Arbeitstechnische und arbeitsmedizinische Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit
Nachweis einer haftungsausfüllenden Kausalität
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 5102 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) - „Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche
Stoffe".
Der 1943 geborene Kläger absolvierte – nach eigenen Angaben - ab 1. September 1959 eine Ausbildung zum Maler und war in diesem
Beruf – ausgenommen die Zeit des Wehrdienstes vom 01. November 1967 bis zum 29. April 1969 – bis zum Rentenbeginn am 01. Dezember
2006 tätig, dabei seit 1979 als selbständiger Malermeister mit Angestellten.
Im Oktober 2015 wurde bei dem Kläger eine Hautveränderung unter dem rechten Auge diagnostiziert. Im Rahmen des Krankenhausaufenthalts
vom 19. bis zum 22. Oktober 2015 zur Entfernung der Veränderung im Lidwinkel wurden weitere Hautveränderungen an Stirn, Schläfe
und am gesamten Rücken festgestellt (Entlassungsbericht Helios Klinikum Berlin-Buch vom 17. Februar 2016).
Unter dem 29. Dezember 2015 meldete die Krankenkasse des Klägers einen Erstattungsanspruch über die Krankenhausbehandlungskosten
des Klägers gegenüber der Beklagten unter Verweis auf den Verdacht etwaigen Bestehens einer Berufskrankheit der Nr. 5101 an.
Die Beklagte holte im Rahmen ihrer Ermittlungen die „Stellungnahme Arbeitsplatzexposition“ ihrer Präventionsabteilung vom
6. April 2016 ein, die diese aufgrund der schriftlichen Angaben des Klägers im Fragebogen und nach dessen telefonischer Befragung
erstellt hat. Nach den Angaben des Klägers habe dieser zu 90 Prozent seiner Arbeitszeit im Innenbereich gearbeitet und zu
keiner Zeit Umgang mit Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen oder Pech gehabt
Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin teilte der Beklagten mit Schreiben vom
18. April 2016 mit, dass eine Berufskrankheit nach Nummer 5102 der Anlage zur
BKV in Anbetracht des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht anzunehmen sei.
Mit Bescheid vom 22. April 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Berufskrankheit und eine entsprechende Leistungsgewährung
ab, da der Kläger nach den Ermittlungen des technischen Sachverständigen keinen Hautkontakt zu teerhaltigen Arbeitsmaterialien
gehabt habe.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2016 Widerspruch. Die Begründung im Bescheid sei zu allgemein gehalten.
Mit Sicherheit sei es in seinem langen Berufsleben zu Kontakt mit einem der Stoffe gekommen. Es könne auch niemand zu 100
Prozent ausschließen, dass er nicht mit krebserregenden Stoffen gearbeitet habe. Er habe Säuren, Verdünnung und Lacke verwendet,
auch Kontakte mit Asbest durch Abrissarbeiten seien nicht auszuschließen. Die in der ehemaligen DDR verwendeten Stoffe seien
nicht berücksichtigt worden.
Im Mai und Juni 2016 wurden weitere pathologisch veränderte Hautareale an Stirn, Schläfe und am gesamten Rücken des Klägers
operativ im Helios-Klinikum entfernt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch nach Auswertung des Widerspruchs
sei ein Kontakt mit den benannten Stoffen nicht nachgewiesen. Während seiner selbständigen Tätigkeit habe der Kläger nicht
mehr selbst auf der Baustelle gearbeitet.
Mit seiner am 21. November 2016 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren - Anerkennung der
BK 5102 und Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH – weiterverfolgt. Er habe, entgegen den Angaben der Beklagten,
nicht mit einem Mitarbeiter der Präventionsabteilung gesprochen, sondern nur mit der Beklagten telefoniert. Auch habe er immer
auf den Baustellen selbst mitgearbeitet. Er habe nicht angegeben, dass er zu keiner Zeit Kontakt zu den in Betracht kommenden
Stoffen hatte. So habe er Teeranstriche in der Zeit von 1974 bis 1979 durchgeführt, er habe durch Teerspritzer sogar Narben.
