Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Nicht mit Gründen versehene Entscheidung
Tenor
Dem Kläger wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom
30. September 2020 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom
30. September 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. September 2020 wird als unzulässig
verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2
SGG). Ungeachtet des Umstands, dass dem Kläger wegen der versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
durch eine zugelassene Prozessbevollmächtigte (§
73 Abs
4 SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
Der Kläger macht geltend, das Urteil des LSG vom 30.9.2020 sei nicht mit Gründen versehen (§
136 Abs
1 Nr
6 SGG) und das LSG habe nicht über die von ihm erhobenen Ansprüche entschieden (§
123 SGG). Beide Verfahrensmängel sind in der Beschwerdebegründung nicht schlüssig bezeichnet, weshalb die Begründung die Anforderungen
des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht erfüllt.
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert zumindest, dass in der Beschwerdebegründung, anhand der
allein das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensmangels zu prüfen ist, die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden
Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl zu diesen Anforderungen BSG vom 14.8.2019 - B 14 AS 286/18 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 16 mwN).
Wird in einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, dass das LSG den Streitgegenstand des Verfahrens verkannt und deshalb §
123 SGG verletzt habe, muss in schlüssiger Weise dargelegt werden, weshalb das LSG über einen anderen als den vom Kläger geltend
gemachten Streitgegenstand entschieden oder ggf welchen von mehreren Streitgegenständen es nicht erfasst haben soll. Hierzu
muss zumindest aufgezeigt werden, welchen Antrag ein Kläger zum Schluss des Berufungsverfahrens gestellt und inwiefern das
LSG durch seine Entscheidung die von ihm geltend gemachten Ansprüche ganz oder teilweise verfehlt hat (vgl BSG vom 20.9.2016 - B 13 R 207/16 B; BSG vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B; allgemein zur aus sich heraus nachvollziehbaren Darstellung des Verfahrensgangs BSG vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung schon nicht gerecht, weil in ihr zwar verschiedene Anträge des Klägers
bei dem beklagten Jobcenter beschrieben, aber beim LSG gestellte Anträge nicht wiedergegeben werden. Vielmehr wird nach der
Darstellung der Anträge beim Jobcenter darauf verwiesen, der Kläger habe beim SG und LSG "sein Begehren" weiterverfolgt und beim LSG vorgetragen, die Regelleistung reiche keinesfalls aus, um den Lebensbedarf
zu decken, da die Bedarfsermittlung fehlerhaft sei. Dass das LSG diesen Streitgegenstand nicht wahrgenommen und über ihn nicht
entschieden hat, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Dass der vom Kläger ergänzend angeführte umfangreiche Vortrag
zur Zuständigkeit/Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts bzw der Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland generell
sowie seiner Person als Völkerrechtssubjekt Einfluss auf den Streitgegenstand gehabt haben soll, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung
nicht.
Der Pflicht zur Begründung von Urteilen (§
128 Abs
1 Satz 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG) ist genügt, wenn aus den Entscheidungsgründen ersichtlich ist, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
eine Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfG vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - RdNr 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Eine Entscheidung ist
deshalb nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung
kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat (BSG vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - RdNr 7 mwN). Im Übrigen überprüfen Gerichte stets bei ihren Entscheidungen, ob eine grundrechtswidrige Benachteiligung droht, ohne dass
sie dies noch besonders erwähnen müssten (BSG vom 17.9.2013 - B 1 KR 63/13 B).
Nach diesen Maßstäben genügen die in der Beschwerdebegründung mitgeteilten Tatsachen zum Gegenstand und Inhalt der Entscheidung
des LSG den Zulässigkeitsanforderungen an die Rüge einer Verletzung von §
128 Abs
1 Satz 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG nicht. In der Beschwerdebegründung ist dargestellt, das LSG sei davon ausgegangen, dass der Kläger in zulässiger Weise unabweisbare,
nicht nur einmalige, besondere, notwendige Bedarfe für verschiedene, in der Wiedergabe der Entscheidung des LSG im Einzelnen
aufgeführte Ausgabenpositionen unter Hinweis darauf begehrt habe, dass die Höhe der Regelleistung keinesfalls ausreiche, um
den Lebensbedarf zu decken. Es habe in seiner Entscheidung aber ausgeführt, dass die Bedarfe sämtlich vom Regelbedarf gedeckt
seien. Das verwundere insoweit, als er - der Kläger - dezidiert einen höheren Regelbedarf geltend und den Differenzbetrag
mit 60 Euro beziffert habe. Zwar habe das LSG zu einzelnen Lebensbereichen ausgeführt. Es fehlten aber alle zentralen und
notwendigen Erwägungen des Berufungsgerichts, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruhe,
dh aus welchen Gründen der Darstellung des Klägers nicht gefolgt werden könne. Hiernach wird aus der Beschwerdebegründung
nicht deutlich, dass sich das LSG nicht insgesamt mit dem Streitgegenstand befasst und begründet hat, warum es die von dem
Kläger geltend gemachten Ansprüche, auch soweit sie in Verbindung mit einem konkreten Leistungsbetrag geltend gemacht worden
sein sollten, aus seiner im Rahmen von §
128 Abs
1 Satz 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG maßgeblichen Sicht nicht als erfüllt sieht. Im Ergebnis rügt der Kläger, dass sich das LSG nicht mit allen seinen Argumenten
befasst hat, wozu die Gerichte nicht verpflichtet sind (vgl BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216).
PKH für ein Revisionsverfahren ist dem Kläger nicht zu bewilligen. Seine Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO), weil das LSG die Revision nicht zugelassen und die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg hat. Da der Kläger keinen Anspruch
auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
Die vom Kläger selbst eingelegte Revision entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist auch deshalb
als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Die Verwerfung der Revision erfolgt gemäß §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter, die der Nichtzulassungsbeschwerde in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer (entsprechenden) Anwendung der §§
183,
193 SGG.