Gründe:
I. Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Bewilligung von
Arbeitslosengeld (Alg).
Die Antragstellerin (ASt) beantragte im Hinblick auf die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses als kaufmännische Mitarbeiterin
bei der Fa. B. GmbH bei der Antragsgegnerin (Ag) Alg, welches ihr ab 28.07.2011 bewilligt wurde. Im Rahmen der Antragstellung
hat die ASt die Frage nach einer Einschränkung im Hinblick auf bestimmte Beschäftigungen oder in zeitlicher Hinsicht aus gesundheitlichen
Gründen verneint.
Anlässlich eines Beratungsgesprächs am 22.08.2011 gab die ASt nach einem Vermerk der Ag an, sie könne eine kaufmännische Arbeit
aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben und werde bei dieser Tätigkeit nicht glücklich. Sie tendiere zu einer Tätigkeit
als Rettungsassistentin oder Hebamme.
Nach einem daraufhin von der Ag eingeholten Gutachten des ärztlichen Dienstes vom 10.10.2011 leide die ASt an einer seelischen
Minderbelastbarkeit. Eine vollschichtige Tätigkeit sei möglich. Ihr solle aber eine Tätigkeit als Management-Direktions-Assistentin
oder Projekt-Assistentin nicht mehr zugemutet werden. Gleiches gelte für Tätigkeiten mit hoher Verantwortung, Zeitdruck und
mit ständiger erhöhter nervlichen Belastung. Insbesondere der medizinisch-soziale Bereich werde als eher ungeeignet eingestuft.
Ein Einsatz im kreativ-gestalterischen Bereich sei zu befürworten.
Im Rahmen der Eröffnung des Gutachtens am 26.10.2011 erklärte die ASt schriftlich, sie schließe sich dem Gutachten nicht an.
Nach einem Vermerk der Ag sei sie auf das Abmeldeverfahren und leistungsrechtliche Konsequenzen hingewiesen worden.
Mit Bescheiden vom 26.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2011 hob die Ag die Bewilligung von Alg
ab 26.10.2011 wegen Wegfall der Verfügbarkeit auf und forderte die Erstattung des in der Zeit vom 26.10.2011 bis 31.10.2011
gewährten Alg in Höhe von 129,95 EUR. Die ASt habe sich dem ärztlichen Gutachten vom 10.10.2011 nicht angeschlossen. Die Voraussetzungen
der Verfügbarkeit habe man ihr erläutert, und sie bei ihrer persönlichen Vorsprache am 26.10.2011 auf die Konsequenzen für
den Fall, dass sie sich dem Gutachten nicht anschließe, hingewiesen. Dagegen hat die ASt Klage beim Sozialgericht Nürnberg
(SG) erhoben (S 14 AL 470/11). Hierüber ist bislang nicht entschieden.
Die ASt hat beim SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Sie habe nie erklärt, Beschäftigungen mit einem Umfang von
mindestens 15 Stunden nicht mehr ausüben zu wollen, sondern explizit klargestellt, mit Ausnahme weniger Tätigkeiten, welche
sie aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben könne, für den allgemeinen Arbeitsmarkt im genannten Umfang zur Verfügung zu
stehen. Sie habe Vorschläge in Bezug auf ein erweitertes Tätigkeitsfeld unterbreitet (Umschulung, Fortbildung etc.) und damit
ausgedrückt, grundsätzlich verfügbar zu sein. Mit dem Gutachten sei sie nicht einverstanden gewesen, da ihr gesundheitlicher
Zustand und die beruflichen Fähigkeiten schlechter beurteilt worden seien als tatsächlich gegeben. Die Verfügbarkeit sei nicht
entfallen.
Mit Beschluss vom 19.12.2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der genaue Gesprächsverlauf am 26.10.2011 sei ungeklärt. Auch wenn einiges dafür spreche, dass die
ASt ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht bestritten habe, sei nicht nachvollziehbar, weshalb es ihr nicht zumutbar
sein solle, sich dem Gutachten anzuschließen. Es stehe ihr frei, sich erneut persönlich arbeitslos zu melden und sich im Rahmen
des ärztlichen Gutachtens zur Verfügung zu stellen. Dann könnten bei Vorliegen aller sonstigen Anspruchsvoraussetzungen auch
sofort wieder Leistungen bewilligt werden.
Dagegen hat die ASt Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dem Aufhebungsbescheid fehle es schon an einer konkreten
Begründung. Die ASt habe abgesehen von der Nichtanerkennung des Gutachtens ihre Verfügbarkeit nicht bestritten, sondern sogar
diverse Tätigkeitsvorschläge gemacht. Für das Gutachten hätten überwiegend medizinische Aspekte eine Rolle gespielt. Sie könne
sehr wohl Tätigkeiten mit hohem Verantwortungsgrad und auch mit Beanspruchung ausüben. Würde sie sich dem Gutachten anschließen,
bestünde die erhebliche Gefahr, nicht mehr entsprechend ihrer Qualifikationen vermittelt zu werden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz
Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 SGG) ist zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 26.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21.11.2011 nicht angeordnet.
Nach §
86b Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in Fällen anordnen, in denen Widerspruch
und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach §
86a Abs
2 Nr
2 SGG, §
336a Satz 1 Nr
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem die Bundesagentur für Arbeit eine laufende Leistung
entzieht oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
86a Rn 14).
Unter Berücksichtigung der Regelung in §
86a Abs
2 Nr
2 SGG, §
336a Satz 1 Nr
1 SGB III ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung
zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt
Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende
Ausnahme bleiben (vgl Keller aaO. § 86b Rn 12a). Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene
dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse
eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet.
Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten
des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in §
86a Abs
2 Nr
2 SGG, §
336a Satz 1 Nr
1 SGB III mit berücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO. Rn 12c).
Der Bescheid vom 26.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2011 ist zwar noch nicht offensichtlich rechtswidrig.
Im Ergebnis gibt es jedoch wenige Zweifel am Klageerfolg in der Hauptsache, so dass gerechtfertigt erscheint, im Rahmen der
allgemeinen Interessenabwägung das gesetzlich angeordnete Vollzugsinteresse gegenüber dem Interesse der ASt am weiteren Leistungsbezug
zurücktreten zu lassen.
Die Ag hat ihrer Aufhebungsentscheidung § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit §
330 Abs
3 SGB III zugrunde gelegt. Voraussetzung dafür ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die
bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn der Sachverhalt
auch bei Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nicht aufgeklärt werden kann, die Folgen der Unaufklärbarkeit grundsätzlich
zu Lasten dessen gehen, der die Änderung geltend macht (vgl Schütze in von Wulffen, SGB X, 7.Aufl, § 48 Rn 9), mithin vorliegend zu Lasten der Ag.
Eine Änderung der Verhältnisse im Hinblick auf ein Vorliegen der Verfügbarkeit der ASt ab 26.10.2011 ist nicht erkennbar.
Verfügbarkeit setzt nach §
119 Abs
5 Nr
1 SGB III voraus, dass der Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung
unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Die objektive Verfügbarkeit
der ASt wurde durch das Gutachten des ärztlichen Dienstes vom 10.10.2011 positiv festgestellt. Anderweitige Zweifel daran
bestehen nicht.
Auch ist von einer subjektiven Verfügbarkeit der ASt auszugehen. Die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit
entsprechenden Beschäftigung liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2011
- L 12 AL 4286/10 - juris). Die subjektive Verfügbarkeit ist insoweit dann zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven
Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen; eine Bereitschaft zur Aufnahme
von Beschäftigungen, zu denen der Arbeitslose objektiv nicht in der Lage ist, verlangt das Gesetz nicht (vgl BSG, Urteile
vom 01.08.1978 - 7 RAr 49/77 - BSGE 47, 40 - und vom 09.09.1999 - B 11 AL 13/99 R - BSGE 84, 262; LSG Baden-Württemberg aaO.). An dieser Bereitschaft der ASt dürfte sich auch nach der Erstellung des Gutachtens nichts geändert
haben. Sie hat in ihrem Antrag auf Alg angegeben, keine gesundheitlichen Einschränkungen zu haben. Allein in der persönlichen
Vorsprache am 22.08.2011 folgt aus dem Vermerk der Ag etwas vage der Hinweis auf gesundheitliche Einschränkungen, die die
ASt im Hinblick auf kaufmännische Arbeit äußert. Eine ausdrückliche Weigerung solche Tätigkeiten nicht mehr ausüben zu wollen,
kann nur schwerlich daraus geschlossen werden. Im Übrigen ist nicht klar, ob die im Gutachten beschriebenen, nicht zumutbaren
Tätigkeiten mit hoher Verantwortung, Zeitdruck und mit ständiger erhöhter nervlichen Belastung gerade die von der ASt gemeinten
kaufmännischen Arbeiten betreffen. Dort wird zudem eine Tätigkeit im kreativen-gestalterischen Bereich vorgeschlagen.
Die subjektive Verfügbarkeit ist auch nicht deshalb entfallen, weil die ASt sich dem Gutachten nicht "angeschlossen" hat.
Zunächst ist hier festzustellen, dass in den Aufzeichnungen der Ag nicht konkret festgehalten worden ist, was die ASt damit
gemeint haben soll. Keinesfalls heißt es in den Vermerken der Ag, die ASt wolle sich nicht mehr dem Arbeitsmarkt vollschichtig
zur Verfügung stellen. Die ASt hat in allen Schreiben klargestellt, ihr gehe es nicht um ein im Gutachten festgestelltes zu
hohes Leistungsvermögen, sondern darum, dass sie nach ihrer Ansicht - entgegen dem Gutachten - auch verantwortungsvolle Tätigkeiten
mit höherer Beanspruchung ausüben könne. Dies erscheint nachvollziehbar, insbesondere auch deshalb, weil die ASt zuvor ihre
Wünsche nach einer Tätigkeit im Bereich des Rettungsdienstes oder als Hebamme geäußert hat, das Gutachten sich diesbezüglich
aber eher negativ äußert. Eine Einschränkung der Verfügbarkeit durch die Aussage der ASt, sie schließe sich dem Gutachten
nicht an, kann deshalb nicht angenommen werden. Diese Erklärung ist nach alledem nur in Bezug auf die vom Gutachten gemachten
Einschränkungen hinsichtlich der Belastbarkeit zu sehen.
Beim derzeitigen Stand des Verfahrens ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Bescheid vom 26.10.2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2011 als rechtmäßig erweisen würde. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen
Wertung in §
86a Abs
2 Nr
2 SGG, §
336a Satz 1 Nr
1 SGB III, der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, des Verhaltens der Behörde, der Grundrechte der ASt und des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit (vgl zu den zu berücksichtigenden Interessen: Keller aaO. Rn 12g) ist es daher zwingend geboten, die
aufschiebende Wirkung der Klage der ASt gegen den Aufhebungsbescheid anzuordnen.
Nach alledem war der Beschluss des SG auf die Beschwerde aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).