Tatbestand:
Streitig ist die Berechtigung des Beklagten, für die Entscheidung über einen Widerspruch im Bereich des
AsylbLG Kosten zu erheben. Vorab ist die mögliche Verjährung eines etwaigen Kostenanspruchs zu prüfen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) und die Klägerin, soweit bekannt staatenlose Jeziden mit zwei gemeinsamen
in Deutschland geborenen minderjährigen Kindern, waren 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, lebten zuletzt bis
Februar 2009 in G. bzw. anschließend in einer Asylbewerberunterkunft in H. und bezogen dort Leistungen nach §
3 AsylbLG (u.a. Bescheid vom 15. April 2008 für Mai 2008, anschließend monatliche Zahlungen ohne Bescheid).
Am 9. Februar 2009 schlossen die Kläger mit Zustimmung des Beklagten einen Mietvertrag über eine eigene Wohnung in H ... Bereits
vorher hatte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der für die Wohnung erforderlichen Mietkaution in Höhe von 930,00
EUR beantragt. Ausweislich einer Verhandlungsniederschrift vom 29. Januar 2009 hat er sodann um darlehensweise Übernahme der
Mietkaution und Ratenzahlung in Höhe von monatlich 50,00 EUR gebeten, die Beträge sollten danach monatlich von den laufenden
Leistungen einbehalten werden. Mit an beide Kläger gerichtetem Bescheid vom 12. März 2009 stimmte der Beklagte dem Antrag
zu, überwies den Betrag in Höhe von 930,00 EUR an den Vermieter und stundete den Betrag in der Weise, dass ab dem 1. April
2009 monatlich 50,00 EUR von den monatlichen Leistungen einbehalten werden sollten. Hiergegen erhob der Kläger am 24. März
2009 Widerspruch und vertrat die Auffassung, dass der monatliche Abzug von 50,00 EUR rechtswidrig sei.
Mit an beide Kläger gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet
zurück. Weiter heißt es: "Für die Entscheidung über den Widerspruch werden Kosten erhoben".
Die Bewilligung als Darlehen sei antragsgemäß erfolgt, eine Hilfegewährung als Beihilfe komme nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruhe auf den §§ 1, 3, 5, 9, 11 Abs. 2 und 13 des niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) in Verbindung mit der laufenden Nummer 110.6 des Kostentarifs der Anlage zur Verordnung über die Gebühren und
Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (AllGO) vom 5. Juni 1997. Die Höhe der Kosten werde durch einen gesonderten Bescheid
festgesetzt.
Am 6. Dezember 2010 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 aufzuheben, soweit der Beklagte den Klägern
Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach auferlegt hat. Auf die Verfahren nach dem
AsylbLG fänden die Vorschriften des SGB X Anwendung. Nach § 63 SGB X seien die Widerspruchsverfahren kostenfrei. Im Übrigen habe die Klägerin selber keinen Widerspruch erhoben, sodass sie schon
grundsätzlich keine Kosten verursacht haben könne. Der Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 21. Januar 2011 den Widerspruchsbescheid
in Bezug auf die Klägerin aufgehoben. Eine Reaktion der anwaltlich vertretenen Kläger erfolgte insoweit nicht, es wurde lediglich
auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Nachdem auch der Beklagte einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung zugestimmt hatte, hat das SG mit Urteil vom 12. April 2013 den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 hinsichtlich der Kostengrundentscheidung aufgehoben,
die Klage im Übrigen abgewiesen, den Beklagten verurteilt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten
und die Berufung zugelassen. Hinsichtlich der Klägerin sei die Klage unzulässig geworden, weil die Kostengrundentscheidung
nach der ihr gegenüber erfolgten Aufhebung durch den Beklagten keine Beschwer mehr entfalte und es insoweit an einer Klagebefugnis
mangele. Im Übrigen sei die statthafte Anfechtungsklage begründet. § 64 SGB X finde auf Widerspruchsverfahren im Rahmen des
AsylbLG analoge Anwendung, wie das LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 26. Mai 2011 (L 1 AY 16/10) ausführlich begründet habe; diesen
Ausführungen schließe sich das SG an.
