Parallelentscheidung zu LSG Sachsen - L 3 AL 133/16 - v. 06.04.2017
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung eines Sperrzeitbescheides und ihre damit verbundene Verurteilung, dem Kläger
für weitere zwölf Wochen Arbeitslosengeld zu zahlen.
Der 1953 geborene Kläger war seit dem 1. September 1969 bei der SDAG Wismut und später bei der Wismut GmbH beschäftigt. Mit
seiner damaligen Arbeitgeberin, der Wismut GmbH, schloss er am 27. November 2006 eine "Vereinbarung zur Altersteilzeit". Der
Vertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:
"§ 1 Beginn der Altersteilzeit Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird mit Wirkung vom 01.06.2009 als
Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgesetzt.
§ 2 Tätigkeit
(1) Der Arbeitnehmer übt seine bisherige Tätigkeit als "Fachgebietsverantwortlicher PC- und Netzservice weiter aus.
(2) [...].
§ 3 Arbeitszeit
(1) Die durchschnittliche tarifliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt die Hälfte der im
jeweils geltenden Manteltarifvertrag (MTV) vereinbarten Arbeitszeit. (
2) Die Arbeitszeit wird so verteilt, dass sie in der 1. Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, vom 01.06.2009 bis
31.05.2012, voll geleistet wird (Vollzeitphase) und der Arbeitnehmer anschließend in der 2. Hälfte, vom 01.06.2012 bis 31.05.2015,
von der Arbeitsleistung freigestellt wird (Freistellungsphase). Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Entgeltersatzleistungen
verlängert sich die Zeit mit voller Arbeitsleistung (Vollzeitphase) um die Hälfte der Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
§ 4 Vergütung
[...]
§ 5 Altersteilzeitleistungen
[...]
§ 6 Urlaub
(1) Der Urlaubsanspruch richtet sich in der Vollzeitphase nach den tariflichen Regelungen (MTV). In der Freistellungsphase besteht kein Anspruch auf Urlaub.
(2) Im Kalenderjahr des Übergangs von der Vollzeitphase zur Freistellungsphase hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat
der Vollzeitphase Anspruch auf 1/12 des tariflichen Urlaubs.
§ 7 Ansprüche bei Arbeitsunfähigkeit
[...]
§ 8 Mitwirkungs- und Erstattungspflichten
[...]
§ 9 Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
(1) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnisses endet ohne Kündigung am 31.05.2015.
(2) [...]
(3) [...]
§ 10 Schlussbestimmungen
[...]"
Nach der Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vom 2. Mai 2012 konnte der Kläger Altersrente für
langjährig Versicherte ab dem 1. Juni 2015 mit einem Abschlag von 10,80 % in Anspruch nehmen.
Zum 1. Juli 2014 ist das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)
vom 23. Juni 2014 (BGBl. I S. 787) in Kraft getreten. Darin sind unter anderem Regelungen über die abschlagsfreie Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres
bei Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren enthalten.
Der Kläger meldete sich am 3. März 2015 zum 1. Juni 2015 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Bereits am
25. Februar 2015 hatte er sich über die sogenannte "Jobbörse" online gemeldet.
Anlässlich der Übersendung von Unterlagen gab der Kläger am 7. Juni 2015 an, dass sein Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2015
ende. Die Arbeitgeberin habe keine Möglichkeit, ihn weiter zu beschäftigen.
Nach der Arbeitsbescheinigung seiner Arbeitgeberin vom 4. Juni 2015 war der Kläger in Vollzeit 40 Std/Woche und in Teilzeit
20 Std/Woche beschäftigt. Der Kläger erzielte in den Monaten Juni 2014 bis Mai 2015 Arbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe,
davon Einmalzahlungen in den Monaten Oktober 2014 und Mai 2015.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 23.
August 2015 fest. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Alterszeitvertrages selbst gelöst. Er
habe sich nach der Beendigung der Beschäftigung arbeitslos gemeldet, anstatt planmäßig Altersrente zu beziehen. Die vom Kläger
genannten Gründe könnten bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft den Eintritt einer Sperrzeit
nicht abwenden. Auch aus den Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund.
Mit Bescheid vom 17. Juni 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für 720 Tage und einem Anspruchsbeginn
am 1. Juni 2015. Für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 23. August 2015 wurde ein Leistungsbetrag und ein Zahlbetrag von jeweils
0,00 EUR und für die Zeit vom 24. August 2015 bis zum 22. Februar 2017 von jeweils 32,70 EUR festgesetzt. Wegen der Einzelheiten
der Leistungsberechnung wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 19. Juni 2015 Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid ein. Die Altersteilzeitvereinbarung
habe wegen einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2007 kurzfristig geschlossen werden müssen. Da die Arbeitgeberin als Sanierungsunternehmen
mit einer zum damaligen Zeitpunkt nur kurzen Perspektive und daraus resultierendem ständigen Personalabbau auch Kündigungen
in Betracht gezogen habe, sei allen betreffenden Mitarbeitern, so auch ihm, die Altersteilzeitvereinbarung dringend nahegelegt
worden. Eine Kündigung sei für ihn sehr ungünstig gewesen, da er seine Chance, einen neuen Arbeitgeber zu finden, gering eingeschätzt
habe. Darüber hinaus habe es noch weitere Gründe für den Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung gegeben. Seine Frau habe
eine befristete Tätigkeit gehabt, die in die Arbeitslosigkeit geführt habe. Sie habe einen Grad der Behinderung von 40 gehabt.
Seit 2014 beziehe sie eine Erwerbsminderungsrente. Sein Sohn, der bis 2011 an der Universität Y ... studiert und einen zweijährigen
Sohn gehabt habe, sei auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen gewesen. Auch seine mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft
lebende, damals schon 86 Jahre alte Schwiegermutter sei von ihnen unterstützt worden. Sie sei im Oktober 2010 gestorben. Sowohl
die Einführung der Rente mit 63 als auch die Entwicklung seiner persönlichen Bedingungen, die ihm eine Weiterarbeit ermöglicht
hätten, seien nicht voraussehbar gewesen.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 legte der Kläger ferner Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid ein. Er monierte, dass
die Einmalzahlung im Mai 2015 nicht berücksichtigt worden sei. Es habe sich nicht um Arbeitsentgelt wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
gehandelt.
Die Beklagte erließ unter dem 28. Juli 2015 zwei zurückweisende Widerspruchsbescheide. Gegen den den Widerspruch gegen den
Bewilligungsbescheid vom 17. Juni 2015 betreffenden Widerspruchsbescheid hat der Kläger keine Klage erhoben.
Der den Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid betreffende Widerspruchsbescheid wurde damit begründet, dass sich der Kläger
nach dem Ende der Altersteilzeitvereinbarung arbeitslos gemeldet und nicht die Möglichkeit eines gleitenden Übergangs in den
Rentenbezug in Anspruch genommen habe. Damit sei der Abschluss des Altersteilzeitvertrages kausal für die Arbeitslosigkeit.
Die Arbeitslosigkeit sei zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden, weil der Kläger keine konkrete Aussicht auf eine
unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt habe. Wenn ein Arbeitnehmer nicht planmäßig
Altersrente beziehe, liege kein wichtiger Grund im Sinne von §
159 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) vor. Eine betriebsbedingte Kündigung habe im Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages nicht konkret gedroht.
Die subjektive Vorstellung des Klägers, die Rente nahtlos beziehen zu wollen, sei nicht objektiv belegbar. Gründe für eine
Verkürzung der Sperrzeit von zwölf Wochen lägen nicht vor.
Der Kläger hat am 25. August 2015 Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung am 2: November 2015 hat er unter anderem angegeben,
dass er sich am 25. Februar 2015 bei seinem Rentenversicherungsträger gemeldet habe, um eine Altersrente zu beantragen. Der
dortige Mitarbeiter habe seiner Einschätzung, dass eine Rente für langjährig Versicherte wohl nicht in Betracht komme, widersprochen.
Erst daraufhin habe er sich entschlossen, noch keinen Rentenantrag zu stellen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 2. November 2015 den Sperrzeitbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger
für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 23. August 2015 Arbeitslosengeld zu zahlen. Unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichtes
vom 21. Juli 2009 (Az. B 7 AL 6/08 R) hat es die Auffassung vertreten, dass der Abschluss des Altersteilzeitvertrages durch einen wichtigen Grund gedeckt gewesen
sei. Der wichtige Grund sei auch objektivierbar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. November 2015 zugestellte Urteil am 4. Dezember 2016 Berufung eingelegt. Sie hält an
ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 2. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und hat verschiedene Unterlagen zum Beleg seines Vortrages
vorgelegt.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2017 befragt worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift
verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung sind der Sperrzeitbescheid vom 16. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28. Juli 2015 und der Arbeitslosengeldbescheid vom 17. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli
2015. Denn diese bilden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes eine Einheit (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2004 - B 7a/7 AL 94/04 R - SozR 4-4300 § 140 Nr. 2 = juris Rdnr. 13, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG,
Urteil vom 30. Juni 2016 - L 3 AL 130/14 - juris Rdnr. 28, m. w. N.). Die gerichtliche Prüfung ist allerdings auf die Sperrzeitentscheidung und korrespondierend hiermit
auf den zeitlichen Umfang der Arbeitslosengeldbewilligung begrenzt. Denn der Kläger hat seinen Einwand aus dem Widerspruchsschreiben
vom 26. Juni 2015 bezüglich der Höhe des bewilligten Arbeitslosengeldes nicht mehr geltend gemacht. Hierüber hat das Sozialgericht
auch nicht entschieden. Im Übrigen gibt es keine Bedenken in Bezug auf die Höhe des von der Beklagten bewilligten Arbeitslosengeldes.
II. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da Leistungen von mehr als 750,00 EUR betroffen sind (vgl.
§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Mit dem Sperrzeitbescheid ist eine Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 23. August 2015 (= 84 Kalendertage), mit
dem Arbeitslosengeldbescheid das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs und die Minderung der Anspruchsdauer für diese Dauer
festgestellt worden. Bei der hiergegen gerichteten Klage handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
gemäß §
54 Abs.
4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2004, a, a. O., m. w. N.). Ausgehend von einem täglichen Leistungsbetrag von 32,70 EUR wird damit
der gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG für die Berufung maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR mit einem Betrag von 2.746,80 EUR (= 32,70 EUR/Tag
x 84 Tage) überschritten.
III. Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Denn die angefochtenen Bescheide
sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 23. August 2015 festgestellte
Sperrzeit und die damit einhergehende Ablehnung von Arbeitslosengeld sowie die Minderung der Anspruchsdauer des bewilligten
Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum sind rechtswidrig.
1. Der Sperrzeitbescheid war allerdings nicht bereits wegen eines Anhörungsmangels aufzuheben.
Zwar war der Sperrzeitbescheid zunächst formell fehlerhaft. Denn vor dessen Erlass hat die Beklagte den Kläger nicht angehört.
Weder findet sich in der Verwaltungsakte ein Anhörungsschreiben oder ein sonstiges Dokument zu einer eventuellen mündlichen
Anhörung des Klägers noch sind unter Nummer 3 ("Anhörung") des "Feststellungsbogens zur Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung"
(Blatt 26 der Verwaltungsakte) Eintragungen enthalten. Zu einer vorherigen Anhörung war die Beklagte aber verpflichtet. Denn
nach § 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich
zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Zwar besteht eine Anhörungspflicht nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung nicht, wenn die Behörde eine ablehnende Verwaltungsentscheidung über ein noch nicht eingeräumtes Recht trifft
(vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1990 - 7 RAr 6/90 - BSGE 68, 42 [44] = SozR 3-4100 § 139a Nr. 1 = juris Rdnr. 27; Mutschler, in: Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht - [Stand:
92. Erg.-Lfg., Dezember 2016], § 24 Rdnr. 8, m. w. N.). Die Sperrzeitentscheidung ist jedoch keine bloße befristete Ablehnung
eines Arbeitslosengeldantrages, sondern eine in die Rechtsposition des Klägers eingreifende Sanktionsentscheidung dafür, dass
ein Arbeitsloser vorwerfbar seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt oder nicht an der Behebung der Arbeitslosigkeit mitgewirkt
hat (vgl. zu § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG: BSG, Urteil vom 16. September 1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270 ff. = SozR 3-4100 § 119 Nr. 19 = juris Rdnr. 15). Auch lag keiner der in § 24 Abs. 2 SGB X genannten Fälle, in denen von einer Anhörung abgesehen werden kann, vor. Im Übrigen gab die Beklagte im Sperrzeitbescheid
nicht zu erkennen, dass sie die Möglichkeit einer Ermessensausübung in Bezug auf das Absehen von einer Anhörung überhaupt
sah.
