Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggf. gegen wen der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von Rehabilitationskosten
für den Beigeladenen zu 1) hat.
Der 1978 geborene Beigeladene zu 1) beantragte am 05.02.2009 bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
für Abhängigkeitskranke in stationärer Form. Er habe zuletzt Hausmeisterarbeiten in der Justizvollzugsanstalt verrichtet (Haftentlassung:
27.05.2009).
Die Beklagte stellte fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung derartiger Leistungen durch
die Beklagte vom Beigeladenen zu 1) nur dann erfüllt würden, wenn er vermindert erwerbsfähig wäre oder dies in absehbarer
Zeit zu erwarten wäre. Unter Auswertung eines Sozialberichts der Fachambulanz für Suchtprobleme in A-Stadt und eines ärztlichen
Befundberichts des Facharztes für Chirurgie Dr. G. vom 06.11.2008 sah Frau Dr. W. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten diese
Voraussetzungen aus ärztlicher Sicht nicht bestätigt. Am 11.02.2009 wurde deshalb der Antrag von der Beklagten an den Kläger
weitergeleitet und dies dem Beigeladenen zu 1) mitgeteilt. Am 12.02.2009 wurde zusätzlich ein abschließender Bescheid versandt.
Der Kläger holte am 23.02.2009 beim Beigeladenen zu 1) weitere Auskünfte ein. Dieser wählte am 27.02.2009 als betreuende Krankenkasse
die Beigeladene zu 2). Mit Schreiben vom 03.04.2009 erteilte der Kläger dem Beigeladenen zu 1) eine grundsätzliche Kostenübernahmezusage.
Der Beigeladene zu 1) solle außerdem eine Pflichtversicherung bei der Beigeladenen zu 2) nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) beantragen. Dem Beigeladenen zu 1) wurde daraufhin ein Therapieplatz ab 27.05.2009 im Therapiezentrum A. zugesagt. Am 27.05.2009
wurde die Aufnahme des Beigeladenen zu 1) vom Therapiezentrum dem Kläger mitgeteilt, Die Therapie umfasse 9 Monate, von denen
3 in der Adaptationsphaseneinrichtung zu absolvieren wären.
Mit Schreiben vom 12.06.2009 bestätigte die Beigeladene zu 2) dem Beigeladenen zu 1), dass er ab 28.05.2009 bei ihr wieder
Mitglied sei und Versicherungsschutz habe. Dies wurde später auf den 27.05.2009 korrigiert.
Am 21.07.2009 erging Bescheid des Klägers an den Beigeladenen zu 1) über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch
(SGB XII). Im Einzelnen betraf dies Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Leistungen der medizinischen Rehabilitation für die Dauer von
sechs Monaten und die Übernahme von freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Für die Zeit vom 27.05.2009 bis
24.06.2009 seien die Therapienebenkosten aus dem gezahlten Überbrückungsgeld zu bestreiten.
Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 21.07.2009 mit, dass er als zweitangegangener Träger nach §
14 Abs.
1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) für den Beigeladenen zu 1) eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von sechs Monaten bewilligt habe
und vorsorglich einen Kostenerstattungsanspruch gem. §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX anmelde. Gleichzeitig wandte er sich an die Beigeladene zu 2) und machte ebenfalls einen Kostenerstattungsanspruch geltend,
da für den Beigeladenen zu 1) vom Kläger ab 25.06.2009 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung gezahlt worden seien.
Am 14.09.2009 wurde dem Kläger vom Therapiezentrum ein ärztlicher Zwischenbericht vorgelegt und Antrag auf Verlängerung der
Kostenzusage gestellt.
Der Kläger fragte bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bayern Süd, die nach Ansicht der Beklagten damals örtlich zuständiger
Rentenversicherungsträger gewesen sein soll, nach, ob Einverständnis damit bestehe, im Rahmen des geltend gemachten Erstattungsanspruches
auch die Kosten einer Verlängerung zu übernehmen; gleichzeitig solle dringlich über den Antrag auf Übernahme der Kosten für
die Adaptionsphase entschieden werden. Die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd teilte dem Kläger mit, dass hier kein Neuantrag
und keine Weiterleitung im Sinne des §
14 SGB IX vorliegen würden, da Entwöhnung und Adaption eine Einheit bildeten und der für die Entwöhnung zuständige Träger auch über
die Adaption zu entscheiden habe.
