Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung einer Witwerrente streitig.
Der 1953 geborene Kläger war mit der 1954 geborenen und am 18.12.1998 verstorbenen S (Versicherte) verheiratet. Die Versicherte
bezog ab 01.02.1997 eine zunächst befristete (Bescheid vom 16.04.1997) und später dann unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
(Bescheid vom 26.11.1998). Der Kläger nahm im August 1998 eine selbständige Tätigkeit als Buchbinder auf.
Die Beklagte gewährte dem Kläger ab Januar 1999 eine große Witwerrente. Während des Rentenbezugs fragte sie regelmäßig das
Einkommen des Klägers ab. Zeitweilig rechnete die Beklagte Einkommen auf die Witwerrente an. Im Februar 2010 wandte sich der
Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass seine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit drastisch gesunken seien. Er bat
um eine Neuberechnung der großen Witwerrente. Seinerzeit war er Gesellschafter und Geschäftsführer der BGmbH sowie Gesellschafter
der B1GbR; er bezog Einkünfte aus Gewerbebetrieb/aus Beteiligungen sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Geschäftsführergehalt).
Die Beklagte zahlte dem Kläger ab 01.07.2010 wieder eine Witwerrente aus.
Mit Schreiben seines Steuerberaters vom 02.05.2011 gab der Kläger ua an, dass der Betrieb 2011 aufgegeben werde und voraussichtlich
ein Verlust entstehe. Auf die Anhörung der Beklagten zu einer beabsichtigten Neuberechnung der Witwerrente für die Zeit vom
01.07.2010 bis zum 30.06.2011 sowie der Rückforderung einer Überzahlung nahm der Kläger dahingehend Stellung, dass dem voraussichtlichen
Jahresgewinnanteil für 2010 an der GbR ein voraussichtlich ebenso hoher Verlustanteil an der BGmbH gegenüberstehe. Mit Bescheid
vom 10.06.2011 berechnete die Beklagte die große Witwerrente ab 01.07.2010 neu und machte eine Überzahlung für die Zeit vom
01.07.2010 bis zum 30.06.2011 iHv insgesamt 4.567,98 € geltend. Die Beklagte ging für die Zeit ab Juli 2010 von einem Monatsbetrag
der Rente iHv 869,03 € und ab Juli 2011 von 877,66 € aus. Die Rente sei jeweils nicht zu zahlen, weil das anzurechnende Einkommen
höher sei als die monatliche Rente. Die Beklagte errechnete für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 31.12.2010 eine Überzahlung
iHv 2.280,78 € sowie vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 iHv 2.287,20 €. Der Kläger akzeptierte diesen Bescheid (Schreiben vom 21.06.2011)
und zahlte den Erstattungsbetrag am 01.07.2011 zurück. Er beantragte die Neuberechnung der Rente zum 01.01.2011, weil er ab
dem 01.07.2011 vorübergehend ohne Erwerbseinkünfte sei. Der Steuerberater des Klägers teilte im Juli 2011 mit, dass der Kläger
von Januar bis April 2011 von der GmbH ein monatliches Geschäftsführergehalt iHv 290,00 €, insgesamt 1.160,00 € erhalten habe
(Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit). Die GmbH befinde sich in Liquidation. Seit dem 01.05.2011 erziele der Kläger hieraus
kein Einkommen mehr. Die Tätigkeit der BGbR (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) sei zum 30.06.2011 eingestellt worden. Die Höhe
des Veräußerungsgewinns oder -verlustes könne derzeit noch nicht bestimmt werden. Mit Bescheid vom 03.08.2011 bewilligte die
Beklagte dem Kläger große Witwerrente ab 01.01.2011 iHv monatlich 484,66 € zuzüglich Beitragszuschuss zur Krankenversicherung
iHv monatlich 35,38 € (520,04 €), ab 01.05.2011 554,26 € zuzüglich Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 40,46
€ (594,72 €) und ab 01.07.2011 877,66 € zuzüglich Beitragszuschuss zur Krankenversicherung 64,07 € (941,73 €). Die Rentennachzahlung
für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.08.2011 iHv insgesamt 5.153,06 € zahlte die Beklagte an den Kläger aus (Abrechnung
der Rentennachzahlung vom 05.08.2011, Bl 337 der Verwaltungsakten). Anschließend wurden dem Kläger die bewilligten Monatsbeträge
ausgezahlt.
