Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Werbende von Presseerzeugnissen sowie Mitgliedschaften und Spenden
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Sozialversicherungspflicht
von (noch) 43 Personen, die für die klagende GmbH in der Zeit vom September 1999 bis März 2005 als Werbende von Presseerzeugnissen,
Mitgliedschaften und Spenden tätig waren.
Die klagende GmbH betreibt die Werbung für Zeitschriften und deren Vertrieb. Zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten zur
Anwerbung von Abonnenten von Presseerzeugnissen, Mitgliedern und Spenden gegenüber Pressevertriebsfirmen setzte sie von ihr
geschulte und eingearbeitete Personen ein. Die zu diesem Zweck abgeschlossenen Handelsvertreterverträge sahen unter anderem
die Pflicht der Werbenden zur Entrichtung von Steuern vor. Das Werbepersonal konnte am Firmensitz der Klägerin untergebracht
werden und zahlte hierfür Miete. Der pro Einsatzgebiet gebildeten Gruppe wurde jeweils ein Kfz zur Verfügung gestellt, das
die Werbenden transportierte. Eine Person war jeweils für die Verteilung des Personals auf das Einsatzgebiet zuständig. Die
Klägerin sammelte die abgeschlossenen Abonnements abends ein und rechnete die Provision mit dem Werbepersonal ab, Stornierungen
von Abonnements wurden verrechnet.
Die Beklagte stellte die Sozialversicherungspflicht der namentlich bezeichneten Werbenden aufgrund Beschäftigung fest (Betriebsprüfungsbescheid vom 7.4.2008; Widerspruchsbescheid vom 15.6.2012). Das Widerspruchsverfahren gegen die Beitragsbescheide ruht, mit denen die Beklagte zuletzt Beiträge in Höhe von 96.908,94
Euro und 66.249,90 Euro Säumniszuschläge forderte.
Die gegen die Feststellung der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung gerichtete Klage und Berufung sind erfolglos geblieben
(Urteil des SG Lübeck vom 11.11.2016; Urteil des LSG vom 28.10.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass das Werbepersonal wirtschaftlich von der Klägerin abhängig gewesen sei. Die
Arbeitszeiten seien durch die gemeinsamen Fahrten und die abends vereinbarten Treffpunkte festgelegt gewesen. Die Klägerin
habe die Arbeitsmaterialien gestellt, die Personen geschult und eingearbeitet.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdeführerin hat deshalb eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten
revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) zu formulieren. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Zur Klärungsfähigkeit einer Frage ist insbesondere darzustellen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich
ist. Daran fehlt es, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet
werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 9g mwN). Dies ist - wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt (vgl hierzu Leitherer, aaO, RdNr 9f mwN) - auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung
auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§
163 SGG) festgestellten Tatsachen beziehen müssen.
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin formuliert bereits keine Rechtsfrage, deren grundsätzliche Bedeutung
sie geltend machen möchte.
Sofern ihre Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge auf Seite 1 und 2 der Begründung als Frage nach der
Vereinbarkeit des §
24 SGB IV mit Art
3 Abs
1 GG zu verstehen sind, fehlt es jedenfalls an Ausführungen zur Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren. Die Klägerin
legt nicht dar, inwiefern hier über die Höhe der Säumniszuschläge zu entscheiden sein soll, obwohl das Widerspruchsverfahren
gegen den diese festsetzenden Verwaltungsakt bisher nicht abgeschlossen ist und das LSG in seiner Entscheidung darauf hingewiesen
hat, dass die Höhe der Beiträge und Säumniszuschläge nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits sei. Daher sind auch die
Ausführungen der Klägerin auf Seite 28 der Beschwerdebegründung zur Höhe der nachzuzahlenden Beiträge nicht geeignet, eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Auch soweit die Klägerin zur Strafbarkeit ihrer Geschäftsführerin ausführt,
erklärt sie nicht, inwiefern dies für das angestrebte Revisionsverfahren zum sozialversicherungsrechtlichen Status ihres Werbepersonals
Relevanz haben soll.
Die Klägerin formuliert auch sonst keine Frage, die als Rechtsfrage der Prüfung einer grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits
zugänglich wäre. Sofern auf Seite 6 danach gefragt wird, "ob im vorliegenden Fall der Werber nun als abhängig Tätiger oder
aber als selbständig Handelnder zu betrachten ist", und auf Seite 14 der Beschwerdebegründung an die in einem Urteil des LSG
Rheinland-Pfalz beurteilte Frage anknüpft, "ob denn die hier in der Vertriebsorganisation tätigen Zeitschriftenwerber selbständig
tätig oder abhängig beschäftigt sind", wird jeweils keine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen, sondern vielmehr nach der Subsumtion
unter §
7 SGB IV im konkreten Einzelfall gefragt.
Auch der Formulierung auf Seite 15 der Beschwerdebegründung, es sei unklar, was die Verantwortliche der Klägerin, deren Geschäftsführerin,
"denn anderes hätte tun können, als sich bei der Beurteilung der Frage der Sozialversicherungspflicht der für sie tätigen
Handelsvertreter an Recht und Gesetz zu halten", ist keine Rechtsfrage zu entnehmen. Damit wird vielmehr die inhaltliche Unrichtigkeit
der angefochtenen Entscheidung beanstandet. Dasselbe gilt, soweit die Klägerin den konkreten Fall unter die vom BSG entwickelten Kriterien zur Abgrenzung von Beschäftigung und abhängiger Beschäftigung subsumiert und sie die Einrede der Verjährung
erhebt.
2. Soweit - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgerechten
und bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist (§
160a Abs
2 Nr
3 SGG). Daran fehlt es. Die Klägerin bezeichnet keinen Beweisantrag. Weder behauptet sie einen solchen prozessordnungsgemäß gestellt
noch ihn bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten zu haben. Aus den Ausführungen zur Bezugnahme auf die
Entscheidungsgründe des SG (§
153 Abs
2 SGG) ergibt sich ein Beweisantrag nicht. Die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch die Beklagte und das Hauptzollamt vermag
einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG nicht zu begründen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
5. In diesem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der zeitlichen Nähe des Beitrags- zum hier angefochtenen Betriebsprüfungsbescheid
und des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin sieht der Senat keinen Anlass den Streitwert abweichend vom LSG festzusetzen
(§
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG).