Überobligationsmäßige Erwerbstätigkeit eines Ehegatten; Berücksichtigung von durch den Unterhaltsberechtigten bezogenem Pflegegeld
Tatbestand:
Die Parteien, die im Revisionsverfahren noch um Trennungsunterhalt streiten, schlossen am 27. Mai 1995 die Ehe, aus der der
am 28. Dezember 1995 geborene Sohn Max hervorgegangen ist. Seit dem 30. Oktober 2000 leben sie voneinander getrennt. Das Kind
lebt im Haushalt der Mutter. Es leidet an einem unklaren Dysmorphie-Syndrom; aufgrund seiner Schwerbehinderung ist eine Pflegebedürftigkeit
nach der Pflegestufe III anerkannt. Das Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.300 DM bzw. 665 EUR wird an die Klägerin gezahlt.
Diese war bis zum 30. November 2002 bei der Stadt W. teilzeitbeschäftigt; sie verrichtete ihre Tätigkeit von einem häuslichen
Telearbeitsplatz aus. Seit dem 1. Dezember 2002 ist sie nicht mehr erwerbstätig. Sie lebt seit April 2002 mit einem neuen
Partner zusammen.
Der Beklagte ist als Industriekaufmann beschäftigt. Auf einen zusammen mit der Klägerin aufgenommenen Kredit entrichtete er
- ebenso wie diese - bis Mai 2002 monatliche Raten von 250 DM (128 EUR). Seit der Trennung zahlte er Trennungsunterhalt in
Höhe von 759,50 DM und Kindesunterhalt in Höhe von 345 DM (jeweils monatlich); seit Januar 2002 zahlt er insgesamt 507,20
EUR monatlich.
Die Klägerin hat den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt für die Zeit ab August
2001 in Anspruch genommen. Bezüglich des begehrten Trennungsunterhalts (monatlich 925,03 EUR ab Mai 2002 zuzüglich eines Rückstandes
für die Zeit bis April 2002) hat sie die Auffassung vertreten, ihr Erwerbseinkommen sei nicht zu berücksichtigen, da sie aufgrund
der Versorgung des schwer behinderten Kindes erheblich belastet sei. Max fehle wegen zusätzlicher Erkrankungen häufig im Kindergarten;
sie werde von ihrem Arbeitgeber zwar während dieser Betreuungszeiten freigestellt, müsse die Zeiten jedoch nacharbeiten, weshalb
sie teilweise noch bis spät abends tätig sei.
Der Beklagte ist dem Unterhaltsbegehren entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Erwerbstätigkeit der Klägerin sei zumutbar,
denn sie könne ihrer Arbeit in der Zeit nachgehen, in der Max den Kindergarten besuche. Soweit dies wegen akuter Erkrankungen
des Kindes nicht möglich sei, könne die Klägerin die Betreuung durch eine Pflegekraft beanspruchen.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt sowie zur Zahlung folgenden Trennungsunterhalts verurteilt:
monatlich 918 EUR für Mai 2002, monatlich 851 EUR ab Juni 2002 sowie für die Zeit von August 2001 bis April 2002 rückständiger
4.959,80 EUR. Auf die gegen die Verurteilung zur Zahlung von Trennungsunterhalt gerichtete Berufung des Beklagten hat das
Oberlandesgericht das angefochtene Urteil insoweit abgeändert und der Klägerin Beträge zuerkannt, die zwischen 862 EUR und
694 EUR (jeweils monatlich) liegen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Rechtsmittel ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - uneingeschränkt zulässig. Die Revision hat zwar
beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen. Die Auslegung
des in der Revisionsbegründung zum Ausdruck kommenden Rechtsmittelbegehrens ergibt indessen ohne jeden Zweifel, dass der Beklagte
nicht Klageabweisung insgesamt, sondern hinsichtlich des in der Berufungsinstanz allein noch streitgegenständlichen Trennungsunterhalts
begehrt, also nicht hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von Kindesunterhalt, die bereits in Rechtskraft erwachsen
ist. Das hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch klargestellt.
II.
Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
1. Die Klägerin hat nach §
1361 Abs.
1 BGB Anspruch auf den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Parteien angemessenen Trennungsunterhalt.
Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen,
dass diese durch die Einkünfte beider Parteien geprägt worden seien.
Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Von dem Einkommen des Beklagten seien bis Mai 2002 keine berufsbedingten Aufwendungen in Abzug zu bringen, da ihm bis dahin
ein Firmenwagen zur Verfügung gestanden habe und er bei seinem Arbeitgeber kostenlos habe tanken können. Vielmehr sei die
private Nutzungsmöglichkeit des Firmenwagens als geldwerter Vorteil zu berücksichtigen. Der Entzug dieses Fahrzeugs ab Juni
2002 habe zur Folge, dass dieser Vorteil entfallen sei und die vom Beklagten geltend gemachten Fahrtkosten von da an als berufsbedingte
Aufwendungen anzuerkennen seien. Die Benutzung eines Pkw für die Fahrten zur Arbeitsstelle müsse die Klägerin hinnehmen, weil
die ehelichen Lebensverhältnisse hierdurch geprägt gewesen seien und kein Mangelfall vorliege. Gegen den Ansatz von 0,26 EUR
pro Kilometer bestünden keine Bedenken, da die einfache Fahrtstrecke lediglich 25 km betrage. In dieser Fahrtkostenpauschale
sei allerdings der Aufwand für die Anschaffung bzw. Finanzierung des Pkw enthalten, so dass der Beklagte die behaupteten Kreditraten
von 150 EUR monatlich nicht zusätzlich von seinem Einkommen in Abzug bringen könne. Abzusetzen seien deshalb allein berufsbedingte
Aufwendungen in Höhe von 240,50 EUR (50 km x 0,26 EUR x 222 Arbeitstage : 12). Unter Berücksichtigung der bis Mai 2002 zu
zahlenden anderweitigen Kreditraten, des geschuldeten Kindesunterhalts sowie des in Abzug zu bringenden Erwerbstätigenbonus
sei - wie vom Amtsgericht errechnet - von einem bereinigten monatlichen Einkommen des Beklagten von 3.360 DM bis November
2001, von 3.266 DM für Dezember 2001 und von 1.723 EUR von Januar bis Mai 2002 auszugehen. Ab Juni 2002 sei dagegen - unter
zusätzlicher Berücksichtigung der vorgenannten Fahrtkosten - ein bereinigtes monatliches Einkommen von 1.486,35 EUR zugrunde
zu legen.
Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse der Klägerin hat das Berufungsgericht ausgeführt: Das ihr zufließende Pflegegeld für
Max habe gemäß §
13 Abs.
6 SGB XI unberücksichtigt zu bleiben, weil keine der in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen vorliege. Die bis November 2002 ausgeübte
Halbtagsbeschäftigung der Klägerin sei als überobligationsmäßige Tätigkeit zu bewerten. Grundsätzlich bestehe keine Erwerbsverpflichtung
des ein Kind betreuenden Ehegatten, solange dieses nicht die dritte Grundschulklasse besuche. Max sei erst sieben Jahre alt,
stehe aber infolge seiner Behinderung auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes. Die Betreuungsleistungen der Mutter seien
auch nicht mit denen für ein Schulkind im Alter von acht Jahren zu vergleichen, auch wenn Max, der den Lebenshilfekindergarten
besuche, dadurch in der Regel mindestens so lange von zu Hause abwesend sei wie ein Grundschulkind. Aufgrund des von Max gewonnenen
Eindrucks stehe außer Frage, dass die Klägerin morgens, bis das Kind abgeholt werde, und nachmittags von seiner Rückkehr bis
zum Dienstbeginn der Nachtwache ungleich mehr an Betreuungsleistungen für ihn zu erbringen habe als für ein gesundes Kindergartenkind.
