Anspruch auf Sozialhilfe; Übergang von Ansprüchen; Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige
Tatbestand:
Im Streit ist die von der Beklagten vorgenommene Überleitung eines zivilrechtlichen Anspruchs der verstorbenen Hilfeempfängerin
F. W. gegenüber dem Kläger.
Der 1965 geb. Kläger ist ein Enkel der W. Der Beklagte als Träger der Sozialhilfe leistete der Hilfeempfängerin Hilfe zum
Lebensunterhalt in Einrichtungen durch die Unterbringung in einem Altenheim vom 28.01.2001 bis zu deren Tod am 11.02.2005
mit einem eigenen Leistungsumfang von rund 28.300 EUR.
Die Mutter des Klägers (Tochter der W.) hatte dieser mit notariellem Vertrag vom 22.07.1965 ein mit einem Wohnhaus bebautes
Grundstück in B. abgekauft. Unter Nr. XIV des Vertrages wurde der W. ein Leibgeding in Form eines Wohnrechts an bestimmten
Räumen zugewandt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 15.04.1976 übernahm der Kläger das Anwesen von seiner Mutter und verpflichtet sich, der W.
ein Wohnrecht in dem neu errichten Anbau und ein Nutzungsrecht an den Gemeinschaftsflächen, insbesondere am Garten, einzurichten
(Nr. 16 des Vertrages). Dieses wurde im Grundbuch eingetragen.
Mit notarieller Urkunde vom 27.06.1991 verzichtete W. zu Gunsten des Klägers auf das im Grundbuch eingetragene Wohn- und Mitbenutzungsrecht
und stimmte der Löschung zu. Am gleichen Tag veräußerte der Kläger das Grundstück.
Mit Bescheid vom 15.09.2005 (unter Anfügung der Anzeige vom 14.09.2005) zeigte der Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass
der Anspruch auf Rückforderung wegen des Verzichts der Leistungsberechtigten an den Beklagten übergeleitet werde. Insgesamt
bezeichnete die Beklagte vier Anspruchsgrundlagen: §§ 985 ff., 846, 528,812 ff. Die Verzichtserklärung und die damit verbundene
Wertsteigerung der verkauften Immobilie enthalte eine Schenkung. Die Leistungsberechtigte sei außer Stande gewesen sei, ihren
Unterhalt zu bestreiten und hätte daher gemäß §
528 BGB vom Kläger die Schenkung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern können.
Den Widerspruch des Klägers, damit begründet, dass keine Schenkung zu Gunsten des Klägers vorgelegen habe, wies die Regierung
von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 zurück. Bei der Überleitung sei nicht zu prüfen, ob und in welchem
Umfang der Anspruch bestehe. Lediglich bei einem offensichtlichen Nichtbestehen sei die Überleitung rechtswidrig.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. W. sei am Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 15.04.1976 nicht beteiligt gewesen. Daher sei auch kein Wohnrecht
für diese entstanden. Im Übrigen sei das Wohnrecht wertlos. Da das Wohnrecht nicht wirksam zu Gunsten der Leistungsberechtigten
entstanden sei, handele es sich bei der Löschungsbewilligung nicht um eine Schenkung, sondern um eine Grundbuchberichtigung.
Mit Urteil vom 18.5.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Voraussetzungen für den Übergang von Ansprüchen gemäß § 93
Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vorliegen würden. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bestünden
nicht. Der Beklagte habe sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt und insbesondere den Aspekt der sparsamen Bewirtschaftung
der öffentlichen Mittel mit den Belangen des Drittverpflichteten abgewogen. Die Überleitung sei auch nicht schon deshalb rechtswidrig,
weil der übergeleitete Anspruch nicht bestehe. Es liege keine erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige vor (sog. Negativevidenz).