Zudem sei es in dieser Zeit zu Kontakt mit Asbest gekommen. Nach 1979 habe er Altfarben verbrannt, dabei sei es zu gefährlichen
Dämpfen gekommen. Auch habe er Glasfasergewebe bearbeitet und hochgiftige Anstriche mit Phosphorfarbe durchgeführt, die zu
Verbrennungen geführt hätten. Von 1999 bis 2001 habe er mit lösungsmittelhaltigen Klebern und Grundierungen, mit Epoxidharz
und Beschichtungsstoffen gearbeitet sowie Schweißarbeiten durchführen müssen. Es sei auch immer wieder zu Reizungen der Haut
und Juckreiz gekommen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2016 aufzuheben und
festzustellen, dass die Hauterkrankung des Klägers in Form von Basaliomen Folge der im Arbeitsleben ausgesetzten Gefahrstoffe
nach Nummer 5102 der Anlage zur
BKV eine Berufskrankheit ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen.
Die Präventionsabteilung der Beklagten hat im Hinblick auf die Klagebegründung unter dem 13. März 2017 zur Arbeitsplatzexposition
erneut Stellung genommen. Die telefonische Befragung des Klägers durch die Präventionsabteilung sei am 6. April 2016 mit den
Aussagen des Klägers erfolgt, wie sie bereits in der 1. Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 6. April 2016 widergegeben
worden seien. Für den Zeitraum von 1974 bis 1979 habe der Kläger eine Bystander-Situation beschrieben – durch anderer Gewerke
seien Teeranstriche durchgeführt worden, während der Kläger Malerarbeiten verrichtet habe. Hier sei es schwer vollstellbar
und wenig wahrscheinlich, dass Arbeiten mit Teer (heiß oder kalt) gleichzeitig und zusammen mit Malerarbeiten durchgeführt
worden seien. Bei derartigen Arbeiten entstehe vielmehr eine starke Verschmutzung. Es sei eine Frage der Beweiswürdigung.
Die weiteren Ausführungen seien nicht auf Stoffe bezogen, die sich auf die Berufskrankheit 5102 der
BKV beziehen.
Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. April 2017 Stellung genommen. Der Kläger habe nie gegenüber der Beklagten geäußert,
nicht mit Ruß und den weiteren Stoffen in Kontakt getreten zu sein. Von 1974 bis 1979 habe er sich mit einem Turnhallenprogramm
im Allende Viertel in Berlin befasst. Dort sei unmittelbar nach der Errichtung der Wände mit Malerarbeiten begonnen worden,
der Teeranstrich sei daher zeitgleich im Nassbereich erfolgt. Die Teerspritzer seien noch als sogenannte Teerwarzen vorhanden.
Es sei auch zu Asbestkontakt gekommen. Bisher unberücksichtigt sei auch die Verwendung von Epoxidharz auf 2 Komponentenbasis
geblieben. Auch Farben und Lösungsmittel enthielten seiner Ansicht nach Rohparaffin und Ruß.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10. Mai 2017 darauf hingewiesen, dass der vom Kläger behauptete Kontakt mit Asbest, Epoxidharzen
und/oder Phopshporfarben nicht relevant sei, weil es sich dabei nicht um relevante Noxen für die im Streit stehende BK 5102
handele.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 25. Juni 2018 hat die Kammer den Kläger im Beisein eines Mitarbeiters
der Präventionsabteilung der Beklagten über den Kontakt zu den im Streit stehenden Stoffen näher befragt. Auf den Inhalt der
Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Mit Urteil vom 25. Juni 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid
vom 22. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht
in seinen Rechten. Der Vollbeweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei dem Kläger nicht gelungen. Dabei stütze sich
die Kammer bei ihrer Beurteilung auf den Akteninhalt, die Stellungnahmen der Präventionsabteilung und den Inhalt der Beweiserhebung
im Termin zur mündlichen Verhandlung. Bei den Stoffen der BK-Nr. 5102 handele es sich um Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen,
Pech oder ähnliche Stoffe. Die Kammer habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Kläger diesen Einwirkungen in ausreichendem
Maße ausgesetzt gewesen sei. Sofern der Kläger darauf verweise, dass es bei den Bauarbeiten der Turnhalle zu Kontakt mit Teer
gekommen sei, sehe die Kammer dies nicht als nachgewiesen an. Der Kläger habe anschaulich geschildert, dass der Teer durch
Arbeiten am Faltdach durch die Lücken auf ihn getropft sei. Zeugen oder Unterlagen aus diesem Zeitraum lägen nicht vor. Auch
an Arztbesuche aufgrund der geschilderten Verbrennungen / entstandenen Teerwarzen habe sich der Kläger nicht erinnern können.