Hiergegen hat der Beklagte am 13. Mai 2013 Berufung eingelegt. Hinsichtlich der Klägerin sei der Widerspruchsbescheid bereits
aufgehoben worden, sodass sich die Entscheidung des SG nicht erschließe. Die vom SG zitierte Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz werde von dem Beklagten nicht geteilt. Eine Analogie komme nur in Betracht,
wenn eine von der Rechtsprechung zu schließende Gesetzeslücke bestehe. Dies sei hier nicht der Fall; der Gesetzgeber habe
im
AsylbLG nur bestimmte Regelungen des SGB X für anwendbar erklärt, im Übrigen solle das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht sowie das Kostenrecht gelten. Nach Auffassung
des Beklagten handelnde es sich bei der Entscheidung über die Kosten um eine Entscheidung nach Landesrecht, für die ein gesondertes
- hier nicht vorliegendes - Widerspruchsverfahren vorgesehen ist; bei einer solchen Streitigkeit wäre zudem fraglich, ob es
der Sozialgerichtsbarkeit zugeordnet ist. Die Verjährung hinsichtlich der Gebührenschuld sei durch die Erhebung der vorliegenden
Klage.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen, das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. April 2013
aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie haben sich im Berufungsverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten lediglich dahingehend geäußert, dass durch die Klageerhebung
eine Hemmung der Verjährung hinsichtlich der Kostenentscheidung eingetreten sei.
Außer den Gerichtsakten lag ein Ordner Verwaltungsakten des Beklagten, Ausdrucke aus dem Leistungsvorgang der Kläger betreffend,
vor. Er war Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beiakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG i.V. mit §
153 Abs.
1 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung über die kraft Zulassung durch das SG gemäß §§
143,
144 SGG statthafte Berufung des Beklagten.
Soweit das SG die Klage abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden. Dies betrifft die Klage, soweit sie von der Klägerin erhoben
worden war. Nachdem der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 in Bezug auf die Klägerin während des erstinstanzlichen
Verfahrens aufgehoben hatte, fehlte letzterer, wie das SG zutreffend (ohne dass dies hier entscheidungserheblich wäre) festgestellt hat, das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Auf
die ausschließlich von dem Beklagten eingelegte Berufung hat der Senat folglich nur darüber zu befinden, ob das SG die Kostengrundentscheidung in dem nach der Aufhebung hinsichtlich der Klägerin nur noch den Kläger betreffenden Widerspruchsbescheid
vom 4. November 2010 zu Recht aufgehoben hat.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist unzulässig, weil ihm als Berufungsführer ab dem 1. Januar
2014 das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die Weiterführung der Berufung fehlt.
Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt regelmäßig das Vorliegen einer materiellen Beschwer des Rechtsmittelführers voraus.
Eine Beschwer liegt nur dann vor, wenn sie zumindest rechtlich geschützte Interessen berührt, also nicht nur formal besteht
(sog. formelle Beschwer), sondern auch sachlich von Bedeutung ist (sog. materielle Beschwer; hierzu bereits BVerwG, Urteil
vom 31. Januar 1969 - IV C 83.66 - juris Rn. 11).
In formeller Hinsicht ist der Beklagte durch das Urteil des SG beschwert, weil dieses die allein angefochtene Kostengrundentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2010 aufgehoben
und damit eine vom Beklagten erlassene Regelung geändert hat.
Bei dieser Regelung handelt es sich um die Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer
Rechtswirkung nach außen und damit um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG. Da es sich um eine Nebenentscheidung handelt, ist eine nochmalige Widerspruchseinlegung bzgl. der Kostenentscheidung nicht
geboten. Ein Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid oder auch nur eine darin getroffene Kostengrundentscheidung sieht
weder die
VwGO (hierzu ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 12. August 2014 - 1 C 2/14 - juris Rn. 12, 16) noch das
SGG vor. Diese kann vielmehr unabhängig von der weiteren Regelung im Widerspruchsbescheid (hier: Der Widerspruch wird als unbegründet
zurückgewiesen) angefochten werden, weil sie eine eigenständige den Kläger erstmals belastende zusätzliche Beschwer enthält.