Ein Anspruch der ehemaligen Leistungsberechtigten auf Rückforderung komme zumindest in Betracht, da die wirksame Einräumung
des Nießbrauchs an dem Grundstück zu Gunsten der Leistungsempfängerin möglich sei. Nach §
873 BGB entstehe ein Recht an einem Grundstück mit der Einigung der Beteiligten und der Eintragung in das Grundbuch. Die Zustimmung
der Leistungsberechtigten sei dabei grundsätzlich formfrei.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und im Wesentliche sein bisheriges Vorbringen
wiederholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.03.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Wohnrecht sei wirksam begründet worden, da die Mitwirkung des begünstigen Dritten nicht erforderlich ist. Es handele sich
dabei um einen Vertrag zu Gunsten Dritter.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten beider Instanzen und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und form- und fristgemäß eingelegt.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
6a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gegeben, ohne dass dies vom Berufungsgericht weiter überprüft werden durfte (§
17a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz). Die Befugnis der Beklagten beruht auf einer Norm des Sozialhilferechts (§
93 SGB XII) und resultiert letztlich aus der Leistungsbeziehung zu W., auch wenn der Verwaltungsakt der Überleitung selbst privatrechtsgestaltend
ist.
Gegenstand der Klage (§
54 Abs.
1 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 15.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006, mit welchem dieser
im Wege der sog. Magistralzession einen Gläubigerwechsel hinsichtlich eines behaupteten zivilrechtlichen Anspruches bewirkte.
Dadurch erfolgte ein Eingriff in die Rechtssphäre des Klägers.
Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage im Sinne des §
54 Abs.
1 SGG. Bei Maßnahmen nach §
93 SGB XII handelt es sich um Verwaltungsakte (vgl. etwa § 93 Abs. 3 SGB XII). Die Beschwer des Klägers ist beseitigt, wenn
die Anfechtung Erfolg hat und durch eine Aufhebung die Regelung der Beklagten ihre Wirkung verliert.
Eine Beiladung der früheren Gläubigers (W. als Leistungsempfängerin), die im Regelfall erforderlich ist (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts
vom 28.10.2008, Az.: B 8 SO 22/07 R), ist wegen deren Versterbens nicht mehr möglich. Die Beiladung der Erben des Rückgewähranspruchs
ist nicht möglich, da solche ausweislich der von der Beklagten eingeholten negativen Auskunft des Nachlassgerichts vom 06.05.2005
nicht bekannt sind.
Die Berufung ist indes nicht begründet. Das klageabweisende Urteil des SG erging zurecht. Der Kläger ist durch das Verwaltungshandeln nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Voraussetzungen der Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind erfüllt. Darin ist bestimmt, dass dann, wenn eine leistungsberechtigte
Person einen Anspruch gegen einen anderen hat, der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken
kann, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.
Die Regelung erlaubt auch die Überleitung von Ansprüchen gegen andere, soweit eine leistungsberechtigte Person - wie hier
die W. vom 28.01.2001 zum 11.02.2005 - noch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhielt und bis zum 31.12.2004 keine Überleitungsanzeige erfolgte. Der Gesetzgeber hat dadurch, dass er die frühere Regelung
in § 90 BSHG weitgehend übernommen hat, seinem Willen Ausdruck verliehen, das bisherige System fortzuführen (vgl. Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen
vom 09.11.2005 L 20 (12) B 38/05 SO ER-; LSG Berlin-Brandenburg vom 16.08.2007 -L 23 B 150/07 SO -, Urteil des OVG Bremen vom 24.2.2010, S 3 A 169/07).
Die formalen Voraussetzungen der Überleitung sind erfüllt. Sie ist durch Verwaltungsakt schriftlich (vgl. § 93 Abs. 2 SGB
XII) gegenüber dem Kläger ergangen.