Auf den gesamten Tagesablauf bezogen ergebe sich deshalb jedenfalls keine nennenswerte Entlastung der Klägerin gegenüber der
Betreuungssituation für ein gesundes Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter. Das daher überobligationsmäßig erzielte Einkommen
(von - bereinigt um die Kreditrate sowie den Erwerbstätigenbonus - 1.428 DM im Jahr 2001, 760 EUR für Januar bis Mai 2002
und 875 EUR von Juni bis November 2002) sei in voller Höhe als bedarfsprägend anzusetzen, jedoch in Anwendung von §
1577 Abs.
2 BGB nur teilweise, nämlich zur Hälfte, als bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Die Bewertung der Berufstätigkeit der Klägerin
als überobligationsmäßig habe weiter zur Folge, dass sie diese jederzeit habe aufgeben dürfen. Das gelte um so mehr, als sie
einleuchtende Gründe für ihre Entscheidung, sich beurlauben zu lassen, vorgebracht habe. Neben ihren Erwerbseinkünften müsse
die Klägerin sich allerdings fiktive Einkünfte aus der - in relativ geringem Umfang übernommenen - Haushaltsführung für ihren
neuen Partner anrechnen lassen. Angemessen sei insofern für die Zeit ab April 2002 ein Betrag von monatlich 100 EUR (1/2 des
üblicherweise nach Ziff. 6 der Süddeutschen Leitlinien - Stand: 1. Januar 2002 - anzusetzenden Mindestbetrages von 200 EUR).
Das betreffende Einkommen sei in der selben Weise wie das Erwerbseinkommen im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
2. Die Ermittlung des Einkommens des Beklagten ist allerdings aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision
die Auffassung vertritt, das Berufungsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, den Aufwand des Beklagten für die Finanzierung
des Pkw in Höhe von monatlich 150 EUR zu berücksichtigen, kann ihr nicht gefolgt werden.
Das Berufungsgericht hat die Höhe der als abzugsfähig anzuerkennenden Fahrtkosten zur Arbeit in tatrichterlicher Verantwortung
und entsprechendem eigenen Vortrag des Beklagten nach einem Satz von 0,26 EUR/km bestimmt. Wenn ein Gericht insoweit die in
seinem Bezirk gebräuchlichen unterhaltsrechtlichen Leitlinien zugrunde legt bzw. sich hieran anlehnt, so unterliegt das aus
Rechtsgründen keinen Bedenken. Der Senat hat es in ständiger Rechtsprechung mangels sonstiger konkreter Anhaltspunkte für
angemessen gehalten, die Kilometerpauschale nach § 9 Abs. 3 Satz 1 des bis zum 30. Juni 2004 geltenden Gesetzes über die Entschädigung
von Zeugen und Sachverständigen heranzuziehen (Senatsurteil vom 21. Januar 1998 - XII ZR 117/96 - FamRZ 1998, 1501, 1502 m.w.N.). Hiervon gehen auch die vom Berufungsgericht angewandten Süddeutschen Leitlinien (Stand: 1. Januar 2002, Nr.
10 c) aus. Dass anstelle des Betrages von 0,27 EUR nur ein solcher von 0,26 EUR zugrunde gelegt worden ist, ist nicht zu beanstanden,
zumal der Beklagte selbst keinen höheren Betrag in Ansatz gebracht hat. In der Kilometerpauschale sind aber regelmäßig sämtliche
Pkw-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierungsaufwand enthalten (Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung
zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 936; OLG Hamm FamRZ 2000, 1367 und 1998, 561; Süddeutsche Leitlinien Nr. 10 c). Letzterer kann deshalb nicht zusätzlich als abzugsfähig anerkannt werden. Dass ausnahmsweise
eine andere Beurteilung geboten wäre, hat der Beklagte nicht dargetan.
Damit ist der Unterhaltsberechnung das vom Berufungsgericht festgestellte Einkommen des Beklagten zugrunde zu legen, gegen
dessen Ermittlung die Revision im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben hat.