Gestützt auf Aussagen der Therapieeinrichtung vertrat der Kläger die Auffassung, dass der Beigeladene zu 1) zwar in der Struktur
einer Justizvollzugsanstalt unter Aufsicht arbeitsfähig gewesen sei, die Erwerbsfähigkeit im Übrigen jedoch eingeschränkt
gewesen sei und die Maßnahme notwendig und auch erfolgreich gewesen sei. Weiter vertrat er die Auffassung, dass die Adaptionsphase
in einer anderen, neuen Einrichtung stattfinde und damit ein Neuantrag vorliege.
Nachdem die weitere Kostentragung ungeklärt war, wurde die Maßnahme im Therapiezentrum A. mit Entlassanzeige vom 23.12.2009
beendet. Am 11.01.2010 wurde der Abschlussbericht über die Maßnahme vorgelegt: Die Stammphase sei regulär beendet worden.
Aufgrund fehlender Kostenzusage für die Adaptionsphase sei der Beigeladene zu 1) nach Hause entlassen worden. Die DRV Bayern
Süd bewilligte mit Bescheid vom 12.01.2010 letztlich doch noch eine weitere 3-monatige Rehabilitationsmaßnahme für den Beigeladenen
zu 1), die dieser jedoch nicht wahrnahm, da er zur Zeit der verspäteten Zusage bereits eine Arbeitsstelle angetreten hatte
und diese nicht wieder aufgeben wollte.
Der Kläger ging davon aus, dass die Maßnahme im Hinblick auf die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit in jedem Fall erfolgreich
gewesen sei.
Mit Schreiben vom 25.03.2010 erklärte die Rehabilitationseinrichtung auf Nachfrage, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Erwerbsfähigkeit
massiv eingeschränkt gewesen sei, so dass er lange Zeit keiner Arbeit mehr habe nachgehen können. Erst durch die Behandlung
der Suchterkrankung und die gezielte arbeitstherapeutische Förderung sei die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt worden.
Im Erstattungsverfahren verwies die DRV Bayern Süd darauf, dass zwischenzeitlich die Beklagte örtlich zuständiger Rentenversicherungsträger
geworden sei. Die Beklagte kam mit Schreiben vom 26.05.2010 zum Ergebnis, dass der Beigeladene zu 1) nicht vermindert erwerbsfähig
im rentenrechtlichen Sinne gewesen sei und dies auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Nach nochmaliger Überprüfung
des medizinischen Sachverhalts sei zwar davon auszugehen, dass eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit beim Beigeladenen
zu 1) vorgelegen habe, welche durch eine Entwöhnungsbehandlung habe behoben werden können. Dies stelle jedoch keine Grundlage
für eine drohende oder eingetretene Erwerbsminderung dar.
Die Beigeladene zu 2) äußerte mit Schreiben vom 31.08.2010, dass gemäß dem Rehabilitations-Entlassungsbericht vor der Rehabilitation
definitiv eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei, außerdem sei die Maßnahme erfolgreich
abgeschlossen und dadurch die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt worden. Aus diesen Gründen sei für die Kostenübernahme die
Deutsche Rentenversicherung - also die Beklagte - zuständig, was auch die Anschlussbewilligung durch die DRV Bayern Süd vom
12.01.2010 zeige.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 17.12.2010, das beim Sozialgericht Bayreuth am 29.12.2010 eingegangen ist, Klage auf Kostenerstattung
erhoben. Die Klage richtete sich gegen die Beklagte, hilfsweise gegen die Beigeladene zu 2). Das Sozialgericht hat daraufhin
verwaltungsmäßig zunächst zwei Klagen mit den Aktenzeichen S 3 R 1141/10 und S 8 KR 456/10 eingetragen. Nach telefonischem Hinweis der beteiligten Richter der beiden Kammern hat der Kläger mit Schreiben vom 18.01.2011
die hilfsweise erhobene Klage S 8 KR 456/10 zurückgenommen und zugleich einen Antrag auf notwendige Beiladung der Beigeladenen zu 2) im Verfahren S 3 R 1141/10 gestellt.
