Nicht mit Gründen versehene Entscheidung
Umfang der Begründungspflicht
Funktion der Urteilsgründe
1. Nach §
128 Abs.
1 S. 2
SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind; das bedeutet, aus den
Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung
beruht.
2. Das Gericht muss aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln.
3. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand
der Entscheidung kurz gefasst hat.
4. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen
und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten.
5. Um die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des §
136 Abs.
1 Nr.
6 SGG stützen zu können, muss ein Beschwerdeführer mithin darlegen, dass die Entscheidung entweder überhaupt keine Begründung enthält
oder dass die Gründe in so extremem Maß mangelhaft sind, dass sie ihre Funktion (Unterrichtung der Beteiligten über die dem
Urteil zugrunde liegenden Erwägungen des Gerichts) nicht erfüllen können.
Gründe:
Das LSG Sachsen-Anhalt hat im Urteil vom 16.10.2014 einen Anspruch der im Jahr 1958 geborenen Klägerin auf Rente wegen voller
oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint. Zwar könne sie den zuletzt versicherungspflichtig
ausgeübten Beruf einer Verkaufstätigkeit in der Fleischabteilung und im Backshop eines Supermarkts nicht mehr ausüben. Sie
sei aber noch in der Lage, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
zu sein, wobei sie als Angelernte im oberen Bereich zumutbar auf eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte in Entgeltgruppe
2 des TVöD verwiesen werden könne.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil eine Rechtsprechungsabweichung sowie Verfahrensmängel
geltend.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 20.12.2014 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
da sie weder einen Verfahrensmangel noch eine Divergenz ordnungsgemäß bezeichnet hat.
1. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und
schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel
beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl
2011, Kap IX RdNr 202 ff). Zu beachten ist aber, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §
103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist
(§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 3
SGG).
Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht:
a) Sie rügt zunächst, das Berufungsurteil enthalte keine ausreichenden Entscheidungsgründe iSv §
136 Abs
1 Nr
6 SGG; das betreffe vor allem die Würdigung und Bewertung ihrer umfangreichen (unfallbedingten) Arbeitsunfähigkeitszeiten. Mit
diesem Vorbringen ist der Verfahrensmangel unzureichender Entscheidungsgründe und damit letztlich zugleich eine Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) jedoch nicht schlüssig dargetan.
Nach §
128 Abs
1 S 2
SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus den
Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung
beruht. Das Gericht muss aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 1.8.1984
- 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16). Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung
auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen
des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend
sein sollten (vgl Senatsbeschluss vom 24.2.2010 - B 13 R 547/09 B - Juris RdNr 10 mwN). Um die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des §
136 Abs
1 Nr
6 SGG stützen zu können, muss ein Beschwerdeführer mithin darlegen, dass die Entscheidung entweder überhaupt keine Begründung enthält
oder dass die Gründe in so extremem Maß mangelhaft sind, dass sie ihre Funktion (Unterrichtung der Beteiligten über die dem
Urteil zugrunde liegenden Erwägungen des Gerichts) nicht erfüllen können (BSG Beschluss vom 5.10.2010 - B 8 SO 62/10 B - Juris RdNr 7 mwN).
Entsprechenden Vortrag enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Sie beanstandet vielmehr vor allem die aus ihrer
Sicht unzureichende "Würdigung und Bewertung" ihrer umfangreichen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Damit greift sie im Kern die
freie richterliche Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) an und lässt unberücksichtigt, dass nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ein
Verfahrensmangel hierauf nicht gestützt werden kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG).
Das Vorbringen der Klägerin enthält auch sonst keine schlüssige Darlegung einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Wenn sie beanstandet, das LSG habe die "rentenbegründende Tatsache", dass sie laut einem Schreiben der Bundesagentur
für Arbeit vom 16.5.2013 aufgrund einer mehr als sechs Wochen andauernden Arbeitsunfähigkeit seit dem 3.5.2013 vorerst keine
Angebote der Arbeitsvermittlung mehr erhalte, "nur mit einem Satz im angegriffenen Urteil erwähnt", so lässt das keine Anhaltspunkte
dafür erkennen, dass das Berufungsgericht diesen Umstand weder zur Kenntnis genommen noch in Erwägung gezogen hat. Soweit
sie aber das fehlende Eingehen des LSG auf den Grund für ihre Kündigung rügt, zeigt sie weder auf, dass es sich hierbei um
zentrales Vorbringen gehandelt hat, mit dem sich das Berufungsgericht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich hätte
auseinandersetzen müssen (vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 5.7.2013 - 1 BvR 1018/13 - Juris RdNr 15, 18), noch verdeutlicht sie, inwiefern das Berufungsurteil auf einer unterbliebenen Erörterung dieses Gesichtspunkts
beruhen kann.
b) Die weitere Verfahrensrüge einer unberechtigten Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Einholung eines weiteren Gutachtens
nach §
109 SGG ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG von vornherein unbeachtlich. Es bedarf deshalb hier keiner näheren Erörterung, dass ein entsprechender Antrag der Klägerin
nach ihrem eigenen Vortrag bereits vom SG abgelehnt wurde und ihrem Vorbringen nicht entnommen werden kann, dass sie diesen im Berufungsverfahren vor dem LSG wiederholt
habe.
2. Eine Rechtsprechungsabweichung hat die Klägerin ebenfalls nicht formgerecht dargelegt (§
160 Abs
2 Nr
2 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierzu sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander
gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung
des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4, Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage
gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn
nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht
die Zulassung der Revision wegen Divergenz (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Sie benennt zwar Aussagen aus zwei Entscheidungen des
BSG (vom 5.3.1959 - BSGE 9, 192, 194 f - und vom 23.3.1977 - SozR 2200 § 1247 Nr 16 S 27), vermag aber keinen Rechtssatz aus dem Urteil des Berufungsgerichts
anzuführen, der diesen Aussagen im Rechtsgrundsätzlichen widersprechen würde. Vielmehr beanstandet sie lediglich, das LSG
habe keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um die von ihr genannten Rechtssätze aus den BSG-Entscheidungen zutreffend anwenden zu können. Das geht über die - im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche - Rüge
einer im Einzelfall fehlerhaften Subsumtion nicht hinaus. Im Übrigen verkennt die Klägerin, dass allein mit der Vorlage ärztlicher
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über einen längeren Zeitraum hinweg noch kein zweifelsfreier Nachweis darüber geführt ist,
dass sie nicht mehr in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein (vgl Senatsbeschluss vom 31.10.2012
- B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 14 ff).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.