Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für einen sog. Grundservice im Bereich des betreuten Wohnens im Rahmen der Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Monate September, November und
Dezember 2007.
Der 1987 geborene Kläger hat im Juli 2007 seine Ausbildung zum Bürokaufmann erfolgreich abgeschlossen. Bei ihm liegt eine
cerebrale Tetraparese vor mit Funktionsbeeinträchtigung aller vier Extremitäten, er kann sich langsam im Rollstuhl fortbewegen.
Ein Grad der Behinderung von 100 v.H. sowie die Merkzeichen G, aG und H sind anerkannt. Seit 17. September 2007 arbeitet er
in Vollzeit als Bürokaufmann bei der Arbeit in Selbsthilfe (AIS) in M., seine Arbeitsstelle wurde im Haus zwei Stockwerke
unter dem Wohnbereich eingerichtet. Aus dieser Tätigkeit erzielte der Kläger im November und Dezember 2007 Einkommen in Höhe
von 737,91 €.
Seit 1. September 2007 wohnt der Kläger im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in R.. Ihm steht ein Zimmer mit einer Größe
von 25,21 qm sowie der Zugang zu Gemeinschaftsräumen mit einer Gesamtgröße von 135,96 qm (für sechs Personen) zur Verfügung.
Vermieter ist die Körperbehindertenförderung N.-A. (Beigeladene Ziff.2). Die Kaltmiete beläuft sich auf 325,52 € zuzüglich
Nebenkosten von 50 € einschließlich einer Kabelgebühr von 6 €.
Aufgrund eines zwischen dem Kläger und der Beigeladenen Ziff. 2 geschlossenen zusätzlichen Betreuungsvertrags vom 10. Juli
2007 schuldet der Kläger ein weiteres monatliches Entgelt von 100 € für den Grundservice. Dieser beinhaltet die Organisation
eines durchgehend besetzten Notrufs im Haus (58,50 €), den Betrieb eines Pflegestützpunktes (7 €), Sprechstunden für die allgemeine
Lebensberatung (20 €), Nutzung der Gemeinschaftsräume (5,27 €) sowie das Angebot von Gemeinschaftsveranstaltungen (9,23 €).
Nach § 5 des Betreuungsvertrags wird dieser für die Dauer der Wohnungsbelegung bzw. des Mietvertrags geschlossen. Im Vorspann
heißt es, dass es dem Kläger bekannt sei, dass die Überlassung einer Wohnung in der Einrichtung die Vereinbarung des Grundservice
voraussetze.
Ab 1. September 2007 trug zunächst der Landkreis B. die Kosten der Sozialhilfe für die begleitende Betreuung des ambulanten
Wohnens (Hilfestellung, Anleitung, hauswirtschaftliche Versorgung, Freizeitaktivitäten) in Höhe der Hilfebedarfsgruppe 3,
d.h. 1.214 € monatlich (Bescheid vom 22. Januar 2008). Vorangegangen waren Überprüfungen des Hilfebedarfs durch den medizinisch-pädagogischen
Dienst vom 26. Juli und 10. Dezember 2007. Seit 28. Februar 2008 werden diese Leistungen vom Beigeladenen Ziff. 1, dem seit
Beginn örtlich zuständigen Landkreis E. erbracht.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 2007
für die Monate Juli, August und Oktober 2007 ab, da das Einkommen in diesen Monaten den Bedarf übersteige.
Mit weiterem Bescheid vom 19. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte Leistungen für September 2007 in Höhe von 539,65 € und
berücksichtigte hierbei neben der Regelleistung (347 €) Kosten der Unterkunft in Höhe von 347,77 € (375,52 € abzüglich Kabelfernsehen
6 €, Strompauschale 15,22 € und Warmwasserpauschale 6,53 €). Als Einkommen wurde Arbeitslosengeld in Höhe von 185,12 € abzüglich
der Versicherungspauschale von 30 € berücksichtigt.
Ebenfalls mit Bescheid vom 19. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte für November und Dezember 2007 Leistungen in Höhe von
208,12 €. Bei gleichem Bedarf wurde Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 737,91 € abzüglich eines Freibetrags von 221,26 € und
der Versicherungspauschale von 30 € angerechnet.