Der Sozialhilfeaufwand wurde vom Kläger auf 17.015,67 Euro beziffert. Es wurde geltend gemacht, dass der Erstattungsanspruch
auf §
14 Abs.
4 SGB IX hilfsweise auf die §§ 102 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt werde und der Antrag auf Verzinsung sich aus § 108 SGB X ergebe. Die Voraussetzungen für eine durch die Beklagte zu zahlende Rehabilitationsmaßnahme seien gegeben gewesen. Der Beigeladene
zu 1) habe die Leistungen seitens der Beklagten beanspruchen können, da er vermindert erwerbsfähig gewesen sei oder zumindest
dies in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei. Ohne die Therapie wäre der Beigeladene zu 1) nach Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt
stark rückfallgefährdet gewesen, so dass er - wenn überhaupt - nur kurze Zeit einer Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können.
Auch die Beklagte habe eine erheblich gefährdete Erwerbsfähigkeit zugestanden. Hilfsweise sei aber zumindest die Beigeladene
zu 2) zur Kostenübernahme verpflichtet.
Mit Beschluss vom 06.03.2012 erfolgte die Beiladung des Beigeladenen zu 1), mit Beschluss vom 08.03.2012 die der Beigeladenen
zu 2). Das Sozialgericht hat im Weiteren ärztliche Unterlagen bei der Beigeladenen zu 2) beigezogen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 01.10.2012 entschieden und die Beklagte
dazu verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme des Beigeladenen zu 1) zuzüglich Zinsen zu erstatten.
Im Gerichtsbescheid ist ausgeführt worden, dass es gesetzliche Voraussetzung sei, dass bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden könne (§
10 Abs.
1 Nr.
2 Buchst. a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI -). Diese Voraussetzung sei erfüllt. Weitere Voraussetzungen enthalte das Gesetz nicht.
Mit Schreiben vom 08.10.2012 hat die Beklagte am 10.10.2012 beim Bayer. Landessozialgericht Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid
eingelegt. Sie hat geltend gemacht, dass der Beigeladene zu 1) die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rehabilitationsleistung
des Rentenversicherungsträgers nicht erfülle. Dies sei für §
11 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI offensichtlich. Für §
11 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI ergebe sich ebenfalls keine Erfüllung der Voraussetzung, weil dort eine Zeit nach einer Ausbildung betroffen sein hätte müssen.
Schließlich liege auch kein Rentenbezug wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor (§
11 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI). Im Ergebnis komme auch die Voraussetzung nach §
11 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI nicht zum Tragen: Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit stelle noch keine zwingende Grundlage für eine drohende
oder eintretende Erwerbsminderung dar. Das Sozialgericht habe zu Unrecht allein auf die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit und
nicht auf das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit abgestellt.
Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beigeladene zu 1) seinerzeit gesundheitlich abgebaut gewesen sei und eine massiv
eingeschränkte Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe. Während der Inhaftierung sei die Abstinenz nicht zu garantieren gewesen und
eine Beschäftigung als Hausarbeiter sei ohne Leistungsdruck erfolgt. Eine derartige Tätigkeit habe auch bei verminderter Erwerbsfähigkeit
ausgeführt werden können.
Die Beigeladene zu 2) hat angegeben, dass eine Verwaltungsakte zu der Rehabilitationsmaßnahme des Beigeladenen zu 1) bei ihr
nicht existiere, und von der Stellung eines eigenen Antrages zunächst abgesehen.
Die Beklagte hat erwidert, dass §
14 SGB IX nicht die Ausweitung des Leistungsspektrums in den jeweiligen Versicherungszweigen bezwecke, sondern nur eine zeitnahe Entscheidung
herbeiführen solle.
Der Senat hat ein Gutachten beim Facharzt für Innere Medizin sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Prof. Dr.
B. von der in Auftrag gegeben. Dieser ist in seinem Gutachten vom 19.08.2013 zum Ergebnis gekommen, dass beim Beigeladenen
zu 1) eine Störung durch gemischten Substanzgebrauch vorgelegen hätte und die Suchterkrankung und die Gesundheitsstörungen
des Klägers insgesamt keine verminderte Erwerbsfähigkeit im Februar 2009 begründet hätten. Die Leistungsfähigkeit sei nur
hinsichtlich Tätigkeiten mit einer Exposition zu suchterzeugenden Substanzen sowie bezüglich gehobener Verantwortung für Menschen
und Maschinen eingeschränkt gewesen. Es sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass innerhalb von drei Jahren eine verminderte
Erwerbsfähigkeit eingetreten wäre.