Zwar enthält §
95 SGG anders als die Parallelvorschrift des §
79 VwGO keine entsprechende ausdrückliche Regelung. Während §
95 SGG (insoweit identisch mit §
79 Abs.
1 Nr.
1 VwGO) als Klagegegenstand nur den ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden
hat, bezeichnet, ist nach §
79 Abs.
1 Satz 2
VwGO Gegenstand der Anfechtungsklage auch der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
Nach Abs. 2 der Vorschrift kann der Widerspruchsbescheid auch dann alleiniger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein, wenn
und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. Für den Geltungsbereich
der
VwGO folgt daraus direkt, dass der Widerspruchsbescheid alleiniger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein kann. Das Fehlen einer
derartigen Regelung für das sozialgerichtliche Verfahren bedeutet nicht, dass im Geltungsbereich des
SGG in vergleichbaren Fällen keine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides möglich ist. Vielmehr ist der Rechtsgedanke
des §
79 VwGO auch dort zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 25. März 1999 B 9 SB 14/97 R juris Rn. 20 ff. mit näherer Begründung; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014 §
95 Rn. 3).
Die auch ansonsten zulässige Anfechtungsklage war entgegen der vom Beklagten im Berufungsverfahren geäußerten Bedenken zulässig,
der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit war gegeben (zur fehlenden Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts
hinsichtlich des beschrittenen Rechtswegs s. §
17a Abs.
5 GVG). Für die Klage konnte der Kläger auch ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse geltend machen. Zwar enthält der angefochtene
Widerspruchsbescheid keine Kostenrechnung. Mit der Formulierung, für die Entscheidung über den Widerspruch werden Kosten erhoben,
und dem Hinweis in den Entscheidungsgründen des Widerspruchsbescheides, die Höhe der Kosten werde durch gesonderten Bescheid
festgesetzt, hat der Beklagte jedoch hinreichend deutlich gemacht, dass er den Kläger wegen der Kosten in Anspruch nehmen
will. Dabei ist insoweit unbeachtlich, dass ein Kostenanspruch seit dem 1. Januar 2014 wegen Verjährung erloschen ist (hierzu
später) und der Beklagte jedenfalls unter Berücksichtigung der von ihm im Widerspruchsbescheid genannten Vorschriften (hier:
§ 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG) vorher von einer Festsetzung der Kosten hätte absehen oder diese hätte niederschlagen können.
Maßgebend ist allein, dass der Kläger bei Klageerhebung und auch noch zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung durch den Beklagten
mit einer finanziellen Belastung durch die Entscheidung im Widerspruchsbescheid rechnen musste.
Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 13. Mai 2013 war der Beklagte durch das Urteil des SG auch in materieller Hinsicht noch beschwert. Bis zum 31. Dezember 2013 hätte er die aus seiner Sicht gerechtfertigten Kosten
für das Widerspruchsverfahren erheben können. Hieran war er weder durch die Klage noch durch das Urteil des SG gehindert. Zwar hatte die Klage gegen den Widerspruchsbescheid aufschiebende Wirkung (weil mit der darin enthaltenen und
mit der Klage angefochtenen Kostengrundentscheidung keine "Anforderung" im Sinne von §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG verbunden war und damit die aufschiebende Wirkung der Klage nicht entfiel), daraus folgte für den Beklagten aber nur ein
Verbot, während des Klageverfahrens rechtliche oder tatsächliche Konsequenzen direkt aus dem angefochtenen Verwaltungsakt
zu ziehen (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014 §
86a Rn. 5). Eine konkrete Erhebung der Kosten für das Widerspruchsverfahren durch einen Kostenfestsetzungsbescheid folgt jedoch
nicht direkt aus der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid und setzt nicht deren Rechtmäßigkeit voraus. Dies ergibt
sich u.a. aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG, nach dem für einen Kostenansatz im Rechtsbehelfsverfahren auf
die "Erfolglosigkeit" des Rechtsbehelfs und nicht auf die ggfs. erst nach einem gerichtlichen Verfahren festgestellte Rechtmäßigkeit
der Widerspruchsentscheidung abgestellt wird. § 12 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG bestimmt folgerichtig für den Fall, dass ein Gericht
nach §
113 VwGO (entsprechend §
131 SGG) die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung festgestellt hat, eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer bereits gezahlten Gebühr.
Die Beschwer des Beklagten ist seit dem 1. Januar 2014 entfallen, weil die hier streitige und im Folgenden als gegeben unterstellte
Kostenschuld gemäß § 8 Abs. 1 NVwKostG (in der seit dem 1. Januar 2007 geltenden und soweit hier relevant unverändert geltenden
Fassung vom 25. April 2007, Nds. GVBl. 2007, 172) durch Verjährung erloschen ist und von dem Beklagten nicht mehr gefordert
werden kann. Er hat ausdrücklich erklärt, dass eine Kostenfestsetzung vorher nicht erfolgt ist. Unbeachtlich ist insoweit,
dass gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben wurde.
