Tatbestand
Streitgegenständlich ist die Vergütung von in zwei stationären Krankenhausaufenthalten erbrachten Leistungen.
1. Der Versicherte der Beklagten Herr W. G. (im Folgenden W.G.) wurde im Plankrankenhaus der Klägerin stationär behandelt.
Der erste stationäre Aufenthalt des Versicherten vom 08.06. bis zum 20.06.2012 wurde - nunmehr unstreitig - auf der Basis
der DRG F54Z mit 4.558,90 EUR abgerechnet und vergütet. Der zweite Aufenthalt des Versicherten vom 25.06.2012 bis 20.07.2012
wurde unter Zugrundelegung der DRG I13 B in Höhe von 7.008,99 EUR abgerechnet und vergütet.
W.G. litt, wie bereits bei einem stationären Aufenthalt vom 06.04.-13.04.2012, erneut an einer postoperativen Wundheilungsstörung
mit einem erneuten Sprunggelenksempyem und Weichteilmazerationen. Im Aufenthalt von 08.06.-20.06.2012 wurden Maßnahmen der
konservativen Versorgung mit regelmäßigen Wundspülungen und systemischer Antibiose durchgeführt. Am 12.06.2012 wurde in der
Echokardiographie eine Kardiomegalie diagnostiziert. W.G. begann kardial zu dekompensieren, so dass am 18.06.2012 eine Koronarangiographie
und eine Behandlung mit Plavix erforderlich wurden. In einem unfallchirurgischen Konsil stellte Prof. T. vom Klinikum A-Stadt
fest, dass eine konservative Versorgung zur Infektsanierung im Knochen nicht ausreicht und operative Maßnahmen (Versteifung
des oberen und unteren Sprunggelenks) vorzunehmen sind. Zunächst musste jedoch der Rückgang der Plavixwirkung vor einem operativen
Eingriff wegen der Gefahr von Blutgerinnungsstörungen abgewartet werden. Die operative Behandlung während des zweiten Aufenthalts
vom 25.06.2012-20.07.2012 zur Versteifung des Sprunggelenks durch Prof. T. und zur Hämatomausräumung verlief komplikationslos.
2. Die Beklagte beauftragte den MDK mit der Prüfung unter anderem einer Fallzusammenführung. Dieser empfahl die Fallzusammenführung,
da ohne die Plavix-Medikation ein operativer Eingriff noch während des ersten Aufenthalts durchgeführt hätte werden können.
Der Eingriff habe nur wegen der Medikation um mindestens sieben Tage aufgeschoben werden müssen. Als Alternative eines Aufschubs
habe das Krankenhaus die Entlassung gewählt. Es lägen daher nur scheinbar zwei getrennte Krankenhausaufenthalte vor. In einem
weiteren Gutachten teilte der MDK mit, es handele sich um eine Unterbrechung einer noch nicht abgeschlossenen Krankenhausbehandlung
und damit um eine "de facto Beurlaubung/Fallsplitting". Hierzu sei in § 1 Abs. 7 der Fallpauschalenvereinbarung (Version 2012,
im Folgenden "FPV") explizit ausgewiesen, dass ein derartiger Fall nicht mit der Wiederaufnahmeregelung nach § 2 FPV zu beurteilen
sei.
Die Beklagte führte die Fallzusammenführung durch und rechnete in Höhe von 3.426,48 EUR mit unstreitigen Forderungen der Klägerin
auf.
3. Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und den aufgerechneten Betrag in Höhe von 3.426,48 EUR geltend
macht. Die Behandlung des W.G. sei medizinisch zwingend in zwei getrennten stationären Aufenthalten durchzuführen gewesen.
Aus § 8 Abs. 2 S. 1 KHEntgG ergebe sich der Grundsatz der getrennten Abrechnung jedes einzelnen durchgeführten Behandlungsfalles.
Ein Ausnahmetatbestand der FPV für die Fallzusammenführung liege hier nicht vor, eine erweiternde Auslegung sei nicht zulässig.