Jedoch wurde der Anhörungsmangel gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X im Vorverfahren geheilt. Zwar bewirkt die bloße Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung allein nicht die Heilung des Mangels.
Vielmehr wird ein Anhörungsmangel im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur dann geheilt, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen
Tatsachen enthält (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1994 - 7 RAr 104/93 - SozR 3-4100 § 117 Nr. 11 = juris Rdnr. 24; Sächs. LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 - L 3 AS 579/11 - juris Rdnr. 52, m. w. N.; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 41 Rdnr. 15; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht - [Stand: 92. Erg.-Lfg., Dezember 2016], § 41 SGB X Rdnr. 16, m. w. N.). Dies war hier der Fall. Denn der Sperrzeitbescheid vom 16. Juni 2015 enthielt die für eine ordnungsgemäße
Anhörung erforderlichen Angaben von Tatsachen und Vorwürfe, sodass der Kläger in die Lage versetzt war, sich sachgerecht zu
äußern.
2. Die Voraussetzungen für eine Sperrzeit und damit für das Ruhen und die Minderung des Arbeitslosengeldanspruches wegen des
Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung sind nicht gegeben. Es fehlt an einer Rechtsgrundlage, die die Nichtbeantragung
einer Rente nach dem Ende des Altersteilzeitverhältnisses sanktionieren würde.
a) Der Kläger hat für den streitbefangenen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit.
Die in §
136 Abs.
1 Nr.
1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III), §
137 ff.
SGB III geforderten Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger war arbeitslos im Sinne von §
137 Abs.
1 Nr.
1 SGB III i. V. m. §
138 Abs.
1 SGB III. Denn er war mit dem Ende des Altersteilzeitverhältnisses ab dem 1. Juni 2015 beschäftigungslos (vgl. §
138 Abs.
1 Nr.
1 SGB III), war bereit sich zu bemühen, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (vgl. §
138 Abs.
1 Nr.
2 SGB III), und stand den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung (vgl. §
138 Abs.
1 Nr.
3 SGB III). Die Frage nach Eigenbemühungen (vgl. §
138 Abs.
1 Nr.
2 SGB III) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bejaht. Er hat - von der Beklagtenvertreterin unwidersprochen - vorgetragen,
dass es im Hinblick darauf, dass er während der dreijährigen Freistellungsphase Zeit nicht im Erwerbsleben gewesen sei und
der IT-Bereich ein sich schnell ändernder und entwickelnder Arbeitsbereich sei, schwer gewesen sei, eine Arbeitsstelle zu
bekommen. Auch hätte das Beschäftigungsverhältnis noch maximal 14 Monate gedauert. Seine Bewerbungen seinen deshalb erfolglos
geblieben. Der Kläger hatte sich am 3. März 2015 auch persönlich arbeitslos gemeldet (vgl. §
137 Abs.
1 Nr.
2 SGB III i. V. m. §
141 SGB III). Schließlich hat er auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit für seine frühere Arbeitgeberin die Anwartschaftszeit im Sinne
von §
137 Abs.
1 Nr.
3 SGB III i. V. m. §§
142 und
143 SGB III erfüllt.
b) Gemäß §
159 Abs.
1 Satz 1
SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor bei
einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB III), einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 SGB III), einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB III), einer Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
4 SGB III), einer Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB III), einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB III) und einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
7 SGB III).
Vorliegend kommt allein eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe im Sinne von §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB III in Betracht. Danach liegt ein versicherungswidriges Verhalten vor, wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis
gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und
dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.
Nach §
159 Abs.
1 Satz 3
SGB III hat die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen
darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.
Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit
fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit (vgl. §
159 Abs.
2 Satz 1
SGB III). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen (vgl. §
159 Abs.
3 Satz 1
SGB III). Sie verkürzt sich gemäß §
159 Abs.
3 Satz 3
SGB III 1. auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet,
ohne eine Sperrzeit geendet hätte, 2. auf sechs Wochen, wenn a) das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem
Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder b) eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose
Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
Ein versicherungswidriges Verhalten hat nicht nur das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit
zur Folge (vgl. §
159 Abs.
1 Satz 1
SGB III), sondern gemäß §
148 Abs.
1 Nr.
4 Halbsatz 1
SGB III auch die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
c) Ein Tatbestandsmerkmal der Sperrzeitregelung in §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Alt. 1
SGB III ist das "Lösen" eines Beschäftigungsverhältnisses. Sperrzeitauslösend ist nur eine Willenserklärung, mit der das Beschäftigungsverhältnis
zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet wird (vgl. Valgolio, in: Hauck/Noftz,
SGB III [Stand: Erg.-Lfg. Stand 4/15, Mai 2015], § 159 Rdnr. 56). Unerheblich ist, von wem die Initiative ausgegangen ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juni 1997 - 7 RAr 22/96 - SozR 3-1500 § 144 Nr. 12 = NZS 1998, 136 ff. = juris Rdnr. 19, m. w. N.; Valgolio, a. a. O., Rdnr. 57, m. w. N.). Wenn für ein sperrzeitauslösendes Verhalten mehrere
Zeitpunkte in Betracht kommen, ist dasjenige entscheidend, das kausal die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (vgl. zur Kausalitätsprüfung:
BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - B 7a AL 46/05 R - BSGE 96, 22 ff. = SozR 4-4300 § 144 Nr. 12 = juris Rdnr. 12 f., m. w. N.; Valgolio, a. a. O., Rdnr. 58, m. w. N.). Ein "Lösen" eines
Beschäftigungsverhältnisses liegt begrifflich nicht vor, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf endet, selbst
wenn der Arbeitnehmer eine Verlängerung erwirken könnte (vgl. Valgolio, a. a. O., Rdnr. 59, m. w. N.). Wenn ein Arbeitnehmer
einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell schließt und dadurch mit seinem Arbeitgeber die Umwandlung eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses in ein befristetet vereinbart, liegt darin ein "Lösen" eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von
§
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Alt. 1
SGB III (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 - B 7a AL 6/08 R - BSGE 104, 90 ff. = SozR 4-4300 § 144 Nr. 18 = juris, jeweils Leitsatz 1; Valgolio, a. a. O., Rdnr. 61a, m. w. N.; Winkler, in: Gagel,
SGB II/SGB III [64. Erg. Lfg, Dezember 2016], § 159 Rdnr. 75, m. w. N.).
