Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung auf eine dänische Rente
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Erhebung von Beiträgen
zur gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf seine dänische Rente ab November 2013.
Der Kläger war bis 31.10.2013 wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II und ist seit 1.11.2013 als Rentner bei der zu 1. beklagten Krankenkasse in der GKV und der zu 2. beklagten Pflegekasse in
der sPV versichert. Er bezieht ab 1.9./1.11.2013 Renten aus der deutschen, schwedischen und dänischen gesetzlichen Rentenversicherung.
Auf die ausländischen Renten setzte die Beklagte Beiträge zur GKV und sPV fest (Bescheide vom 9.1.2018 und 29.3.2018; Widerspruchsbescheid vom 24.5.2018).
Die dagegen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 6.1.2021). Der auf die dänische Rente beschränkten Berufung hat das LSG wegen Verjährung für die Monate September und Oktober 2013
stattgegeben. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagten hätten die Vorschriften der §§ 223, 226 Abs 1 Satz
1 Nr 2, §
228 Abs
1 Satz 2, §
237 Satz 1 Nr
1 und §
249a Satz 3
SGB V sowie des §
57 SGB XI zutreffend angewandt. Europarecht stehe der Beitragserhebung nicht entgegen. Der Kläger erhalte Leistungen der Kranken- und
Pflegeversicherung nach Art 23 bis 26 VO (EG) 883/2004 allein von deutschen Trägern. Dass der Kläger seine dänische Rente
in Dänemark versteuern müsse und damit mittelbar zur Finanzierung des beitragsunabhängigen Gesundheitssystems beitrage, führe
nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung durch die Beklagten, sondern verstoße allenfalls auf dänischer Seite gegen
Europarecht. Der Kläger sei auch nicht von den Beiträgen zur deutschen GKV und sPV freizustellen (Art 16 VO (EG) 883/2004). Er habe weder den dazu erforderlichen Antrag gestellt noch den Wunsch nach einer alleinigen Kranken- und Pflegeversicherung
in Dänemark zum Ausdruck gebracht. Ein Verstoß gegen Art 30 VO (EG) 987/2009 liege nicht vor. Der auf die dänische Rente zu
entrichtende Beitrag übersteige nicht den Beitrag, der bei einer deutschen Rente in vergleichbarer Höhe anfallen würde. Zwar
entfalle im Vergleich zu Rentnern der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung der Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers,
doch werde auf die dänische Rente nur der hälftige Beitrag erhoben (Urteil vom 29.4.2022).
Der Kläger hat - sinngemäß - mit einem von ihm selbst verfassten Schreiben vom 26.4.2022, eingegangen am 7.6.2022, Prozesskostenhilfe
(PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag auf Bewilligung von PKH bereits unzulässig ist, weil der Kläger die insoweit
erforderliche "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe"
ohne seine Unterschrift eingereicht hat. Nach §
73a SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt jedenfalls nicht vor, denn eine form- und nach Wiedereinsetzung
fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde würde voraussichtlich nicht zur Zulassung der Revision nach §
160 Abs
2 SGG führen.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 Leitsatz und S 10). Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren haben bei der gebotenen summarischen
Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Revisionszulassungsgründe ergeben.
1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist nicht ersichtlich.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er europarechtswidrig in zwei Mitgliedstaaten zur Finanzierung des jeweiligen Gesundheitssystems
herangezogen werde, weil er einerseits Steuern auf die dänische Rente entrichten müsse, die zur Finanzierung des dänischen
Gesundheitssystems verwendet würden, und andererseits der Beitragspflicht zur deutschen GKV und sPV unterliege. Das LSG hat
insoweit aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen eine europarechtliche Freistellung nach Art 16 Abs 2 VO (EG) 883/2004 in
Betracht kommt. Ungeachtet dessen sind keine Anhaltspunkte für eine Rechtsfrage ersichtlich, die nicht anhand des Gesetzeswortlauts
der §§
223 ff
SGB V, §
57 SGB XI und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 KR 32/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 30 RdNr 11 und BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 22/14 R - SozR 4-2500 § 228 Nr 1 RdNr 31 ff, jeweils mwN; BSG Urteil vom 26.1.2005 - B 12 P 4/02 R - SozR 4-2400 § 3 Nr 1) sowie des insofern eindeutigen Wortlauts der Art 16 Abs 2, Art 23, 24 und 30 VO (EG) 883/2004 und Art 30 VO (EG) 987/2009
beantwortet werden könnte. Es ergeben sich insofern auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH Urteil vom 16.7.2009 - C-208/07 - Slg 2009, I-6095 = SozR 4-6050 Art 19 Nr 3 (von Chamier-Glisczinski); EuGH Urteil vom 21.1.2016 - C-453/14 - NZA 2016, 223 (Knauer) noch zu den Vorgängerregelungen in der VO (EWG) 1408/71) keine Hinweise auf die Klärungsbedürftigkeit europarechtlicher Fragestellungen.
2. Hinweise darauf, dass das Berufungsurteil iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweichen würde, sind ebenfalls nicht erkennbar.
3. Schließlich ist ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens, der nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, nicht ersichtlich.
4. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch für eine Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten kein
Raum (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.