Auch eine Beurlaubung liege nicht vor, denn diese setze untrennbar den Wunsch des Patienten nach Unterbrechung der Krankenhausbehandlung
voraus. Dagegen habe vorliegend das Krankenhaus den Aufenthalt aus rein medizinischen Erwägungen beendet.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe, soweit die konservative Behandlung während des ersten Aufenthalts nicht zu
einem Behandlungsende gelangt sei und bereits zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Aufenthalt für die Versteifung des Sprunggelenks
geplant und notwendig gewesen sei, durch ihre Vorgehensweise gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Sie hat sich dabei
auf ein Urteil des BSG vom 01.07.2014 (Az: B 1 KR 62/12 R) berufen, wonach das Krankenhaus bei unwirtschaftlichem Verhalten nur die Kosten des wirtschaftlichen Alternativverhaltens
verlangen könne. Dies wären hier die Kosten nach Fallzusammenführung für nur einen stationären Aufenthalt. Hier hätten jedenfalls
die Voraussetzungen für eine Beurlaubung des Versicherten vorgelegen. Der Wortlaut der Regelung in der FPV setze entgegen
der Interpretation der Klägerin einen Urlaubswunsch des Versicherten nicht voraus.
Das Sozialgericht hat der Klage auf eine weitere Vergütung in Höhe von 3.426,48 EUR mit Urteil vom 08.09.2017 stattgegeben,
mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung lägen nicht vor.
4. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Nach Einsichtnahme in die Patientenakten hat die Beklagte unstreitig gestellt, dass medizinisch eine Operation im Rahmen des
ersten Aufenthalts nicht möglich war. Der Versicherte W.G. hätte jedoch bei Beachtung der Rechtsprechung des BSG - insbesondere die Urteile vom 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R), vom 01.07.2014 (B 1 KR 62/12) und vom 10.03.2015 (B 1 KR 3/15) - zwischenzeitlich nicht entlassen, sondern beurlaubt werden
müssen. Die Beurlaubung sei als fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten als Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsprinzips
nach §
12 SGB V im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu werten. Das BSG gehe bewusst über die in § 2 FPV geregelten Fallgruppen hinaus. Die Voraussetzungen für eine Beurlaubung lägen vor. Die Klägerin hat hingegen betont,
die konservative Behandlung des Sprunggelenks sowie die Versorgung des Krankheitsbildes der unabhängig davon aufgetretenen
kardialen Dekompensation waren am 20.06.2012 abgeschlossen Eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Patienten bestand
nicht mehr. Es habe für die Klägerin keine andere Möglichkeit der Behandlung des W.G. gegeben, daher auch kein wirtschaftlicheres
Alternativverhalten. Die Beklagte mache auch keine alternativen Behandlungen geltend, sondern nur eine alternative Berechnung
der Vergütungsforderung. Dabei sei die Beurlaubungsregelung der FPV restriktiv auszulegen. Der vorliegende Sachverhalt sei
nicht den Fällen vergleichbar, über die das BSG zu entscheiden hatte. Zudem wird auf die Klarstellung des Gesetzgebers hinsichtlich der Möglichkeiten der Fallzusammenführung
zum 01.01.2019 hingewiesen.
Im Erörterungstermin haben die Beteiligten zur Niederschrift unstreitig gestellt, dass eine operative Behandlung vom 20.06.2012
bis 25.06.2012 aus medizinischen Gründen nicht möglich war und dass die medizinische Behandlung des Versicherten insgesamt
nicht zu beanstanden war. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung nach §
124 Abs.
2 SGG einverstanden erklärt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.09.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise,die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Patientenakten der Klägerin sowie die Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§
143,
151 SGG) ist nicht begründet.
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, da sich die Parteien im Erörterungstermin mit einer
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (§
124 Abs.
2 SGB V).
Die Klägerin hat, wie vom Sozialgericht zutreffend entschieden, einen Anspruch auf weitere Vergütung in Höhe von 3.426,48
EUR aus §
109 Abs.
4 S. 3
SGB V i.V.m. §§ 17b KHG, 7 S. 1 Nr. 1 KEntgG und der zwischen den Beteiligten rechtsgültigen Pflegesatzvereinbarung 2012.