Im Mai 2012 reichte der Kläger ua eine Erklärung über sein Arbeitseinkommen für 2011 ein (im Kalenderjahr 2011 Arbeitseinkommen
von 3.671,00 €). Er teilte mit, dass sich die GmbH seit 04.01.2011 in Liquidation befinde. Die GbR sei zum 31.07.2011 aufgelöst
worden. Beide Firmen hätten den Geschäftsbetrieb zum 31.05.2011 eingestellt. Am 31.12.2012 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid
des Finanzamtes Singen vom 27.12.2012 für 2011 vor, in dem Einkünfte aus Beteiligung iHv 3.511,00 €, aus Veräußerungsgewinnen
iHv 26.951,00 € sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.160,00 € ausgewiesen sind.
Mit Bescheid vom 30.01.2013 berechnete die Beklagte die große Witwerrente ab 01.01.2011 neu, nahm den Rentenbescheid vom 03.08.2011
hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.01.2011 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück und verlangte für die Zeit vom 01.01.2011 bis 28.02.2013 eine Erstattung iHv 2.163,54 €. Den monatlichen Rentenzahlbetrag
setzte sie für die Zeit ab 01.01.2011 auf 510,10 €, ab 01.05.2011 auf 548,78 € und ab 01.07.2011 auf 591,08 € fest. Den Widerspruch
des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2013 zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht
Konstanz (SG) (S 5 R 1663/13), mit der er sich gegen die Anrechnung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung seines Betriebes als Einkommen auf die
bezogene Witwerrente wandte. Auf Anforderung des SG übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 29.09.2015 eine Probeberechnung zur großen Witwerrente ab 01.01.2011, die eine
Nachzahlung iHv insgesamt 2.384,86 € auswies. Bei der Berechnung der Nachzahlung brachte die Beklagte vermeintliche Zahlungen
iHv monatlich 510,10 € (Januar bis April 2011), 584,78 € (Mai und Juni 2011) sowie 591,08 € (Juli bis Dezember 2011) in Ansatz.
Die Beklagte setzte von der Witwerrente ab Juli 2011 weiterhin Einkommen ab. Das SG bat die Beklagte deshalb um Überprüfung. Mit Schreiben vom 19.02.2016 teilte die Beklagte sodann mit, dass sich ihre Rechtsauffassung
hinsichtlich des Veräußerungsgewinns eines Gewerbetreibenden geändert habe. Nach §
16 Abs
4 Einkommensteuergesetz (
EStG) werde dem Veräußerer eines Gewerbebetriebes unter bestimmten Voraussetzungen ein Steuerfreibetrag von bis zu 45.000,00 €
gewährt. Dieser Steuerfreibetrag mindere das zu berücksichtigende Arbeitseinkommen für die Anrechnung auf die Rente wegen
Todes. Arbeitseinkommen sei daher der Betrag, der im Einkommensteuerbescheid als Summe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen
sei. Insofern wäre für den Kläger für das Jahr 2011 nur noch der Betrag von 3.511,00 € als Einkünfte aus Gewerbetrieb zu berücksichtigen.
Der Kläger möge mitteilen, ob er unter Berücksichtigung dieses Einkommens klaglos gestellt sei. Am 26.02.2016 nahm der Kläger
"das Anerkenntnis der Beklagten vom 19.02.2016" an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
In Umsetzung des "Anerkenntnisses vom 19.02.2016" berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.2016 die große Witwerrente
ab 01.01.2011 neu und setzte für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2016 eine Nachzahlung in Höhe von 4.488,76 € fest.
Den monatlichen Rentenzahlbetrag einschließlich Zuschuss zur privaten Krankenversicherung setzte sie für die Zeit ab 01.01.2011
auf 932,47 € und für die Zeit ab 01.07.2011 auf 941,73 € fest. Davon setzte sie für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.04.2011
vermeintlich erbrachte Zahlungen von monatlich 510,10 €, zusammen 2.040,40 €, vom 01.05.2011 bis 30.06.2011 monatlich 584,78
€, zusammen 1.169,56 € sowie vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 iHv monatlich 591,08 €, zusammen iHv 3.546,48 € ab und errechnete
einen Nachzahlungsbetrag iHv insgesamt 4.488,76 €. Bei der Rentenberechnung nahm die Beklagte nun keine Einkommensanrechnung
mehr vor. Den im Bescheid ausgewiesenen Nachzahlungsbetrag iHv 4.488,76 € überwies die Beklagte im April 2016 an den Kläger.
Den "Wegfallauftrag" der Beklagten vom 27.04.2016 gab der Rentenservice am 29.04.2016 an die Beklagte unerledigt zurück, weil
die Auszahlung an den Kläger schon erfolgt war.