Am 29. Oktober 2007 legte der Kläger gegen den "Bescheid vom 19.10.2007" Widerspruch ein, da der ihm aufgrund seiner Behinderung
zustehende Mehrbedarf nicht berücksichtigt worden sei. Ferner sei der Grundservice nicht berücksichtigt worden. Ohne diesen
Grundservice, zu dessen Bereitstellung der Betreuungsträger verpflichtet sei, sei ein Wohnen im betreuten Gruppenwohnen nicht
möglich.
Mit Änderungsbescheid vom 13. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte für November und Dezember 2007 Leistungen nur noch in
Höhe von 195,97 €, da der Kläger im November eine Jahressonderzahlung erhalten hatte, welche die Beklagte auf zwölf Monate
aufteilte (12,15 € monatlich). Von einer Rückforderung der überzahlten Leistung wurde wegen Geringfügigkeit abgesehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies darauf, dass als Kosten
der Unterkunft nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen seien, die dem tatsächlichen Zweck des Wohnens im Sinne der Existenzsicherung
dienten, nicht jedoch sonstige Dienstleistungen wie der Grundservice, die mit der Unterkunft zusammenhingen. Die Schwerbehinderung
und die damit zusammenhängenden besonderen Wohnanforderungen würden insoweit berücksichtigt, als die tatsächliche Kaltmiete
übernommen werde, obwohl sie die angemessene Kaltmiete von 300 € übersteige. Von den Nebenkosten von 50 € werde die Kabelnutzung
mit 6 €, eine Energiepauschale von 15,22 € und eine Warmwasserpauschale von 6,53 € abgezogen, da diese Positionen bereits
in der Regelleistung enthalten seien. Ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung sei nicht anzuerkennen, da der Kläger weder Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) noch sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben noch Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Nr.
1 bis 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erhalte (§ 21 Abs. 4 SGB II). Der Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung nach
§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II werde nur nicht erwerbsfähigen Angehörigen von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 8. Februar 2008 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage, mit der er sein Begehren nur bezüglich der Grundservicekosten weiter verfolgt.
Das SG hat mit Urteil vom 3. März 2009 die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, für September, November
und Dezember 2007 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 12,16 € zu gewähren. Zur
Begründung hat es ausgeführt, gemäß § 22 Abs. 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Klärung der Frage, was Kosten für "Unterkunft und Heizung" seien,
könne sich nicht daran orientieren, welche Zahlungspflichten der Hilfebedürftige in seinem Mietvertrag oder anderen Vertrag
eingegangen sei. Entscheidend könne, auch um hier nicht vorliegende missbräuchliche Vertragsgestaltungen zu verhindern, nur
eine materielle Betrachtung sein, die danach frage, ob es sich nach dem gewöhnlichen Verständnis tatsächlich um Unterkunftskosten
handele. Dies sei fraglos der Fall, soweit es um das Entgelt für die Überlassung von Wohnraum gehe. Unterkunftskosten seien
darüber hinaus auch solche Kosten, die typischerweise mit der Anmietung von Wohnraum einher gingen. In diesem Sinne verstehe
die Kammer die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Februar 2009 (- B 4 AS 48/08 R -), die bislang nur im Terminsbericht vorliege, in der zur Abgrenzung der erstattungsfähigen Wohnnebenkosten auf die nach
§
556 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) in Verbindung mit der Betriebskostenverordnung (BetrKV) auf den Mieter umlagefähigen Positionen abgestellt werde. Dies scheine
ein überzeugendes, weil objektives Abgrenzungskriterium zu sein. Danach habe der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kaltmiete
von 325,52 € sowie die im Grundservice enthaltene Gebühr für die Nutzung der Gemeinschaftsräume von 5,27 €, da es sich um
Kosten für die Überlassung von Wohnraum handele. Erstattungsfähig seien ferner die Nebenkosten von 50 €, von denen die Energiepauschale
in Höhe von 20,86 € abzuziehen sei, da die Kosten für Strom und Warmwasser bereits in der Regelleistung enthalten seien. Der
Betrag sei nicht um die Kosten für die Kabelnutzung zu vermindern, da es sich um umlagefähige Betriebskosten handele und nicht
ersichtlich sei, dass der Kläger diese Kosten hätte vermeiden können.