Streitig ist vorliegend weder die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung des W.G. noch die sachlich-rechnerische
Richtigkeit der Einzelpositionen der Rechnungen vom 09.08.2012 und 23.11.2012. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die
allein Frage, ob die Klägerin sachlich-rechnerisch zutreffend zwei Aufenthalte getrennt als Einzelbehandlungen abgerechnet
hat oder ob beide Aufenthalte gemeinsam im Rahmen einer Fallzusammenführung abzurechnen und zu vergüten sind. Die stationären
Aufenthalte von W.G. im Juni und Juli 2012 sind im Ergebnis nach § 8 Abs. 2 S. 1 KHEntgG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG
getrennt abzurechnen.
I. In Auswertung der medizinischen Dokumentation, insbesondere der Patientenakte, ist Folgendes festzustellen: W.G. wurde
im Aufenthalt von 08.06.-20.06.2012 wegen Wundheilungsstörung und Sprunggelenksempyem regelgerecht konservativ versorgt mit
regelmäßigen Wundspülungen und systemischer Antibiose. Am 12.06.2012 wurde in der Echokardiographie eine Kardiomegalie diagnostiziert.
Bei kardialer Dekompensation wurde die Behandlung mit Plavix veranlasst. Vor der erforderlichen operativen Versorgung (Versteifung
des oberen und unteren Sprunggelenks) musste der Rückgang der Plavixwirkung wegen der Gefahr der Blutgerinnungsstörungen abgewartet
werden. Die sodann vorgenommene operative Behandlung erforderte den stationären Aufenthalt vom 25.06.2012-20.07.2012. W.G.
war ab dem 20.06.2012 nicht mehr stationär behandlungsbedürftig, da die Versorgung der Herz-Kreislauf-Beschwerden abgeschlossen
war und es keiner konservativen Versorgung des Sprunggelenks mit den Mitteln des Krankenhauses mehr bedurfte. Die weiterhin
erforderlichen Wundspülungen waren ambulant durchzuführen. Weitere stationäre Behandlungsmöglichkeiten in Gestalt der erforderlichen
operativen Versorgung waren bis zum 25.06.2012 aufgrund der Gefahr der Blutgerinnungsstörungen medizinisch untersagt. Darüber
besteht im Übrigen zwischen den Parteien kein Dissens.
II. Grundsätzlich ist es Krankenhäusern verwehrt, vorzeitige Entlassungen als betriebswirtschaftlichen Eigeninteressen vorzunehmen,
um durch planvolles, medizinisch überflüssiges Fallsplitting Zusatzeinnahmen zu generieren (st. Rspr. des BSG, z.B. Urt. v. 10.03.2015 - B 1 KR 3/15 R mwN). In entsprechenden Fällen ist eine Fallzusammenführung vorzunehmen. Die Voraussetzungen der Fallzusammenführung liegen
hier nicht vor, weder nach § 2 FPV (dazu 1.) noch nach § 1 Abs. 7 S. 5 FPV (Beurlaubung, dazu 2.). Auch hat die Klägerin nicht
gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, was zu einer Alternativberechnung führen würde (dazu 3.). 1. Die Voraussetzungen
des § 2 FPV liegen nicht vor, obwohl W.G. planmäßig nach Diagnose und konservativem Behandlungsversuch im ersten Aufenthalt
zur operativen Versorgung in dasselbe Krankenhaus wiederaufgenommen wurde.
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt zwar grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden
der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes
innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen.
Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren
Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt
wird; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (st. Rspr. des BSG, vgl. bspw. Urt. v. 19.06.2018 - B 1 KR 30/17 R). Dazu ist anzumerken, dass die FPV ergänzende oder konkretisierende Landesverträge in Bayern nicht existieren.
a) Eine Zusammenführung nach § 2 Abs. 1 FPV scheidet aus, da die Hauptdiagnosegruppen im ersten und zweiten Aufenthalt unterschiedlich
sind (1. Aufenthalt: MDC 05 - Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems - 2. Aufenthalt: MDC 08 - Krankheiten und Störungen
an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe).
b) Die Regelung zum Partitionswechsel, der zu einer Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV führt, ist vorliegend deshalb
nicht einschlägig, weil während des ersten Aufenthalts die unvorhersehbar hinzugetretene kardiale Dekompensation des W.G.
mitbehandelt werden musste. Die Behandlung unter der DRG F54Z wird deshalb aufgrund der Gefäßeingriffe der operativen Partition
zugeordnet. Allein aufgrund der Herz-Kreislauf-Erkrankung kam es nicht zu einem Partitionswechsel. Die grundsätzlich von den
Vertragspartnern der FPV vorgesehene Fallkonstellation, die eine Zusammenführung dann für erforderlich ansieht, wenn ein einziges
Krankheitsbild zunächst in einem ersten Aufenthalt diagnostiziert wird und in einem zweiten operativ versorgt wird, liegt
hier nur wegen des Hinzutreten eines weiteren Krankheitsbildes nicht vor. Wären beide Aufenthalte nur zur Versorgung des Sprunggelenks
erfolgt, zunächst diagnostisch/konservativ, dann operativ, läge hingegen ein klarer Fall des § 2 Abs. 2 FPV vor.
c) Anhaltspunkte für eine Zusammenführung nach §§ 2 Abs. 3 FPV sind weder vorgetragen noch nach der medizinischen Dokumentation
ersichtlich.
2. Da die Klägerin den Versicherten am 20.06.2012 formal entlassen und nicht gem. § 1 Abs. 7 S. 5 FPV beurlaubt hat, ist zunächst
sachlich-rechnerisch die Abrechnung als zwei Behandlungen zutreffend (vgl. BSG, Urt. v. 28.03.2017 - B1 KR 29/16).
3. Die Beklagte kann sich nicht auf die fehlende Erforderlichkeit zweier Aufenthalte berufen. Die Klägerin hätte nur dann
keinen weiteren Vergütungsanspruch, wenn sie den Versicherten in nicht wirtschaftlicher Weise behandelt hätte. Dann stünde
ihr nur die Vergütung zu, die bei fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre.
Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch
gegen einen Träger der GKV nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung. Das Wirtschaftlichkeitsgebot
zwingt auch Krankenhäuser bei der Behandlungsplanung, die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen. Wählt
das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem
Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich
zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest
nicht höher sind. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt Krankenhäuser bereits bei der Behandlungsplanung dazu, die Möglichkeit
wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und ggf zu nutzen. Soweit die Behandlung kostengünstiger durch einen stationären
Aufenthalt statt durch zwei stationäre Behandlungsepisoden tatsächlich möglich ist und medizinische Gründe nicht entgegenstehen,
hat das Krankenhaus seine Behandlungsplanung zwingend daran auszurichten. Entgegenstehende binnenorganisatorische Gründe des
Krankenhauses, denen durch eine Änderung der Planung zu begegnen ist, sind hierfür ebenso ohne Belang wie etwa Zusatzprivatinteressen
des Versicherten an einer Chefarztbehandlung (st. Rspr. des derzeit für Krankenhausabrechnungen allein zuständigen 1. Senats.