Materiell-rechtlich setzt die Überleitung eine tatsächliche Hilfegewährung von Sozialhilfeleistungen voraus, was ebenfalls
der Fall war. Der Beklagte hat der W. in der Zeit vom 28.01.2001 bis zu deren Tod am 11.02.2005 eine Sachleistung verschafft,
indem sie dieser im Wege der erweiterten Sozialhilfe (§ 19 Abs. 5 SGB XII) ihren notwendigen Lebensunterhalt in einer Einrichtung
(vgl. § 35 SGB XII) nach dem so genannten Brutto-Prinzip erbracht hat (Sachleistungsverschaffung, vgl. Urteil des BSG vom
28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R = BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr. 9). Dazu hat sie Aufwendungen von rund 28.300 EUR getätigt, die als von der W. ungedecktem Betrag
angefallen sind. Die Hilfeleistung ist mit bindendem Bescheid vom 15.09.2005 erbracht worden, dessen Tatbestandswirkung als
unangefochtener Verwaltungsakt nicht außer Acht gelassen werden darf. Selbst Zweifel daran, ob die Leistung rechtmäßig erbracht
worden ist, hindern die Beklagte nicht an der Überleitung. Denn sind die Leistungen zu Unrecht erbracht worden, weil berücksichtigungsfähiges
Einkommen (Rückgewährsanspruch der W.) in Unkenntnis ihres Vorhandenseins nicht berücksichtigt worden ist, kommt die Rücknahme
und Rückforderung der Leistungen nach § 45 SGB X in Betracht. Auch dann besteht ein Anspruch der Beklagten, der sich originär gegen W. richtete und der ebenfalls durch deren
eigene Ansprüche befriedigt werden könnte.
Für die Leistungserbringung besteht auch eine kausale Verknüpfung zu dem übergeleiteten Anspruch auf Rückgewähr des dem Kläger
Zugewandten. Denn hätte dieser die Ansprüche der W. aus dem Rechtsgeschäft vom 27.06.1991 erfüllt, wäre insoweit kein Eintreten
der Sozialhilfe in der erfolgten Höhe erforderlich gewesen. Ohne Belang ist es, dass W. auf einen Anspruch verzichtet hat,
der zum geschützten Vermögen nach i.S.v. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII gehörte und bei Wahrnehmung des Wohnrechts nicht hätte
verwertet werden müssen. Denn dieser verlor das Privileg als Schonvermögen durch den Verzicht. Im Übrigen wäre insoweit auch
der Erbe zum Kostenersatz verpflichtet (vgl. § 102 SGB XII); es entfällt also das Privileg nach dem Tode. Der Senat ist auch
nicht der Ansicht, dass der Überleitungstatbestand entfällt, weil die Bewilligung eventuell - ohne Kenntnis des Rückgewähranspruchs
- rechtswidrig erfolgt ist. Schließlich war die Beklagte damals wegen des Faktizitätsprinzips gehalten, sofort Hilfe ohne
Verweis auf Ansprüche gegenüber Dritten zu leisten.
Ein Anspruch auf Schenkungsrückgewähr ist bei der hier vorliegenden Fallgestaltung auch vererblich. Der Rückforderungsanspruch
des Schenkers wegen Verarmung (§
528 BGB) setzt lediglich voraus, dass die Notlage in der Person des Schenkers, also zu dessen Lebzeiten, eingetreten ist (vgl. dazu
im folgenden Leipold in Münchener Kommentar zum
BGB, 5. Auflage 2010
BGB, §
1922 Gesamtrechtsnachfolge V. 4. Rn. 24ff.) Der Bundesgerichtshof (BGH) erkannte danach schrittweise an, dass dieser Anspruch
dann nicht mit dem Tod des Schenkers erlischt, wenn der Träger der Sozialhilfe den Anspruch vorher auf sich übergeleitet hat,
oder den Anspruch abgetreten erhielt; ebenso (auch ohne vor dem Erbfall erfolgte Überleitung), wenn die öffentliche Hand (Sozialhilfeträger)
oder Dritte in Vorlage treten mussten, weil der Beschenkte seinen Verpflichtungen nach § 528 nicht nachkam, aber auch allein
deshalb, weil der Schenker Sozialhilfe in Anspruch nahm. (BGH NJW 1995, 2287). Der BGH hat in der Folgezeit noch stärker betont, dass der Anspruch nicht etwa als höchstpersönlich, dh. als grundsätzlich
unvererblich, anzusehen ist, sondern dass entscheidend ist, ob die Vererblichkeit der Zweckbindung des Anspruchs entspricht
und mit dem Schutz der Entscheidungsfreiheit des Schenkers (Erblassers) vereinbar ist. Diesem soll es überlassen bleiben,
ob er den Anspruch geltend machen will oder lieber die entstandene Notlage hinnimmt. Daraus folgert der BGH, dass der Anspruch
nicht erlischt, wenn er vom Schenker bereits geltend gemacht oder abgetreten wurde, aber auch dann, wenn der Schenker private
unterhaltssichernde Leistungen (etwa eines Pflegeheims) in Anspruch genommen hat, die nicht aus seinem Vermögen gedeckt werden
konnten.
