Kostenfestsetzung
Beschwerde
Einigungsgebühr als Erfolgsgebühr
Qualifizierter Beitrag des Rechtsanwalts zur Erledigung des Rechtsstreits
1. Eine Einigungsgebühr i.S.v. Nr. 1006 VV-RVG entsteht in gerichtskostenfreien Verfahren für die Mitwirkung des Rechtsanwaltes bei dem Abschluss eines Vertrags, durch
den der Streit über die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich
auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
2. Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten
Rechtsanwalts vergütet werden; zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden.
3. Damit ist die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr, die die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen
um die Herstellung des Rechtsfriedens ohne Sachentscheidung des Gerichts "durch die anwaltliche Mitwirkung" honoriert.
4. Die "anwaltliche Mitwirkung" erfordert dabei jedoch einen besonderen, nicht ganz unwesentlichen Beitrag des Rechtsanwalts
zur Erledigung des Rechtsstreits ohne eine gerichtliche Entscheidung.
5. Mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Entstehen der Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV-RVG im Vorverfahren (BSG Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 62/12 R -) kommt es auf eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts an, die über das Maß desjenigen hinausgeht,
das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Verfahren abgegolten
wird.
Gründe
I.
Der Antragsteller führte um die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf, vertreten durch den Beschwerdeführer, das Eilverfahren S 29 AS 1661/15 ER, in dem im Wesentlichen um die Vorlage von Kontoauszügen sowie den Nachweis der Kosten der Unterkunft und Heizung gestritten
wurde. Mit Beschluss vom 21.07.2015 bewilligte das SG dem Antragsteller PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Der Rechtsstreit endete durch Erledigungserklärung des Antragstellers
vom 27.07.2015, nachdem der Antragsgegner im Bescheid vom 22.07.2015 Regelbedarfe nach dem SGB II als Vorschuss bewilligt hatte. Einen Antrag auf Kostengrundentscheidung nach §
193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Bevollmächtigte des Antragstellers nach ausführlichem Hinweisschreiben des SG vom 21.09.2015 mit Ausführungen u.a. zum Veranlassunsgsprinzip und eigenen (Mit-)Verantwortung des Antragstellers für die
Verfahrensdauer am 12.10.2015 zurückgenommen.
Durch Beschluss vom 04.01.2016 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren
und Auslagen antragsgemäß festgesetzt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)
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300 EUR
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Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)
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20 EUR
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Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) auf 320 EUR
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60,80 EUR
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Summe
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380,80 EUR
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Dagegen hat der Beschwerdeführer am 26.01.2016 "Erinnerung" eingelegt und ausgeführt, versehentlich sei keine Erledigungsgebühr
(Nr. 1006 (VV) RVG) in Höhe der Verfahrensgebühr (300 EUR) abgerechnet worden, was er hiermit nachhole. Der Antragsteller sei nämlich erst durch
ihn dazu veranlasst worden, auf eine gerichtliche Kostengrundentscheidung zu verzichten. Die dadurch bedingte Arbeitsersparnis
des Gerichts sei mit der Erledigungsgebühr zu seinen Gunsten, so der Bevollmächtigte, zu prämieren. Nach Hinweis des SG hat er am 29.03.2016 einen entsprechenden Nachtragsantrag gestellt.
Mit Beschluss vom 11.04.2016 hat die Urkundsbeamtin den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, eine wesentliche (Teil-)Mitwirkung
des Beschwerdeführers sei nicht gegeben. Dagegen hat der Beschwerdeführer am 11.05.2016 Erinnerung eingelegt und sich auf
sein bisheriges Vorbringen bezogen. Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung am 20.06.2016 nicht abgeholfen.
Durch Beschluss vom 06.02.2017 hat das SG den Festsetzungsbeschluss vom 11.04.2016 bestätigt. Es sei keine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung zu erkennen, die zur
Erledigung geführt habe. Es sei auch zu beachten, dass letztlich gerichtliche Hinweise zu der zwischen den Beteiligten erfolgten
Regelung geführt bzw. die Beendigung des Eilverfahrens maßgeblich gefördert hätten.
Gegen den ihm am 13.02.2017 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 24.02.2017 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen beantragt der Beschwerdeführer,
die Vergütung um 300 EUR nebst anteiliger Steuern höher festzusetzen.
Die Erledigungsgebühr sei anzuerkennen, da er auf den Antragsteller, der zum Teil ja auch obsiegte, in einem längeren Telefongespräch
eingewirkt habe, um auch insoweit dem SG durch Antragsrücknahme die Kostengrundentscheidung durch Beschluss nach §
193 SGG zu ersparen. Das sei auch mit der Rechtsprechung (Beschlüsse des LSG Schleswig vom 12.08.2009- L 1 B 141/09 SF E bzw.des LSG Bayern vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E) zu prämieren.
Der Beschwerdegegner ist der Beschwerde unter Bezug auf die angefochtene Entscheidung entgegengetreten.
