Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf Freistellung von den Kosten für eine Versorgung mit einem
Echthaarteil nach Maßanfertigung hat.
Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Eine notwendige Chemotherapie im Jahr 2018
führte zu einem vollständigen Haarverlust des Kopfes.
Die Klägerin beantragte am 19.06.2018 unter Vorlage eines Kostenvoranschlages für ein Echthaarteil nach Maßanfertigung der
Firma E. GmbH und einer Verordnung des Facharztes für Onkologie Dr. T. vom 23.05.2018 über die Versorgung mit einem „med.
Echthaarersatz bei Langzeittherapie“ die Kostenübernahme für ein handgeknüpftes Echthaarteil zu einem Preis von 1.585,00 €.
Die Beklagte genehmigte daraufhin die Kostenübernahme für eine Kunsthaarperücke bis zu einem Höchstbetrag von 404,60 Euro
mit Bescheid vom 19.06.2018. Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Ein Anspruch auf eine Echthaarperücke bestehe nur dann,
wenn eine Versorgung mit einer Kunsthaarperücke aus medizinischer Sicht im Einzelfall nicht möglich sei. Etwaige Mehrkosten
für die Versorgung mit Echthaarersatz müsse sie in eigener Verantwortung tragen.
Die Klägerin hat sich die Perücke daraufhin auf eigene Kosten selbst beschafft. Die Beklagte hat den bewilligten Teilbetrag
in Höhe von 404,60 € direkt gegenüber dem Leistungserbringer abgerechnet. Aus der Rechnung der Firma E. GmbH vom 25.06.2018
ergibt sich nach Abzug des Krankenkassenzuschusses in Höhe von 404,60 € noch ein offener Rechnungsbetrag in Höhe von 1.180,40
€. Dieser wurde bisher von der Klägerin noch nicht gezahlt.
Gegen den Bescheid vom 19.06.2018 legte die Klägerin am 28.06.2018 Widerspruch ein. Frauen mit vollständigem Haarverlust stünde
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich eine Versorgung mit Echthaarersatz als unmittelbarer Behinderungsausgleich
zu. Ihr stehe die vollständige Erstattung der Kosten für den handgefertigten Haarersatz zu.
Die Beklagte bat daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) um eine Stellungnahme zur Frage der Erfüllung
der medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung. Der MDK (Dr. N.) gelangte in seiner Stellungnahme vom 09.07.2018
zu der Frage „Perücke in Maßkonfektion Echthaar“ zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung
erfüllt seien. In der sozialmedizinischen Beurteilung heißt es, dass aufgrund des Haarverlustes die medizinische Indikation
zur Versorgung mit einer Perücke bestehe, jedoch keine Indikation für eine bestimmte Art von Perücke. Sowohl Teil- als auch
Echthaarperücken würden seit Bekanntmachung des GKV Spitzenverbandes vom 15.01.2018 zur Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenkassen gehören. Dies werde durch die BSG-Rechtsprechung „Deshalb haben unter Kahlköpfigkeit leidende Frauen regelmäßig einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf
Versorgung mit einer Echthaarperücke“ noch untermauert.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2018 als unbegründet zurück. Um eine wirtschaftliche
Versorgung zu gewährleisten, habe die Beklagte vertragliche Vereinbarungen geschlossen, die die Versorgung mit einer optisch
einwandfreien Kunsthaarperücke mit ausreichendem Tragekomfort in Höhe des Betrages von 404,60 € sicherstelle. Bei einer darüberhinausgehenden
aufwendigeren Versorgung würden diese Kosten in den eigenverantwortlichen Bereich fallen. Der MDK komme in seinem Gutachten
zu dem Ergebnis, dass die sozialmedizinische Notwendigkeit zur Nutzung einer Echthaarperücke nicht zwingend vorliege. Eine
alternative Kunsthaarperücke sei daher ausreichend und zweckmäßig. Die Versorgung mit einer Echthaarperücke sei somit nicht
erforderlich im Sinne von §
33 SGB V. Die Mehrkosten für die Echthaarperücke könnten daher nicht von der Beklagten übernommen werden, da sie das Maß des Notwendigen
im Hinblick auf die Grundversorgung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung überschreiten würden.