Das ist durch W. geschehen. Sie hat ihre Ansprüche gegenüber dem Kläger nicht realisiert, sondern die Leistungen der Sozialhilfe
in Anspruch genommen.
Die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII setzt nicht voraus, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich
besteht. Zu beachten ist insoweit vielmehr, dass die Überleitungsanzeige nur dazu dient, einen Gläubigerwechsel herbeizuführen.
Nur wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen ist, könnte eine dennoch erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige
rechtswidrig sein (vgl. Urteil des BVerwG vom 27.05.1993 -5 C 7/91 -BVerwGE 92, 281; Urteil des BayLSG vom 14.02.2008 -L 11 SO 20/07 m.w.N.). Dass der übergeleitete Anspruch der W. offensichtlich nicht vorhanden
wäre, ist nicht ersichtlich.
Mit notarieller Urkunde vom 27.06.1991 verzichtete W. damals zu Gunsten des Klägers auf das im Grundbuch eingetragene Wohn-
und Mitbenutzungsrecht und stimmte der Löschung zu. Der Kläger behauptet zwar, dass ein solches Recht gar nicht mehr bestanden
habe. Denn der Kläger habe schon früher mit notariellem Kaufvertrag vom 15.04.1975 das Anwesen von seiner Mutter übernommen
und sich dabei lediglich verpflichtet, der Leistungsberechtigten ein Wohnrecht in dem neu errichten Anbau einzurichten. Das
habe aber kein Recht begründet, da W. nicht Vertragspartner gewesen sei. §
873 Abs.
1 BGB bestimmt zwar, dass zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie
zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt
der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ist, soweit nicht das Gesetz ein anderes
vorschreibt. Dadurch ist aber nicht ausgeschlossen, dass nicht ein Dritter begünstigt werden kann, wenn sich nur Veräußerer
und Erwerber einig sind. Hier kommt hinzu, dass die Eintragung im Grundbuch tatsächlich erfolgt ist, so dass ein Erwerb der
W. nicht ausgeschlossen ist. Was die Formvorschriften einer Schenkung betrifft, wonach zur Gültigkeit eines Vertrags, durch
den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich ist (§ 518 Form
des Schenkungsversprechens), tritt eine Heilung des Mangels der Form durch die Bewirkung der versprochenen Leistung ein. Insoweit
stellt der Senat in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Beklagten fest, dass W. im involvierten Anwesen gewohnt hat.
Es ist unerheblich, wenn dies nicht in den genau im Wohnrecht zur Benutzung zugestanden Räumen erfolgt ist, da W. jedenfalls
ihre Rechte an der Nutzung des Gemeinschaftseigentums wahrgenommen hat.
Die Geltendmachung eines eventuellen Anspruchs auf Schenkungsrückgewähr ist auch nicht von vorneherein ausgeschlossen. Gemäß
§
529 Abs.
1 BGB ist dies nur der Fall, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat
oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen
sind. So ist nach dem Verzicht der W. vom 27.06.1991 die Unterbringung der W. in dem Altenheim schon zum 28.1.2001 innerhalb
der Zehnjahresfrist erfolgt.
Es geht bei dieser Sachlage eines gespaltenen Rechtswegs zwischen Überleitung und Anspruchsdurchsetzung letztlich nicht darum,
welcher konkreten Art der Rechtsvorteil ist, den der Kläger mit dem Verzicht vom 27.06.1991 erlangt hat. Das ist eine Frage
der zivilrechtlichen Klärung, wie das Versprechen des Klägers vom 15.04.1976 zu qualifizieren ist. Die Klärung des Typus der
Vertragsgestaltung im Rahmen der zivilrechtlichen Privatautonomie und der daraus herzuleitenden Rechte ist eine Frage, die
nach der Konzeption des Rechts der Sozialhilfe den Zivilgerichten vorbehalten bleibt. All diese Dinge müssen nicht vorab bei
der Überleitung geklärt werden. Dazu findet nur eine grobe Kontrolle im Sinne der sog. Negativevidenz statt. Der überzuleitende
Anspruch muss mutmaßlich bestehen. Eine Überleitung ist ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht
besteht (BVerwGE 34, 219; 34, 260; 41, 115; 58, 209; 92, 281). Wäre das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs eine objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung,
müsste das Gericht auch über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen entscheiden. Eine derartige Überprüfung ist mit
dem bestehenden gegliederten Rechtsschutzsystem nicht zu vereinbaren. Es soll verhindert werden, dass die Sozialgerichte letztverantwortlich
zivilrechtlich umstrittene Fragen entscheiden.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte das ihr in § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft
ausgeübt hat. Hinsichtlich der an die Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu auch §
