Februar 1988 - 2 RU 30/87; Köhler, VSSR 2013, 47, 65; ders., ZfSH/SGB 2009, 643, 651). Zutreffend ist daher auch, dass insoweit die - nicht auszuräumende - Möglichkeit oder hinreichende Wahrscheinlichkeit
einer inneren Ursache nicht ausreicht (BSG vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31) und dass der Unfallversicherungsträger die objektive Beweislast für das Vorliegen der medizinischen
Anknüpfungstatsachen für die innere Ursache trägt (vgl. dazu LSG Sachsen vom 16. September 2004 - L 2 U 35/02; LSG Baden-Württemberg vom 27. Oktober 1994 L 7 U 391/93; Köhler, ZfSH/SGB 2009, 643, 652). Selbst bei ungeklärter Ätiologie von Erkrankungen führt der erforderliche Beweis der alternativen körpereigenen Kausalfaktoren
nicht zu einer Umkehr der Beweislast (BSG vom 7. September 2004 B 2 U 34/03 R). Soweit das Sozialgericht allerdings im vorliegenden Fall eine innere Ursache nicht als im Vollbeweis nachgewiesen ansieht,
kann dem nicht gefolgt werden. Das Sozialgericht geht in diesem Kontext davon aus, dass ein manifestes Grundleiden als innere
Ursache im vorliegenden Fall nicht als nachgewiesen angesehen werden könne, weil bei dem Kläger weder vor dem Unfallereignis
eine anlagebedingte und manifestierte Neigung zu Schwindelanfällen vorgelegen habe, noch eine Grunderkrankung, welche den
Schwindel ausgelöst haben könnte, im Rahmen der umfassenden ärztlichen Untersuchungen nach dem Unfall gefunden worden sei.
Das Sozialgericht differenziert insoweit offensichtlich zwischen dem Schwindel als Symptom und einem - vorliegend nicht nachgewiesenen
- Grundleiden, welches dieses Symptom ausgelöst haben könnte und welches - nach Auffassung des Sozialgerichts - für die Annahme
einer inneren Ursache Voraussetzung ist. Diese Wertung ist in medizinischer Hinsicht zutreffend. Denn der Schwindel ist -
ebenso wie der Kopfschmerz - Leitsymptom für eine Vielzahl von Erkrankungen auf neurologischem, internistischem und HNO-ärztlichem
Fachgebiet (S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, "Schwindel - Diagnose", Stand September 2012).
Allerdings ist diese Differenzierung in dem vorliegend maßgebenden rechtlichen Kontext nicht tragfähig. Die innere Ursache
bildet das Pendant zu dem in §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII definierten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis und ist in diesem Sinne auszulegen (vgl. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; ebenso BVerwG vom 9. April 1970 - II C 49.68 - BVerwGE 35, 133 zum Dienstunfallrecht; Becker, SGb 2007, 721, 726; Köhler, SGb 2014, 69, 70 f.). Die innere Ursache bezeichnet krankhafte Vorgänge im Inneren des Körpers (so BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R; BSG vom 24. Juni 1981 - 2 RU 61/79 - SozR 2200 § 548 Nr. 56; Köhler, SGb 2014, 69, 71). Gemeint sind Unfälle infolge krankhafter Erscheinungen oder infolge der Konstitution des Versicherten (BSG vom 12. Mai 1992 - 2 RU 26/91 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 14; Köhler, VSSR 2013, 47, 64 m. w. N.). Dabei entspricht der Krankheitsbegriff des
SGB VII der im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Definition und bezeichnet einen regelwidrigen körperlichen, geistigen
oder seelischen Zustand (vgl. bereits BSG vom 18. Dezember 1962 - 2 RU 189/59 - BSGE 18, 173; aus jüngster Zeit: BSG vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 §
2 Nr. 21 Rn. 19; Ricke in: Kasseler Kommentar, SGB,
SGB VII, §
8 Rn. 20, Stand April 2015; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 33; Wagner