Die Erhebung von Gebühren (neben Auslagen Teil der Kosten i.S. des NVwKostG; vgl. dort § 1 Abs. 1) und damit auch eine Kostenfestsetzung
kann allenfalls nach dem NVwKostG erfolgen. § 1 Abs. 2 NVwKostG bestimmt insoweit, dass Gebühren aufgrund anderer Rechtsvorschriften
für dieselbe Amtshandlung nicht erhoben werden dürfen, wenn aufgrund des NVwKostG eine Amtshandlung für gebührenpflichtig
oder für gebührenfrei erklärt wird.
Eine entsprechende Regelung enthält § 12 NVwKostG. Dabei unterstellt der Senat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung
des Beklagten, dass die Vorschriften des NVwKostG und der dort in § 3 in Bezug genommenen Gebührenordnung die Erhebung von
Gebühren bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe auch in den Fällen ermöglichen, in denen die angefochtene Entscheidung
selber (hier: Einbehalt von monatlich 50,00 EUR bei den Leistungen nach dem
AsylbLG) eindeutig nicht gebührenpflichtig war (dazu auch gleich). Nach dem NVwKostG werden für Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis
der Gebietskörperschaften und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts in Niedersachsen Kosten erhoben, wenn die Beteiligten
zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Der Beklagte als niedersächsischer Landkreis hatte in dem hier zugrundeliegenden
Verfahren im übertragenen Wirkungskreis (§
2 Abs.
1 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des
AsylbLG - AufnG - vom 11. März 2004, Nds. GVBl. S. 100) über Leistungen nach dem
AsylbLG entschieden. Mit der Erhebung des Widerspruchs hatte der Kläger Anlass für die Amtshandlung des Erlasses des Widerspruchsbescheides
gegeben.
Ein Kostenanspruch nach dem NVwKostG erlischt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG durch Verjährung. Nach Abs. 2 der Vorschrift
beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Kostenschuld entstanden ist; die Verjährungsfrist beträgt drei
Jahre. Eine (zu den Kosten i.S. des Gesetzes gehörende, s. oben) Gebührenschuld entsteht nach § 6 Abs. 1 NVwKostG mit der
Beendigung der Amtshandlung oder mit der Rücknahme des Antrages.
Amtshandlung in diesem Sinne ist grundsätzlich auch die Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wie sich aus § 12 Abs. 1 Satz
1 NVwKostG ergibt ("Soweit ein Rechtsbehelf erfolglos bleibt, beträgt die Gebühr für die Entscheidung über den Rechtsbehelf
das Eineinhalbfache der Gebühr, die für die angefochtene Entscheidung anzusetzen war.").
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Erhebung von Gebühren bei erfolglosen Rechtsbehelfen auch dann von § 6 Abs. 1 NVwKostG
gedeckt ist, wenn die angefochtene Entscheidung nicht gebührenpflichtig war. Zweifel sind angebracht, weil für den Bereich
des
AsylbLG weder die AllGO noch andere landesrechtliche Regelungen oder das
AsylbLG eine Gebührenpflicht vorsehen. Dessen ungeachtet beträgt nach 110.6.1.2 AllGO (vom 5. Juni 1997, Nds. GVBl. S. 171) die Gebühr
für einen erfolglos gebliebenen Rechtsbehelf 30,- EUR bis 3.000,- EUR, wenn für die angefochtene Amtshandlung eine Gebühr
nicht vorgesehen oder die Amtshandlung gebührenfrei war. Hierauf scheint sich der Beklagte zu stützen, der als Rechtsgrundlage
für seine Kostenentscheidung §§ 1, 3, 5, 9, 11 Abs. 2 und 13 NVwKostG in Verbindung mit der laufenden Nummer 110.6 AllGO annimmt.
Ein derartiger, von dem Beklagten angenommener, Kostenanspruch war drei Jahre nach seinem Entstehen am 1. Januar 2014 erloschen.