In einem Erörterungstermin vom 12.11.2013 hat die Beigeladene zu 2) vorgetragen, dass aufgrund des Gutachtens eine Leistungspflicht
ihrerseits nicht zu erkennen sei. Der Senat hat auf die Vorschriften der §§
40 Abs.
2 und
107 Abs.
2 SGB V i.V.m. §
14 SGB IX hingewiesen. Sodann war ein Vergleich mit hälftiger Kostenübernahme durch die Beigeladene zu 2) unter Widerrufsvorbehalt
geschlossen worden, den der Kläger am 27.11.2013 widerrufen hat.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.10.2012 aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.10.2012 zurückzuweisen, hilfsweise
die Beigeladene zu 2) zu verurteilen, Kosten für die Rehabilitation des Beigeladenen zu 1) zu erstatten.
Der Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
den Hilfsantrag des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akten des Klägers und der Beklagten
und auf die Gerichtsakte S 8 KR 456/10 des Sozialgerichts Bayreuth Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist zulässig und begründet. Die Beklagte war zu Unrecht zu einer Kostenerstattung verpflichtet worden.
Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen Träger
im Wege einer Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) geltend zu machen ist, da diesbezüglich kein Über- und Unterordnungsverhältnis und folglich auch kein - angreifbarer - Verwaltungsakt
vorliegt.
Der Kläger hat jedoch keinen Rechtsanspruch gegen die Beklagte auf die geltend gemachte Erstattung.
Dabei ergibt sich aus den Akten und ist zwischen den Beteiligten nicht strittig, dass sich die Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme
bezüglich des Beigeladenen zu 1) auf 17.055,67 Euro belaufen haben.
Über den Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Gewährung der suchttherapeutischen Rehabilitationsmaßnahme war im Rahmen des §
14 SGB IX zu entscheiden. Dass die Beklagte seinerzeit selbst bei einer Leistungsverpflichtung der Rentenversicherung örtlich unzuständig
gewesen wäre, nachdem sowohl die Haftanstalt als auch die Therapieeinrichtung außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches
gelegen waren, ist unbeachtlich, da die Beklagte zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Erstattungsanspruches
zum örtlich zuständigen Rentenversicherungsträger geworden war.
Die Beklagte, bei der der Antrag des Beigeladenen zu 1) zunächst eingegangen war, war damit der sog. erstangegangene Träger
im Sinne des
SGB IX. Sie hat innerhalb der Frist des §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX, die bei Antragseingang am 05.02.2009 bis zum 19.02.2009 gelaufen ist, die Feststellung getroffen, dass der Rentenversicherungsträger
zur Leistungserbringung unzuständig sei, und hat den Antrag an den Kläger weitergeleitet.
Dass die Beklagte im Anschluss an die Weiterleitung vom 11.02.2009 am 12.02.2009 noch einen Ablehnungsbescheid an den Beigeladenen
zu 1) gesandt hat, ist unschädlich, da zu diesem Zeitpunkt bereits keine Zuständigkeit der Beklagten mehr bestanden hatte
und der nachträgliche Bescheid diese auch nicht mehr herstellen konnte. Eine Rückverweisung vom zweitangegangenen Träger an
den erstangegangenen Träger ist gesetzlich nicht vorgesehen, vielmehr wäre bei Vorliegen der inhaltlichen Zuständigkeit bzw.
der vorrangigen Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers dann eine Erstattung der Kosten geltend zu machen, wie dies im
vorliegenden Fall der Kläger ja auch versucht hat.
Der Kläger hatte als sog. zweitangegangener Träger nach §
14 Abs.
2 Satz 3 i.V.m. Satz 1
SGB IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen und hierbei auf der Grundlage aller Anspruchsgrundlagen - nicht nur
seiner eigenen - zu entscheiden.