Mit Schreiben vom 12.05.2016 forderte die Beklagte den Kläger auf, "die Überzahlung in Höhe von 2.163,54 € aus dem Bescheid
vom 30.01.2013 zurück ... zu überweisen". Gegen dieses Schreiben legte der Kläger Widerspruch ein. Dazu vertrat die Beklagte
die Auffassung, dass die "Mitteilung" vom 12.05.2016 keinen Verwaltungsakt beinhalte. Mit Bescheid vom 11.07.2016 stellte
die Beklagte fest, dass dem Kläger Rentenbeträge iHv 2.163,54 € zu viel überwiesen worden seien. Mit Bescheid vom 30.01.2013
sei die Witwerrente ab 01.01.2011 neu berechnet worden. Hierbei seien im Rahmen der Einkommensanrechnung nach §
97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) Einkünfte auf Grund der Veräußerung des Betriebes berücksichtigt worden. Es habe sich eine Überzahlung für die Zeit vom
01.01.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 2.136,54 € ergeben. Diese Überzahlung sei von dem Kläger nicht erstattet worden. Im
Rahmen des Anerkenntnisses sei die Rente mit Bescheid vom 25.04.2016 unter Zugrundelegung eines geringeren Arbeitseinkommens
für die Zeit ab 01.01.2011 neu berechnet worden. Da bei dieser Berechnung die Verrechnungsbeträge aus der Berechnung vom 30.01.2013
maschinell zu Grunde gelegt worden seien, habe sich bei dieser Neuberechnung für das Jahr 2011 fälschlicherweise eine Nachzahlung
iHv 4.488,76 € ergeben, die an den Kläger ausgezahlt worden sei. Rentenbeträge für das Jahr 2011 iHv 2.136,54 € seien somit
doppelt an den Kläger gezahlt worden. Diesen Betrag forderte die Beklagte gestützt auf § 50 Abs 2 SGB X zurück. In diesem Rahmen sei § 45 SGB X zu prüfen. Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts sei nicht davon auszugehen, dass dem Kläger die Unrechtmäßigkeit der Zahlung
nicht bekannt gewesen sei. Der Kläger habe gewusst, dass die Überzahlung aus dem Bescheid vom 30.01.2013 nie von ihm erstattet
worden sei. Er habe erkennen können, dass die Beträge der Verrechnung fehlerhaft seien. Er habe gewusst, dass ihm die Rentenzahlung
2011 nicht doppelt zustehe. Die Beklagte habe Ermessen auszuüben. Gegen eine Rücknahme spreche, dass die Beklagte die mit
dem Bescheid vom 25.04.2016 entstandene Nachzahlung direkt an den Kläger ausgezahlt habe anstatt sie mit der Überzahlung aus
dem Bescheid vom 30.01.2013 zu verrechnen. Für eine Rücknahme spreche, dass der Kläger gewusst habe, dass er die mit Bescheid
vom 30.01.2013 entstandene Überzahlung nie erstattet habe und die Rentennachzahlung nicht hätte ausgezahlt werden dürfen.
Bei einem Verzicht auf die Rückforderung der ohne Rechtsgrund gezahlten Leistungen würde die Versichertengemeinschaft unangemessen
belastet. Die Abwägung der für und gegen eine Rückforderung sprechenden Gründe führe zu dem Ergebnis, dass die Gründe für
eine Bescheidrücknahme überwögen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers vom 15.08.2016 mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2017 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 09.02.2017 Klage zum SG erhoben (S 2 R 253/17). Die rechtlichen Voraussetzungen für eine rückwirkende Teil-Aufhebung und Rückforderung seien nicht gegeben. Die Beklagte
habe ein Anerkenntnis abgegeben und dieses dann umgesetzt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Wie im Bescheid vom
11.07.2016 dargestellt, sei bei der neuerlichen Berechnung der Witwerrente von den Verrechnungsbeträgen der geleisteten Rentenzahlung
aus dem angefochtenen Bescheid vom 30.01.2013 ausgegangen worden. Insofern sei bei der Rentenberechnung mit Bescheid vom 25.04.2016
eine Nachzahlung entstanden, die mit der aus dem Bescheid vom 30.01.2013 resultierenden Überzahlung hätte verrechnet werden
müssen. Der Kläger habe gewusst, dass ihm für 2011 keine doppelte Rentenzahlung zugestanden habe. Für die Zeit vom 01.01.2011
bis 31.08.2011 seien dem Kläger am 05.08.2011 insgesamt als Einmalzahlung 5.153,06 € überwiesen worden. Für die Zeit vom 01.09.2011
bis zum 30.06.2012 habe der Kläger monatlich 941,73 € erhalten. Damit sei eine Überzahlung in Höhe von 2.163,54 € eingetreten.