BSG, Urt. v. 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R, Rz. 177ff. nach juris; Urt. v. 28.03.2017 - B 1 KR 29/16 R, Rz. 21 nach juris nwN).
a) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den strittigen Behandlungsfall ergibt, dass die Klägerin nach den oben getroffenen
Feststellungen keine Möglichkeit zu einer alternativen medizinischen Behandlung des Versicherten hatte. Die Behandlung des
W.G. im Rahmen von zwei Aufenthalten war - wie dargestellt - aufgrund medizinischer Umstände erforderlich und keinen binnenorganisatorischen
Gründen geschuldet. Eine anderweitige Planung durch die Klägerin war nicht möglich, denn ab dem 20.06.2012 bestand beim Versicherten
keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit nach §
39 Abs.
1 S. 2
SGB V. Dies ist im Übrigen auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.
b) Auch die Voraussetzungen für eine Beurlaubung, soweit man die Möglichkeit einer nachträglichen Alternativabrechnung unterstellt,
nach § 1 Abs. 5 S. 7 FPV lagen nicht vor. Die Auslegung der Norm durch den MDK, welchem die Beurteilung von Rechtsfragen im
Übrigen nicht zugewiesen ist, und durch die Beklagte ist bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt unzutreffend.
Nach der FPV ist ein Patient zu beurlauben, wenn dieser mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung
zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist.
aa) Die Möglichkeit der Beurlaubung steht grundsätzlich im Kontrast mit der medizinischen Notwendigkeit einer stationären
Behandlungsbedürftigkeit. Aus dem gesetzlichen System, wonach der Anspruch auf Vergütung des Leistungserbringers auf dem Anspruch
eines Versicherten auf stationäre Behandlung (§
39 Abs.
1 S. 2
SGB V) basiert, folgt, dass es sich bei §
1 Abs.
5 S.7
SGB V nur um eine Abrechnungsregel handelt. Denn medizinisch darf bei ärztlicher Zustimmung zu einer Beurlaubung nicht gleichzeitig
eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit - d.h. einer medizinischen Versorgung mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses
- bestehen. Abrechnungsregeln erfordern eine Auslegung nach Wortlaut und Systematik (vgl. BSG, Urt. v. 08.11.2011 - B 1 KR 8/11).
bb) Hinsichtlich des Wortlauts fehlt es - anders als im Sachverhalt, der der Entscheidung des BSG vom 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R) zugrunden liegt - vorliegend an der Initiative des W.G., die Behandlung zu unterbrechen. Die Initiative des Patienten zur
Behandlungsunterbrechung ist sowohl im Wortlaut als auch in der Satzstellung angelegt ("wenn der Patient ...unterbricht").
Die Zustimmung des Krankenhauses zu einer Beurlaubung ist selbstverständlich zusätzlich erforderlich, sonst wäre der Patient
nicht beurlaubt, sondern "auf eigenen Wunsch vorzeitig entlassen".
Vorliegend war Anlass der Unterbrechung nicht der Patient, sondern der unbestrittene medizinische Sachverhalt, dargelegt durch
den Sachverstand der behandelnden Ärzte, einschließlich des Operateurs Prof. T., der konsiliarisch hinzugezogen worden ist.
Die operative Behandlung des Sprunggelenks des W.G. durfte hier allein wegen der Gefahr von Blutgerinnungsstörungen, d.h.
aus ausschließlich medizinischen Gründen, nicht im Rahmen des ersten Aufenthalts durchgeführt werden. Es ist nach Auswertung
der Patientenakte festzustellen, dass weder persönliche Gründe des Patienten für eine Unterbrechung bestanden noch therapeutische
(etwa die Sicherung des Behandlungserfolgs). Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einem mit Krankenhausabrechnungen
unerfahrenen Patienten, der eine Behandlungsunterbrechung wünscht, die Möglichkeit der Beurlaubung aufzuzeigen (BSG, Urt. v. 28.03.2017 - B 1 KR 29/16 - Rz. 27 nach juris), dies war jedoch vorliegend nicht veranlasst, da W.G. am 20.06.2012
gerade nicht mehr stationär behandlungsbedürftig war bzw. nicht weiter stationär behandeln werden konnte.
cc) Selbst wenn eine Beurlaubung auch dann möglich wäre, wenn es an einer Initiative des Patienten fehlte, spricht im vorliegenden
Fall des W.G. auch die systematische Stellung des § 1 Abs.7 S. 5 FPV im Regelwerk der Verordnung gegen die Möglichkeit einer
fiktiven Abrechnung über die Beurlaubungsregelung.