in: juris-PK
SGB VII, §
8 Rn. 151, Stand Juli 2015). Auf die Krankheitsursache kommt es im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung jedoch grundsätzlich
nicht an (BSG vom 12. November 1985 - 3 RK 48/83 - SozR 2200 § 182 Nr. 101; Fahlbusch in: juris-PK
SGB V, §
27 Rn. 31, Stand Juni 2013). Von diesem Begriffsverständnis auch in Bezug auf die innere Ursache ausgehend, ist der Schwindel
ein regelwidriger körperlicher Zustand. Es handelt sich um eine Störung der Funktion des Gleichgewichtssystems mit multisensorischen
und sensomotorischen Syndromen unterschiedlichster Ätiologie und Pathogenese (S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie, "Schwindel - Diagnose", Stand September 2012) und somit - unabhängig von der Ursache hierfür - um einen körpereigenen
regelwidrigen Zustand, der als innere Ursache anzusehen ist. Der Schwindel zählt ebenso wie eine Kreislaufdysregulation zu
den typischen nichtversicherten inneren Ursache (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 9. Juni 2011 L 10 U 1533/10). Ohne Belang ist hingegen, dass der Kläger nach eigenen und durch die behandelnden Ärzte bestätigten Angaben zuvor keine
derartigen Beschwerden hatte und sich wegen entsprechender Beschwerden auch nicht in Behandlung befunden hat. Die Annahme
eines regelwidrigen körpereigenen Vorgangs setzt - von dem bereits dargelegten Verständnis des Krankheitsbegriffs ausgehend
- kein bereits zuvor diagnostiziertes und dokumentiertes Grundleiden voraus. Insoweit kann auch ein sich tatsächlich auswirkendes
Symptom einer im Einzelnen nicht geklärten Krankheit im medizinischen Sinne einen regelwidrigen körpereigenen Vorgang darstellen,
der als nichtversicherte Wirkursache bei der Beurteilung der Unfallkausalität zu berücksichtigen ist. Der Schwindelanfall
hat den Sturz des Klägers vorliegend auch im naturwissenschaftlichen Sinne (mit)bewirkt. Dies wird durch die Angaben des Klägers
zeitnah nach dem Unfall und durch das Ergebnis seiner Befragung im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Kläger
hat im Rahmen seiner Befragung glaubhaft angegeben, dass er sich wegen des wenige Schritte nach dem Aufstehen vom Schreibtisch
aufgetretenen Schwindels auf dem unter dem Waschbecken in seinem Büro stehenden Schubladenrollcontainer abgestützt hat, um
zu warten, bis der Schwindel vorüber ist. Dies bedeutet, dass sich der Kläger ohne den Schwindelanfall nicht auf dem Schubladenrollcontainer
hätte abstützen müssen und nicht durch dessen Wegrollen zu Fall gekommen wäre. Die nichtversicherte innere Ursache - der Schwindel
- ist somit ebenfalls Wirkursache für den Sturz des Klägers auf den Boden seines Dienstzimmers.
Ob die unstreitig vorhanden gewesene kurzzeitige Ohnmacht des Klägers bereits im Zeitpunkt des Abstützens auf dem Schubladencontainer
als Folge des Schwindelanfalls im Sinne einer sich ausweitenden Störung im Körperinneren oder erst mit dem Aufprall auf dem
Boden eingetreten ist, kann im Rahmen der vorliegend gebotenen ex-post-Betrachtung aufgrund der Erinnerungslücke des Klägers
und der insoweit nicht ergiebigen Angaben der Zeugin C., welche den Unfallhergang selbst nicht beobachtet hat, nicht mehr
festgestellt werden. Dies ist aber im Ergebnis unerheblich, weil nach den vom Senat getroffenen Feststellungen zumindest der
Schwindelanfall dem Unfallereignis vorausgegangen ist und im naturwissenschaftlichen Sinne als konkurrierende nichtversicherte
Wirkursache zu berücksichtigen ist.