Bei Erteilung des Bescheides vom 25.04.2016 sei davon ausgegangen worden, dass der Kläger die im Bescheid vom 30.01.2013 ausgewiesene
Überzahlung bereits zurückgezahlt habe. Dies sei jedoch nicht zutreffend gewesen. Insofern sei durch den Bescheid vom 25.04.2016
die Rente für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2011 in Höhe von 2.136,54 € nochmals an den Kläger gezahlt worden. Die
Nachzahlung aus dem Bescheid vom 25.04.2016 hätte somit um die Überzahlung aus dem Bescheid vom 30.01.2013 vor Auszahlung
an den Kläger gemindert werden müssen. An den Kläger seien folgende Nettorentenbeträge gezahlt worden:
- 01.01.2011 bis 30.04.2011 monatlich 520,04 €
- 01.05.2011 bis 30.06.2011 monatlich 594,72 €
- 01.07.2011 bis 31.12.2011 monatlich 941,73 €.
Gemäß Bescheid vom 25.04.2016 hätten dem Kläger materiell-rechtlich folgende Nettorentenleistungen zugestanden:
- 01.01.2011 bis 30.06.2011 monatlich 932,47 €
- 01.07.2011 bis 31.12.2011 monatlich 941,73 €.
Der Kläger ist der Klage entgegengetreten. Fehler habe allein die Beklagte zu verantworten. Eine nachvollziehbare Begründung
des Erstattungsbetrages liege nicht vor.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2020 den Bescheid vom 11.07.2016 in Form des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2017 aufgehoben
und die Beklagte verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Der Rückforderung des überzahlten
Betrages iHv 2.163,54 € stehe der bestandskräftige Bescheid vom 25.04.2016 entgegen. Gemäß § 50 Abs 2 SGB X seien, soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien, zu erstatten. §§ 45 und 48 SGB X gölten entsprechend. Danach seien Geldbeträge, die nicht auf Grund eines Verwaltungsaktes gezahlt worden seien, zu erstatten,
sofern sie zu Unrecht bezahlt worden seien und die Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X vorlägen. Diese Vorschrift habe die Beklagte ausdrücklich angewandt. Die Zahlung iHv 4.488,76 €, die um 2.163,54 € zu Unrecht
erfolgt sei, sei auf Grund eines Verwaltungsaktes erfolgt. Mit Bescheid vom 25.04.2016 habe die Beklagte im Rahmen eines Verwaltungsaktes
entschieden, dass dem Kläger die Nachzahlung iHv 4.488,76 € zustehe. Gemäß § 31 SGB X sei ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines
Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffe und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei.
In diesem Sinne sei die schriftliche Entscheidung der Beklagten, dass dem Kläger ein Nachzahlungsbetrag von 4.488,76 € zustehe,
als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Es liege nicht lediglich eine Zahlung ohne Verwaltungsakt vor. Der Zahlbetrag sei auch
nicht lediglich das Ergebnis einer im Bescheid aufgeführten Berechnung. Vielmehr sei die Summe eindeutig Teil des Verfügungssatzes
des Bescheides. Dementsprechend hätte die Beklagte eine Entscheidung über die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2016
gemäß § 45 SGB X treffen müssen. Dies sei ausdrücklich nicht erfolgt. Der Bescheid vom 25.04.2016 sei daher weiterhin gemäß § 39 Abs 1 und 2 SGB X wirksam und stehe einer Rückforderung in der streitigen Höhe entgegen. Dass der Kläger den streitigen Betrag tatsächlich
im Rahmen der Umsetzung des Anerkenntnisses der Beklagten im Rechtsstreit S 5 R 1663/13 zu Unrecht zugesprochen bekommen habe, sei dabei unerheblich. Rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte verlören ihre Gültigkeit
erst, wenn diese zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder andere Weise erledigt seien.
Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Gegen den ihr am 31.07.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 13.08.2020 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die Auffassung des SG, dass die Nennung eines Nachzahlungsbetrages einen Verwaltungsakt darstelle, widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) sowie des LSG Baden-Württemberg (Hinweis auf BSG 25.01.2011, B 5 R 14/10 R; LSG Baden-Württemberg 30.10.1997, L 13 An 429/97). Sie - die Beklagte - habe den Rückforderungsbescheid zutreffend auf
§ 50 Abs 2 SGB X gestützt. Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X lägen vor. Die genannten Voraussetzungen seien in der Person des bevollmächtigten Rechtsanwalts zu prüfen. Berechtige eine
Vollmacht zur uneingeschränkten Vertretung eines Leistungsbewerbers, so sei - solange die Vollmacht gelte - sämtlicher Schriftwechsel
ausschließlich mit dem Bevollmächtigten zu führen. Dem Bevollmächtigten seien auch die Bescheide bekannt zu geben. Dies gelte
ebenso für die Fälle, in denen ggf ausschließlich eine Prozessvollmacht erteilt worden sei. Ausführungsbescheide seien stets,
sofern sich nichts Anderes ergebe, dem Prozessbevollmächtigten zuzustellen, um ggf die Prüfung einer Rechtsmitteleinlegung
zu ermöglichen. Der Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers im Erörterungstermin, wonach er mit der Prüfung des Bescheids
nicht beauftragt gewesen sei, lege den Schluss nahe, dass er den Bescheid vom 25.04.2016 nicht vollständig, also Seite für
Seite, gelesen habe. Dies begründe bereits grobe Fahrlässigkeit (Hinweis auf BSG 19.10.2000, B 8 KN 8/99 R; LSG Baden-Württemberg 07.08.2013, L 5 R 5759/11).
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.07.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Der Auffassung des SG sei lediglich insoweit entgegen zu treten, als er - der Kläger - weiterhin die von der Beklagten behauptete Überzahlung tatsächlich
und rechnerisch nicht nachvollziehen könne.
Auf Anforderung des Senats vom 04.10.2021 hat die Beklagte mitgeteilt, die Witwerrente für Januar 2011 iHv 381,20 € sei mit
einer Nachzahlung iHv insgesamt 2.661,98 € bezahlt worden. Ab Februar 2011 bis einschließlich August 2011 seien dem Kläger
auf Grund eines Bescheids vom 03.12.2010 zunächst monatlich 381,20 € als Witwerrente gezahlt worden. Mit Bescheid vom 03.08.2011
sei dann eine Neuberechnung der Witwerrente ab 01.01.2011 erfolgt. Daraus habe sich für die Zeit von Januar 2011 bis einschließlich
August 2011 eine Nachzahlung in Höhe von 5.153,06 € ergeben, die am 05.08.2011 ausgezahlt worden sei. Für Januar 2011 bis
April 2011 habe sich ein Zahlbetrag in Höhe von 520,04 €, für Mai und Juni 2011 in Höhe von 594,72 € und für Juli und August
2011 in Höhe von 941,73 € ergeben. Die laufende Zahlung ab September 2011 habe somit 941,73 € betragen. Die Beklagte hat entsprechende
Nachweise vorgelegt.
Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt. Der Senat hat dem
Kläger diese Unterlagen übersandt und angefragt, ob ebenfalls Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung besteht. Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 06.12.2021 sein Einverständnis mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten,
die Akten des SG (S 5 R 1663/13 und S 2 R 253/17) sowie die Verfahrensakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs
1,
124 Abs
2 SGG), ist statthaft und zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. Das SG hat den Bescheid vom 11.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.01.2017 im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 11.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.01.2017 (§
95 SGG), mit dem die Beklagte nach § 50 Abs 2 SGB X einen Erstattungsbetrag iHv 2.163,54 € festgesetzt hat. Auf die statthafte (isolierte) Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) hat das SG diesen Bescheid zu Recht aufgehoben. Denn der Bescheid vom 11.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.01.2017
stellt sich als rechtswidrig dar und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Unabhängig von der Frage, ob die mit dem angefochtenen
Bescheid vom 11.07.2016 zurückverlangten Leistungen "ohne Verwaltungsakt zu Unrecht" erbracht worden sind oder ihren Rechtsgrund
in dem nicht aufgehobenen Bewilligungsbescheid vom 25.04.2016 finden, liegen jedenfalls die Voraussetzungen des § 50 Abs 2 Satz 2 iVm § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X nicht vor. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Senat nicht erkennen, dass im vorliegenden Einzelfall dem Kläger grobe
Fahrlässigkeit iSv § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X vorzuwerfen ist.