Andere Anknüpfungspunkte für einen Nachweis des beruflichen Kontakts seien nicht ersichtlich. Der Kläger gehe auch davon aus,
dass es zu Kontakt mit Epoxidharz und zu Teer /Ruß oder Rohparaffin in den Farben gekommen sei. Dem folge die Kammer nicht.
Bei Epoxidharz handele es sich nicht um eine relevante Noxe. In der mündlichen Verhandlung habe der Berufskrankheiten-Ermittler
zudem überzeugend dargelegt, dass eine Exposition mit den weiteren Stoffen bei der Herstellung der Farben in Betracht komme,
nicht aber bei der Verwendung dieser. Es handele sich insofern um ein Bereichsparaffin, welches im Endprodukt nicht mehr zu
einer Exposition führen könne. Da nach alledem die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, hätten keine medizinischen
Ermittlungen erfolgen müssen.
Gegen das ihm am 3. Juli 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. August 2018 Berufung eingelegt. Er bestreitet, gegenüber
dem Präventionsdienst angegeben zu haben, in seinem Berufsleben zu keiner Zeit Umgang mit Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen
oder Pech gehabt und zu 90% im Innenbereich tätig gewesen zu sein. Narben von Teerspritzern habe er noch am Arm. Aus Zeitgründen
hätten Maler und die den Teeranstrich verrichtenden Gewerke zeitgleich arbeiten müssen, dabei habe er Teerspritzer am Arm
abbekommen. Er sei im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit mit giftigen Stoffen, so z.B. der Farbe “LACUFA“- hier Verflüssigung
der Altfarbe beim Abbrennen, beim Freisetzen von Dämpfen - Verwendung nur mit einem Spezialverdünner möglich -, Phosphatfarben
und auch mit Asbest (Abriss durch Fremdfirmen), in Kontakt gekommen. Auch habe er Arbeiten mit lösungsmittelhaltigen Klebern
und Grundierung, mit Epoxidharz auf 2-Komponentenbasis von 1984 bis 2004, mit Beschichtungsstoffen (Sikafloor 156 und 261)
im Jahr 2003 sowie in der Nähe von Schweißarbeiten verrichtet. Die von ihm in der ehemaligen DDR verwandten Farben seien teilweise
hochgiftig gewesen und unterlägen den in der BK 5102 der
BKV als „ähnliche Stoffe“ aufgeführten Gefahrstoffen. Während seiner Tätigkeit in der ehemaligen DDR habe er Umgang mit folgenden
Produkten gehabt: Alkydharzfarben, Nitrofarben, Bleifarben, Bleimennige, Chlorkautschukfarben, Phosphorfarben, Salmiak, ungelöster
Weißkalk, Isoliersalze, Karbidschlamm, Salzsäure, Glasgewebe, Silikatfarben, Leukothentapeten und Raufasertapeten. Nach 1990
seien von ihm unter anderem folgende weitere Materialien verarbeitet worden: Nitrofarben, Nitrosperrgrund, Nitroverdünnung,
Kunstharzfarbe, Ilmantin Pik-Grundierung. Zeugen hierfür könne er nicht benennen. Die Basaliomerkrankung sei Folge des Kontakts
mit diesen Stoffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2016 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Hauterkrankung des Klägers in Form
von Basaliomen eine Berufskrankheit nach Nr. 5102 der Anlage zur
BKV ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das angegriffene Urteil, welches sie für zutreffend hält. Aus dem Berufungsvortrag des Klägers sei ein beruflicher
Umgang mit Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnlichen Stoffen nicht ersichtlich. Der Präventionsdienst der Beklagten
hat mit Stellungnahme vom 13. März 2017 das Telefonat mit dem Kläger vom 6. April 2016 bestätigt und im Übrigen angezweifelt,
dass der Kläger als Maler in der Nähe zu anderen, schmutzverursachenden Gewerken gearbeitet habe. Die Beklagte hat darauf
verwiesen, dass der Vortrag des Klägers zum angeblichen Umgang mit Asbest, Phosphorfarbe und / oder Epoxidharz für die BK
5102 nicht relevant sei, da es sich nicht um relevante Noxen handele.