Während allgemein bei der Verjährung einer Forderung der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§
214 Abs.
1 BGB; Einrede der Verjährung), bestimmt §
8 Abs.
1 Satz 1 NVwKostG das Erlöschen des Anspruchs von Gesetzes wegen, ohne dass es einer Einrede des Kostenschuldners bedarf. Mit
Eintritt der Verjährung darf ein Kostenanspruch folglich nicht mehr gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden, sofern
die Verjährung nicht durch Zahlungsaufforderung, durch Stundung oder durch Rechtsbehelfe unterbrochen worden ist (§ 8 Abs.
3 Satz 1 NVwKostG).
Keine dieser Ausnahmen liegt hier vor. Eine Zahlungsaufforderung ist mangels Vorliegen eines Kostenbescheides mit einer konkreten
Kostenfestsetzung gerade nicht erfolgt, desgleichen keine Stundung. Das scheint auch der Beklagte nicht in Abrede zu stellen,
der sogar einen "rechtlichen Zusammenhang der Kostengrundentscheidung mit einer konkreten späteren Kostenfestsetzung" nicht
zu erkennen vermag.
Durch die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 ist die dreijährige Verjährungsfrist nicht unterbrochen
worden.
Ein Rechtsbehelf i.S. des § 8 Abs. 3 S. 1 NVwKostG kann ausschließlich ein Rechtsbehelf gegen den durch Kostenbescheid festgesetzten
Kostenanspruch sein (so auch zu der vergleichbaren Vorschrift des § 6 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt im Ergebnis VG Magdeburg Urteil vom 20. Januar 2015 - 4 A 111/14 - juris Rn. 19 m.w.N., welches ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal annimmt). Die in § 8 Abs. 3 Satz 1 NVwKostG aufgeführten
Tatbestände der Verjährungsunterbrechung setzen sämtlich eine vorherige Kostenfestsetzung durch Verwaltungsakt voraus. Dies
ist für die Zahlungsaufforderung und die Stundung offensichtlich, denn beides ergibt ohne vorherige Kostenfestsetzung keinen
Sinn. Gründe, weshalb für die in § 8 Abs. 3 S. 1 NVwKostG genannten Rechtsbehelfe anderes gelten soll, sind nicht ersichtlich
(ebenso VG Magdeburg a.a.O.).
Durch die Klage ist auch keine Hemmung der Verjährung durch den Widerspruch hinsichtlich der Kostenentscheidung eingetreten.
Eine allenfalls in Betracht kommende Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung nach §
204 Abs.
1 Nr.
1 BGB setzt die Erhebung einer Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel
oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils voraus. Damit sind, wie sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift
ergibt, Handlungen des Gläubigers gemeint, der damit einen ihn möglicherweise treffenden Rechtsverlust verhindern kann. Hier
hat der potentielle Schuldner, der Kläger, ein Rechtsmittel eingelegt und nicht der sich als Gläubiger gerierende Beklagte.
Es bedurfte hier keiner Entscheidung, ob der Beklagte berechtigt war, für die Entscheidung über den Widerspruch Kosten zu
erheben, oder ob nach Bundesrecht für Widersprüche gegen Entscheidungen im Asylbewerberleistungsrecht keine Kosten erhoben
werden dürfen (die Ausfüllung einer Gesetzeslücke durch eine entsprechende Anwendung des § 64 Abs. 1 SGB X auf das Verwaltungsverfahren nach dem
AsylbLG annehmend LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 26. Mai 2011 - L 1 AY 16/10 juris Rn. 19 ff., Sächsisches LSG vom 19. Dezember 2011
- L 7 AY 4/11 juris Rn. 18 ff, SG Mannheim Urteil vom 20. Mai 2011 - S 9 AY 4431/10 - juris Rn. 19, Scheider in Hohm, GK-
AsylbLG §
9 AsylbLG Rn. 62; a. A. OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Februar 1999 - 12 L 4133/98 - juris Rn. 35 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Da der Beklagte den Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren aufgehoben und
die Klagabweisung insoweit rechtskräftig geworden ist, kommt eine Erstattung von der Klägerin im Berufungsverfahren möglicherweise
entstandenen außergerichtlichen Kosten nicht in Betracht. Unbeachtlich ist, dass der Beklagte wohl in Verkennung der erstinstanzlichen
Entscheidung in seiner Berufungsschrift die Klägerin ausdrücklich mit einbezogen hat. Ein Rechtsschutzinteresse der durchgehend
anwaltlich vertretenen Klägerin bestand nach der Aufhebung des sie betreffenden Widerspruchsbescheides nicht mehr.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 SGG) liegen nicht vor.