Die übrigen Bestandteile der Grundservicegebühr seien nicht erstattungsfähig. Die bloße zivilrechtlich zulässige Koppelung
des Betreuungsvertrags mit dem Mietvertrag reiche nach den oben beschriebenen Kriterien nicht aus. Eine andere Rechtsgrundlage
für einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der nicht als Unterkunfts- und Heizungskosten zu behandelnden Grundservicekosten
bestehe nicht. Es bestehe auch kein Anspruch gegen den Beigeladenen Ziff. 1. Der Anspruch auf Erbringung von Leistungen der
Eingliederungshilfe nach §
54 Abs.
1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §
55 SGB IX sei durch die seitens des Beigeladenen Ziff. 1 bzw. zunächst des Landkreises B. erbrachten Kosten für die begleitende Betreuung
erfüllt. Dass dies nicht ausreichend sei, werde auch vom Kläger nicht behauptet. Die Annahme, dass der Umfang der Leistungen
hinreichend sei, könne nicht dadurch erschüttert werden, dass der Kläger einen Betreuungsvertrag geschlossen habe, durch den
pauschal und ohne konkrete Bedarfsprüfung weitere Kosten entstünden. Ansonsten würde die seitens des Trägers der Betreuungsleistungen
notwendige individuelle Festlegung des Betreuungsbedarfs, wie sie sich in dem vom Kläger nicht angefochtenen Bescheid des
Landkreises B. vom 22. Januar 2008 (für September bis Dezember 2007) niedergeschlagen habe, unterlaufen.
Gegen das Urteil richtet sich die vom SG zugelassene, am 27. März 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Aufgrund der mietvertraglichen Regelungen seien die Kosten
für den Grundservice für den Kläger unausweichlich, es gebe keine Möglichkeit, die Wohnung im Rahmen des betreuten Wohnens
ohne Grundservice nutzen zu können. Der Kläger bedürfe aufgrund seiner Behinderung unstreitig des betreuten Wohnens, eine
Unterkunft auf dem normalen Wohnungsmarkt hätte er nicht erlangen können. Eine bedarfsgerechte Unterkunftsalternative ohne
solches Betreuungsentgelt stehe nicht zur Verfügung. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe mit Urteil vom 23. Februar 2006 (- III ZR 167/05 - [juris]) entschieden, dass die Bindung eines solchen Betreuungsvertrags an einen Mietvertrag im Rahmen des betreuten Wohnens
nicht sittenwidrig sei, da das Konzept des betreuten Wohnens gerade auf dem Angebot von Miete und Grundbetreuung beruhe. Die
Kosten des Grundservice seien daher zu übernehmen. Die Beklagte habe bislang nichts dazu vorgebracht, dass die Unterkunftskosten
in ihrer Gesamtheit auch unter Berücksichtigung der Servicegebühr nicht angemessen seien, derartige Umstände seien auch nicht
ersichtlich. Dem SG könne nicht gefolgt werden, soweit es auf die Betriebskostenverordnung abstelle zur Abgrenzung der erstattungsfähigen Wohnnebenkosten.
Die vom SG genannte Entscheidung des BSG könne nicht herangezogen werden, dort habe es sich ausschließlich um die Berücksichtigung von
Aufwendungen für Kabelnutzung gehandelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 3. März 2009 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom
19. Oktober 2007, abgeändert durch Bescheid vom 13. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar
2008 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate September, November
und Dezember 2007 zu gewähren und hierbei die Kosten für den Grundservice zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und weist ergänzend darauf hin, dass die Umstände der Behinderung
und die damit zusammenhängenden Wohnanforderungen durch die Anerkennung der tatsächlichen Kaltmiete bereits Berücksichtigung
gefunden hätten, obwohl diese unangemessen hoch sei. Die streitgegenständlichen Aufwendungen im Bereich des Grundservice gehörten
nicht zu den Unterkunftskosten.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, des Beigeladenen Ziff. 1 und des Landeswohlfahrtverbandes
W.-H., fortgeführt vom Landkreis B. verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist statthaft (§