Die Klägerin hat am 07.11.2018 unter Beibehaltung ihres Begehrens Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie habe Anspruch
auf eine über den Betrag in Höhe von 404,60 € hinausgehende Bezuschussung. Der Rechtsprechung des BSG Az.: B 3 KR 3/14 Rn. 27,28 sei zu entnehmen, dass unter Kahlköpfigkeit leidende Frauen regelmäßig einen Anspruch gegen ihre
Krankenkasse auf Versorgung mit einer Echthaarperücke hätten. Echthaarperücken seien aber zu diesem Preis nicht erwerbbar.
Für den gewährten Betrag in Höhe von 404,60 € sei keine Versorgung mit ausreichendem und zweckmäßigen medizinischen Echthaarersatz
möglich. Davon könne allenfalls eine Kunsthaarperücke im untersten Preissegment erworben werden, jedoch kein medizinischer
Haarersatz, wie er bei krankheitsbedingtem Bedarf notwendig sei.
Die Beklagte hat hingegen vorgetragen, die Versorgung der Klägerin könne mit einer optisch einwandfreien Kunsthaarperücke
mit ausreichendem Tragekomfort von der Beklagten in Höhe des bewilligten Betrages von 404,60 € sichergestellt werden. Die
Mehrkosten der begehrten Echthaarperücke könnten dagegen nicht übernommen werden. Im Übrigen seien Echt- und Kunsthaarperücken
vom äußerlichen Erscheinungsbild nicht zu unterscheiden, sofern sie handgeknüpft seien und die gleichen Monturen aufweisen
würden. Kunsthaarperücken seien darüber hinaus leichter als Echthaarperücken, was den Tragekomfort wesentlich erhöhe. Zudem
habe die Beklagte den MDK eingeschaltet, der in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die sozialmedizinische
Notwendigkeit zur Nutzung einer Echthaarperücke nicht zwingend vorliege. Der MDK-Gutachter weise darauf hin, dass eine Versorgung
mit einer Kunsthaarperücke ausreichend und zweckmäßig wäre. Nach Auffassung der Beklagten könne eine Versorgung mit einer
Echthaarperücke nur angezeigt sein, wenn nach Auswahl des geeigneten Basismaterials ein Haarersatz aus Kunsthaar wegen einer
nachgewiesen allergischen Reaktion oder anderer nachgewiesener krankheitsbedingter Unverträglichkeiten nicht einsetzbar sei.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.12.2019 stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2018
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2018 sei aufzuheben und die Beklagte zur Freistellung der Klägerin von den
Verbindlichkeiten gegenüber der Firma E. GmbH gemäß der Rechnung 25.06.2018 in Höhe von 1.180,50 € für die selbstbeschaffte
Echthaarperücke zu verurteilen. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V). Danach seien, wenn eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder – wie hier –
eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und den Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien, diese
von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei. Nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) sei anerkannt, dass §
13 Abs.
3 SGB V neben dem Kostenerstattungsbegehren einen Freistellungsanspruch enthalte, wenn der Versicherte einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung
ausgesetzt sei. Dies sei hier der Fall.
Die Voraussetzung des §
13 Abs.
3 SGB V seien erfüllt. Die Beklagte habe die beantragte Versorgung mit einer Echthaarperücke im Jahr 2018 zu Unrecht abgelehnt. Es
gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin die Echthaarperücke bereits vor der (teilweisen) ablehnenden Entscheidung
der Beklagten vom 19.06.2018 beschafft habe, insbesondere da sowohl der Antragseingang und die Antragsablehnung auf einen
Tag fielen. Die Leistungsablehnung sei zu Unrecht erfolgt, da die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte Leistung gehabt
habe. Die Selbstbeschaffung eines erforderlichen Hilfsmittels durch den Versicherten nach Ablehnung des Leistungsantrags durch
die Krankenkasse könne nur dann zu einem Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch führen, wenn dem Versicherten ein entsprechender
Sachleistungsanspruch zugestanden habe. Nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V in Verbindung mit §
33 Abs.1 Satz 1
SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln,
die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen
oder - wie im Fall der Klägerin - eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens anzusehen oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen seien. Bei der hier begehrten Perücke handele es sich weder um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen
Lebens noch liege ein Ausschluss nach §
34 Abs.
4 SGB V vor.
Die Echthaarperücke sei auch im Einzelfall erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
stelle der totale Haarverlust bei einer Frau eine Behinderung im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V dar.
