Unrichtige Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung im sozialgerichtlichen Verfahren bei fehlendem Hinweis auf die Möglichkeit
einer elektronischen Beschwerdeeinlegung
Gründe:
Die am 19. August 2010 eingegangene Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Juli 2010,
mit dem der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist zulässig, obwohl die Klägerin sie entgegen §
173 Abs.
1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) nicht innerhalb eines Monats nach der Zustellung eingelegt hat. Die Monatsfrist ist hier nach der Zustellung des angefochtenen
Beschlusses, die ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses am 16. Juli 2010 erfolgte, gemäß §
64 Abs.
2 SGG mit Ablauf des 16. August 2010 (Montag) verstrichen, bevor die Beschwerde der Klägerin am 19. August 2010 eingegangen ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin hat sich gleichwohl erledigt. Denn die sozialgerichtliche Rechtsmittelbelehrung war
unrichtig erteilt, da es ihr an dem Hinweis auf die Möglichkeit einer elektronischen Beschwerdeeinlegung gemäß §
65a SGG in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg vom 14. Dezember 2006 (GVBl. II,
S. 558) fehlte, so dass die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß §
66 Abs.
2 Satz 1
SGG innerhalb eines Jahres seit der Zustellung zulässig war (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 9. Februar 2010, B 11 AL 194/09 B; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Mai 2010, OVG 2 S 106.09; Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil
vom 18. August 2010, 8 K 2929/09; diese und die nachfolgend zitierten Entscheidungen sind jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris). Dabei ist es ohne rechtliche
Bedeutung, ob die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung das konkrete Verhalten der Rechtsmittelführerin beeinflusst hat.
Denn eine Ursächlichkeit zwischen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung und Fristversäumnis wird im Gesetz für die angeordneten
Rechtsfolgen nicht vorausgesetzt. Lediglich dort, wo die Belehrung zusätzliche Angaben enthält und diese fehlerhaft oder unvollständig
sind, wird verlangt, dass die Unrichtigkeit nach Lage der Dinge einen Einfluss auf die verspätete Einlegung des Rechtsbehelfs
gehabt haben könnte (potentielle Ursächlichkeit). In diesen Fällen ist der vom Gesetz geforderte Inhalt der Belehrung für
sich genommen richtig, so dass die Voraussetzungen des §
66 Abs.
2 SGG zunächst nicht erfüllt sind. Die Unrichtigkeit tritt hier nur ein, wenn die zusätzlichen Angaben geeignet sind, den Informationswert
der richtigen Angaben zu mindern oder den Berechtigten von Erkundigungen über weitere Möglichkeiten abzuhalten (Bundessozialgericht,
Urteil vom 28. Mai 1991, 13/5 RJ 48/90; Beschluss vom 2. März 1995, 7 BAr 196/94). Ein derartiger Fall der Unrichtigkeit zusätzlicher Angaben ist aber im vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die im Jahre 1964 geborene Klägerin, die mit ihren beiden Kindern zusammenlebt und
laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) bezieht, hat
aus §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.
Mit ihrer am 28. September 2009 beim Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage begehrt die Klägerin höhere Leistungen für
Unterkunft und Heizung, indem sie sich dagegen wendet, dass die Beklagte ihren Antrag vom 6. April 2009 auf Übernahme ihrer
Stromkosten, die den im Regelsatz dafür vorgesehenen Betrag übersteigen, mit Bescheid vom 15. Juli 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 abgelehnt hat.
Die Klägerin hat darauf jedoch keinen Anspruch. Die Voraussetzungen der als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden
§§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind nicht erfüllt, denn Stromkosten können nur ausnahmsweise als Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anerkannt werden. Aus § 20 Abs. 1 SGB II in der seit dem
1. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006
(
BGB. I, S. 1706) ergibt sich, dass die Regelleistungen auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile
umfassen. Bereits für die Rechtslage vor dieser Klarstellung ist das Bundessozialgericht davon ausgegangen, dass die Übernahme
von Stromkosten als Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur dann in Betracht
kommt, wenn diese zumindest teilweise für das Beheizen der Wohnung aufzubringen sind (Beschluss vom 26. Mai 2010, B 4 AS 7/10 B; Beschluss vom 16. Juli 2009, B 14 AS 121/08 B; Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 48/08 R). Hierfür bestehen im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte, da die Wohnung der Klägerin mit Fernwärme beheizt wird.
Auch die Voraussetzungen des vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) aus Art.
1 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 des Grundgesetzes (
GG) hergeleiteten Anspruches auf Deckung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfes, den das
Bundessozialgericht bei noch nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahren auch für Zeiten vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
für anwendbar hält (Urteil vom 18. Februar 2010, B 4 AS 29/09 R) und der inzwischen durch § 21 Abs. 6 SGB II in der seit dem 3. Juni 2010 geltenden Fassung (BGBl. I, S. 671) gesetzlich
geregelt wurde, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass dieser Anspruch erst
entsteht, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich
der Leistungen Dritter und auch unter Berücksichtigung der Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige
Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Ein derartiger Bedarf ist im vorliegenden Fall aber weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss kann gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.