Der Senat hat die Arztbriefe des Helios-Klinikums vom 20. Juni 2016 und 4. Mai 2016 eingeholt und sodann auf den Antrag des
Klägers das Gutachten des Facharztes für Dermatologie/Venerologie/Allergologie Dr. F vom 16. Dezember 2019 veranlasst. Der
Sachverständige stellte beim Kläger auf seinem Fachgebiet folgende Erkrankungen fest:
nicht sklerodermiformes Basaliom der Stirn links 2015
solid-zystisches Basaliom temporal rechts 2015
Rumpfhautbasaliom der LWS links 2015
nicht spezifiziertes Basaliom des Augenwinkels rechts 2015
nodulo-zystisches Basaliom der rechten Schulter 2016
noduläres Basaliom paravertebral rechts 2016 und
Rumpfhautbasaliom der LWS rechts 2016
solare Elastose lichtexponierter Areale.
Er sehe keinen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und der Entstehung der Basaliome im Sinne einer
BK der Nr. 5102 der Anl. 1 zur
BKV. Der Kläger sei zwar möglicherweise (kurzfristig) Teer ausgesetzt gewesen, dies jedoch nicht in wesentlichem Maße. Außerberuflich
sei der Kläger hautbelastender UV-Exposition ausgesetzt gewesen. Hinsichtlich der Rumpfhautbasaliome sollten die Arbeitsexpositionen
noch einmal speziell auf den Kontakt mit Arsen betreffend eine mögliche BK 1108 geprüft werden.
Zu den Einwänden des Klägers sein Gutachten betreffend hat der Sachverständige ergänzend unter dem 12. März 2020 Stellung
genommen. Soweit die Produktinformationen der vom Kläger verwendeten Mittel darauf hinwiesen, dass eine erhöhte Möglichkeit
der Reizung der Haut bestehe, bedeute dies nicht automatisch, dass damit auch ein erhöhtes Hautkrebsrisiko entstehe. Das Einatmen
von Dämpfen würde bei Schädigungen auch immer nur zunächst die Lunge betreffen, aber niemals die Haut. Wären die Dämpfe hautschädigend
gewesen, wären diese Schädigungen entweder sofort zeitnah aufgetreten, was nicht der Fall gewesen sei, oder in der entsprechenden
Literatur aufgeführt, was ebenfalls nicht zutreffe. Auch seien imponierende Teernarben beim Kläger weder anamnestisch noch
bei der Untersuchung festzustellen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das
Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Dem Kläger steht
kein Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5102 der Anlage 1 zur
BKV zu. Richtige Klageart zur Erreichung des Ziels des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß
§
54 Abs.
1 i. V. m. §
55 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Geht es in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um
die Frage, ob eine Krankheit eine BK darstellt, kann der Versicherte in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden
Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder
einer BK, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen vom Versicherungsträger bereits
das Vorliegen des Arbeitsunfalls oder der BK bestritten wird [Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 15. Februar 2005, B 2 U 1/04 R und Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 46/03 R, jeweils juris].
Berufskrankheiten sind gemäß §
9 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Siebentes Buch -
SGB VII - Krankheiten, die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet wurden
und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden.