In Abwägung mit der unversicherten inneren Ursache (2. Stufe der Zurechnung) ist die versicherte Verrichtung als rechtlich
wesentlich für das Unfallereignis - den Sturz auf den Boden - anzusehen und die Unfallkausalität daher gegeben. Bei Unfällen
aus sogenannter innerer Ursache ist zwar der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis
- d. h. die Unfallkausalität - nicht gegeben, wenn die körpereigene Ursache zwangsweise zu dem eingetretenen Unfallverlauf
(nach Art und Schwere) geführt hat; in diesem Fall haben betriebliche Einwirkungen den Unfall nicht wesentlich mitverursacht
(BSG vom 15. Februar 2005 B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; Köhler, VSSR 2013, 47, 66). Allerdings ist die versicherte Tätigkeit in Fällen dieser Art als rechtlich wesentliche Ursache für das Unfallereignis
anzusehen, wenn die für die innere Ursache verantwortlichen körpereigenen Vorgänge durch mit der versicherten Tätigkeit in
Zusammenhang stehende äußere Einwirkungen (z. B. besondere Anstrengungen durch ungewohnte Arbeit; besondere Hitzeeinwirkung
am Arbeitsplatz etc.) wesentlich beeinflusst worden sind (BSG vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; LSG Baden-Württemberg vom 9. Juni 2011 - L 10 U 1533/10; Köhler, VSSR 2013, 47, 66). Ist dies nicht der Fall, kann die Unfallkausalität gleichwohl bejaht werden, wenn der Verletzte der Gefahr, der er
erlegen ist, infolge der durch seine versicherte Tätigkeit bedingten Anwesenheit auf der Betriebsstätte ausgesetzt war und
ihm der Unfall ohne die versicherte Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht in derselben Art oder derselben Schwere
zugestoßen wäre (BSG aaO.; LSG Baden-Württemberg vom 9. Juni 2011 - L 10 U 1533/10; Köhler, VSSR 2013, 47, 66; Keller in: Hauck/Noftz,
SGB VII, §
8 Rn. 273, Stand Mai 2015), d. h. wenn ein spezifisches betriebliches Gefährdungsmoment die äußere Einwirkung wesentlich beeinflusst
hat, wobei die mitwirkenden betrieblichen Umstände die Gefährdungen im privaten Bereich nicht zwingend übersteigen müssen
(BSG vom 31. Juli 1985 - 2 RU 74/84 - SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R- SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Von diesem Maßstab ausgehend ist die Unfallkausalität im vorliegenden Fall zu bejahen. Dabei kann offen bleiben, ob die Schwindelattacke,
die der Kläger am Unfalltag auf dem Weg von seinem Büro zum Labor erlitten hat, rechtlich wesentlich durch äußere Einwirkungen
verursacht worden ist, die mit der versicherten Tätigkeit im Zusammenhang gestanden haben. Zwar hat der Kläger sowohl im Klage-
als auch im Berufungsverfahren angegeben, zum Zeitpunkt des Unfalls am Arbeitsplatz einer besonderen Stresssituation ausgesetzt
gewesen zu sein, die einerseits durch die noch nicht abgeschlossenen Bauarbeiten am Arbeitsplatz verbundenen mit ständigen
Anfragen der Bauarbeiter und andererseits durch zusätzliche Wege wegen des bereits in Teilen erfolgten Umzugs einzelner Arbeitsbereiche
bedingt war. Zudem musste der Kläger nach eigenen Angaben die Aufgaben eines ausgefallenen Mitarbeiters übernehmen, was zu
einer hohen Arbeitsdichte geführt hat. Dies ist von der Zeugin C. im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wesentlichen bestätigt
worden. Auch sie hat angegeben, dass die Situation am Arbeitsplatz infolge der Umbau- und Umzugsmaßnahmen "extrem hektisch"
gewesen sei. Ob es sich bei den vom Kläger und der Zeugin C. geschilderten Arbeitsumständen am Unfalltag mit hoher Arbeitsdichte
und Stressbelastung um äußere Einwirkungen gehandelt hat, die geeignet waren, einen Schwindelanfall auszulösen, kann ex-post
nicht mit der insoweit beweisrechtlich erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Zum einen konnte
im Rahmen der Beweisaufnahme und der Befragung des Klägers nicht festgestellt werden, dass die Arbeitsumstände am Unfalltag
durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt waren, die zu einer besonderen physischen und/oder psychischen Belastung geführt
haben. Die vom Kläger selbst und der Zeugin beschriebenen Arbeitsumstände mit einer durch Umbau und Umzug bedingten besonderen
Stressbelastung haben über einen Zeitraum von mehreren Monaten bestanden. Der Kläger hat insoweit angegeben, dass dies letztlich
bereits seit Beginn der Umzugsphase für seinen Arbeitsbereich im Juli 2008 der Fall gewesen sei. Während des gesamten Zeitraums
sei es zusätzlich zu der regulären Arbeit zu Anfragen von Handwerken und zu besonderen Belastungssituationen durch die Umbaumaßnahmen
im Laborbereich und den Ausfall von Mitarbeitern gekommen. Dies wird bestätigt durch die Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin
G. vom 19. Juni 2012, ausweislich derer der Kläger bereits anlässlich eines Check-up im Jahr 2007 über eine hohe Stressbelastung
am Arbeitsplatz bedingt durch den eingeleiteten Umzug und den Ausfall von Mitarbeitern sowie eine täglichen Arbeitszeit von
10 bis 12 Stunden berichtet hat. Dass sich die Arbeitsumstände am Unfalltag insoweit im Sinne einer besonderen oder außergewöhnlichen
Belastung hervorgehoben haben, kann den Angaben des Klägers und der gehörten Zeugin nicht entnommen werden. Vielmehr wurden
an diesem Tag nach Aussage des Klägers lediglich Handwerksarbeiten im Bereich der Spülküche und nicht im Labor vorgenommen.
