Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Nachforderung von
Beiträgen zur Sozialversicherung iHv 64.368,61 Euro aufgrund der als abhängig beschäftigt bewerteten Tätigkeit der Beigeladenen
zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin.
Die Beigeladene ist Innenarchitektin und seit 2003 sowohl Geschäftsführerin als auch Gesellschafterin der Klägerin mit einem
Anteil von 10 vH. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für den Zeitraum von 2014 bis 2017 stellte die Beklagte fest, dass
die Beigeladene ihre Tätigkeit bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Sie forderte deshalb Sozialversicherungsbeiträge
ab 1.1.2014 iHv 64.368,61 Euro sowie Säumniszuschläge (Bescheid vom 19.7.2018; Widerspruchsbescheid vom 30.1.2019). Letztere nahm sie durch gesonderten Bescheid vom 28.12.2020 nach rechtlichem Hinweis des SG zurück. Darüber hinaus sind Klage (Gerichtsbescheid vom 27.5.2021) und Berufung erfolglos geblieben. Die Klägerin verfüge als Minderheitsgesellschafterin nicht über die nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung erforderliche gesellschaftsrechtlich eingeräumte Rechtsmacht. § 47 Abs 4 GmbHG gebe dem Minderheits-Gesellschafter kein Recht, sich gegen Weisungen der Gesellschafterversammlung oder seine Abberufung
als Gesellschafter zu wehren. Allein die "gelebte Sperrminorität", die sich nicht in den gesellschaftsrechtlichen Verträgen
wiederfinde, sei ebenso wie das alleinige Know-how der Beigeladenen ohne Belang. Dass sie faktisch Kopf und Seele des Unternehmens
sei und mit ihrem Ehemann zusammen 50 % der Anteile halte, sei nach der Rechtsprechung des BSG nicht von Bedeutung. Eine willkürliche Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sei nicht zu erkennen. Es liege
insoweit auch keine verfassungsrechtlich relevante Abkehr von früheren Maßstäben vor. Grundrechte seien nicht verletzt. Aufgrund
von Prüfmitteilungen, wonach frühere Betriebsprüfungen beanstandungsfrei geblieben sind, entstehe kein Vertrauensschutz (LSG Urteil vom 7.10.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der mit der Beschwerdebegründung geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) ist entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht hinreichend dargelegt.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zur Statusbeurteilung von Geschäftsführern einer GmbH, insbesondere im Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35), wonach ua Geschäftsführer ohne Beteiligung am Stammkapital stets abhängig Beschäftigte seien, verletzte die freiheitlich
demokratische Grundordnung und die Gesetzesbindung nach Art
20 Abs
3 GG. Es sei dadurch ein geschätzter Schaden von bis zu 100.000.000.000.000 Euro entstanden. Das LSG folge dem BSG "sklavisch" ohne eigene Prüfung. Es komme außerdem einer überraschenden Bestrafung gleich, wenn die Maßstäbe des Urteils
vom 14.3.2018 (aaO) bereits auf den Zeitraum von 2014 bis 2017 angewendet würden. Die Regelung des §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV, die die gesamte Menschheit schütze, sei durch die willkürliche und nicht näher begründete Forderung nach einer hälftigen
Kapitalbeteiligung zur Annahme von Selbstständigkeit ausradiert worden. Dies stelle eine schwere Menschenrechtsverletzung
dar. Der Beigeladenen entstehe durch die Beitragszahlung für vier Jahre kein rentenrechtlicher Vorteil. Einer Entscheidung
der Zugehörigkeit zu den Sozialkassen müsse aber eine Abwägung zur Schutzbedürftigkeit des Betroffenen und der voraussichtlichen
Gegenleistung vorausgehen. Willkürlich sei auch die Annahme des BSG, dass frühere Betriebsprüfungen keinen personenbezogenen Vertrauensschutz vermitteln würden. Wenn sämtliche gemeldete Daten
für sämtliche Mitarbeiter an die Prüfbehörde übermittelt worden seien, könne nicht von einer nur stichprobenweisen Betriebsprüfung
die Rede sein. Ansonsten läge ein schweres Verbrechen der Beklagten vor. Offenbar solle mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung
im Auftrag der Verwaltung eine sozialistische Planwirtschaft herbeigeführt werden. Das Fehlverständnis des BSG zeige sich ua daran, dass nach § 47 Abs 4 GmbHG auch ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer nicht alle Beschlüsse verhindern (vgl Satz 1) und andererseits auch ein Minderheitsgesellschafter die Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber allen anderen Gesellschaftern
(vgl Satz 2) blockieren könne. Ein Minderheitsgesellschafter habe außerdem die Rechtsmacht, alle Beschlüsse anzufechten. Im Übrigen würde
die Gesellschafterversammlung im Rahmen typischer Geschäftstätigkeit der Geschäftsführerin keine Weisungen erteilen. Die Kontrolle
der Geschäftsführung stelle keinen Eingriff in den laufenden Tätigkeitsbereich dar.
Mit ihren Ausführungen hat die Klägerin schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder
zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen - entscheidungserheblichen - Rechtsfrage ist
jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Unabhängig davon legt die Klägerin auch die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Thematik nicht hinreichend dar. Sie macht
statt dessen geltend, dass die zu §
7 SGB IV ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung und die dieser folgende Entscheidung des LSG materiellrechtlich falsch seien.
Mit der Behauptung, das Urteil des LSG sei inhaltlich rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision nicht erreichen
(vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18). Dass trotz umfangreicher vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Statusbeurteilung von GmbH-Geschäftsführern
und der Bedeutung gesellschaftsrechtlich eingeräumter Rechtsmacht im Sozialversicherungsrecht vorliegend weiterer Klärungsbedarf
bestehe, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie legt auch nicht substantiiert dar, dass und mit welchen Gründen den einschlägigen
Senatsentscheidungen im Schrifttum oder in der Rechtsprechung substanziell widersprochen worden ist (vgl BSG Beschluss vom 18.2.2021 - B 10 ÜG 8/20 B - juris RdNr 6) oder dass sich inzwischen völlig neue Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - juris RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 16.7.2021 - B 12 KR 75/20 B - juris RdNr 9). Allein aufgrund der Darlegung der eigenen abweichenden Rechtsauffassung werden höchstrichterlich entschiedene Rechtsfragen
nicht erneut klärungsbedürftig.
Auch mit der Behauptung schwerer Menschenrechtsverletzungen wird die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargetan.
Wird eine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen, darf sich die Begründung nicht auf die bloße Behauptung der Verletzung
einer Norm des
Grundgesetzes beschränken. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG substantiiert ausgeführt werden, woraus sich im konkreten Fall die vermeintliche Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Auch daran fehlt es hier.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Sie entspricht der Festsetzung des LSG.