3. a) Gegen das vom Berufungsgericht errechnete Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Auch die Revision erinnert hiergegen nichts.
b) Sie wendet sich allerdings gegen die Beurteilung der Erwerbstätigkeit der Klägerin als überobligationsmäßig. Insofern weist
sie darauf hin, dass nach allgemeiner Ansicht zwar in der Regel eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten erst dann
bestehe, wenn das jüngste Kind die dritte Grundschulklasse besuche. Hiervon könne aber vor allem bei der Fortsetzung einer
bereits vor der Trennung nicht wegen einer Notlage ausgeübten Tätigkeit abgewichen werden. Das Berufungsgericht habe diesen
Grundsatz nicht beachtet und infolgedessen nicht geprüft, ob nach den vorliegenden Umständen ein Abweichen von der Regel in
Betracht komme. Der Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Klägerin bereits ab dem zweiten Lebensjahr des Sohnes,
nämlich von Anfang 1998 an, freiwillig einer Halbtagstätigkeit nachgegangen sei. Sie müsse für mehr als 7 1/2 Stunden pro
Tag keine Betreuungsleistungen erbringen, weil Max insoweit im Lebenshilfekindergarten betreut werde. Damit seien die Betreuungsleistungen
eher geringer als für ein gesundes Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die
Klägerin für die Betreuungsdienste Pflegegeld beziehe und zusätzlich Leistungen im Rahmen der Verhinderungspflege durch die
Krankenkasse erhalten habe.
Damit kann die Revision nicht durchdringen.
c) Inwieweit für einen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, eine Erwerbsobliegenheit besteht, ist nach objektiven
Kriterien zu entscheiden. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls kommt es neben den persönlichen Verhältnissen
des Unterhalt fordernden Ehegatten vor allem auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes an. Dabei spielt nicht nur das Alter
des Kindes eine Rolle, sondern insbesondere auch sein Gesundheitszustand, sein sonstiger Entwicklungsstand sowie möglicherweise
bei ihm aufgetretene Verhaltensstörungen. Demgemäß ist auch ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsbedarf so genannter Problemkinder
zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 26. Oktober 1984 - IVb ZR 44/83 - FamRZ 1985, 50, 51 und vom 18. April 1984 - IVb ZR 80/82 - FamRZ 1984, 769, 770; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 68, 70; Schwab/Borth Handbuch
des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. IV Rdn. 162; Kleffmann in Scholz/Stein Praxishandbuch Familienrecht Teil H Rdn. 65).
Nach der Rechtsprechung des Senats braucht sich eine Ehefrau, die Unterhalt von ihrem Ehemann verlangt, im Regelfall nicht
auf eine eigene Erwerbstätigkeit verweisen zu lassen, solange sie ein Kind betreut, das noch nicht acht Jahre alt ist (vgl.
Senatsurteile vom 30. November 1994 - XII ZR 226/93 - FamRZ 1995, 291, 292 und vom 21. Dezember 1988 - IVb ZR 18/88 - FamRZ 1989, 487 m.w.N.). Dieser Beurteilung liegt die Erfahrung zugrunde, dass ein schulpflichtiges Kind in den ersten Schuljahren noch einer
verstärkten Beaufsichtigung und Fürsorge bedarf, die nicht auf bestimmte Zeitabschnitte eines Tages beschränkt ist (Senatsurteil
vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 363/81 - FamRZ 1983, 456, 458). Im Prozess hat deshalb derjenige, der sich auf eine Ausnahme von dieser auf der Lebenserfahrung beruhenden Regel beruft,
die hierfür erforderlichen Voraussetzungen darzulegen und notfalls zu beweisen (Senatsurteile vom 26. Oktober 1984 aaO. S.