54 Abs.
2 S. 2
SGG) kann auf die bisherige Rechtsprechung zu § 90 BSHG zurückgegriffen werden, da der mit Wirkung vom 01.01.2005 an die Stelle des § 90 BSHG getretene § 93 SGB XII im Wesentlichen der alten Regelung entspricht. Die Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange
kann danach in der Praxis wegen des starken Gewichts des Nachranggrundsatzes regelmäßig nur dazu führen, dass eine Überleitungsanzeige
an den Drittschuldner ermessensfehlerfrei ergeht (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.1993, 5 C 7/91 = BVerwGE 92, 281). In Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG geht die sozialgerichtliche Rechtsprechung zu § 93 Abs. 1 SGB XII von einem
sog. intendierten Ermessen aus (vgl. BayLSG, U. v. 14.02.2008 - L 11 SO 20/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 20.12.2006
- L 20 B 135/06 SO -; vgl. auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 93 Rn. 16). Dabei ist es nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen
die Überleitung eines Anspruchs unbillig oder unzumutbar ist. Das kann z. B. der Fall sein, wenn der Drittschuldner einen
pflegebedürftigen Familienangehörigen vor dem Eintreten der Sozialhilfe weit über das Maß der ihn treffenden Verpflichtung
hinaus gepflegt und den Sozialhilfeträger dadurch erheblich entlastet hat oder wenn infolge der Anspruchsüberleitung eine
nachhaltige Störung des Familienfriedens zu befürchten wäre und der Grundsatz der familiengerechten Hilfe verletzt würde.
Derartiges ist vom Kläger im Rahmen der Anhörung nicht vorgetragen worden, insbesondere hat er schon wegen der Unterbringung
der W. und der unterschiedlichen Wohnorte dieselbe nicht nachhaltig pflegen können.
Die Beklagte hat die Notwendigkeit einer Ermessensausübung gesehen und angenommen, dass die öffentlichen Interessen und die
privaten Interessen des Klägers gegeneinander abzuwägen sind. Dies genügt zur Begründung einer Ermessensentscheidung (§ 35
Abs. 1 S. 3 SGB XII), wenn von der Beklagten den Interessen der öffentlichen Hand der Vorrang eingeräumt wird. Dass die Beklagte
im Widerspruchsbescheid nicht noch weiter auf die besonderen Lebensumstände des Klägers eingegangen ist, liegt daran, dass
in der Widerspruchsbegründung solche Umstände nicht deutlich gemacht wurden. Vielmehr stützte der Kläger die Widerspruchsbegründung
maßgeblich darauf, dass es an einem bürgerlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch der Großmutter fehle. Es ist deshalb nicht
ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte im Widerspruchsbescheid zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung nicht weiter zu
den besonderen Lebensumständen des Klägers Stellung genommen, sondern maßgeblich auf den Nachranggrundsatz abgestellt hat.
Die Berufung war demnach nicht begründet und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO (Unterliegen des Klägers). Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich bei dem Rechtsstreit bezüglich der Überleitung nicht um ein Verfahren nach §
193 SGG. Denn gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen, werden Kosten nach
den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben. Kostenfreiheit im Sinne von §
183 Abs.
1 S. 1
SGG besteht nur für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder
deren Sonderrechtsnachfolger nach §
56 SGB I, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Insbesondere ist der Kläger nicht Sonderrechtsnachfolger
der in einem Heim verstorbenen Leistungsempfängerin.
Gründe zur Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG sind nicht ersichtlich.