Weitere konkrete Belastungen sind weder vom Kläger noch von der Zeugin geschildert worden. Insoweit ist eine außergewöhnliche
Belastung im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit am Unfalltag bereits nicht hinreichend sicher belegt worden. Zudem
ist zu berücksichtigen, dass für Schwindelattacken zahlreiche physische und psychische, teils auch komplexe Ursachen in Betracht
kommen (vgl. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie "Schwindel - Diagnose", Stand September 2012) und im vorliegenden
Fall trotz intensiver Diagnostik auf internistischem und neurologischem Fachgebiet eine genaue Ursache für den am Unfalltag
einmalig aufgetretenen Schwindelanfall nicht festgestellt werden konnte. Auch besteht kein allgemeiner medizinischer Erfahrungssatz,
dass Schwindelattacken, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Stressbelastung auftreten, auch ursächlich auf diese Stresssituation
zurückzuführen sind (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg vom 11. Januar 2011 - L 6 U 2574/09). Zudem sind bei dem Kläger auch in den Monaten vor dem Unfallereignis, die ebenfalls durch vergleichbare Arbeitsumstände
geprägt waren, nach den Angaben der Allgemeinmedizinerin G. und des Klägers selbst keine gesundheitlichen Beschwerden - insbesondere
keine Schwindelanfälle - aufgetreten. Der vom Kläger behauptete Zusammenhang zwischen der Stressbelastung am Arbeitsplatz
über einen längeren Zeitraum hinweg und dem aufgetretenen Schwindelanfall bewegt sich somit im Bereich des Möglichen, ist
aber nicht hinreichend wahrscheinlich. Insoweit bedarf die Frage, ob die einen körpereigenen Vorgang beeinflussenden äußeren
Umstände, die mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen, die Dauer einer Arbeitsschicht nicht überschreiten dürfen (so
LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 19. März 2014 - L 5 U 12/12), vorliegend keiner Entscheidung.
Letztlich kann die Frage der Auslösung des Schwindelanfalls am Unfalltag durch die damaligen Umstände am Arbeitsplatz jedoch
dahinstehen, weil die Unfallkausalität vorliegend vor dem Hintergrund eines betriebsspezifischen Risikos angenommen werden
kann, das für Art und Schwere der äußeren Einwirkung wesentlich war. Nach dem Ergebnis der geführten Ermittlungen waren Art
und Schwere der äußeren Einwirkung durch die besondere Beschaffenheit der Betriebsstätte bedingt. Der Kläger ist einer besonderen
Gefahr erlegen, der er infolge seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz ausgesetzt war. Sowohl die Anwesenheit des Klägers in seinem
Büro zur Eingabe von Daten in den PC als auch der im Anschluss geplante Gang in die Laborräume waren Teil der versicherten
Tätigkeit. Der Schubladenrollcontainer, auf dem sich der Kläger wegen des eingetretenen Schwindels unmittelbar vor dem Sturz
abgestützt hat, war Teil der Büroausstattung. Insoweit ist es unerheblich, ob der Schubladenrollcontainer - wie vom Kläger
angegeben - lediglich umzugsbedingt zum damaligen Zeitpunkt unter dem in seinem Dienstzimmer befindlichen Waschbecken gestanden
hat, oder ob ein Schubladenrollcontainer unter dem Waschbecken in den Dienstzimmern der Labormitarbeiter - auch heute noch
- zur normalen (Büro-)Ausstattung gehört, wie den Angaben der Zeugin C. entnommen werden kann. In beiden Fällen war für den
Sturz des Klägers der nicht arretierte bzw. nicht arretierbare Schubladenrollcontainer, der etwa 40 bis 50 cm unter dem Waschbecken
hervorragte, maßgebend. Denn der Kläger ist nach seinen eigenen, im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigten und vom