143 SGG) und damit zulässig. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung durch das SG gebunden (§
144 Abs.
3 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen für Kosten der Unterkunft und
Heizung in Höhe von insgesamt 296,37 € für den streitigen Zeitraum, nicht nur, wie vom SG zugesprochen, in Höhe von 12,16 € monatlich.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Überprüfung der Bewilligungsbescheide vom 19. Oktober 2007, abgeändert durch Bescheid
vom 13. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2008 nur hinsichtlich der Leistungen für Kosten
der Unterkunft und Heizung für die Monate September, November und Dezember 2007. Diese Beschränkung des Streitgegenstands
ist zulässig, da es sich bei der Festsetzung der Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten um eine abtrennbare Verfügung
des Gesamtbescheids handelt, über die das Gericht bei entsprechender Antragstellung isoliert entscheiden kann (vgl. BSG SozR
4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). Der Kläger hat bereits vor dem SG den Streitgegenstand entsprechend beschränkt. Tatsächlich besteht Streit nur noch über die Frage, ob die Kosten für den Grundservice
zu erstatten sind.
Die Kläger hat Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung, die vereinbarte Pauschale
von 100 € für den Grundservice ist von der Beklagten zu übernehmen.
Der Kläger gehört nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II zum Kreis der Berechtigten für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erstmals geäußerten Zweifel hinsichtlich der
Erwerbsfähigkeit des Klägers hat der Senat angesichts der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Bürokaufmann in Vollzeit keine
Bedenken, dass der Kläger in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden
täglich erwerbsfähig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Sollte die Beklagte tatsächlich der in der mündlichen Verhandlung geäußerten
Auffassung sein, müsste sie das Feststellungsverfahren nach § 44a SGB II betreiben. Angesichts des zu erwartenden Widerspruchs
des Sozialhilfeträgers verbliebe es bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle bei der Zuständigkeit der Beklagten (§ 44a
Abs. 1 Satz 3 SGB II). Der Kläger ist auch hilfebedürftig, da er mit seinem Einkommen und Vermögen seinen Bedarf nicht decken
kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Damit hat der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22
Abs. 1 SGB II.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich keine Einschränkung auf bestimmte rechtliche Gestaltungen,
erfasst werden sowohl die typischen Formen Miete als auch Eigentum. Abgedeckt werden soll das Grundbedürfnis Unterkunft bzw.
Wohnen, wobei dieser Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II durch die Übernahme der entsprechenden Kosten gedeckt wird. Entsprechend
hat sich die Frage, was zu den Kosten der Unterkunft gehört, auch an den Verhältnissen und Angeboten des jeweiligen Marktes
zu orientieren. Entsprechend sind alle Aufwendungen umfasst, die dem Hilfebedürftigen zwangsläufig erwachsen, um die Unterkunft
zu erlangen oder zu erhalten; entscheidend ist allein die Unmöglichkeit, die Unterkunft ohne diese Aufwendungen zu erhalten
(vgl. SG Stuttgart, Urteil vom 27. September 2006 - S 15 SO 6319/05 - [juris]).
Unstreitig gehörten zu den Kosten der Unterkunft und Heizung die von der Beklagten übernommene Kaltmiete von 325,52 €. Auch
die Nebenkosten gehören zu den tatsächlichen Aufwendungen, jedoch grundsätzlich nur, soweit es sich um ihrer Art nach in §
2 der Betriebskostenverordnung aufgeführte Betriebskosten handelt. §
556 Abs.
1 BGB i.V.m. §
2 BetrKV legen abschließend fest, welche Nebenkosten aus dem Mietobjekt vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden dürfen;
eine Vereinbarung der Umlage von Kosten, die nicht als Betriebskosten unter § 2 BetrKV fallen, ist unwirksam. Grundsätzlich
dürfen daher derartige Kosten auch nicht auf den Grundsicherungsträger in Gestalt der Erbringung durch die steuerfinanzierten
SGB II-Leistungen übergewälzt werden (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 18 = BSGE 102, 274). Zu übernehmen sind daher auch die Nebenkosten von 50 € abzüglich der Energiepauschale von 20,86 € (vgl. hierzu BSG SozR
4-4200 § 22 Nr. 5 = BSGE 100, 94). Auch die Kabelnutzungsgebühr von 6 € ist zu übernehmen, da diese Kosten für den Kläger nicht vermeidbar waren (vgl. BSG
SozR 4-4200 § 22 Nr. 18 = BSGE 102, 274).