Der Kläger hat dem Beigeladenen zu 1) eine Rehabilitationsmaßnahme in Form einer Suchttherapie bewilligt. Eine solche Therapie
kann grundsätzlich zum Leistungsbereich verschiedener Sozialleistungsträger gehören (vgl. BSG Urteil vom 15.02.1978, 3 RK 30/77). Der Kläger ist zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass eine solche Therapie für den Beigeladenen zu 1) medizinisch indiziert
war und diesem zu bewilligen war. Der Kläger hat hierzu am 03.04.2009 dem Beigeladenen zu 1) die Kostenübernahme bestätigt
und im Bescheid vom 21.07.2009 eine Leistungsbewilligung für verschiedene Leistungen nach dem SGB XII ausgesprochen. Als Anspruchsgrundlage für die Rehabilitationsmaßnahme hätten etwa §
9 Abs.
2 SGB VI, §
40 Abs.
2 SGB V und § 48 SGB XII in Betracht kommen können. Eine ausdrückliche Nennung ist nicht erfolgt, jedoch ist die Erwähnung des SGB XII ein Indiz für die Anwendung des § 48 SGB XII.
Da der Kläger als Sozialhilfeträger gegenüber anderen Trägern nur nachrangig leistungsverpflichtet ist (§ 2 SGB XII i.V.m. §§
6,
7 SGB IX) käme ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich in Betracht, wenn eine vorrangige Leistungsverpflichtung der Beklagten
oder der Beigeladenen zu 2) vorgelegen hätte. Die insoweit ersatzweise vom Kläger benannte Anspruchsgrundlage aus § 104 Abs. 1 SGB X ist jedoch ausgeschlossen, weil sie durch die spezielle Vorschrift in §
14 Abs.
4 SGB IX verdrängt wird (BSG Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R - zitiert nach [...]).
Die Beklagte ist zur Überzeugung des Senats aber nicht leistungsverpflichtet gewesen. Die Leistungsverpflichtung der Beklagten
ist nach Maßgabe der §§
9 bis
12 SGB VI i.V.m. §
7 SGB IX zu prüfen. Dabei hat die erstinstanzliche Entscheidung zu Unrecht allein §
10 SGB VI herangezogen und ist nach dessen zutreffender Bejahung zum Ergebnis gelangt, dass die Beklagte leistungsverpflichtet gewesen
wäre und damit dem Kläger ein Erstattungsanspruch zustehen würde.
Einem Anspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Beklagte hat jedoch die Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
(§
11 SGB VI) entgegengestanden, weshalb keine Leistungsverpflichtung bestanden hatte, wie aus der kumulativen Bedingung des §
9 Abs.
2 SGB VI zu ersehen ist, wonach die Leistungen - nur - erbracht werden können wenn die persönlichen und die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt sind.
Der Beigeladene zu 1) hat eindeutig die allgemeinen Voraussetzungen für Teilhabeleistungen nach §
11 Abs.
1 SGB VI nicht erfüllt, weil seine Beitragszeiten einen deutlich geringeren Umfang haben. Er hat auch keine der für die medizinische
Rehabilitation geltenden Sonderregelungen des §
11 Abs.
2 SGB VI erfüllt. Für Ziffer 1 ist dies offensichtlich. Auch für Ziffer 2 ist kein Nachweis etwa einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit
nach einer Ausbildung erbracht worden.
Die allein in Rede stehende Alternative ist damit §
11 Abs.
2 Nr.
3 SGB VI. Unproblematisch hat der Beigeladene zu 1) die allgemeine Wartezeit (§
50 Abs.
1 Satz 1
SGB VI) erfüllt gehabt. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist der Beigeladene zu 1) zur Überzeugung des Senats aber nicht vermindert
erwerbsfähig gewesen und der Eintritt dieser verminderten Erwerbsfähigkeit ist auch nicht in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Erfordernis "vermindert erwerbsfähig" nach §
11 Abs.
2 Nr.
3 SGB VI und das Erfordernis einer Rentengewährung nach §
11 Abs.
2a Nr.
1 SGB VI sich unterscheiden. "Verminderte Erwerbsfähigkeit" liegt dabei nicht bereits dann vor, wenn aus gesundheitlichen Gründen
die möglichen Arbeitsbedingungen einzuschränken sind, sondern erst dann, wenn die medizinischen Voraussetzungen für eine -
volle oder teilweise - Erwerbsminderung nach §
43 SGB VI vorliegen. Im Unterschied zum Erfordernis nach §
11 Abs.
2a Nr.