Senat als glaubhaft gewerteten Angaben nicht bereits gestürzt, weil ihm schwindlig geworden ist, sondern weil er sich während
des Schwindelanfalls auf dem Schubladenrollcontainer abgestützt hat, welcher - aufgrund der fehlenden Arretierung - wegrollte
und zu dem Sturz auf den Boden geführt hat und der nach dem Sturz nach den Angaben des Klägers, die er durch eine Skizze von
den Gegebenheiten am Unfallort untermauert hat, etwa um 45° verschoben gestanden hat. Dass der Kläger - wie von der Beklagten
behauptet - auch ohne den Schubladenrollcontainer gestürzt wäre, weil die Bewusstlosigkeit bereits zuvor eingetreten sei,
kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht angenommen werden. Der Kläger ist nach seinen als glaubhaft gewerteten Angaben
im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gestürzt, weil ihm schwindlig geworden ist, sondern weil er sich während eines
Schwindelanfalls auf einem nicht arretierten Schubladenrollcontainer abgestützt hat. Dies folgt zur Überzeugung des Senats
insbesondere aus dem Umstand, dass sich der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge auf dem Schubladencontainer mit der rechten
Hand abgestützt und dabei dessen Instabilität wahrgenommen hat. Sowohl das Abstützen als willentliche Körperbewegung als auch
die Wahrnehmung einer Instabilität setzt ein noch vorhandenes Bewusstsein voraus und schließt eine vorherige Ohnmacht aus.
Die gegenteilige Behauptung der Beklagten ist eine rein hypothetische und daher bei der Bewertung der Zurechnung nicht zu
berücksichtigen. Bei dem Schubladenrollcontainer handelt es sich auch nicht um einen allgemein verbreiteten Gegenstand, der
die Annahme eines betriebsspezifischen Risikos ausschließen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 9. Juni 2011 - L 10 U 1533/10: Sturz auf Waschbecken; LSG Baden-Württemberg vom 9. November 1983 - L 2 Ua 806/83-3: Sturz gegen Tischkante; differenziert:
BSG vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12: Sturz auf einer Treppe). Ein Schubladen- bzw. Schreibtischrollcontainer ist ein bürospezifischer
Ausstattungsgegenstand, der weder im privaten Bereich üblich noch allgemein verbreitet ist. Die Zeugin C. hat insoweit bestätigt,
dass es sich bei dem im Dienstzimmer des Klägers zum Unfallzeitpunkt befindlichen Schubladenrollcontainer um die in ihrem
Arbeitsbereich üblichen Container mit einer kleinen Schublade oben und zwei weiteren Fächern gehandelt habe. Zudem ragte dieser
Rollcontainer etwa 40 bis 50 cm unter dem Waschbecken hervor und war (versehentlich) nicht arretiert und stellte somit ein
besonderes Gefahrenmoment dar. Ohne den nicht arretierten Schubladenrollcontainer hätte sich der Kläger nicht auf diesem abstützen
können und wäre - infolge des Wegrollens - nicht bzw. nicht in der geschehenen Weise auf den Boden gestürzt. Nach alledem
war der Kläger bei dem Unfall einer Gefahr erlegen, der er infolge der durch seine versicherte Tätigkeit bedingten Anwesenheit
auf der Unfallstätte ausgesetzt war, so dass der Unfallereignis trotz des Bestehens einer inneren (Wirk-)Ursache der versicherten
Tätigkeit zuzuordnen und die Unfallkausalität zu bejahen ist.
Infolge des Sturzes ist es zu einer Perforierung der linken Hornhautlinse gekommen und somit ein Gesundheitserstschaden eingetreten.
Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind somit im vorliegenden Fall gegeben. Das Sozialgericht hat
daher im Ergebnis zu Recht das Ereignis vom 16. Oktober 2008 als Arbeitsunfall festgestellt und die dem entgegenstehenden
Bescheide der Beklagten aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.