Verfassungswidrigkeit eines Rentenbescheids
Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
Notwendiger Inhalt einer Beschwerdebegründung
Breitenwirkung der angestrebten Entscheidung
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist.
2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
dieser Rechtsfragen erwarten lässt.
3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre
(abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall
hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die abschlagsfreie Zahlung seiner Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Diese wird
ihm vom beklagten Rentenversicherungsträger antragsgemäß seit April 2008 gewährt, wobei sich der Zugangsfaktor von 1,0 wegen
vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente für 43 Monate um 0,129 (= 12,9 %) auf 0,871 minderte (Bescheid vom 5.3.2008; Widerspruchsbescheid
vom 10.6.2008). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.12.2013), weil die Abschlagsregelung bei
vorzeitigem Bezug der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) verfassungsgemäß sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die auf nicht näher umschriebene europarechtliche Bedenken
gegen §
77 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) gestützte Berufung des Klägers zurückgewiesen, ihm Verschuldenskosten auferlegt und die Revision nicht zugelassen (Urteil
vom 4.6.2014).
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger einen Verfahrensmangel bzw eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
geltend. Er wirft Rechtsfragen dazu auf, inwieweit §
77 SGB VI gegen die Verordnung 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit für den EWA und die Schweiz bzw gegen Art 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoße und ob sein mit versicherungsmathematischen Abschlägen versehener Rentenbescheid durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen
in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 verfassungswidrig geworden sei. Diese
Fragen seien klärungsbedürftig, weil sich entgegen der Auffassung des BVerfG die EMRK nicht "innerhalb der Auslegungskriterien zum
Grundgesetz zu bewegen" habe; für die Auslegung der EMRK sei ausschließlich der "Europäische Gerichtshof" (EuGH) zuständig. Es gebe auch keinen sachlichen Grund, warum "Neurentner
nunmehr eine ungekürzte Rente erhalten" sollten. Die Fragen seien "natürlich" klärungsfähig; denn davon hänge der Ausgang
des Rechtsstreits ab. Vor dem Hintergrund des Umgangs des LSG mit dieser Rechtsproblematik gehe es darum, inwieweit eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs vorliege.
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und eines Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) sind nicht in der nach §
160a Abs
2 S 3
SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete
Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit)
sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (vgl
nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 15.9.2014 nicht.
Soweit der Kläger die Frage nach der Verfassungswidrigkeit seines Rentenbescheids aufwirft, stellt er bereits keine Rechtsfrage
von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung. Sie ist zudem nicht aus sich heraus verständlich, weil ein im Mai 2014 verabschiedetes
Gesetz den Bescheiderlass im Jahre 2008 nicht beeinflusst haben kann. Die weiteren die vermeintliche Europarechtswidrigkeit
betreffenden Fragen sind zwar grundsätzlicher Art; insoweit zeigt der Kläger aber nicht auf, dass sie klärungsbedürftig sind.
Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung mit der lediglich pauschal in Bezug genommenen "Rechtsfindung" durch das BVerfG "in
zahlreichen Entscheidungen" bedurft; dass der Kläger die Rechtsprechung des BVerfG dazu, inwieweit sich die EMRK "innerhalb der Auslegungskriterien zum
Grundgesetz zu bewegen" habe, nicht teilt, reicht insoweit nicht aus.
Überdies hat der Kläger die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht hinreichend dargetan. Denn ob die Beantwortung
der Fragen für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich wäre, könnte der Senat nur sicher beurteilen, wenn der Kläger den entscheidungserheblichen
Sachverhalt vollständig geschildert hätte. Hieran fehlt es. Seine allenfalls fragmentarischen Angaben lassen lediglich erkennen,
dass er "Bestandsrentner" ist (und sich gegen eine angebliche Besserstellung von "Neurentnern" wendet, die nunmehr eine ungekürzte
Rente erhalten sollten) und dass er Kürzungen hat hinnehmen müssen. Warum die Beklagte die nicht näher umschriebenen Rentenkürzungen
vorgenommen hat und die Vorinstanzen deren Entscheidung bestätigt haben, lässt der Kläger nicht erkennen.
2. Einen Verfahrensfehler des LSG hat der Kläger nicht näher bezeichnet. Soweit er meint, das LSG hätte den Rechtsstreit zu
seinen Gunsten entscheiden müssen, die Entscheidung sei also in der Sache falsch, eröffnet dies den Revisionsrechtszug nicht
(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67). Dass das LSG der Rechtsansicht des Klägers nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches
Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (Senatsbeschlüsse vom 4.1.2013 - B 13 R 357/11 B - Juris RdNr 13, und vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9; s auch BVerfG [Kammer] NZS 2010, 497 RdNr 17).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.