Statthaftigkeit eines Ordnungsgeldbeschlusses im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ihm auferlegtes Ordnungsgeld und gegen Kosten.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht München begehrte der Beschwerdeführer Honorarkürzungen verschiedener Quartalsabrechnungen
aufzuheben. Im Verfahren S 39 KA 12/09 rügte er den Regress für die Abrechnung des 3. Quartals 2005, im Verfahren S 39 KA 13/09 des 4. Quartals 2005 und im Verfahren S 39 KA 14/09 des 1. Quartals 2006.
Am 14.01.2009 verfügte das Sozialgericht die Ladung der Beteiligten zum Erörterungstermin am 12.02.2009. Es ordnete hierzu
das persönliche Erscheinen des anwaltschaftlich vertretenen Beschwerdeführers an. Die Ladung, in der die Aktenzeichen S 39 KA 12/09 bis S 39 KA 15/09 aufgeführt waren, wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde, die sich nicht in den Akten befindet, zugestellt.
In der Ladung wurde darauf hingewiesen, der Beschwerdeführer habe auch dann zu erscheinen, wenn er einen Bevollmächtigten
entsende. Das Auftreten eines Prozessbevollmächtigten könne untersagt werden, solange der Beschwerdeführer unbegründet ausbleibe
und dadurch der Zweck der Anordnung vereitelt werde. Im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens, könne ihm Ordnungsgeld
auferlegt werden.
Im Termin zur Erörterung am 12.02.2009 erschien der Beschwerdeführer nicht, jedoch sein Prozessbevollmächtigter. In einem
zu den Verfahren S 39 KA 12/09 bis S 39 KA 15/09, S 39 KA 938/08, S 39 KA 944/08 und S 39 KA 945/08 gemeinsam geführten Protokoll vom 12.02.2009 ist ein von den Beteiligten geschlossener Vergleich festgehalten. Darin wird
der Regress in allen streitigen Quartalen um 50 % reduziert; dem Beschwerdeführer wurde eine einwöchige Widerrufsfrist eingeräumt.
Am 19.02.2009 widerrief der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers den Vergleich; er bat um Äußerungsfrist bis 13.03.2009.
Am 16.03.2009 legte das Sozialgericht dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR und Kosten des versäumten Termins
von 100,00 EUR auf. Im Beschluss waren die Aktenzeichen S 39 KA 12/09, S 39 KA 13/09 und S 39 KA 14/09 aufgeführt. Den Beschluss begründete das Sozialgericht damit, dass der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung dem
Termin unentschuldigt ferngeblieben sei.
Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Empfangsbekenntnis vom 24.03.2009 zugestellt.
Dagegen wurde mit beim Sozialgericht am 23.04.2009 eingegangenen Fax Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer sei nicht
unentschuldigt dem Termin ferngeblieben. Er sei am Morgen des Verhandlungstages von seiner Ehefrau tätlich angegriffen worden.
Dabei habe er sich eine 2 cm lange Kratzwunde am rechten Außenknöchel zugezogen. Er habe einen Arzt aufgesucht, wie das anliegende
Attest bestätige. Darüber hinaus habe ihn der Vorfall psychisch belastet.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts München vom 16.03.2009 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß §
136 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§
172 Abs.
1,
173 SGG) und begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss vom 16.03.2009 war aufzuheben.
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden gemäß §
173 SGG. Dies gilt allein schon deswegen, weil der Ordnungsgeldbeschluss dem säumigen Beteiligten zuzustellen ist und hier nur an
den Prozessbevollmächtigten zugestellt wurde. Dies setzt die Beschwerdefrist nicht in Lauf (LAG Nürnberg Beschluss vom 10.07.2008
2 Ta 115/08).
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss vom 16.03.2009 leidet an verschiedenen Mängeln. Der Senat geht davon aus,
dass der Beschwerdeführer die Ladung erhalten hat, obwohl dies der Akte nicht zu entnehmen ist. Die Verhängung von Ordnungsgeld
kann in Ausnahmefällen auch - wie hier - im Bürowege, d. h. außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgen. Eine solche Verfahrensweise
kann z. B. dann geboten sein, wenn dem säumigen Beteiligten zuvor rechtliches Gehör gewährt werden soll. Jedoch ist auch dann
der Sinn und Zweck der Vorschrift zu beachten. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers ist nur dann geboten,
wenn dies zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts notwendig ist und die Partei keinen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung
des Sachverhalts in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt
ist (§§
111,
202 SGG i.V.m. §
141 Abs.
3 Zivilprozessordnung -
ZPO).
Aus der Niederschrift, die erkennen lässt, dass sämtliche die Regressforderungen der Abrechnungsquartale 3/05 bis 1/07 betreffenden
Streitsachen offenbar stillschweigend verbunden waren, lässt sich nicht ersehen, ob und inwieweit es erforderlich war, den
Sachverhalt durch Erklärungen des Beschwerdeführers weiter aufzuklären. Ebenso wenig lässt sich erkennen, dass der Bevollmächtigte
des Beschwerdeführers nur berechtigt gewesen wäre, einen widerruflichen Vergleich abzuschließen. In der Regel hat die Verhängung
von Ordnungsgeld zu unterbleiben, wenn eine das Verfahren abschließende Entscheidung trotz Ausbleibens des Klägers ergehen
kann (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
111 Rdn. 6 a und Baumbach-Lauterbach,
ZPO, 64. Aufl., §
141 Rdn. 50). Dem Protokoll ist lediglich zu entnehmen, dass das Verfahren durch einen Vergleich, wenn auch durch einen widerruflichen
geregelt worden war. Allenfalls die dem Beschwerdeführer eingeräumte Widerrufsfrist gibt Anlass zur Vermutung, der Vergleich
sei vom Einverständnis des Beschwerdeführers abhängig gewesen. Anhaltspunkte, die diese Vermutung zu einer konkreten Annahme
verdichten würden, lassen sich nicht finden. Naheliegend wäre es gewesen, von einem widerruflichen Vergleich Abstand zu nehmen
und unverzüglich Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer zu verhängen, wenn dessen Anwesenheit notwendig gewesen wäre. Von
dieser Möglichkeit hat das Sozialgericht keinen Gebrauch gemacht. Seine Verfahrensweise deutet auf eine nachträgliche Sanktion
außerhalb der mündlichen Verhandlung hin, weil der Vergleich widerrufen worden war. Sie lässt aber nicht erkennen, weswegen
das Erscheinen des Beschwerdeführers im Termin zur Sachaufklärung erforderlich gewesen wäre. Der Senat sieht insoweit die
Voraussetzungen für die Festsetzung von Ordnungsgeld gemäß §
111 SGG i.V.m. §
143 Abs.
3 Satz 2
ZPO nicht für erfüllt an.
Der Ausspruch, dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 100,00 EUR wegen des versäumten Termins aufzuerlegen, war schon deshalb
aufzuheben, weil §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO nur Ordnungsgeld nennt, so dass die Auferlegung von Kosten wegen des versäumten Termins anders als beim säumigen Zeugen unzulässig
ist (Thomas-Putzo,
ZPO, 30. Aufl., §
141 Rdn. 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a SGG, der hier Anwendung findet, weil der Beschwerdeführer nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG gehört. Da die Beschwerde zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer
die außergerichtlichen Kosten, sofern welche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg (Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 Kn 2951/02 B sowie der Auffassung des Bundesfinanzhofes (BFH/NV 1994, 733 ff.). Danach sind in entsprechender Anwendung des §
467 Abs.
1 Strafprozessordnung und § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde aufzuerlegen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 21 Gerichtskostengesetz abzusehen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).