Zwar gehe auch die Beklagte zutreffend davon aus, dass der vollständige Haarverlust der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung
eine Behinderung im Sinne der genannten Vorschriften darstelle und die Klägerin deshalb Anspruch auf angemessene Hilfsmittelversorgung
durch Haarersatz habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne die Klägerin jedoch nicht auf eine Versorgung mit einer
Kunsthaarperücke zu einem Festbetrag verwiesen werden, da unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe die Versorgung
mit einer Kunstperücke zu einem Festbetrag nicht als zweckmäßige Versorgung der Klägerin anzusehen sei. Zum Ausgleich ihrer
Behinderung sei vielmehr die Versorgung mit einer Echthaarperücke erforderlich (§
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V), wirtschaftlich (§ 2Abs.
1 Satz 1, §
12 Abs.
1 SGB V) und überschreite nicht das Maß des Notwendigen. Zwar setze die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bei einer Frau nicht
voraus, dass ihr ursprüngliches Aussehen durch den Haarersatz so weit wie möglich wiederhergestellt werde; Ziel der Hilfsmittelversorgung
sei nicht die möglichst umfassende Rekonstruktion des verloren gegangenen früheren Zustands, sondern nur die Gewährleistung
der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Daraus folge z.B., dass auch der Wunsch einer Versicherten nach einer bestimmten
Frisur dann nicht maßgeblich sei, wenn er mit Mehrkosten verbunden sei. Der Behinderungsausgleich umfasse daher nur die Versorgung,
die notwendig sei, um den Verlust des natürlichen Haupthaares für einen unbefangenen Beobachter nicht sogleich erkennbar werden
zu lassen. Um diesen Zweck zu erreichen, sei nach der Rechtsprechung des BSG bei Frauen mit totalem Haarverlust aber gerade die Versorgung mit einer Echthaarperücke notwendig, da nur eine solche – im
Gegensatz zu einer Kunsthaarperücke – eine Qualität aufweise, die den Verlust des natürlichen Haupthaares für einen unbefangenen
Beobachter nicht sogleich erkennen lasse und damit geeignet sei, die Behinderung auszugleichen. Soweit der MDK (Dr. N.) in
seiner Stellungnahme vom 09.07.2018 in der „sozialmedizinischen Beurteilung“ aufführe, dass aufgrund des Haarverlustes die
medizinische Indikation zur Versorgung mit einer Perücke bestehe, eine Indikation für eine bestimmte Art von Perücke jedoch
nicht bestehe, sei dem nicht zu entnehmen, dass er im Fall der Klägerin eine Versorgung mit einer Kunsthaarperücke für ausreichend
und zweckmäßig erachtet habe. Hierzu würden jegliche Ausführungen fehlen. Vielmehr führe der Gutachter des MDK ausdrücklich
auf, dass sowohl Teil- als auch Echthaarperücken seit Bekanntmachung des GKV Spitzenverbandes vom 15.01.2018 zur Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenkassen gehörten und dies durch die BSG-Rechtsprechung „Deshalb haben unter Kahlköpfigkeit leidende Frauen regelmäßig einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf
Versorgung mit einer Echthaarperücke“ noch untermauert werde. Nach dem ausdrücklichen Gutachtenergebnis siehe er offenbar
die Voraussetzungen für eine „Perücke in Maßkonfektion Echthaar“ als erfüllt an. Nach alledem habe die Klägerin grundsätzlich
beanspruchen können, von der Beklagten im Wege der Sachleistung mit einer Echthaarperücke versorgt zu werden. Dem sei sie
nicht nachgekommen und habe mit Bescheid vom 19.06.2019 damit „zu Unrecht“ im Sinne von §
13 Abs.
3 SGB V die Gewährung der begehrten Perückenversorgung abgelehnt mit der Folge, dass die Klägerin nach dieser Vorschrift einen entsprechenden
Anspruch gegen die Beklagte auf Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Leistungserbringer in Höhe der noch ausstehenden
Kosten der Selbstbeschaffung der Echthaarperücke von 1.180,40 € (ein von der Klägerin gemäß §
33 Abs.
8 SGB V zu tragendem Eigenanteil von 10,00 € sei aufgrund der Befreiung von der Zuzahlung nicht zu leisten) habe. Der Anspruch sei
auch nicht begrenzt, insbesondere auf einen vereinbarten Festbetrag für Echthaarperücken. Zwar hätten Versicherte gemäß §
33 Abs.
1 Satz 5
SGB V die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen, wenn sie Hilfsmittel wählten, die über das Maß des
Notwendigen hinausgingen, womit das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs.