Vorliegend sind auch die Kosten für den Grundservice zu übernehmen. Der Mietvertrag wird ausdrücklich nur unter der Voraussetzung
der Vereinbarung Betreutes Wohnen geschlossen. Nach § 1 dieser Vereinbarung ist Voraussetzung für die Aufnahme in das betreute
Wohnen das Vorliegen einer körperlichen Behinderung, der Abschluss eines Mietvertrags mit der KBF und der Abschluss eines
Betreuungsvertrags (Grundservice) mit der KBF. Dabei ist die Vereinbarung des Grundservice nach § 19 des Mietvertrags wesentlicher
Bestandteil des Mietvertrags. Die Verträge können auch nur gemeinsam abgeschlossen und gekündigt werden (§ 5 Betreuungsvertrag),
so dass es sich um eine rechtliche Einheit handelt. Eine derartige Koppelung von Miet- und Servicevertrag ist zivilrechtlich
nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - III ZR 167/05 - NJW 06, 1276). Die Gebühr für den Grundservice ist damit unausweichlich, um eine Wohnung im Rahmen des betreuten Gruppenwohnens
zu erlangen, sie steht nicht zur Disposition des Klägers. Da die Gebühr für den Grundservice sonach mit den Unterkunftskosten
zwingend verbunden ist, gehört auch sie nach Auffassung des Senats zu den Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 1 SGB II
(ebenso Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. September 2005 - L 7 SO 2708/05 ER-B - zu § 29 SGB XII;
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juni 2006 - L 13 AS 2297/06 ER-B - [beide juris]; vgl. auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 = BSGE 97, 231 zur Übernahme der Kosten für eine Garage).
Dem steht das Urteil des BSG vom 19. Februar 2009 (SozR 4-4200 § 22 Nr. 18 = BSGE 102, 274) nicht entgegen, denn diese Rechtsprechung betrifft nur Nebenkosten aus dem Mietobjekt selbst, während es sich bei den Kosten
für den Grundservice im Wesentlichen um Betreuungsaufwand handelt - soweit nicht für Nutzung der Gemeinschaftsräume direkt
die Wohnraumnutzung vergütet wird. Die Pauschale für den Grundservice lässt sich entsprechend schon begrifflich nicht zu den
dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten laufend entstehenden Betriebskosten i.S.v. § 1 Abs. 1 BetrKV zählen.
An der Beurteilung der Kosten für den Grundservice als Kosten der Unterkunft würde sich auch dann nichts ändern, wenn das
Heimgesetz (
HeimG) zur Anwendung käme (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juni 2006, aaO.). Die Angemessenheit der Entgelte und
Entgeltbestandteile im Sinne des § 5 Abs. 7
HeimG wäre für die Kostenübernahme nicht entscheidend, denn die Leistungsgewährung bei den Nebenkosten steht nicht unter einem
allgemeinen Rechtmäßigkeitsvorbehalt. Hält der Grundsicherungsträger eine Vereinbarung für unwirksam, kann er das Kostensenkungsverfahren
betreiben, indem er seinen Rechtsstandpunkt dem Hilfebedürftigen in einer Weise verdeutlicht, die diesem die Durchsetzung
seiner Rechte gegenüber dem Vermieter ermöglicht (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 24 = BSGE 104, 179 zu einer Staffelmietvereinbarung).
Abgesehen davon geht der Senat davon aus, dass das
HeimG auf den vorliegenden Sachverhalt ohnehin keine Anwendung findet. Das
Heimgesetz gilt nach §
1 Abs.
1 für Heime. Heime im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige
oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen
oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich
betrieben werden. Die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt,
dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, begründet nach §
1 Abs.
2 HeimG allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine
Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen
und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist anzuwenden, wenn die
Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen
(§
1 Abs.
2 Satz 3
HeimG). Konkret wird vorliegend Verpflegung vom Grundservice nicht umfasst. Auch nach der Neufassung des
HeimG (vom 5. November 2001, BGBl. I S. 2960) bleibt es nach der Gesetzesbegründung dabei, dass eine "heimmäßige" Betreuung Voraussetzung für die Qualifizierung einer
Einrichtung als Heim ist (BT-Drucks. 14/5399 S. 18). Dies bedeutet, dass der Träger des Heims neben der Unterkunft Betreuung
und Versorgung anbietet und damit eine Versorgungsgarantie - auch für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustand
- übernimmt. Dies ist hier nicht der Fall. Die allgemeinen Betreuungsleistungen des Grundservice sind für Einrichtungen des
betreuten Wohnens typisch, reichen aber nicht aus für Betreuung i.S.d.
