Tatbestand
Streitig ist die Genehmigung eines dritten Arztes in einer Dialyse-Praxis in B-Stadt.
Der Kläger ist Internist mit Schwerpunkt Nephrologie und in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er besitzt
eine Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrages nach § 4 Abs. 1 der Anlage 9.1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) für seinen Praxissitz A-Stadt sowie für eine ausgelagerte Praxisstätte in B-Stadt für insgesamt 100 Patienten pro Jahr.
In seiner Praxis ist ein weiterer Nephrologe angestellt.
Mit Antrag vom 14.06.2007 begehrte er die Genehmigung für einen weiteren Arzt. Derzeit würden pro Jahr rund 100 Patienten
betreut. Die genehmigte Patientenzahl werde in der Praxis A-Stadt nahezu erreicht. Im Praxisgebäude in B-Stadt befinde sich
ein Altenheim mit 130 Plätzen, in dem sich durchschnittlich drei bis fünf Dialysepatienten befänden. Im direkten Umfeld der
Praxisstätte B-Stadt lebten ebenfalls mehrere Dialysepatienten.
Die Verbände der Krankenkassen erteilten ihr Einvernehmen zur Genehmigungserteilung nicht. Daraufhin lehnte die Beklagte mit
Bescheid vom 22.01.2008 die beantragte Genehmigung ab. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2010
zurück. Bei der Prüfung der kontinuierlichen wirtschaftlichen Versorgungsstruktur seien die Auslastungsgrade der angrenzenden
Dialysestandorte zu berücksichtigen. In der zu prüfenden Versorgungsregion 9 seien nicht alle acht weiteren Dialysestandorte
kontinuierlich mit mindestens 90 % ausgelastet. Lediglich vier seien mit mindestens 90 % oder mehr ausgelastet. Die Vorgaben
der Dialyse-Vereinbarung seien bundeseinheitlich und für alle Leistungserbringer verbindlich. Außerdem habe die Ablehnung
des Antrags auf Genehmigung eines dritten Arztes bereits mangels Einvernehmen der Verbände der Krankenkassen erfolgen müssen.
Gegen die Ablehnung erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG). Seit 2007 sei die volle Auslastung für zwei Planstellen erreicht. Bei Hinzuziehung der Privatpatienten erhöhe sich die
Patientenzahl auf 117. Folglich müsse ein weiterer (dritter) Arzt tätig werden. Eine Überschneidung mit den Standorten A.,
S., N. und K. sei irrelevant, da sie das Einzugsgebiet des Klägers nur in nicht relevanten Teilen schneiden würden. Außerdem
bestehe die Besonderheit, dass die Praxis des Klägers auch in den ausgelagerten Praxisräumen in B-Stadt behandeln könne. Die
30 km-Versorgungsregion sei deshalb ab B-Stadt zu messen, so dass die nördlich von A-Stadt gelegenen Dialysestandorte W.,
S., A. und N. wie auch R. und K. nicht berücksichtigt werden könnten. Die Dialysestandorte in B-Stadt seien ausgelastet. Außerdem
befänden sich in der nächsten Umgebung der Dialysepraxis in B-Stadt 24 Patienten, die im Sinne einer wohnortnäheren Versorgung
zu berücksichtigen seien. Die Beklagte wies demgegenüber darauf hin, dass die Dialysepraxis in W. nur mit 88,9 % ausgelastet
sei, in S. mit 53,9 %, in A. mit 66,5 % und in N. mit 75,4 %. Die Beigeladene zu 1 legte dar, dass nach den aktuell ermittelten