Ein weiteres Tatbestandsmerkmal ist der wichtige Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Ein solcher wichtiger
Grund, der den Eintritt einer Sperrzeit verhindert, liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der Vorgängerregelung
von §
159 Abs.
1 Satz 1
SGB III, dem bis zum 31. März 2012 geltenden §
144 Abs.
1 Satz 1
SGB III, im Falle des Abschlusses einer Altersteilzeitvereinbarung dann vor, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss der Vereinbarung
beabsichtigt, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und diese Annahme prognostisch auch gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 - B 7 AL 6/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 18 = juris Rdnr. 11 ff.; Sächs. LSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - L 3 AL 100/12 - juris Rdnr. 23). Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 21. Juli 2009 ausgeführt, dass es erklärtes Ziel des Gesetzgebers
war, mit der Einführung der Altersteilzeit die Praxis der Frühverrentung durch eine neue sozialverträgliche Möglichkeit eines
gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand abzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 13, unter Verweis auf BR-Drs. 208/96, S.1, 22). Durch die Altersteilzeit sollte
es ermöglicht werden, betriebliche Personalanpassungsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass über eine Frühverrentung die Kosten
dieser Maßnahmen auf die Solidargemeinschaft der Versicherten abgewälzt werden. Wenn es damit das erklärte Ziel des Gesetzgebers
war, die Sozialversicherung und insbesondere die Bundesagentur durch die Einführung der Altersteilzeit zu entlasten, kann
einem Arbeitnehmer, der sich entsprechend dieser Gesetzesintention verhält, der Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung
nicht vorgeworfen werden. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 14) jedoch nur dann, wenn nach der Altersteilzeit auch tatsächlich die Rente beantragt
werden soll. Denn Ziel des
Altersteilzeitgesetzes ist es, eine Nahtlosigkeit zwischen Altersteilzeitbeschäftigung und Rentenbeginn zu erreichen und einen Zwischenschritt über
die Arbeitslosigkeit und den Leistungsbezug bei der Bundesagentur gerade zu vermeiden. Erforderlich ist mithin, dass der Arbeitnehmer
zum Zeitpunkt des Abschlusses der Teilzeitvereinbarung die Absicht hat, direkt nach Abschluss der Alters teilzeit ohne "Umweg"
über die Beantragung von Arbeitslosengeld Altersrente beziehen zu wollen, und dass prognostisch, das heißt objektiv, von einem
Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nach der Freistellungsphase der Altersteilzeit auszugehen ist. Die rein subjektive Vorstellung
des Arbeitnehmers genügt nicht (ständige Rspr., vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 11 AL 35/03 R - BSGE 92, 74 [82] = SozR 4-4300 § 144 Nr. 6 = juris Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 14; jeweils m. w. N.).
Für die Prognose ist unter anderem von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer davon ausgegangen ist, nach der Altersteilzeit ohne
Abschläge eine Altersrente erhalten zu können. Die Beurteilung seines künftigen Verhaltens ist damit aber abhängig von der
rentenrechtlichen Situation und davon, ob beziehungsweise wie der Arbeitnehmer diese unter Berücksichtigung welcher Kenntnisse
beziehungsweise Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 14). Ferner kann sich ein wichtiger Grund daraus ergeben, dass dem Arbeitnehmer,
wenn er nicht die entsprechende Vereinbarung mit der vormaligen Arbeitgeberin getroffen hätte, eine betriebsbedingte Kündigung
gedroht hätte (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, a. a. O., m. w. N.).
Welche Gesichtspunkte für die anzustellende Prognose maßgebend sein können, ist gesetzlich nicht geregelt. Auch aus dem Regelungszusammenhang
oder dem Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung lässt sich kein abschließender Kanon an maßgebenden Gesichtspunkten herleiten.
Deshalb kommen über die vom Bundessozialgericht angesprochenen Punkte auch gesundheitliche, familiäre oder persönliche Aspekte
in Betracht.
d) Ausgehend hiervon kommen für die Prüfung, ob der Kläger sein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis mit seiner damaligen
Arbeitgeberin gelöst hat und hierbei einen wichtigen Grund hatte, zwei Zeitpunkte in Betracht: der Abschluss der "Vereinbarung
zur Altersteilzeit" am 27. November 2006 sowie die unterlassene Rentenantragstellung zum 1. Juni 2015.
(1) Nach den vorliegenden Unterlagen und den persönlichen Angaben des Klägers bestand bei ihm zum Zeitpunkt des Abschlusses
der Altersteilzeitvereinbarung die subjektive Absicht, nach dem Ende des Altersteilzeitverhältnisses in Rente zu gehen. Auch
die Prognose, dass objektiv von einem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsleben nach der Freistellungsphase der Altersteilzeit
auszugehen war, kann auf dieser Grundlage getroffen werden.
Für den Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung war für den Kläger nach seinem Vortrag ein Bündel von Motiven maßgebend.
Diese können in zwei Gruppen zusammengefasst werden: die Sorge vor einem Arbeitsplatzabbau einerseits und der Wunsch, sich
um seine Familienangehörigen kümmern zu können andererseits.