HeimG (vgl. Verwaltungsgericht K., Urteil vom 4. Juli 2006 - 11 K 2330/05 - [juris]).
Steht somit fest, dass die Kosten für den Grundservice zu den grundsätzlich übernahmefähigen Kosten der Unterkunft i.S.v.
§ 22 Abs. 1 SGB II gehören, ist weiter zu prüfen, ob diese Kosten angemessen sind. Grundsätzlich sind maßgeblich für die Beurteilung
der Angemessenheit der Mietaufwendungen die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau (vgl. BSG SozR 4-4200
§ 22 Nrn. 2 und 3). Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist typisierend auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit
im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften zurückzugreifen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 Rdnr. 19;
BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 24). Bezüglich des Wohnungsstandards als weiteren Faktors im Rahmen der Angemessenheitsprüfung
ist darauf abzustellen, ob eine Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt
und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist; die Wohnung muss daher im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden
Wohnungen liegen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten bestimmt sich insoweit aus
dem Produkt der - abstrakt zu ermittelnden - personenzahlabhängigen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen
angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (BSG SozR 4-4200 § 22 Nrn. 2, 3 und 8). Da der Hilfebedürftige indessen einen Anspruch
auf Deckung seines Unterkunftsbedarfes hat, hat sich die Angemessenheitsprüfung schließlich auch auf die Frage zu erstrecken,
ob dem Hilfeempfänger eine andere kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22
Nrn. 2 und 3).
Auf dieser Grundlage ist für Baden-Württemberg von einer Wohnfläche von 45 qm für einen 1-Personenhaushalt auszugehen (vgl.
hierzu Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Bindung in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.
Februar 2002 (GABl. S. 240/245) i.d.F. der Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2004 (GABl. S. 248). Ergänzend kann Schwerbehinderten
eine zusätzliche Wohnfläche mit bis zu 15 qm oder ein zusätzlicher Wohnraum zugebilligt werden, wenn durch die Art der Behinderung
ein zusätzlicher Wohnflächenbedarf besteht. Von einem zusätzlichen Wohnflächenbedarf ist insbesondere bei Rollstuhlfahrern
auszugehen (so Ziff. 5.7.2.1 der genannten Verwaltungsvorschrift). Hiervon ausgehend ist der dem Kläger zur Verfügung stehende
Wohnraum von 47,87 qm (Zimmer 25,21 qm zuzüglich 1/6 der Gemeinschaftsräume [22,66 qm]) nicht unangemessen groß.
Hinsichtlich der geltenden Mietobergrenze kann vorliegend allerdings nicht auf die allgemein geltenden Grundsätze (vgl. BSG
SozR 4-4200 § 22 Nr. 30 = BSGE 104, 192) der Feststellung aufgrund eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers zurückgegriffen werden, da der Kläger wegen
seiner Behinderung auf die allgemein für erwerbsfähige Hilfebedürftige in Betracht kommenden Wohnungen des unteren Segments
auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt nicht verwiesen werden kann. Insbesondere die Mietobergrenzen, die aus dem Mietspiegel der
Stadt R. abgeleitet werden, können daher keine Anwendung finden. Wie sich aus den Sozialhilfeakten ergibt, konnte der Kläger
im Jahr 2007 keinesfalls allein leben, er konnte sich zwar langsam mit dem Rollstuhl über kürzere Distanzen mit großem Kraftaufwand
fortbewegen, aber nicht außer Haus. Im hauswirtschaftlichen Bereich war er sehr langsam und unsicher, er benötigte auch Hilfe
bei der Basisversorgung, etwa der Körperpflege (wenn auch nicht in einem Umfang, der eine Einstufung in Pflegestufe 1 ergeben
hätte; vgl. hierzu Bescheid der AOK vom 20. Oktober 2009 betreffend Ablehnung von Pflegeleistungen). Herr R. vom medizinisch-pädagogischen
Dienst sah am 26. Juli 2007 als einzige Alternative zum betreuten Wohnen ein stationäres Wohntraining oder stationäre Betreuung.