Auslastungsgraden die Anforderungen an eine wirtschaftliche Versorgungsstruktur nicht als erfüllt angesehen werden könnten.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 31.07.2012 ab. In der Versorgungsregion der klägerischen Dialysepraxis lägen insgesamt acht
weitere Dialysepraxen; von diesen seien lediglich vier kontinuierlich mit mindestens 90 % ausgelastet. Das Nierenzentrum W.,
das Nierenzentrum S., das Nierenzentrum A. und das Zentrum N. würden demgegenüber unstreitig den vorgegebenen Auslastungsgrad
nicht erreichen. Der Versorgungsauftrag könne auch nicht mit dem Argument einer wohnortnäheren Versorgung der Patienten erweitert
werden. Dem widerspreche § 6 Abs. 1 der Anlage 9.1 zum Bundesmantelvertrag.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein. Unstreitig weise die Praxis des Klägers einen Auslastungsgrad von
über 90 % auf. Auch künftig sei von einer Steigerung der Patientenzahl auszugehen. Die Standorte S., A. und N. würden die
Versorgungsregion der klägerischen Dialysepraxis nur in nicht relevanten Teilen schneiden. Die zusätzlichen Patienten des
Klägers, für die ein dritter Arzt notwendig sei, stammten in erster Linie aus der bereits ausgelasteten Region B-Stadt, B-Stadt
und R., also entgegengesetzt zu den Zentren S., A. und N ... Die Beigeladene zu 1 teilte mit Schreiben vom 19.04.2013 mit,
dass nach ihren Berechnungen die kontinuierliche Auslastung des Klägers bei 97,23 Patienten liege. Die Auslastung der anderen
den Versorgungsbereich des Klägers schneidenden Dialysepraxen habe sich nicht verändert. Die kontinuierliche Auslastung liege
in S. bei 50,42 %, in A. bei 77,19 %. Diese Dialyseeinrichtungen könnten noch weitere Versicherte aufnehmen und kontinuierlich
betreuen. Es lägen auch keine Hinweise vor, wonach die Sicherstellung der wohnortnahen Dialysebehandlung gefährdet sei. Die
Versicherten würden auch jetzt wohnortnah versorgt und müssten keine unzumutbaren Anfahrtswege zum Aufsuchen der Dialyseeinrichtungen
hinnehmen. Nach telefonischer Auskunft der Leitung des Pflegeheimes in B-Stadt befinde sich dort kein Bewohner, der der Dialyse
bedürfe. § 6 Abs. 3 S. 2 der Anlage 9.1 sei nicht so zu verstehen, dass allein eine wohnortnähere Versorgung ausreiche. Vielmehr
müsse eine Situation vorliegen, in der eine wohnortnahe Versorgung nicht mehr gewährleistet werden könne. Dafür lägen keine
Anhaltspunkte vor.
Die Beklagte legte mit Schreiben vom 29.04.2013 dar, dass das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.07.2012 rechtmäßig
sei. Sie wies auf das fehlende Einvernehmen der Krankenkassenverbände hin. Die Ansicht des Sozialgerichts München, dass die
Beurteilung durch die Beklagte bezüglich des Sicherstellungsgrundes der wohnortnahen Versorgung rechtlich nicht haltbar sei,
sei fehlerhaft. § 6 Abs. 3 der Anlage 9.1 regele eine zusätzliche Genehmigungsmöglichkeit aus Gründen der Sicherstellung.
Mit Schreiben vom 27.11.2013 trug der Kläger vor, dass laut Mitteilung der Heimleitung des Pflegeheimes im Gesundheitszentrum
B-Stadt mindestens drei Heimbewohner an einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz leiden würden, so dass deren Dialyseversorgung
anstehe. Eine Patientin im Gesundheitszentrum B-Stadt, die in einer Wohngruppe für heimbeatmete Patienten lebe, sei dialysepflichtig.