51 und vom 23. Februar 1983 aaO. S. 458).
d) Der Beklagte hat zwar Umstände vorgetragen, aus denen sich nach seiner Auffassung eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin
ergibt. Das Berufungsgericht hat sich hierdurch jedoch nicht veranlasst gesehen, von seiner dem vorgenannten Grundsatz entsprechenden
Beurteilung abzuweichen. Das ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Revision weist im Ansatz zutreffend darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen der Prüfung der persönlichen
Verhältnisse des betreuenden Ehegatten regelmäßig von Bedeutung ist, ob er bereits während der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft
eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Der Senat hat dabei maßgeblich darauf abgehoben, dass eine Erwerbstätigkeit, die nicht
aus Not, also wegen unzureichender Versorgung durch den unterhaltspflichtigen Ehegatten, sondern aus freien Stücken aufgenommen
worden sei, im Allgemeinen zu einer Überprüfung Anlass geben werde, ob nicht die Grenzen des Zumutbaren zunächst zu eng gezogen
worden seien. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit könne in diesem Zusammenhang ein bedeutsames Indiz für die vorhandene tatsächliche
Arbeitsfähigkeit sein (Senatsurteile vom 23. September 1981 - IVb ZR 600/80 - FamRZ 1981, 1159, 1161 und vom 21. Januar 1998 aaO. S. 1502).
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich hieraus indessen kein für eine Erwerbsobliegenheit sprechender Grundsatz herleiten;
vielmehr gilt es allein, die mögliche indizielle Bedeutung einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit zu beachten. Ob diese
mit Rücksicht auf die Betreuungsbedürftigkeit eines Kindes zumutbar ist oder entsprechend dem Grundsatz, dass etwa bei Betreuung
eines - wie hier zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - noch nicht acht Jahre alten Kindes
regelmäßig keine Erwerbsobliegenheit besteht, als überobligationsmäßig zu bewerten ist, muss aber nach der konkreten Situation,
in der sich ein Ehegatte nach der Trennung oder Scheidung befindet, beurteilt werden. Es ist deshalb auch zu berücksichtigen,
dass mit der Trennung die Mehrbelastung des ein Kind betreuenden Ehegatten nicht wie früher durch den anderen Ehegatten aufgefangen
werden kann, sondern der betreuende Ehegatte nunmehr grundsätzlich auf sich allein angewiesen ist, was die Fortsetzung der
bisherigen Erwerbstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen kann (vgl. Senatsurteil vom 4. November 1987 - IVb ZR 81/86 - FamRZ 1988, 145, 148 f.; Göppinger/Bäumel Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 957; Wendl/Pauling aaO. § 4 Rdn. 28; Kleffmann in Scholz/Stein aaO.
Teil H Rdn. 67; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 4. Aufl. § 1570 Rdn. 24; Schwab/Borth aaO. Kap. IV Rdn. 172; FA-FamR/Gerhardt
5. Aufl. 6. Kap. Rdn. 264; Luthin Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 2108; Weinreich/Klein Familienrecht 2. Aufl.
§ 1570 Rdn. 8; vgl. auch Born FamRZ 1997, 129, 132).
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die tatrichterliche Würdigung, dass die Klägerin überobligationsmäßig
gearbeitet hat. Das Berufungsgericht hat entscheidend darauf abgestellt, dass das zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung
in der Berufungsinstanz sieben Jahre alte Kind aufgrund seiner Schwerbehinderung auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes
steht, weshalb die Mutter - bevor Max morgens zum Kindergarten abgeholt wird sowie nach seiner Rückkehr bis zum Beginn der
Tätigkeit der für die nächtliche Überwachung erforderlichen Hilfskräfte - ungleich mehr an Betreuungsleistungen für ihn zu
erbringen hat als für ein gesundes Kindergartenkind. Auf den gesamten Tagesablauf bezogen ergibt sich deshalb durch den Besuch
des Kindergartens keine nennenswerte Entlastung der Klägerin gegenüber der Betreuungssituation für ein gesundes Kindergartenkind.