Die hier ausschließlich streitgegenständliche Listen-BK Nr. 5102 erfasst „Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen“,
die „durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe“ ausgelöst werden. Die weiteren Voraussetzungen beschreibt
das Merkblatt zur BK Nr. 5102 [Bek. des BMA v. 18. Februar 1963, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1963, 25, I. Vorkommen und
Gefahrenquellen] wie folgt:
Als expositionsrelevante Noxen werden von der BK 5102 explizit aufgeführt:
Ruß: Er entsteht als feinflockiger Kohlenstaub bei unvollständiger Verbrennung von Kohlenwasserstoffen und bei der Herstellung
von Tusche, Wichse, Farben, Kunststoffen und wird besonders in der Gummiindustrie benötigt.
Rohparaffin: Es wird aus bituminöser Braunkohle, Ölschiefer, Erdöl und Erdwachs gewonnen und in der Zündholz-, Papier- und
Sprengstoffindustrie verwendet. Gereinigtes Paraffin enthält keine krebserzeugenden Stoffe.
Teer: Als Destillationsprodukt von Stein- und Braunkohle, Torf und Holz wird Teer in Kokereien und Gasfabriken gewonnen und
in Dachpappen- und Steinkohlenbrikettfabriken, bei der Holzimprägnierung und im Straßenbau gebraucht.
Anthrazen: ein Teerdestillationsprodukt. Es wird verwendet als Rohstoff in der Farbenherstellung, beim Holzimprägnieren, bei
der Herstellung von Lacken und Dachpappen.
Pech: letzter Rückstand der Teerdestillation. Es wird als Bindemittel in der Steinkohlenbrikettfabrikation, für Kabelisolierung,
Herstellung von Dachpappen, Lacken u. a. benutzt.
"Ähnliche Stoffe" sind solche mit ähnlich biologischer Wirkung. Hierzu gehören z. B. verschiedene Erdwachse, Asphalte, Masut
sowie Mineral-, Schmier-, Zylinder- und Bohröle, die bei 300° C und mehr sieden.
Die Haut kann durch direkte Einwirkung (auch durch Staub und Dämpfe) der genannten Stoffe bei der Gewinnung, Herstellung,
Verarbeitung oder Verwendung der genannten Produkte oder durch mit diesen Stoffen behaftete Arbeitskleidung geschädigt werden.
Sonnenbestrahlung, Hitze und mechanische Reize (Scheuern der Kleidung) können dies begünstigen (Merkblatt zur BK Nr. 5102,
II. Aufnahme und Wirkungsweise).
Das Merkblatt weist zum Krankheitsbild und zur Diagnose darauf hin, dass die Einwirkung obengenannter Produkte zu entzündlicher
Rötung und auch zu Dermatitis (Ekzem) mit Juckreiz führen kann. Bei weiterer Exposition können sich bräunlich-fleckige Pigmentierungen
(Melanose), Follikulitis und Akne entwickeln. Auf derartig veränderter Haut, aber auch ohne dieses Vorstadium, ist die Entstehung
einzelner oder multipler verschieden großer sogenannter Teer- oder Pechwarzen, die sich von der Verruca vulgaris nicht unterscheiden,
möglich. Diese Warzen neigen zu karzinomatöser Entartung. Die Pech- und Teerwarzen können nach relativ kurzer Zeit, vielfach
aber erst nach mehreren Jahren, besonders im Gesicht und am Handrücken, mitunter auch am Unterarm, Unterbauch und Skrotum
auftreten. Die Expositionszeit bis zur Entstehung von Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigender Hautveränderungen durch die
genannten Stoffe beträgt in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte. Auch nach Wegfall der Exposition ist diese Entwicklung
möglich. Die Latenzzeit, in der sich aus den Teer- oder Pechwarzen Karzinome entwickeln können, beträgt durchschnittlich 3
bis 4 Jahre.
Differentialdiagnostisch sind die Alterskeratose und karzinomatöse Veränderungen, die nicht auf die Einwirkung obengenannter
Stoffe zurückzuführen sind, zu erwägen.
Vor diesem Hintergrund erfüllt der Kläger weder die arbeitstechnischen noch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen.