Der vom Kläger beschriebene starke Personalabbau bei seiner früheren Arbeitgeberin, der Wismut GmbH, wird durch die vom Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie herausgegebene Broschüre "Wismut, Bergbausanierung - Landschaften gestalten und erhalten" (2015)
bestätigt. Danach waren beim Vorgängerunternehmen SDAG Wismut im Jahr 1991 noch 27.800 Mitarbeiter beschäftigt (vgl. Diagramm
"Personalentwicklung 1991 bis 2015", S. 7 der Broschüre). Das Nachfolgeunternehmen, die Wismut GmbH hatte zu 1. Januar 1992
nur noch 6.700 Mitarbeiter. Deren Zahl sank kontinuierlich weiter auf 4.600 Mitarbeiter im Jahr 1995, 3.100 Mitarbeiter im
Jahr 2000, 2.200 Mitarbeiter im Jahr 2005 und 1.500 Mitarbeiter im Jahr 2010. Bis zum Jahr 2015, als das Altersteilzeitverhältnis
des Klägers endete, reduzierte die Wismut GmbH ihren Mitarbeiterbestand weiter bis auf 1.100 Mitarbeiter. Auch der Vortrag
des Klägers, dass er von seiner Arbeitgeberin gedrängt worden sei, den Altersteilzeitvertrag abzuschließen, erscheint plausibel.
Denn in der genannten Broschüre wird es als "eine herausragende Leistung" dargestellt, dass "dieser drastische Personalabbau
über verschiedene Instrumente (Arbeitsförderungsgesellschaften, Altersteilzeit, Knappschafts-ausgleichsleistung) sozialverträglich
[habe] geregelt werden [können]" (vgl. S. 7 der Broschüre). Daraus folgt, dass die Sorge des Klägers vor einem weiteren Personalabbau
nicht unbegründet war. Dies ist aber nicht ausreichend. Denn das Bundessozialgericht fordert weitergehend, dass eine betriebsbedingte
Kündigung gedroht hätte (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 - B 7 AL 6/08 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 18 = juris Rdnr. 14). Eine solche Gefahr konnte der Kläger nicht beschreiben, auch wenn er in der
mündlichen Verhandlung nochmals schilderte, dass im Jahr 2006 die Arbeitgeberin auf ihn und andere Kollegen zugekommen sei
und auf den Abschluss von Altersteilzeitverträgen gedrungen habe.
Anders stellt sich die Sachlage in Bezug auf die familiäre Situation des Klägers dar.
Seiner Frau wurde vom Landratsamt Z ... mit Bescheid vom 16. Juni 2011 ein Grad der Behinderung von 40 ab dem 15. Dezember
2010 zuerkannt. Funktionseinschränkungen bestanden unter anderem in einer Stimmbandlähmung mit Heiserkeit und einer Funktionsbeeinträchtigung
der Wirbelsäule. Im Folgejahr bewilligte die Deutsche Rentenversicherung (Knappschaft-Bahn-See) der Ehefrau des Klägers mit
Bescheid vom 9. März 2012 eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau für die Zeit vom 1. Dezember
2011 längstens bis zum 31. Januar 2020. Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 wurde ihr schließlich Rente wegen voller Erwerbsminderung
für die Zeit vom 1. Januar 2014 längstens bis zum 31. Januar 2020 bewilligt.
Mit in der häuslichen Gemeinschaft des Klägers und seiner Ehefrau lebte seine damals 86 Jahre alte Schwiegermutter, die von
ihnen unterstützt wurde. Ihr wurde von der Knappschaft mit Bescheid vom 28. April 2010 die Pflegestufe II ab dem 23. März
2010 bewilligt. Sie verstarb im Oktober 2010. Diese Entscheidung wurde unter anderem damit begründet, dass die Schwiegermutter
bei der Pflege sowie im hauswirtschaftlichen Bereich Hilfe im Umfang von durchschnittlich 193 Minuten pro Tag benötige.
Schließlich war ein weiteres Motiv des Klägers, seinen damals 22-jährigen Sohn, der mit seiner Lebensgefährtin und dem kleinen
Sohn zusammenlebe, unterstützen zu können. Der Sohn, der bis zum Jahr 2011 an der Universität Y ... studiert habe, sei auf
die Unterstützung seiner Eltern angewiesen gewesen. Die räumliche Trennung zwischen den Eltern und ihrem Sohn und Enkelkind
einerseits und die bis Mai 2012 dauernde Vollzeitphase des Altersteilzeitverhältnisses andererseits, auf die die Beklagtenvertreterin
hingewiesen hat, haben nach Angaben des Klägers die Unterstützungsleistungen durch ihn und seine Ehefrau nicht gehindert,
sondern allenfalls erschwert. Wenn das Enkelkind krank gewesen sei, habe er beispielsweise zwei oder drei Tage Urlaub genommen.
Auch wenn sich die Angaben zu den vom Kläger erbrachten familiären Unterstützungsleistungen und die von ihm in diesem Zusammenhang
vorgelegten Belege auf Zeiten datieren, in denen sich der Kläger bereits im Altersteilzeitverhältnis befand, dokumentieren
sie doch Entwicklungen, die bereits Jahre zuvor angelegt waren. Weder die für das Jahr 2010 festgestellte Hilfebedürftigkeit
der Schwiegermutter im Umfang von über drei Stunden täglich noch die für die Zeit ab dem Jahr 2010 belegte Erkrankung der
Ehefrau des Klägers mit den verschiedenen Funktionseinschränkungen nahmen ihren Anfang erst in diesen Jahren. Sie lagen -
wenn auch in abgeschwächter Form - nach den Angaben des Klägers im Schreiben vom 21. Dezember 2015 bereits im Jahr 2006 vor.
Die gesundheitlichen Verschlechterungen der beiden Angehörigen waren in den jeweiligen Erkrankungen der beiden Familienangehörigen
angelegt.
Im Hinblick darauf, dass für den Kläger bei seiner Entscheidung im November 2006 nicht ein Motiv allein für den Abschluss
des Altersteilzeitvertrages ausschlaggebend war, sondern dass ihn verschiedene Gesichtspunkte zu dieser Entscheidung bewegten,
ist das Gericht auch auf Grund des persönlichen Eindrucks vom Kläger, den es in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte,
davon überzeugt, dass der Kläger bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung entschlossen war, nach dem Ende des Altersteilzeitverhältnisses
eine Altersrente in Anspruch zu nehmen. Auch wenn einzelne Gesichtspunkte, wie die Sorge vor einer Kündigung im Zuge des Arbeitsplatzabbaus
für sich genommen wohl nicht die Prognose gerechtfertigt hätten, der Kläger werde nahtlos nach der Altersteilzeit eine Altersrente
beziehen wollen, ist der Aspekt des erwarteten oder drohenden Arbeitsplatzabbaus doch als Teil der Gesamtabwägung durch den
Kläger zu würdigen. Die Gesamtschau aller vom Kläger vorgetragenen Motive fällt zu seinen Gunsten aus.
