Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
Nach dem Ende der Pflichtversicherung des Klägers in der Künstlersozialversicherung zum 31.5.2017 führte die beklagte Krankenkasse
seine Versicherung als freiwillige fort. Die Beiträge setzte sie - auch im Namen der beklagten Pflegekasse - ab 1.6.2017 zunächst
auf der Basis der Beitragsbemessungsgrenze, nach Widerspruch auf der Basis monatlicher Mindesteinnahmen fest und erhob, weil
der Kläger keine Zahlungen leistete, Mahnkosten und Säumniszuschläge (Bescheide vom 27.7.2017, 10.8.2017, 22.12.2017, 18.12.2018, 21.12.2018, 22.1.2019).
Den weiteren Widerspruch des Klägers vom 27.1.2019, mit dem er sich gegen das "Krankenversicherungszwangssystem" wandte, wies
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2019 zurück.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 28.12.2019; Urteil des LSG vom 14.7.2020). Das LSG hat ausgeführt, die genannten Bescheide seien Gegenstand des bereits gegen den Bescheid vom 27.7.2017 geführten
Widerspruchsverfahrens geworden, das durch die Verringerung der Beiträge lediglich teilweise und ansonsten erst mit dem Widerspruchsbescheid
vom 10.10.2019 abgeschlossen worden sei. Im Hinblick auf den dagegen gerichteten Klageantrag sei die Klage zulässig, aber
unbegründet. Die Beklagte habe die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung des Klägers als freiwillige Versicherung
fortführen müssen, weil der Kläger eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht nachgewiesen habe. Dieser Versicherungszwang
sowie die Beitragspflichten seien verfassungsrechtlich unbedenklich. Die freie Wahl der Krankenversicherung sei dem Kläger
dadurch nicht genommen. Die auf der Basis der Mindestbemessungsgrundlage berechneten Beiträge sowie die Säumniszuschläge und
Mahnkosten seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
darin liegende Ungleichbehandlung gegenüber den nur mit geringeren Beiträgen belasteten geringverdienenden Pflichtversicherten.
Sofern der Kläger die Beiträge nicht aufbringen könne, müsse er Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in Anspruch nehmen. Die mit weiteren Anträgen geltend gemachten Klagen seien bereits unzulässig.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt für das
Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH).
II
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet(§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO). Hinreichende Erfolgsaussichten für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sind jedoch nicht gegeben.
Das BSG darf nach §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf
das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter
einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung
über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse
erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich.
Das BSG hat sich bereits ausführlich mit der freiwilligen Mitgliedschaft aufgrund der obligatorischen Anschlussversicherung nach
§
188 Abs
4 SGB V befasst (BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 20/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 188 Nr 1 vorgesehen). In diesem Zusammenhang hat der Senat insbesondere bereits Verstöße gegen die Verfassung verneint. Er hat dazu ausgeführt,
dass ein Recht auf mangelnde Eigenvorsorge im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hinter dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung
zurückstehen muss, die Allgemeinheit vor unzureichender Absicherung des Einzelnen gegen das finanzielle Risiko von Krankheit
zu schützen. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehalten, die Freiheit des Einzelnen zu gewährleisten, hinsichtlich
eines nicht gedeckten Krankheitsrisikos keinerlei Vorsorge zu treffen. Der Senat hat sich hierzu auf Rechtsprechung des BVerfG
bezogen (vgl BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua - BVerfGE 123, 186 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 229; BVerfG Beschluss vom 25.9.2001 - 2 BvR 2566/94 - juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 10.12.2019 - B 12 KR 20/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 188 Nr 1 RdNr 26 ff vorgesehen). Eine darüber hinaus klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage mit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ist
im vorliegenden Fall unter keinem Gesichtspunkt erkennbar.
Des Weiteren hat der Senat bereits mehrfach über die Verfassungsmäßigkeit der grundsätzlichen beitragsrechtlichen Ungleichbehandlung
von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten entschieden (BSG Urteil vom 26.5.2004 - B 12 P 6/03 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 1 RdNr 9 = juris RdNr 16 mwN). Auch dazu sind keine offenen klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfragen mehr ersichtlich.
b) Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem
abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist nichts ersichtlich.
c) Auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels kann die Zulassung der Revision nur gestützt werden, wenn die angefochtene Entscheidung
darauf beruhen kann. Für einen solchen Verfahrensmangel fehlen ebenfalls jegliche Anhaltspunkte. Soweit sich der Kläger gegen
Art und Form der Beitragsbemessung für Solo-Selbstständige richtet und dazu vorträgt, er "verfüge mittlerweile über ein aussagekräftiges
staatliches Dokument, um die Ungleichbehandlung der Solo-Selbstständigen in der Beitragsbemessung des Deutschen Krankenversicherungssystems
(…) als rechtswidrig zu beweisen", kann sich daraus ebenfalls kein Verfahrensmangel ergeben. Die vom Kläger aufgeworfene Frage
einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung der Solo-Selbstständigen bei der Beitragsbemessung kann nicht durch ein "staatliches
Dokument" nachgewiesen werden. Über die Rechtmäßigkeit bzw Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung entscheiden allein die Gerichte.
Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt worden sein könnte, liegen nicht vor und ergeben sich
auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers.
2. Die vom Kläger ohne Zuziehung eines zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits selbst erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision war als unzulässig zu verwerfen. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten nach §
73 Abs
4 SGG, außer in PKH-Verfahren, durch zugelassene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, sodass Rechtsmittel wirksam nur durch
diese eingelegt werden können. Die deshalb nicht formgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde war durch Beschluss ohne
Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.