Anhand der Angaben des Klägers und der eindeutigen Ermittlungsergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten (Stellungnahmen
vom 6. April 2016 und vom 13. März 2017 sowie Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin vom 25. Juni
2018) ist der Senat im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt,
dass der Kläger im Verlauf seiner beruflichen Tätigkeit Einwirkungen von Bestandteilen von Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen,
Pech oder ähnlichen Stoffen im Sinne der BK 5102 ausgesetzt war.
In der Arbeitsplatzexposition vom 6. April 2016 hatte der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten mitgeteilt, dass
der Kläger zur Ermittlung einer entsprechenden Exposition am 6. April 2016 telefonisch befragt worden war (wie vom Präventionsdienst
in seiner Stellungname vom 13. März 2017 bestätigt) und angegeben hatte, dass er in seinem Berufsleben zu keiner Zeit Umgang
mit Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen der Pech gehabt habe – dies hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. April 2017 wiederum
bestritten. Soweit der Kläger in seiner Klagebegründung und in der Berufungsbegründung ergänzend ausgeführt hat, von 1974-1979
Malerarbeiten ausgeführt zu haben und hierbei indirekt, in einer Bystander-Situation, gegenüber Teer, Asbest und Schweißdämpfen
exponiert gewesen zu sein (durch herabtropfendes Teer von oben auf die darunter arbeitenden Maler, bzw. Asbest-Abrissarbeiten,
Schweißarbeiten an anderer Stelle, während nebenbei Maler gearbeitet haben) verbleiben für den Senat – den Bedenken des Präventionsdienstes
folgend – zumindest Zweifel daran, dass in unmittelbarer Nähe zu schmutzverursachenden Teer- bzw. Abrissarbeiten auch Malerarbeiten
durchgeführt wurden. Zweifel bleiben auch hinsichtlich des Umfangs der möglichen Exposition, der der Kläger dabei gegebenenfalls
ausgesetzt gewesen sein könnte, da zu erwarten wäre, dass beim Herunterfallen von Teerbrocken oder Spritzern die Maler versucht
hätten, dem auszuweichen bzw. sich zu schützen, worauf auch der Sachverständige Dr. F zutreffend verwiesen hat. Die weitere
Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen, insbesondere eine Sachaufklärung durch Zeugenvernehmung, ist dem Senat
nicht möglich, da der Kläger keine Zeugen anzugeben vermochte.
Bezüglich Epoxidharz liegt keine relevante Noxe im Sinne der BK 5102 der
BKV vor. Der Senat verweist hierzu auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§
153 Abs.
2 SGG). Gleiches gilt für Phosphorfarbe und die weiteren durch den Kläger benannten Produkte, da es sich nicht um Ruß, Rohparaffin,
Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe handelt. Der Senat stützt sich hierbei auf die Expositionsanalyse des Präventionsdienstes
der Beklagten.
Auch soweit der Kläger eine Exposition gegenüber Asbest behauptet, handelt es sich nicht um eine Exposition im Sinne der BK
5102. Asbestexpositionen werden durch die Listen-BKen ausschließlich im Rahme von Atemwegserkrankungen, konkret mit den BK
– Nrn.
4103
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- Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura
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4104
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- Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose)
- in Verbindung mit durch Asbeststaub
|
4105
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- durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells
oder des Pericards
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4114
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- Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis
der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent entspricht
|
erfasst.
Auch eine Exposition gegenüber Arsen bei der möglichen Verarbeitung von Holzschutzmitteln, wie sie vom Sachverständigen Dr.
F aufgeworfen wurde, ist nicht einschlägig für die hier streitige BK 5102. Vielmehr wird eine Arsenexposition durch die BK
1108 „Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen“ erfasst, worauf der Sachverständige zutreffend verwiesen hat.
Selbst wenn der Kläger tatsächlich unter den von ihm beschriebenen Arbeitsbedingungen tätig gewesen wäre, würde es dann zumindest
an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen fehlen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die beim Kläger aufgetretenen
Basalzellkarzinome rechtlich wesentlich durch die von ihm behaupteten beruflichen Tätigkeiten verursacht worden sind.