Über die finanziellen Folgen, die mit einer Altersteilzeit und einem anschließenden Rentenbezug verbunden waren, war der Kläger
unterrichtet, weil sie nach seinen Angaben im Rahmen des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages im Gespräch gewesen waren.
Gleichwohl spielten die finanziellen Aspekte für ihn bei seiner Entscheidung, eine Altersteilzeitvereinbarung abzuschließen,
keine Rolle. Für die ursprüngliche Absicht des Klägers spricht zudem, dass er im Schreiben vom 21. Dezember 2015 - unwidersprochen
- angegeben hat, erst anlässlich des Termins zur Beantragung der Altersrente am 25. Februar 2015 vom Rentenversicherungsträger
darauf hingewiesen worden zu sein, dass er ab dem 1. August 2016 eine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen könne. Der Vortrag
des Klägers, dass er erst zum Ende des Altersteilzeitverhältnisses und dann erst durch den Rentenversicherungsträger über
die Möglichkeit des Bezugs einer abschlagsfreien Rente unterrichtet worden sei, was ihn dazu bewogen habe, von einer Rentenantragstellung
abzusehen und stattdessen einen Arbeitslosengeldantrag zu stellen, entspricht im Übrigen einem Häufigen Vortrag von Klägern
in anderen Verfahren.
Ob die Lebensplanung des Klägers, die im Abschluss des Altersteilzeitvertrages mündete, auf Grund seiner persönlichen Umstände
angemessen oder zweckdienlich erscheint, haben weder die Beklagte noch das Gericht zu bewerten. Im Zusammenhang mit der Sperrzeitentscheidung
ist einzig zu prüfen, ob der Arbeitnehmer bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages beabsichtigt, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden
und diese Annahme prognostisch auch gerechtfertigt ist.
(2) Die instanzgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine Sperrzeit eintritt, wenn ein Arbeitnehmer eine Altersteilvereinbarung
abschließt, zum Ende des Altersteilzeitverhältnisses aber wegen Änderungen im Rentenrecht, hier denen im RV-Leistungsverbesserungsgesetz
vom 23. Juni 2014, keine Altersrente beantragt, ist sowohl vom dogmatischen Ansatz her als auch auf der Grundlage der Umstände
des Einzelfalles uneinheitlich.
So hat das Sozialgericht München (vgl. SG München, Urteil vom 5. November 2013 - S 35 AL 983/12 - juris Rdnr. 25) einen wichtigen Grund im Sinne der sperrzeitrechtlichen Regelungen für den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages
verneint, wenn nur unter bestimmten Bedingungen nahtlos die Rente beantragt werden soll (dort: ein Kind studiert nicht studiert
und die Ehe wird nicht geschieden). Wenn hingegen zwischen dem Abschluss des Altersteilzeitvertrages und dem Renteneintritt
hinsichtlich des mit dem vorzeitigen Renteneintritt verbundenen Abschlags Änderungen eintreten sollten, könne das Vorliegen
eines wichtigen Grundes bejaht werden (vgl. SG München, a. a. O., Rdnr. 26). Das Sozialgericht Speyer (vgl. SG Speyer, Urteil
vom 13. Mai 2015 - S 1 AL 311/14 - info also 2015, 209 ff. = juris Rdnr. 21 ff.) hat in der Nichtbeantragung der Altersrente ein Herbeiführen der Arbeitslosigkeit gesehen, hierfür
aber wegen der rentenrechtlichen Änderungen einen wichtigen Grund bejaht. Nach Auffassung der 7. Kammer des Sozialgerichtes
Karlsruhe (vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 28. August 2015 - S 7 AL 1978/14 - info also 2016, 22 ff. = juris Rdnr. 21 ff.; vgl. auch die Anm. zu dieser Entscheidung: Schmitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III [2014], §
159 [Aktualisierung] Rdnr. 32.4) erfordert das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses
durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nicht nur die im Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages bestehende
Absicht, nach Durchlaufen der Altersteilzeit Rente zu beantragen. Vielmehr muss für die Bestimmung der Frage, ob ein wichtiger
Grund in diesem Sinne vorliegt, auch das folgende Verhalten des Versicherten Berücksichtigung finden. Nach der Rechtsprechung
des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Juni 2016 - L 1 AL 48/15 - juris Rdnr. 31) und des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. September 2016
- L 8 AL 1777/16 - info also 2017, 15 ff. = juris Rdnr. 36) muss der im Zeitpunkt der Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gegebene wichtige Grund "im Sinne
einer Perpetuierung" weiter gegeben sein. Wenn der Arbeitnehmer später nicht mehr an seiner Absicht zur Rentenantragstellung
festhält, ohne dass sich die die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigenden Umstände geändert hätten, entfalle
der wichtige Grund. Im Gegensatz zum Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rdnr. 34 f.)
hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (vgl. LSG Baden-Württemberg, a. a. O., Rdnr. 41) allerdings eine besondere Härte
im Sinne von §
159 Abs.
3 Satz 2 Nr.
2 Buchst. b
SGB III angenommen mit der Folge, dass die Sperrzeit von zwölf auf sechs Wochen verkürzt ist. Die Änderung der Absicht, nach dem
Ende der Altersteilzeit eine Altersrente in Anspruch zu nehmen, sei allein in der vom Gesetzgeber neu eingeführten abschlagsfreien
Rente für besonders langjährig Versicherte begründet. Die Entscheidung für die Verschiebung des Rentenbeginns um drei Monate
entspreche dem von einem wirtschaftlich denkenden Versicherten zu erwartenden Verhalten.
Bei diesen Ansätzen wird allerdings außer Acht gelassen, dass es sich bei der Entscheidung, keine Rente für die Zeit unmittelbar
im Anschluss an die Freistellungsphase zu beantragen, um einen neuen Lebenssachverhalt handelt. Denn diese neue Entscheidung
ist zeitlich deutlich von dem Willensentschluss, einen Altersteilzeitvertrag abzuschließen, entfernt und stellt einen neuen
Willensentschluss auf der Grundlage neuer Erwägungen dar. Ein Sachzusammenhang zwischen den zwei Entscheidungen bestünde nur,
wenn die unterlassene Rentenantragstellung Ausdruck eines fehlenden Willens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages
wäre, einen Antrag auf Altersrente nach dem Ende des Altersteilzeitverhältnisses stellen zu wollen (zur indiziellen Bedeutung
einer unmittelbaren Beantragung von Arbeitslosengeld nach Ende der Altersteilzeit spricht in diesem Sinne: LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 25. Februar 2014 - juris Rdnr. 28). Dann ist dogmatisch aber nicht bei der unterlassenen Rentenantragstellung als
sperrzeitrelevantem Verhalten anzusetzen, sondern es ist - ausgehend von den Kriterien des Bundessozialgerichtes - bereits
ein wichtiger Grund im Sinne von §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB III für die Arbeitsaufgabe, die mit dem Abschluss eines Altersteilzeitvertrages verbunden ist, zu verneinen. Wenn aber einmal
ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe bestanden hat, lassen spätere Willensentscheidungen des Arbeitnehmers, hier die
Nichtbeantragung eine Altersrente, diesen nicht rückwirkend wieder entfallen. Andernfalls würde der zeitliche Bezugspunkt
für die Prüfung eines wichtigen Grundes, vorliegend der Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages, obsolet. Eine
Rechtsgrundlage, auf Grund derer eine spätere Willensentscheidung einen wichtigen Grund im Sinne von §
159 Abs.
1 Satz 1
SGB III, der beim Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung vorgelegen hat, rückwirkend entfallen lassen würde, gibt es nicht.
In diesem Sinne haben auch die 5. Kammer des Sozialgerichtes Karlsruhe (vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juli 2015 - info
also 2015, 211 f. = juris Rdnr. 24) und das Sozialgericht Kassel (vgl. SG Kassel, Urteil vom 30. November 2015 - S 3 AL 10/15 - juris Rdnr. 23) die Auffassung vertreten, dass für die Prüfung des wichtigen Grundes ausschließlich die Verhältnisse bei
Lösung des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend sind, also bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags. Weder könne ein zu diesem
Zeitpunkt bestehender wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe nachträglich entfallen noch lasse sich umgekehrt die Arbeitsaufgabe
durch einen erst später eintretenden Umstand rückwirkend rechtfertigen. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat ebenfalls
allein auf den Zeitpunkt des Lösungstatbestandes abgestellt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. November 2016 -
L 18 AL 96/16 - juris Rdnr. 19). Unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 20. April 1977, worin dieses die Möglichkeit
des Wegfalls eines wichtigen Grundes angedeutet hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1977 - 7 RAr 112/75 - BSGE 43, 269 ff. = SozR 4100 § 119 Nr. 2 = juris Rdnr. 16), hat das Landessozialgericht dahinstehen lassen, ob der wichtige Grund zur
Lösung des Beschäftigungsverhältnisses später entfallen sei, nachdem sich die Klägerin mit Bekanntwerden der Pläne des Gesetzgebers
zu einer abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte noch während des Arbeitsverhältnisses, aber kurz vor dem
Ende der Freistellungsphase, entschieden habe, ihren ursprünglichen Plan, unter Inkaufnahme von Rentenabschlägen nahtlos nach
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Altersrente zu beanspruchen, aufzugeben. Denn die Klägerin habe sich jedenfalls
nach Bekanntwerden der Pläne des Gesetzgebers im ersten Halbjahr 2014 bemüht, ihr Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitgeber
fortzusetzen, was aber schon angesichts des Wegfalls der Stelle nicht mehr möglich gewesen sei, und sich auch bei anderen
Arbeitgebern um ein Anschlussarbeitsverhältnis beworben.
Deshalb ist das Verhalten des Klägers im Jahr 2015, genauer gesagt das Unterlassen einer Rentenantragstellung verbunden mit
einer Beantragung von Arbeitslosengeld, getrennt vom Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung im Jahr 2006 auf seine sperrzeitrechtliche
Relevanz zu prüfen.
(3) Eine unterlassene Rentenantragstellung ist auf Grund der beschriebenen Begriffsdefinition kein "Lösen" eines Beschäftigungsverhältnisses
im Sinne von §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Alt 1
SGB III.
Denn der Kläger hat sein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis bereits dadurch im Sinne von §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Alt 1
SGB III gelöst, dass er es durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages in ein befristetes Beschäftigungsverhältnis umgewandelt
hat. Dieses nunmehr befristete Beschäftigungsverhältnis endete vertragsgemäß am 30. November 2015. Die Nichtbeantragung einer
Altersrente stellt allenfalls ein Aufrechterhalten eines vorhergehenden Lösens des Beschäftigungsverhältnisses dar. Im Übrigen
hätte ein sozialrechtlicher Antrag auf Altersrente keine Auswirkung auf den Bestand eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages.
Einen anderen Sperrzeittatbestand, der das Aufrechterhalten einer Arbeitslosigkeit sanktionieren würde, besteht derzeit nicht.
Insoweit ist die Rechtslage im
SGB III mit der in § 34 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung vergleichbar. Bis zu diesem Zeitpunkt war in § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II als sozialwidriges Verhalten nur das Herbeiführen einer Hilfebedürftigkeit definiert. Erst zum 1. August 2016 wurde ein neuer
§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingefügt, wonach nunmehr als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 auch gilt, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten
oder nicht verringert wurde. Das Bundessozialgericht hat zu der neuen Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Urteil vom 8. Februar 2017 (Az. B 14 AS 3/16 R) entschieden, dass diese Einfügung, dass als ein Herbeiführen auch ein Aufrechterhalten der Hilfebedürftigkeit gilt, entgegen
der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 18/8041 S 45) keine Klarstellung sei, wie schon aus dem Vergleich der Wörter
"herbeiführen" und "aufrechterhalten" folge (vgl. Nummer 3 des Terminberichts Nr. 3/17).