Der Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 30.11.2012 mit dem weiteren Antrag, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Vertreterin der Beigeladenen zu 1 stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Genehmigung.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung setzt nach § 7 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Anlage 9.1 zum BMV-Ä voraus, dass eine kontinuierliche wirtschaftliche Versorgungsstruktur für die Dialysepraxis gewährleistet ist. Diese Voraussetzung
wird in § 6 Abs. 1 Anlage 9.1 konkretisiert und bemisst sich am Auslastungsgrad der im Umkreis der projektierten Dialysepraxis
bestehenden Dialysepraxen. Sowohl die Ermittlungen während des Verwaltungsverfahrens als auch die aktuellen Ermittlungen durch
die Beigeladene zu 1 haben ergeben, das die in der Versorgungsregion liegenden Dialysepraxen S., A., N. und W. den Auslastungsgrad
von 90 % nicht erreichen. Dies ist im Prinzip zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Damit liegen die Genehmigungsvoraussetzungen
nicht vor.
Soweit der Kläger darlegt, dass sich diese Dialysepraxen nur "unwesentlich" mit dem Einzugsbereich der klägerischen Dialysepraxis
überschneiden würden, findet diese Differenzierung in § 6 Abs. 1 Anlage 9.1 keine Rechtsgrundlage. Die Prüfung wurde korrekt
vorgenommen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung aus Gründen der Sicherstellung. Eine Gefährdung der wohnortnahen
Versorgung (§ 6 Abs. 3 Anlage 9.1) ist nicht zu erkennen.
Die Genehmigung aus Gründen der Sicherstellung ist nach § 6 Abs. 3 S. 2 der Anlage 9.1 dann möglich, wenn die wohnortnahe
Versorgung unter Berücksichtigung der einzelnen Dialyseformen und -verfahren gewährleistet werden muss. Voraussetzung für
eine Sicherstellungsgenehmigung ist, dass die wohnortnahe Versorgung in einer bestimmten Region nicht (mehr) gewährleistet
ist, also ein Versorgungsdefizit besteht. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn durch die Genehmigung lediglich die Versorgung
einzelner Patienten verbessert würde. Eine derart weitgehende Auslegung der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 3 der Anlage 9.1
im Sinne einer Versorgungsoptimierung ist nicht durch Gründe der Sicherstellung gedeckt und rechtfertigt daher kein Abweichen
von Prinzip einer kontinuierlichen wirtschaftlichen Versorgungsstruktur im Sinne der §§ 4 Abs.1 Nr. 3, 6 Abs. 1 der Anlage
9.1.
Die Feststellung der Beklagten im Schreiben vom 20.09.2011, das Sicherstellungserfordernis im Sinne einer wohnortnahen Versorgung
könne nur bei Vorliegen besonderer Gründe angenommen werden, welche so gravierend seien, dass es nicht mehr auf die Gewährleistung
einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur ankommen könne, ist unter Zugrundelegung dieser Rechtslage nicht beurteilungsfehlerhaft.
B-Stadt ist verkehrsmäßig sehr gut an die Region angebunden (Autobahn). Die Beklagte weist ferner zu Recht darauf hin, dass
keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Versicherten aus der Versorgungsregion der
klägerischen Praxis unzumutbare Wege in Kauf nehmen müsste, um zu den noch nicht ausgelasteten Dialysepraxen und -einrichtungen
zu gelangen. Es ist auch nicht nachgewiesen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von nicht oder nur eingeschränkt mobilen
Patienten, den dialysepflichtigen Bewohnern des Pflegeheimes, auf die nicht ausgelasteten Dialysestandorte verwiesen werden
müsste. Auch die Verbesserung der Versorgung einer heimbeatmeten Patientin rechtfertigt die Erteilung einer Sicherstellungsgenehmigung
nicht. Aus dem Schriftsatz des Klägers vom 27.11.2013 ergibt sich kein Hinweis auf ein Versorgungsdefizit. Im Pflegeheim B-Stadt
sind momentan keine Bewohner dialysepflichtig. Die künftige Situation, also eine Prognose des Bedarfs, kann die Genehmigung
eines dritten Arztes nicht rechtfertigen.
Im Ergebnis war die Berufung zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen.