Anspruch auf Sozialhilfe bei Aufenthalt im Ausland; Anwendbarkeit von Übergangsvorschriften
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Sozialhilfe im Ausland.
Die Beklagte, ein örtlicher Träger der Sozialhilfe, bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.09.2007 Grundsicherung im Alter
befristet nur für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.09.2007. Danach sei dessen gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland nach Beendigung
seines inländischen Mietverhältnisses und angesichts seiner bekundeten Absicht, nach Italien zu verziehen, entfallen.
Mit seinem Widerspruch bestritt der Kläger das Vorliegen eines Aufenthalts im Ausland und behauptete darüber hinaus einen
Bestandsschutz wegen früher in Italien bezogener Sozialhilfe. Am 18.09.2008 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch
zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2010 abgewiesen, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien habe.
Er habe nach seinen eigenen Angaben in den vergangenen 30 Jahren fast ununterbrochen in Italien gelebt und dort nach wie vor
seinen Lebensmittelpunkt. Damit würden die Voraussetzungen einer Sozialhilfeleistung ins Ausland nicht vorliegen. Auch sei
der Beklagte nicht örtlich zuständig für die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialhilfe im Ausland. Nach § 24 Abs. 4 Satz
2 SGB XII sei dies der überörtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich die den Antrag stellende Person geboren sei
(hier der B. in ).
Gegen den am 26.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.07.2010/29.07.2010 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht
(LSG) eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt. Der Gerichtsbescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung Berufung/Inland versehen.
Schon zuvor hatte das SG dem Kläger aufgegeben, einen inländischen Bevollmächtigten zu benennen.
Der Senat hat zur Frage eines früheren Sozialhilfebezugs Ermittlungen angestrengt und
dazu die Akten der Deutschen Rentenversicherung Bund beigezogen sowie eine Auskunft des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales
in Württemberg eingeholt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 16.03.2010 sowie Abänderung des Bescheides
vom 10.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2008 verurteilen, ihm dem Grunde nach ab 01.10.2007 Sozialhilfe
ins Ausland zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 16. März 2010 zurückzu weisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere sie nicht verfristet, da die Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Berufungsfrist
falsch war (§
66 Abs.
2 SGG), denn sie hat nicht den ausländischen Aufenthalt des Klägers berücksichtigt.
Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers entscheiden. Dieser hat rechtzeitig Kenntnis vom Termin erlangt. Er hat innerhalb
der ihm mit Beschluss vom 07.09.2010 gesetzten Frist keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt. Damit durfte ihm die Ladung
mit einfachem Brief an seine Postanschrift übersandt werden. Das Schriftstück der Ladung galt dann gem. §
184 Abs.
2 Satz 1
Zivilprozessordnung zwei Wochen nach der Aufgabe zur Post als zugestellt.
Wie das SG zu Recht festgestellt hat, besteht im Wege der Sozialhilfe im Ausland keine örtliche, insbesondere aber keine sachliche Zuständigkeit
des Beklagten. Dieser hat seine Leistung ausreichend erbracht. Dennoch war eine Beiladung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe,
des Baden - Württembergischen Kommunalverbandes für Jugend und Soziales nicht erforderlich. Denn auch diesem gegenüber ist
ein Anspruch dem Grunde nach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben.
Das System der Sozialhilfe folgt entsprechend den allgemeinen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs grundsätzlich dem Territorialprinzip
(§
30 Abs.
1 SGB I). Dementsprechend bestimmt §
24 Abs.
1 SGB XII, dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen erhalten. Hiervon kann im Einzelfall
nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass
eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:
1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss,
2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder
3. hoheitliche Gewalt.
Keiner der oben genannten drei Gründe einer Verhinderung zur Rückkehr in das Inland sind beim Kläger in Ansehung seines eigenen
Sachvortrags und der Aktenvorgänge der Beklagten ersichtlich. Letztlich war der Kläger ja sogar im Inland, im Gebiet des Beklagten,
und hat dieses aus freien Stücken verlassen. Auch das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notlage kommt es damit nicht mehr
an. Ebenso wenig musste der Beklagte deswegen auch eine Ermessensbetätigung vornehmen.
Der Kläger unterfällt auch keiner Übergangsvorschrift unter Berücksichtigung eines Sachverhalts vor Erlass des SGB XII. So
bestimmt zwar § 132 (Übergangsregelung zur Sozialhilfegewährung für Deutsche im Ausland), dass Deutsche, die am 31.12.2003
Leistungen nach § 147b des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung bezogen haben, diese Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit weiter erhalten.
Diese Voraussetzungen liegen aber entgegen den Behauptungen des Klägers nicht vor. So räumt der Kläger selbst in einem Schreiben
an den Träger der Rentenversicherung ein, dass er vom Konsulat in M. negativ beschieden worden ist. Schließlich würden auch
keinesfalls die Voraussetzungen nach § 147b BSHG, wonach Sozialhilfe schon am 01.07.1992 bezogen sein musste, vorliegen. Letztlich verlief auch die Auskunft bei dem insoweit
zuständigen Träger für Auslandsozialhilfe, dem Landesverband in Württemberg, negativ.
Ebenso wenig hat der Kläger (vgl. § 132 Abs. 2 SGB XII) in den dem 1. Januar 2004 vorangegangenen 24 Kalendermonaten ohne
Unterbrechung Leistungen nach § 119 des Bundessozialhilfegesetzes in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung bezogen und
über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Italien verfügt. Diese Erkenntnis ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats
aus den Aufzeichnungen des Trägers der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Versicherungsverlauf des Klägers sowie den dort
getätigten Angaben des Klägers. So geht aus einem Schreiben des Klägers vom Juli an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
hervor, dass er unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Generalkonsulats in M. vom 28.02.2003 keinen Anspruch auf Sozialhilfe
habe. Daher bitte er um eine Mindestrente. In seinem Antrag auf Versichertenrente vom 24.06.2003 hat der Kläger den Bezug
von Sozialhilfeleistungen verneint (Frage 11.10). Auch der darin aufgestellte Versicherungsverlauf weist zwar eine geklärte
Lücke von 01.01.1972 bis 30.11.2003 auf, ohne dass aber Anrechnungszeiten wegen Bezugs öffentlich-rechtlicher Sozialleistungen
vorgemerkt worden wären.
Insgesamt hat der Kläger aber das Vorliegen eines Tatbestands im Sinne der Übergangsvorschriften auch schon in seinem Antrag
auf Sozialhilfe im Sommer 2007 verneint.
Schon gar nicht hat der Kläger - § 132 Absatz 3 SGB XII - die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes
erfüllt und zwischen dem 30.01.1933 und dem 08.05.1945 das Gebiet des Deutschen Reiches oder der Freien Stadt Danzig verlassen,
um sich einer von ihnen nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen
oder konnte aus den gleichen Gründen nicht in das Gebiet des Deutschen Reiches oder der Freien Stadt Danzig zurückkehren.
Ebenso wenig hat er nach dem 08.05.1945 und vor dem 01.01.1950 das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937
oder das Gebiet der Freien Stadt Danzig verlassen. Insoweit fehlt es an jeglicher Darlegung von seiner Seite. Auch zeigt sich
insoweit keine Veranlassung zu Ermittlungen aufgrund der bisher vorhandenen biografischen Daten des Klägers.
Damit hat das SG mit Gerichtsbescheid zu Recht die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, der Kläger ist unterlegen. Ihm sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§
160 Abs.
2 SGG).