Dr. F hat hierzu darauf verwiesen, dass es beim Arbeiten mit kurzärmeligen Hemden und von oben durch Ritzen durch herabfallende
Teerspritzer zu kleineren Verbrennungen an den betroffenen Hautstellen kommen kann. Insoweit verzeichnete der Sachverständige
nach ambulanter hautärztlicher Untersuchung des Klägers, dass kleine Verbrennungen beim Kläger lediglich reizlose Narben hinterlassen
haben, jedoch keine Hypo- oder Hyperpigmentierungen. Insbesondere Teerwarzen, die durchaus nach relativ kurzer Zeit, vielfach
aber auch erst nach mehreren Jahren, zur karzinomatösen Entartung neigen, waren beim Kläger weder anamnestisch angegeben oder
dokumentiert noch waren sie hinweisartig bei der Untersuchung festzustellen gewesen. Ebenso fehlte es beim Kläger an den sonstigen
im Merkblatt zur BK 5102 genannten Merkmalen des Krankheitsbildes in Form bräunlich-fleckige Pigmentierungen (Melanose), Follikulitis
(Haarbalkentzündungen) oder Akne als Vorstufen möglicher durch entsprechende Expositionen im Sinne der BK 5102 ausgelöster
Hautveränderungen. Auch wenn derartige Vorstufen zwar theoretisch - wie angegeben - auch fehlen können, so ist es im Falle
des Klägers als wenig wahrscheinlich anzusehen, so der Sachverständige, dass bei einer Menge von sieben Basaliomen keine Vorstufen
zu sehen gewesen sein sollten. Die geforderte Melanose ist nie dokumentiert worden und auch bei der Untersuchung nicht festzustellen
gewesen. Der Sachverständige verweist zudem zutreffend darauf, dass die Prädiketionsstellen der Basaliome keinen direkten
Zusammenhang zu den möglichen, beruflich bedingten Kontaktstellen des Klägers aufweisen, denn z.B. an den (Unter-) Armen des
Klägers fanden sich keine Basaliome.
Zum weiteren Vorbringen des Klägers aus der Klagebegründung zeigte Dr. F hinsichtlich des Abbrennens von Farbe auf, dass auch
dies (lediglich) zu den beim Kläger verbliebenen reizlosen Narben geführt haben kann. Durch das Arbeiten mit Glasgewebe, das
Anbringen von Phosphoranstrichen, das Arbeiten in der Nähe von Schnellkleber verarbeitenden PVC-Fussbodenverlegern sowie in
der Nähe zu Schweißarbeiten an Metalleisengeländern, bei der Verwendung lösungsmittelhaltiger Grundierung, beim Arbeiten mit
Epoxid-Harz auf 2-Komponenten-Basis, bei der Beschichtung von Werkhallenfußböden mit der Grundierung Sikafloor 156 und Anstrichfarbe
Sikafloor 261 sind keine bleibenden (Haut-)Schäden zu erwarten. Da dem Merkblatt zur BK 5102 keine davon abweichenden Bewertungen
zu entnehmen sind, erachtet der Senat die fachmedizinischen Ausführungen des Sachverständigen Dr. F als schlüssig und nachvollziehbar.
Letztlich verweist der Sachverständige nachvollziehbar, unter Benennung wissenschaftlicher Quellen, darauf, dass im Rahmen
der BK 5102 Maler nicht zu den typischen Berufsgruppen zählen, die mit den einschlägigen Noxen der BK 5102 in Kontakt treten.
Soweit bereits eine haftungsausfüllende Kausalität nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, verweist der
Sachverständige zudem auf das Vorliegen einer konkurrierenden Ursachen, die in vermehrter UV Exposition zu sehen ist. Deutliche
Zeichen hierfür hat der Sachverständige beim Kläger in Form tiefer Falten, Teleangiektasien, Hypo- und Hyperpigmentierungen,
Atrophien und die sogenannten Cutis rhomboidalis nuchae (Photodermatose) festgestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, §
160 Abs.
2 SGG.