Es mag zwar sozialpolitisch missbilligend anzusehen sein, wenn ein Arbeitnehmer ein von der Versichertengemeinschaft gefördertes
Altersteilzeitverhältnis berechtigt eingeht, dann aber nicht entsprechend der Intention der Altersteilzeitregelungen nach
der Freistellungsphase nahtlos in den Rentenbezug übergeht. Dieses Verhalten kann allerdings nur sanktioniert werden, wenn
es hierfür eine klare Sanktionsregelung gibt. Eine solche besteht in Bezug auf das Unterlassen einer Rentenantragstellung
aber nicht. Es liegt deshalb in der Zuständigkeit des Gesetzgebers, eine entsprechende Sanktionsregelung zu schaffen, wenn
er sie für erforderlich oder sachgerecht halten sollte.
Dass entgegen diesen Ausführungen eine hinreichende Rechtsgrundlage vorhanden wäre, ergibt sich nicht aus dem Urteil des Bundessozialgericht
vom 20. April 1977, auf das im vorliegenden Zusammenhang verschiedentlich Bezug genommen wird (vgl. z. B. SG Karlsruhe, Urteil
vom 28. August 2015 - S 7 AL 1978/14 - info also 2016, 22 ff. = juris Rdnr. 18; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. September 2016, a. a. O., Rdnr. 37; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 1. November 2016, a. a. O.; Bienert, info also 2015, 205 [208]; Bienert, info also 2016, 26 [27]). Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, dass für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin zum 30.
April 1974 ein wichtigen Grund gegeben sein könnte, wenn sie zur Zeit der Kündigung berechtigterweise davon ausgehen konnte,
dass die Heirat bis zum 1. Mai 1974 stattfinden würde. Sodann hat es ausgeführt, dass allerdings weiter zu verlangen wäre,
dass die Klägerin sich sofort um eine Verlängerung des alten Arbeitsverhältnisses bemüht hätte, sobald die Verschiebung des
Heiratstermins bekannt wurde. Im Interesse der Versichertengemeinschaft müsse es als zumutbar angesehen werden, dass der Versicherte,
sofern er erkennen könne, dass der für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorhanden gewesene wichtige Grund entfalle,
Maßnahmen treffe, um diese Auflösung zu verhindern (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1977, a. a. O.). Es hat jedoch nicht dargelegt, wie es diese Forderung in der damals in der damals
maßgebenden, bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Sperrzeitregelung des § 119 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) verorten will. Denn Tatbestandsvoraussetzung war auch nach dem damaligen Gesetzestext, dass der Arbeitslose "das Beschäftigungsverhältnis
gelöst" hat. Allein die Sachdienlichkeit der vom Bundessozialgericht formulierten Forderung ist nicht ausreichend, wenn sich
die Forderung nicht im Gesetzestext niederschlägt.
e) Eine erweiternde Auslegung von §
159 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB III auch auf das Unterlassen einer Rentenantragstellung oder das Unterlassen, den Abschluss des Altersteilzeitvertrages rückgängig
zu machen, ist auf Grund des eindeutigen Gesetzeswortlautes "Lösen des Beschäftigungsverhältnisses" nicht möglich.
f) Es könnte in Betracht gezogen werden, ob der Kläger möglicherweise den Altersteilzeitvertrag konkludent durch die Nichtbeantragung
der Rente gekündigt haben könnte (zu den Beendigungsmöglichkeiten eines Altersteilzeitvertrages: Bauer/Gehring/Koch, Altersteilzeit
[2. Aufl., 2017], Rdnr. 448 ff.; Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz, Altersteilzeit [7. Aufl., 2011], S. 128 ff.). Dies bedarf
vorliegend aber keiner weiteren Erwägungen. Denn für eine konkludente Kündigung gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Denn
dem Kläger kann allenfalls vorgehalten werden, dass er sich nach dem Ende des Altersteilzeitverhältnisses nicht so verhalten
hat, wie es der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde. Dies allein rechtfertigt aber ebenso wenig wie bei der Verletzung
einer Vertragspflicht die Annahme, damit solle der Vertrag gekündigt werden.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass der Sperrzeitbescheid auch bei einer unterstellten Kündigung des Altersteilzeitvertrages
rechtwidrig wäre. Denn im Falle einer Kündigung des Altersteilzeitvertrages wäre der Rechtsgrund für den Übergang vom ursprünglich
unbefristeten Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis entfallen; das ursprüngliche Arbeitsverhältnis ohne Befristung
würde wieder aufleben. Damit wäre aber der Kläger nicht mehr arbeitslos. Daraus folgt weiter, dass er keinen Anspruch auf
Arbeitslosengeld hätte. Wenn aber kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, fehlt der Ansatzpunkt für eine Sperrzeit als
Sanktion.
Der Arbeitslosengeldbescheid wiederum wäre zwar rechtswidrig, soweit dem Kläger Arbeitslosengeld bewilligt wurde. Da dies
aber eine ihn rechtswidrig begünstigende Regelung wäre, wäre er nicht in seinen Rechten verletzt. Zudem ist der bewilligende
Teil des Bescheides nicht Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens. Für den hier streitbefangenen Zeitraum hingegen hätte der
Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dies ergäbe sich zwar nicht aus der Sperrzeitentscheidung, sondern auf Grund
der fehlenden Arbeitslosigkeit des Klägers. Insoweit wäre der Klage der Erfolg zu versagen.
g) Da aus den genannten Gründen der Sperrzeitbescheid rechtswidrig ist, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger entsprechend
der zitierten instanzgerichtlichen Rechtsprechung wegen der seit 2014 geltenden neuen Regelungen zur abschlagsfreien Rente
ab 63 einen wichtigen Grund hatte, nicht plangemäß von der Freistellungsphase in den Rentenbezug zu wechseln, oder ob zumindest
auf Grund der gesetzlichen Neuregelungen die Sperrzeit von zwölf Wochen für Kläger eine besondere Härte im Sinne von §
159 Abs.
3 Satz 2 Nr.
2 Buchst. b
SGB III bedeuten würde.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.
IV. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (vgl. §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) zuzulassen. Zur Frage, ob die Voraussetzungen für eine Sperrzeit vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer, der eine Altersteilzeitvereinbarung
geschlossen hat, wegen der gesetzlichen Neuregelungen zur abschlagsfreien Rente ab 63 nicht planmäßig von der Freistellungsphase
in den Rentenbezug wechselt, liegen divergierende instanzgerichtliche Entscheidungen vor.