II.
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG.
Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert ist überschritten (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG), denn streitig ist eine Differenz zwischen der beantragten und der festgesetzten Gebühr in Form der Erledigungsgebühr nach
Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 300 EUR zuzüglich Steuern. Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden. Der Beschwerde hat das Sozialgericht nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen nicht zu niedrig festgesetzt.
Der Gebührentatbestand der hier allein streitigen Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG (Einigungs- oder Erledigungsgebühr) ist nicht erfüllt. Eine Einigungsgebühr i.S.v. Nr. 1006 VV RVG entsteht in gerichtskostenfreien Verfahren für die Mitwirkung des Rechtsanwaltes bei dem Abschluss eines Vertrags, durch
den der Streit über die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich
auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 S. 2 VV RVG). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten
Rechtsanwalts vergütet werden; zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH, Urteil vom. 20.11.2008 - IX ZR 186/07 -, FamRZ 2009, 30). Damit ist die Erledigungsgebühr eine Erfolgsgebühr, die die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen
um die Herstellung des Rechtsfriedens ohne Sachentscheidung des Gerichts "durch die anwaltliche Mitwirkung" honoriert. Die
"anwaltliche Mitwirkung" erfordert dabei jedoch einen besonderen, nicht ganz unwesentlichen Beitrag des Rechtsanwalts zur
Erledigung des Rechtsstreits ohne eine gerichtliche Entscheidung. Mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Entstehen der Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG im Vorverfahren (BSG Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 62/12 R - [...] Rn. 23 mwN) kommt es auf eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts an, die über das
Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen
Verfahren abgegolten wird (ebenso: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2013 - L 9 AS 142/13 B - [...] Rn. 20; Thüringer LSG, Beschluss vom 01.05.2013 - L 6 SF 105/13 B - [...] Rn. 6; Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E - [...] Rn. 32; vgl. Gerold/Schmidt- Müller-Rabe, RVG, 20.Aufl., Nr. 1006 VV RVG , Rn. 38).
Hier sind die prozessbeendenden Erklärungen der Beteiligten im Eilrechtsverfahren S 29 AS 1661/15 ER, SG Düsseldorf, aktenkundig. Eine qualifizierte Mitwirkung in diesem Sinne begründet weder die bloße Erledigungserklärung
angesichts des Teilabhilfebescheides des Antrasgegeners vom 22.07.2015 (zur Erledigungserklärung ebenso Dahn/Schmidt,Anwaltsgebühren
im Sozialrecht, 2016, § 7 Rn. 38 (S.127) inhaltlich nicht vergleichbar der vom Beschwerdeführer zitierte Beschluss des LSG
Bayern vom 01.07.2011 - L 15 SF 82/10 B E) noch die sonstigen Tätigkeiten des Beschwerdeführers im Verfahren. Letztere sind dem allgemeinen Betreiben des Geschäfts
und damit der Verfahrensgebühr zuzurechnen. So hat der Bevollmächtigte etwa dem Mandanten zu einem verfahrensmäßig angemessenen
Vorgehen zu raten (s. auch Dahn/Schmidt, aaO. § 7 Rn. 38 (S.127)). Die telefonische Anregung des Bevollmächtigten gegenüber
dem Antragsteller, auch keine förmliche - nach §
172 Abs.
3 Nr.
3 SGG zudem unanfechtbare - Kostengrundentscheidung des SG zu begehren, ist vor dem Hintergrund des richterlichen Hinweisschreibens vom 21.09.2015 an den Beschwerdeführer im Eilverfahren
zu bewerten. Ausgehend von Sinn und Zweck der Erledigungsgebühr, dem Anwalt gebührenrechtlich seine besonderen Beendigungsbemühungen
zu honorieren und die Gerichte zu entlasten, ist dies hier nicht geeignet, eine solche Gebühr auch hier auszulösen. Anders
als etwa im vom Beschwerdeführer zitierten Beschluss des LSG Schleswig vom 12.08.2009- L 1 B 141/09 SF E war hier keine Verfahrensbeendigung ohne jeden Erfolg in der Sache etwa nach erfolgloser Beweisaufnahme durch den Beschwerdeführer
zu kommunizieren, sondern dem Antragsteller schlicht mit Hinweis auf das gerichtliche Schreiben vom 21.09.2015 zu vermitteln,
dass ein Beschluss nach §
193 SGG nach der bereits verlautbarten Rechtsauffassung des Gerichts inhaltlich und verfahrensrechtlich überflüssig sei und im Übrigen
die Rechtsanwaltsgebühren bei der Staatskasse zu liquidieren waren. Weitergehende Umstände für eine dann noch dem Beschwerdeführer
günstigere Gebührenbestimmung sind nicht ersichtlich.
Die im Übrigen festgesetzte Gebühr ist nicht streitig und auch der Höhe nach zutreffend.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG)