Gründe
I
Die Klägerin ist pakistanischer Staatsangehörigkeit und reiste am 9.1.2014 mit ihrem Neffen und dessen Familie in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Ihre Identität hat sie erst nach Vorlage eines Reisepasses im Dezember 2014 nachgewiesen; zuvor hatte sie
falsche Angaben zu ihrer Person (Geburtsdaten und Namen) gemacht. Der Beklagte bewilligte der Klägerin für die Zeit ab 1.4.2016
sog Analogleistungen nach §
2 AsylbLG (Bescheid vom 5.4.2016). Diese Bewilligung nahm er nach Anhörung der Klägerin mit Wirkung ab 1.11.2017 zurück und bewilligte ab diesem Zeitpunkt
nur noch Leistungen nach §
3 Abs
1 und
2 AsylbLG und setzte zugleich einen Erstattungsbetrag in Höhe von 296 Euro fest (Bescheid vom 7.3.2018; Widerspruchsbescheid vom 6.7.2018). Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide verurteilt, der Klägerin über den Monat Oktober 2017 hinaus Analogleistungen
zu gewähren, weil trotz Vorliegens eines Missbrauchstatbestands iS von §
2 Abs
1 AsylbLG zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin ihr Fehlverhalten längst korrigiert habe (Urteil vom 27.2.2019). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das objektiv wie subjektiv rechtsmissbräuchliche Verhalten entfalle nicht deshalb, weil
die Klägerin eine Reaktion oder vorbeugende Maßnahme des Staates nicht zu erwarten hatte, da sie bereits eingereist gewesen
sei und keine sofortige Abschiebung gedroht habe. Das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Klägerin habe die Dauer ihres Aufenthalts
auch beeinflusst. Eine inzwischen erfolgte Integration könne den Missbrauchsvorwurf nicht ausräumen (Urteil vom 20.5.2021).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem zuletzt genannten Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin; zugleich beantragt
sie Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. Es liege die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
- ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung
dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte
Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (Bundessozialgericht <BSG> vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17 und BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39; BSG vom 9.10.1986 - 5b BJ 174/86 - SozR 1500 § 160a Nr 59 und BSG vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit
und (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung)
darlegen (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (§
162 SGG) gestellt, soweit sie formuliert, es stelle sich die Rechtsfrage, "inwieweit die unverhältnismäßig lange Dauer des Asylverfahrens
von fast 7 Jahren, nämlich 6 Jahr und 10 Monate, und die damit verbundene sehr lange Dauer der Aufenthaltsgestattung im Gegensatz
zu einer Duldung (gleich Aussetzung der Abschiebung) bedeutet, dass auch ein objektiv rechtswidriges Verhalten von Antragstellung
nicht dazu führt, dass Einfluss auf das Geschehen genommen wird und dass deshalb auch der Aufenthalt nicht missbräuchlich
beeinflusst wird, weshalb eine Sanktionierung zumindest unverhältnismäßig wäre und inwieweit Angst vor sofortiger Abschiebung
gleich zu setzen ist mit der Angst der Verweigerung einer Durchführung des Asylverfahrens, so dass auch deshalb ein subjektiv
vorwerfbares Verhalten entfällt". Die Frage ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen ausdrücklich auf die
Klägerin sowie auf deren individuelle Situation zugeschnitten. Die Beschwerde lässt schon offen, welches gesetzliche Tatbestandsmerkmal
welcher bundesrechtlichen Norm mit Blick auf welche Bestimmung ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder
das Recht fortzubilden (vgl BSG vom 29.3.2017 - B 5 RE 12/16 B - RdNr 8).
Wollte man die Ausführungen dahin verstehen, es stelle sich die Rechtsfrage, ob die leistungsrechtlichen Folgen einer rechtsmissbräuchlichen
Verlängerung der Aufenthaltsdauer im Anwendungsbereich nach §
2 AsylbLG entfallen müssten, wenn das Fehlverhalten im Einzelfall revidiert und nicht mehr vorwerfbar sei, fehlt es jedenfalls an einer
hinreichenden, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage
ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt
oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung
des BSG und ggf anderer oberster Bundesgerichte bzw des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen
werden, dass es zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gibt oder durch die schon vorliegenden Urteile
die hier maßgebenden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht beantwortet werden können (vgl BSG vom 16.6.2020 - B 8 SO 69/19 B - RdNr 7). Solche Darlegungen fehlen hier vollständig. Sie sind auch nicht entbehrlich, weil der Senat bereits 2008 entschieden hat,
dass eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer schon dann vorliegt, wenn bei generell-abstrakter Betrachtungsweise das rechtsmissbräuchliche
Verhalten typischerweise die Aufenthaltsdauer verlängern kann und schon nach dem Wortlaut des §
2 Abs
1 Satz 1
AsylbLG weder durch Zeitablauf noch durch späteres Wohlverhalten des Ausländers bewirkt werden kann, dass Analogleistungen zu gewähren
sind (BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2; zuletzt BSG vom 24.6.2021 - B 7 AY 4/20 R - SozR 4-3520 § 2 Nr 8 RdNr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - RdNr 14). Eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung fehlt; insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, dass dieser Rechtsprechung
in nicht geringem Umfang widersprochen wird und gegen sie Einwendungen vorgebracht werden, die nicht als abwegig anzusehen
sind (dazu BSG vom 28.1.2019 - B 8 SO 41/18 B - RdNr 6). Um einen weiter bestehenden oder neuen Klärungsbedarf aufzuzeigen, genügt es nicht, die Rechtsfrage lediglich in eine "Sonderkonstellation"
zu kleiden, die Auswirkungen dieser Konstellation auf die Senatsrechtsprechung aber nicht einmal anzudeuten. Schließlich fehlt
es an einer auch nur ansatzweise erfolgten Darlegung der Breitenwirkung im Sinne einer über den Einzelfall hinausgehenden
Bedeutung (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Allein die behauptete Fehlerhaftigkeit der Entscheidung im Einzelfall vermag die Revision nicht zu eröffnen.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl §
73a Abs
1 SGG, §
114 Abs
1 Zivilprozessordnung <ZPO>), ist der Klägerin keine PKH zu bewilligen. Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.