Diese, sich aus den Akten ergebenden Tatsachen hat auch Herr H., der die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat begleitet hat und den Kläger in der Wohngruppe betreut, mit seinen Auskünften in der mündlichen Verhandlung
eindrucksvoll bestätigt. Bei seiner Mutter konnte der Kläger im streitigen Zeitraum schon aufgrund beengter räumlicher Verhältnisse
bei nicht rollstuhlgerechter Wohnung nicht dauerhaft leben, der Vater war verstorben. Eine Unterkunft im Rahmen des betreuten
Wohnens war daher für den Kläger erforderlich und angemessen.
Darüber hinaus geht der Senat auch davon aus, dass die konkreten Wohnungskosten angemessen sind, denn eine kostengünstigere
bedarfsgerechte Unterkunftsalternative gibt es in R. und Umgebung nicht. Zum Einen erleichtert die Kombination von Wohn- und
Arbeitsstätte in einem Haus die Berufsausübung des Klägers maßgeblich, da so aufwendige Transportwege vermieden werden. Die
aktuelle Wohnsituation unterstützt damit den Kläger bei der Aufnahme und Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit und dient damit
auch der Eingliederung in Arbeit, einem zentralen Belang des SGB II. Im Übrigen sind die Leistungen der Grundsicherung darauf
auszurichten, dass behinderungsspezifische Nachteile überwunden werden (§ 1 Satz 4 Nr. 5 SGB II), so dass insoweit auch Kostensenkungsobliegenheiten
im Bereich des § 22 SGB II unter dem Gebot der Zumutbarkeit stehen. Zum Anderen bieten andere Träger in R. und Umgebung kein
Gruppenwohnen für körperlich Behinderte im Bereich des ambulant betreuten Wohnens. Angebote im Rahmen des ambulant betreuten
Wohnens für körperlich Behinderte gibt es in R. und Umgebung nur von der Beigeladenen Ziff. 2, der Behindertenhilfe der M.
Heime e.V. und der LWV Eingliederungshilfe GmbH. Die beiden letztgenannten bieten nach telefonischer Auskunft vom 23. November
2010, den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gegeben, ambulant betreutes Wohnen für Einzelpersonen und
Wohngemeinschaften von zwei bis drei Personen, wobei die Wohnungen auf dem freien Markt angemietet werden bzw. bei der LWV
Eingliederungshilfe GmbH auch teilweise eigene Wohnungen vorgehalten werden. Dabei sind die Wohnungen über das gesamte Stadtgebiet
verteilt. Die Mietkosten richten sich bei diesem Modell nach der jeweiligen Wohnung, Verträge über Grundserviceleistungen
als Pauschale werden nicht geschlossen. Eine derartige Unterkunft kommt für den Kläger indes nicht in Betracht, da sein behinderungsbedingter
besonderer Bedarf bei dieser Wohnform nicht sachgerecht gedeckt werden kann. Wie Herr M. für die Beigeladene Ziff. 2 im Termin
ausgeführt hat, bietet auch diese entsprechende Angebote, allerdings für eine andere Zielgruppe als den Kläger. Im Rahmen
des betreuten Gruppenwohnens ist der Betreuer insgesamt sehr viel länger vor Ort als bei einer Einzelperson, so dass er im
Bedarfsfall jederzeit ansprechbar ist. Auch auf den 24-Stunden-Hausnotruf ist der Kläger nach Auskunft seines Betreuers in
der Wohngruppe zwingend angewiesen. Eine kostengünstige Unterkunftsalternative besteht nach alledem nicht, so dass die tatsächlich
anfallenden Kosten von der Beklagten zu übernehmen sind.
Der Kläger hat damit Anspruch auf Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 454,66 € (Grundmiete
325,52 €, Nebenkosten abzgl. Energiepauschale 29,14 €, Grundservice 100 €). Berücksichtigt hat die Beklagte 347,77 €, so dass
sich eine Differenz in Höhe von 106,89 € ergibt. Diese Differenz ist für September 2007 zusätzlich zu zahlen, für November
und Dezember 2007 ist dieser Betrag dagegen um 12,15 € zu kürzen, da der Kläger wegen des zusätzlichen Einkommens aus Einmalzahlung
einen entsprechend niedrigeren Anspruch hat, als von der Beklagten bereits ausgezahlt (vgl. Änderungsbescheid vom 13. Dezember
2007). Insgesamt hat die Beklagte an den Kläger daher noch 296,37 € zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird gemäß §
160 Abs.
1 Nr.
1 SGG zugelassen.