Vielmehr war die Klägerin darauf angewiesen, in der Zeit, während der sich Max im Kindergarten aufhielt, die notwendige Hausarbeit
zu verrichten, um sich dem Kind nach seiner Rückkehr (nach 15.00 Uhr) wieder uneingeschränkt widmen und es beaufsichtigen
zu können. Die daneben ausgeübte Erwerbstätigkeit stellt deshalb, auch wenn sie im Wesentlichen von einem häuslichen Telearbeitsplatz
aus verrichtet werden konnte, eine überobligationsmäßige Tätigkeit der Klägerin dar, die von ihr nicht verlangt werden kann.
e) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Klägerin für ihre Betreuungsleistungen Pflegegeld in Höhe von monatlich
1.300 DM bzw. 665 EUR erhält. Das nach §
37 Abs.
1 SGB XI gewährte Pflegegeld bleibt, wenn es an eine Pflegeperson weitergeleitet wird, bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen
der Pflegeperson grundsätzlich unberücksichtigt (§
13 Abs.
6 Satz 1
SGB XI). Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass das Pflegegeld nicht nur dem Pflegebedürftigen selbst, sondern auch der
Pflegeperson, die die häusliche Pflege unentgeltlich übernommen hat, möglichst ungeschmälert erhalten bleibt. In dem Entwurf
eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch wird hierzu ausgeführt: Ohne eine gesetzliche Regelung
würde die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung des Pflegegeldes weiterhin allein durch richterliche Entscheidung bestimmt.
Dabei ist davon auszugehen, dass auf der Basis der bisherigen zivilrechtlichen Rechtsprechung zum BSHG- und
SGB V-Pflegegeld das vom Pflegebedürftigen an die Pflegeperson weitergeleitete Pflegegeld zu einem erheblichen Teil als "Vergütungsanteil"
der Pflegeperson bewertet und demzufolge unterhaltsrechtlich als Einkommen der Pflegeperson berücksichtigt wird (so auch noch
Senatsbeschluss vom 24. April 1996 - XII ZR 7/96 - FamRZ 1996, 933). Dies ist mit dem sozialpolitischen Anliegen, die häusliche Pflege zu fördern und die Pflegebereitschaft und -fähigkeit
im häuslichen Bereich zu stärken, nicht vereinbar. Mit der Neuregelung wird erreicht, dass z.B. bei einer geschiedenen Ehefrau
nicht mehr der Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann gemindert wird, wenn sie für die Pflege des gemeinsamen
behinderten pflegebedürftigen Kindes Pflegegeld erhält (BT-Drucks. 14/580 S. 5).
Der Senat hält mit Blick auf die zum 1. August 1999 in Kraft getretene Neufassung des §
13 Abs.
6 SGB XI an seiner früheren Auffassung nicht mehr fest. Da einer der in §
13 Abs.
6 Satz 2
SGB XI geregelten Ausnahmefälle nicht vorliegt, verbietet sich mithin eine unterhaltsrechtliche Berücksichtigung des Pflegegeldes,
die zu einer Verkürzung des der Klägerin zustehenden Unterhaltsanspruchs führen würde (vgl. auch Trenk-Hinterberger in Wannagat
SGB XI §
13 Rdn. 172 a).
4. Die Bewertung der Erwerbstätigkeit der Klägerin als überobligatorisch hat - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen
hat - zugleich zur Folge, dass sie diese Beschäftigung jederzeit aufgeben konnte. Das gilt vorliegend in besonderem Maße,
da die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht dargelegt hat, keine Telearbeit mehr hätte
verrichten können, sondern darauf angewiesen gewesen wäre, in der Behörde zu arbeiten. Diesem Vorbringen ist der Beklagte
nicht mehr entgegengetreten.
5. Von der Frage, ob Einkünfte durch überobligationsmäßige Tätigkeit erreicht werden, ist diejenige zu unterscheiden, in welcher
Höhe solche Einkünfte unterhaltsrechtlich relevant sind. Soweit das Berufungsgericht das Einkommen der Klägerin in voller
Höhe in die Bedarfsberechnung eingestellt, aber nur anteilig, nämlich in Höhe der Hälfte (nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus
von 1/10), als bedarfsdeckend berücksichtigt hat, begegnet diese Vorgehensweise durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Ermittlung des angemessenen Unterhaltsbedarfs nur der unterhaltsrelevante
Anteil eines überobligatorisch erzielten Einkommens als eheprägend zu berücksichtigen. Der nicht unterhaltsrelevante Anteil
der überobligationsmäßig erzielten Einkünfte prägt die ehelichen Lebensverhältnisse dagegen nicht (Senatsurteil vom 13. April
2005 - XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1157 f.). Damit steht nicht in Einklang, dass das Berufungsgericht das volle Einkommen der Klägerin in die Bedarfsbemessung
einbezogen hat.
b) Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Einkommen aus einer überobligatorischen Tätigkeit des Unterhaltsberechtigten
bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist, lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats nicht pauschal beantworten,
sondern hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Maßgebend ist hierbei insbesondere, wie etwa die Kinderbetreuung
mit den konkreten Arbeitszeiten unter Berücksichtigung erforderlicher Fahrzeiten zu vereinbaren ist und ob und gegebenenfalls
zu welchen Zeiten die Kinder infolge eines Kindergarten- oder Schulbesuchs der Betreuung nicht bedürfen (vgl. zuletzt Senatsurteile
vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 444 und vom 13. April 2005 - XII ZR 48/02 - FamRZ 2005, 967, 970).
Eine solche Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es ist vielmehr allein aufgrund der Bewertung der Tätigkeit
der Klägerin als überobligationsmäßig zu dem Ergebnis gelangt, das Einkommen sei (nur) zur Hälfte anzurechnen. Demgemäß ist
z.B. unberücksichtigt geblieben, dass die Klägerin zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten, mithin sich die Arbeitszeit
vermutlich einteilen konnte, und Fahrzeiten jedenfalls überwiegend nicht anfielen. Die Beurteilung, inwieweit das überobligationsmäßig
erzielte Einkommen anrechnungsfrei zu bleiben hat, hängt aber maßgeblich davon ab, welchen Schwierigkeiten die Klägerin hinsichtlich
der Vereinbarkeit von Arbeit und Kinderbetreuung im Einzelnen ausgesetzt war, z.B. auch davon, welcher Zeitaufwand morgens
erforderlich war, bevor Max zum Kindergarten abgeholt wurde.
6. Soweit das Berufungsgericht der Klägerin fiktive Einkünfte für die Haushaltsführung für ihren neuen Partner zugerechnet
hat, erhebt die Revision hiergegen weder hinsichtlich des zugrunde gelegten Zeitraums noch bezüglich der Höhe Einwendungen.
Die Behandlung dieses Einkommens, das das Berufungsgericht gleichermaßen in die Unterhaltsberechnung im Wege der Additionsmethode
eingestellt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, sondern entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil
vom 5. Mai 2004 - XII ZR 132/02 - FamRZ 2004, 1173 ff. mit zustimmender Anm. Born FamRZ 2004, 1175 und Harms jurisPR-FamR 13/2004; ablehnend: Gerhardt FamRZ 2004, 1545).
7. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit
es über die Bestimmung des der Klägerin anrechnungsfrei zu belassenden Einkommensteils unter Nachholung der hierfür erforderlichen
Feststellungen erneut befinden kann.
8. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands von 17.502,82 EUR für die Zeit von August 2001 bis
Juni 2003 beinhaltet für die Zeit von August 2001 bis April 2002 einen Betrag von 7.668,82 EUR (4.270,82 EUR + 2.586 EUR +
812 EUR), obwohl - mit Rücksicht auf die vom Beklagten geleisteten Zahlungen - insoweit nur ein rückständiger Betrag von 4.959,80
EUR verlangt worden war. Das Berufungsurteil geht somit - entgegen §
308 Abs.
1 ZPO - über den Klageantrag hinaus.
b) Soweit das Berufungsgericht den Beklagten mit der Maßgabe verurteilt hat, "geleistete Zahlungen sind anzurechnen", widerspricht
dies dem Bestimmtheitserfordernis eines Vollstreckungstitels mit der Folge, dass das Berufungsurteil, jedenfalls für die Vergangenheit,
nicht als vollstreckungsfähig anzusehen sein dürfte (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Dezember 2005 - XII ZR 94/03 - FamRZ 2006, 261, 262 f.).