Die Regelung steht nämlich mit systematischen Zusammenhang mit der Ermittlung der Verweildauer zur DRG-Bestimmung (§ 1 Abs.
7 FPV) und gerade nicht bei den Vorschriften zur Wiederaufnahme, die erst in § 2 normiert sind. Es ist mit der Systematik
der FPV nicht vereinbar, wenn eine Fallkonstellation, die eigentlich in § 2 Abs. 2 FPV geregelt ist und nur aufgrund der Besonderheiten
des Einzelfalls (Hinzutreten einer unabhängig entstandenen, akut behandlungsbedürftigen Zweiterkrankung) nicht als Wiederaufnahme
gewertet werden kann, unter eine Vorschrift subsumiert wird, die die Berechnung der Verweildauer regelt. Es gibt keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Vertragspartner der FPV in § 1 Abs. 7 S. 5 FPV eine grundsätzliche Auffangregelung für Fallzusammenführungen
schaffen wollten, wenn die Fallkonstellationen des § 2 FPV im Einzelfall nicht erfüllt sind und kein wirtschaftliches Alternativverhalten
bezogen auf die Art, die zeitliche Abfolge und die Dauer der stationären, medizinischen Behandlung ersichtlich ist. § 1 Abs.
7 S. 6 FPV bestimmt zudem eine andere Rechtsfolge bei Beurlaubung (Nichtanrechnung einzelner Tage auf die Verweildauer) als
§ 2 FPV bei Wiederaufnahme (Zusammenfassung der Falldaten, hier mit dem Ergebnis einer DRG aus der MDC 05).
Daher kann mangels Entscheidungsrelevanz auch offenbleiben, ob die Behandlung des W.G. zum Entlasszeitpunkt am 20.06.2012
dem Wortlaut nach als abgeschlossen gelten kann. Seine Behandlung, die aufgrund der Prozeduren zur DRG MDC F führte (kardiale
Dekompensation) war unstreitig abgeschlossen, die Behandlung der Hauptdiagnose MDC I (Sprunggelenk) war hinsichtlich der konservativen
Versuche abgeschlossen.
c) Diese auf den Fall des W.G. bezogene Auslegung wird unterstrichen durch die aktuellen Klarstellungen des Gesetzgebers.
Dieser hat durch Anfügung in § 8 Abs. 5 KHEntgG (§ 8 Abs. 5 S.3 KHEntG durch Gesetz vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2394 zum 01.01.2019) klargestellt, dass in anderen Fällen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung
insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig ist. "Diese Ergänzung stellt klar, dass die von den
Vertragsparteien auf Bundesebene in der FPV getroffenen Abrechnungsbestimmungen zur Fallzusammenführung als abschließende
Konkretisierung der Zulässigkeit einer Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen sind. Eine
von den Regelungen der FPV abweichende oder darüberhinausgehende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung,
die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, ist damit nicht zulässig" (BT-Drs. 19/5593, S. 125).
Zusammenfassend hat die Klägerin Anspruch auf Vergütung von zwei getrennten Behandlungen. Die Berufung der Beklagten ist deshalb
vollumfänglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO.
Der Streitwert bestimmt sich nach dem Antrag der Berufungsklägerin (§
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§
63 Abs.
2 S. 1, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 S. 1 GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) bestehen nicht. Eine grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung über den Einzelfall hinaus ist nicht ersichtlich. Sollten
dennoch ähnliche Abrechnungsstreitigkeiten auftreten, die eine Behandlungsunterbrechung aufgrund unstreitiger medizinischer
Notwendigkeit bei MDC-Wechsel und Partitionserhaltung zum Gegenstand haben, ist die Rechtseinheit durch die Klarstellung in
§ 8 Abs. 5 S.3 KHEntG gewährleistet. Das Urteil basiert ohne Divergenzen auf der aktuellen Rechtsprechung des BSG.