Als Rechtsgrundlage für die von der Beklagten festgesetzte Erstattungsforderung kommt ausschließlich § 50 Abs 2 SGB X in Betracht. Danach sind Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. §§ 45 und 48 SGB X gelten entsprechend. Die Vorschrift stellt sicher, dass der Sozialleistungsempfänger, der die Leistung ohne einen - das Recht
auf sie feststellenden oder gewährenden - Verwaltungsakt zu Unrecht erhalten hat, denselben Vertrauensschutz erlangt wie derjenige,
der im Falle einer rechtswidrigen Bewilligung des Rechts oder Anspruchs bei Aufhebung dieses Verwaltungsaktes haben würde
(zB BSG 24.07.2001, B 4 RA 102/00 R, SozR 3-1300 § 50 Nr 24).
Ein Fall der entsprechenden Anwendung des § 48 SGB X liegt nicht vor, weil seit der Überweisung des Nachzahlungsbetrages - ebenso wie seit dem Erlass des Bescheids vom 25.04.2016
- keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Die Auszahlung des in dem
Bescheid vom 25.04.2016 ausgewiesenen Nachzahlungsbetrages iHv insgesamt 4.488,76 € war zwar iHv 2.163,54 € von Anfang an
rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Berechnung des Nachzahlungsbetrages auf die bewilligten Beträge ([ 6 * 932,47 € =]
5.594,82 € + [6 * 941,73 € =] 5.650,38 € = 11.245,20 €) nicht die aufgrund des Bescheids vom 03.08.2011 für die Zeit vom 01.01.2011
bis zum 31.12.2011 tatsächlich bezahlten Renten ([4 * 520,04 € =] 2.080,16 € + [2 * 594,72 € =] 1.189,44 € + [6 * 941,73 €
=] 5.650,38 € = 8.919,98 €), sondern einen vermeintlichen Zahlbetrag iHv lediglich 6.756,44 € ([4 * 510,10 € =] 2.040,40 €
+ [2 * 584,78 € =] 1.169,56 € + [6 * 591,08 € =] 3.546,48 € = 6.756,44 €) angerechnet hat, sodass die Nachzahlung um 2.163,54
€ zu hoch ausgefallen ist. Jedoch liegen die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 45 SGB X nicht vor.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs 1 SGB X unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit
zurückgenommen werden. Die Rücknahmeentscheidung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen
unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig,
wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder
nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig
oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit
liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe
entsprechend §
580 Zivilprozessordnung (
ZPO) vorliegen (§ 45 Abs 3 Satz 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Abs 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.
Vorliegend geht es um die im Mai 2016 festgesetzte (teilweise) Erstattung der im April 2016 überwiesenen Nachzahlung, mithin
um eine "Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit" (zB BSG 22.08.2012, B 14 AS 165/11 R, SozR 4-1300 § 50 Nr 3, juris Rn 27), sodass die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 oder Absatz 3 Satz 2 SGB X erfüllt sein müssen. Dies jedoch nicht der Fall. Der Kläger war im Zeitpunkt der Erbringung der Nachzahlung weder bösgläubig
iSd § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X noch lag ein Wiederaufnahmegrund iSd §
580 ZPO vor.
Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats den Nachzahlungsbetrag iHv 2.163,54 € weder durch arglistige Täuschung, Drohung
oder Bestechung erwirkt, noch beruht die Auszahlung auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Für diese beiden Alternativen bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr
gab die Beklagte im Rechtsstreit S 5 R 1663/13 ihre Rechtsposition auf sowie ein Anerkenntnis ab. In Umsetzung dieses Anerkenntnisses nahm die Beklagte ohne jegliches Zutun
des Klägers eine Neuberechnung der Witwerrente für die streitige Zeit ab 01.01.2011 vor und errechnete einen Nachzahlungsbetrag.
In Betracht kommt allein ein Fall des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X. Aber auch dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger kannte die teilweise Rechtswidrigkeit der Nachzahlung im
Umfang von 2.163,54 € nicht. Zwar behauptet die Beklagte pauschal, der Kläger habe die Rechtswidrigkeit gekannt. Worauf diese
Kenntnis beruhen soll, bleibt das Geheimnis der Beklagten. Warum der Kläger positive Kenntnis von der teilweisen Rechtswidrigkeit
der Nachzahlung genau in dem Umfang des streitigen Erstattungsbetrages iHv 2.163,54 € gehabt haben soll, während dies der
Beklagten bei Erlass des Bescheids vom 25.04.2016 und Auszahlung des dort ausgewiesenen Nachzahlungsbetrages trotz Prüfung
durch zwei Sachbearbeiter (Bl 520/Rückseite der Verwaltungsakten) verborgen geblieben ist, ist für den Senat - auch im Hinblick
auf den vorangegangenen unübersichtlichen Verfahrensablauf (dazu sogleich) - nicht nachvollziehbar. Das von der Beklagten
insoweit angeführte Argument, der Kläger habe gewusst, dass die Überzahlung aus dem Bescheid vom 30.01.2013 nie von ihm erstattet
worden sei und dass die Beträge der Verrechnung fehlerhaft seien, überzeugt nicht. Der Kläger hatte den Teilaufhebungs- und
Erstattungsbescheid vom 30.01.2013 gerade angefochten. Für ihn bestand im Hinblick auf die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs
und der Klage (§
86a Abs
1 Satz 1
SGG) gegen die im Bescheid vom 30.01.2013 festgesetzte Erstattungsforderung kein Anlass, den Betrag iHv 2.163,54 € zu bezahlen.
Vielmehr übernahm die Beklagte im Klageverfahren S 5 R 1663/13 die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung zur Einkommensanrechnung und gab ein Anerkenntnis ab.
Schließlich beruhte die Unkenntnis bzgl der teilweisen Rechtswidrigkeit der Nachzahlung im Umfang von 2.163,54 € auch nicht
auf grober Fahrlässigkeit. Denn der Kläger hat bezogen auf den hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt die erforderliche
Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt.
Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße hat danach verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen
nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (stRspr seit BSG 31.08.1976, 7 RAr 112/74, BSGE 42, 184). Insoweit besteht zunächst im Allgemeinen kein Anlass, einen Verwaltungsakt jedenfalls des Näheren auf Richtigkeit zu überprüfen,
wenn - wie hier - im Verwaltungsverfahren zutreffende Angaben gemacht worden sind. Andernfalls würde das Risiko der rechtmäßigen
Umsetzung der korrekten Angaben des Begünstigten in einer von § 45 SGB X nicht vorgegebenen Weise von der Behörde auf diesen übergewälzt. Eine Rechtspflicht, den erlassenen Verwaltungsakt umfassend
auf Richtigkeit zu überprüfen, besteht deshalb nicht. Andererseits sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet,
"sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren". Dem entsprechend ist der
Versicherte rechtlich gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid auch zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl zB
BSG 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr 45 mwN). Danach ist die Unkenntnis grob fahrlässig im Sinne von § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und naheliegender
Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht. Davon ist
bei Fehlern auszugehen, die sich erstens aus dem begünstigenden Verwaltungsakt selbst oder anderen Umständen ergeben und zweitens
für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Das ist anzunehmen bei solchen Fehlern, die unter
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seines Verhaltens, augenfällig sind.
Augenfällig in diesem Sinne sind Fehler zunächst, wenn die Begünstigung dem Verfügungssatz nach ohne weitere Überlegungen
als unzutreffend erkannt werden kann. Ausschlaggebend für die nach diesen Kriterien zu beurteilende Erkennbarkeit eines Fehlers
ist der individuelle Verständnishorizont des Begünstigten. Mussten sich einem Bescheidempfänger allerdings Zweifel an der
Richtigkeit der ergangenen Entscheidung aufdrängen, besteht eine Verpflichtung zu Erkundigungen. Bei komplizierten Berechnungen
und maschinellen Verschlüsselungen wird hingegen von einer groben Fahrlässigkeit regelmäßig nur ausgegangen werden können,
wenn diese durch einen erklärenden Langtext hinreichend verständlich ist (zum Ganzen zB Schütze in ders, SGB X, 9. Auflage 2020, § 45 Rn 61 ff mwN).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Senat der Ansicht, dass die teilweise Fehlerhaftigkeit des im Bescheid vom 25.04.2016
ausgewiesenen Nachzahlungsbetrages für den Kläger nicht ohne weiteres sofort erkennbar war. Dies ergibt sich für den Senat
aus dem vorangegangenen unübersichtlichen Verwaltungsverfahren mit Unklarheiten bezüglich der bewilligte Rente sowie der in
der Vergangenheit erfolgten Zahlungen seitens der Beklagten. Die Beteiligten streiten über Erstattung von Witwerrente für
die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2011. Bezüglich dieses Zeitraums hat die Beklagte unterschiedliche Regelungen getroffen,
die Unklarheiten bezüglich Rentenbewilligung und Rentenauszahlung zur Folge hatten. So hat die Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2011
die Witwerente ua ab 01.01.2011 zunächst auf 0,00 € festgesetzt und die bis Juni 2011 ausgezahlten Rentenbeträge zurückverlangt.
Der Kläger hat diese Erstattungsforderung beglichen (vgl Bl 323 der Verwaltungsakten). Auf Bitten des Klägers, die Witwerrente
neu zu berechnen, hat die Beklagte sodann mit Bescheid vom 03.08.2011 für die Zeit ab 01.01.2011 Witwerrente mit unterschiedlichen
Zahlbeträgen (520,04 €, ab 01.05.2011 594,72 €, ab 01.07.2011 941,73 €) bewilligt. Die Auszahlung erfolgte für die Zeit vom
01.01.2011 bis zum 31.08.2011 nicht in laufenden und regelmäßigen Zahlungen, sondern in einer Einmalzahlung, sodass dem Kläger
die ihm ausbezahlten Beträge nicht präsent sein mussten. Mit Bescheid vom 30.01.2013, der Gegenstand des Klageverfahrens S
5 R 1663/13 war, hat die Beklagte erneut eine Neuberechnung der Witwerrente ab 01.01.2011 vorgenommen und eine teilweise Erstattung iHv
2.163,54 € verlangt. Trotz Aufforderung des SG im Erörterungstermin vom 10.07.2014 vermochte es die Beklagte zunächst nicht, eine Alternativberechnung der Witwerrente ab
01.01.2011 ohne Anrechnung des seinerzeit streitigen Veräußerungsgewinns vorzulegen (vgl Verfügung des SG vom 20.08.2015). Mit Schreiben vom 29.09.2015 hat die Beklagte sodann eine Proberechnung der Witwerrente vorgelegt, die monatliche
Rentenbeträge iHv 932,47 € und ab 01.07.2011 von 591,08 €, eine Nachzahlung iHv insgesamt 2.384,86 € auswies sowie vermeintliche
Rentenzahlungen iHv monatlich 510,10 € (Januar bis April 2011), 584,78 € (Mai und Juni 2011) sowie 591,08 € (Juli bis Dezember
2011) aufführte. Im Widerspruch zu dieser Proberechnung hat die Beklagte in Umsetzung ihres Anerkenntnisses mit Bescheid vom
25.04.2016 nun die Witwerrente ab 01.01.2011 auf monatlich 932,47 € und ab 01.07.2011 auf 941,73 € festgesetzt, sodass der
Kläger im Vergleich zu der in der Proberechnung ausgewiesenen Nachzahlung überschlägig mit einer höheren Nachzahlung rechnen
konnte. Weiterhin hat die Beklagte in dem Bescheid vom 25.04.2016 die gleichen anzurechnenden Rentenzahlungen wie in der Probeberechnung
aufgeführt. Unter diesen Umständen war auf Grund einfachster und naheliegender Überlegungen nicht sicher zu erkennen, dass
der im Bescheid vom 25.04.2016 iHv 4.488,76 € ausgewiesene und anschließend überwiesene Betrag iHv 2.163,54 € zu Unrecht erfolgte.
Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Kläger und/oder sein Bevollmächtigter (vgl dazu zB auch Hessisches LSG 29.02.2008,
L 5 R 195/06) den gesamten Bescheid vom 25.04.2016 tatsächlich gelesen hat oder nicht. Denn dies ändert im vorliegenden Fall nichts am
Fehlen von grober Fahrlässigkeit. Bei genauem Studium des Bescheids hätte der Kläger oder sein Bevollmächtigter feststellen
können, dass die Beklagte die Nachzahlung rechnerisch richtig bestimmt hat. Ein offensichtlicher Fehler wird in diesem gerade
nicht dokumentiert. Dass die in die Berechnung der Nachzahlung eingestellten zu verrechnenden Beträge nicht den tatsächlich
erbrachten Rentenleistungen entsprachen, erschließt sich erst unter Beachtung des vorangegangenen, durchaus komplexen und
unübersichtlichen Verfahrensverlaufs, insbesondere des Bescheids vom 03.08.2011. Insbesondere lag kein Fall einer klaren und
eindeutigen doppelten Auszahlung der in einem Bescheid bewilligten Beträge vor. Wie bereits dargelegt, war der exakte Nachzahlungsbetrag
erst durch einen umfangreichen Vergleich der bewilligten und tatsächlich ausgezahlten Rentenbeträge zu ermitteln, was der
Beklagten auch erst nach mehrmaligem Anlauf gelungen ist.
Somit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X nicht vor, sodass der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs 2 SGB X nicht besteht. Wenn der Bescheid vom 25.04.2016 - wie das SG meint - auch eine Regelung iSd § 31 SGB X betreffend den Nachzahlungsbetrag enthalten sollte, würde auch dessen Korrektur nach § 45 SGB X an der fehlenden Bösgläubigkeit des Klägers scheitern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Nr 1 und 2
SGG).