1 SGB VI kommt es auf die Erfüllung der - strengeren - versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung dabei jedoch
nicht an (vgl. Kater in: Kasseler Kommentar, Stand 9/2015, §
11 SGB VI Rn. 15). Ebenfalls nicht identisch sind die Anforderungen an das Vorliegen einer geminderten Erwerbsfähigkeit nach §
10 Abs.
1 oder 2
SGB VI. Insofern war es unbeachtlich, dass das Sozialgericht Bayreuth die persönlichen Voraussetzungen nach §
10 SGB VI als gegeben angesehen hatte, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.
Zwar könnte man wie der Kläger die Äußerungen der Therapieeinrichtung auch so deuten, dass der Beigeladene zu 1) vermindert
erwerbsfähig gewesen sei oder eine solche verminderte Erwerbsfähigkeit zumindest ohne Behandlung in den nächsten (sechs) Monaten
gedroht hätte. Die gegenläufige Äußerung der Dr. W. ist zu knapp gehalten, um dies zu widerlegen. Durch das Gutachten des
Prof. Dr. Schupp ist jedoch überzeugend dargelegt, dass beim Beigeladenen zu 1) zu Beginn der Therapie eine solche Maßnahme
zwar medizinisch indiziert war, eine verminderte Erwerbsfähigkeit jedoch nicht vorgelegen hatte und in absehbarer Zeit auch
deren Eintritt nicht bevor gestanden hatte. Damit sind durch den Beigeladenen zu 1) die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
für eine Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen des
SGB VI nicht erfüllt und eine Leistungsverpflichtung der Beklagten scheidet aus.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth ist insofern nicht zutreffend ergangen. Auf den Antrag der Beklagten war
er daher aufzuheben. Dem Antrag des Klägers auf Zurückweisung der Berufung konnte nicht gefolgt werden.
Dem Hilfsantrag des Klägers auf Verurteilung der Beigeladenen zu 2) zur Kostenerstattung war ebenfalls nicht zu entsprechen.
Dabei ist bereits fraglich, ob dem Antrag nicht bereits durch die Beendigung des Verfahrens S 8 KR 456/10 der Boden entzogen gewesen war: Dort war die auf Kostenerstattung durch die Beigeladene zu 2) gerichtete Klage zurückgenommen
worden. Zwar ist die Trennung der zunächst in einer Klageschrift eingereichten Klage in zwei Verfahren (S 3 R 1141/10 und S 8 KR 456/10) nicht durch Beschluss des Gerichts nach §
113 SGG erfolgt, aber offensichtlich richterlich gebilligt worden. Während eine stillschweigende Verbindung für unzulässig angesehen
wird, ist dies für eine stillschweigende Trennung bisher offengelassen worden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Kommentar zum
SGG §
113 Rn. 3). Bei einer wirksamen Trennung der Verfahren ließe die nachfolgende Klagerücknahme die Möglichkeit den Anspruch - hier
Kostenerstattungsanspruch - geltend zu machen, entfallen (§
102 Abs.
1 Satz 2
SGG). Aber auch bei Annahme einer unwirksamen Trennung, führt dies nicht zu einem Anspruch des Klägers gegenüber der Beigeladenen
zu 2).
Zwar wäre die Behandlung der Suchterkrankung des Beigeladenen zu 1) nach den vorliegenden ärztlichen Feststellungen erforderlich
gewesen, wobei eine ambulante Behandlung und eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme erkennbar nicht ausreichend waren. Die
Therapiemaßnahme würde damit materiell-rechtlich mit den Anspruchsvoraussetzungen aus §
40 Abs.
2 SGB V zur Deckung zu bringen sein. Gleichwohl scheidet eine Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen zu 2) im Rahmen des §
14 SGB IX aus.
§
14 Abs.
4 SGB IX will durch den Anspruch auf Kostenerstattung den Ausgleich dafür ermöglichen, dass der sog. zweitangegangene Träger durch
das Verfahren in §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX gehindert ist, den Antrag an einen weiteren Rehabilitationsträger weiterzuverweisen oder an den erstangegangenen Träger zurückzuverweisen,
wenn sich später dessen Leistungspflicht überhaupt oder die Vorrangigkeit von dessen Leistungsverpflichtetheit objektiv hat
feststellen lassen. Die Beigeladene zu 2) kam zum Zeitpunkt der Antragstellung und im Verlauf des Antragsverfahrens nach §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX als potentieller Leistungsträger aber überhaupt nicht in Betracht, da der Beigeladene zu 1) - dort - nicht krankenversichert
war. Damit fehlt es an der Rechtsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 2). §
14 Abs.
4 SGB IX kommt nur für andere potentielle Leistungsträger der medizinischen Rehabilitation in Betracht und die Beigeladene zu 2) ist
dies zu diesem Zeitpunkt nicht gewesen und auch rückwirkend nicht geworden, da die Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 1) bei
der Beigeladenen zu 2) auch im Rahmen der nachträglichen Zuerkennung erst für den 27.05.2009 erfolgt ist. Der Kläger hätte
also keine Möglichkeit gehabt, den Antrag an die Beigeladene zu 2) zu verweisen, wenn er nicht durch §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX daran gehindert gewesen wäre. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die Entscheidung des Klägers über die Kostenübernahme vom
03.04.2009. Ein Wechsel der Verantwortlichkeit während einer einheitlichen fortlaufenden Therapie ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Ohne Bedeutung für die Möglichkeit des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers wäre dagegen, dass er nicht im Bescheid vom
21.07.2009 seine Auffassung zum Ausdruck gebracht hatte, wonach eine Anspruchsgrundlage außerhalb des SGB XII für die dort aufgeführten Rehabilitationsleistungen vorrangig sei. Hier wäre eine objektiv bestehende vorrangige Zuständigkeit
unabhängig von den gewählten Formulierungen zu beachten gewesen. Ebenso unbeachtlich bleiben die - den Beigeladenen zu 1)
unnötig belastenden - Vorgänge hinsichtlich der Frage zum Kostenträger für die Durchführung der Adaptationsphase.
Soweit der Kläger sich darauf berufen wollte, dass der Beigeladene zu 1) zum Zeitpunkt der Antragstellung noch inhaftiert
gewesen sei und damit eine Leistungsverpflichtung nach § 48 SGB XII ebenfalls (noch) nicht bestanden hätte, liegen die Verhältnisse anders als bezüglich der Beigeladenen zu 2). Die Zuständigkeit
des Klägers ist mit der Haftentlassung des Beigeladenen zu 1) ohne weiteres eingetreten, was abzusehen war. Ein auf die Zukunft,
d.h. auf die Zeit nach der Haftentlassung, gerichteter Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Teilhabeleistungen nach dem
SGB IX war möglich und entscheidbar. Für das Entstehen einer Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) hätte es dagegen noch einer
Auswahl, eines Antrags und einer Aufnahme bedurft. Dieser Vorgang war - wie dargestellt - zum Zeitpunkt der Antragstellung
völlig offen und zum Zeitpunkt der Leistungszusage noch nicht abgeschlossen. Allein die gesetzlich als Auffangtatbestand vorgesehene
Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V führt nicht zum Vorliegen von Versicherungsschutz in der Krankenversicherung, sondern erst die tatsächliche Anmeldung.
Nach alledem ist auch der Hilfsantrag des Klägers unbegründet. Nach der auf die Berufung der Beklagten hin vorzunehmenden
Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Bayreuth war daher die Leistungsklage des Klägers in vollem Umfang abzuweisen.
Da weder Kläger noch Beklagte zum Personenkreis des §
183 SGG gehören, ist §
197a SGG anwendbar, wobei dies auch für den Kläger gilt, da es sich hier um eine Erstattungsstreitigkeit handelt (§
197a Abs.
3 SGG). Nach dem damit anzuwendenden §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
In Verfahren nach §
197a SGG ist von Amts wegen der Streitwert festzusetzen. Da im vorliegenden Fall eine bezifferte Forderung, Kostenerstattung in Höhe
von 17.055,67 Euro, geltend gemacht worden war, ergibt sich ein Streitwert in Höhe dieses Betrages (§
197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz)
Gründe, die Revision gemäß §
160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.