1 SGB V konkretisiert werde, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten und das Maß des Notwendigen
nicht überschreiten dürften und Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, Versicherte nicht beanspruchen
könnten, die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen dürften. Im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs
nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V bzw. eines Freistellungsanspruchs seien die Kosten aber "in der entstandenen Höhe" zu erstatten, wenn die Leistung notwendig
gewesen sei. Es komme auf die Notwendigkeit der Sachleistung an, für die die Kosten aufgewandt worden seien, nicht auf die
Unvermeidlichkeit der Kosten auch der Höhe nach. Die Sachleistung „Echthaarperücke“ sei aber nach den vorstehenden Ausführungen
dem Grund nach notwendig. Damit seien auch die entstandenen Kosten nach der unberechtigten Leistungsablehnung in vollem Umfang
– ohne Anbindung an einen Festbetrag – zu erstatten.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 06.12.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 30.12.2019 Berufung eingelegt. Die Klägerin
sei von vornherein auf eine bestimmte Echthaarperücke fixiert gewesen. Die Mindesttragedauer sei letztlich eine Frage der
Qualitätsanforderung und könne kein Auswahlkriterium sein, da eine Folgeversorgung jeweils vom Zustand des Hilfsmittels abhängig
sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei nicht die möglichst umfassende Rekonstruktion des verloren gegangenen Zustands des Haars zu gewährleisten, sondern nur
die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies sei mit einer Kunsthaarperücke zum Vertragspreis gewährleistet. Nur in Fällen
von allergischen Reaktionen auf die Kunsthaarperücke könne anderes gelten. Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 02.12.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Festbetrag für Echthaarperücken 934,15 Euro betrage.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und hat verschiedene Urteile andere Gerichte übersandt, um ihre
Ansicht zu stützen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen.
Zumindest im Falle der hier vorliegenden Langzeittherapie (vgl. ärztliche Verordnung vom 23. Mai 2018, Bl. 2 der Verwaltungsakte)
ist nach Ansicht des Gerichts regelmäßig von der Erforderlichkeit einer Echthaarperücke auszugehen. In diesem Sinne versteht
das Gericht die Ausführungen in der genannten Entscheidung des BSG (Urt. v. 22.04.2015 – B 3 KR 3/14 R, Rn. 28). Zudem resultiert dies auch aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Verbindung mit der deutlich längeren Haltbarkeit
einer Echthaarperücke (vgl. Sächsischen LSG, Urt. v. 15.08.2019, L 9 KR 728/17; Sozialgericht Dresden, Gerichtsbescheid v. 18.02.2021 - S 18 KR 304/18). Aus den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden (Gerichtsbescheid v. 18.02.2021 - S 18 KR 304/18) ergibt sich unter Auswertung entsprechender fachkundiger Quellen für das Gericht gut nachvollziehbar, dass die Haltbarkeit
einer Echthaarperücke deutlich über die einer Kunsthaarperücke hinausgeht und daher die Ausführungen der Beklagten in der
Berufungsbegründung nicht zu überzeugen vermögen.
Allerdings ist der Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaarperücke durch die Beklagte regelmäßig durch die Gewährung des
dafür ausgehandelten Festbetrages erfüllt. Dies hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 24. Februar 2020 entschieden
(L 1 KR 79/19), in dem er ausgeführt hat:
„Die generelle Behauptung, dass die zwischen dem Verband der Ersatzkassen e.V. – dem die Beklagte angehört – und dem BVZ –
dem der LE angehört, bei dem sich die Klägerin die Echthaarperücke selbst beschafft hat – vertraglich vereinbarten Preise
wirtschaftlich ruinös für die LE seien und eine Versorgung der Versicherten hierzu nicht möglich sei, vermag nichts an der
vom SG fehlerfrei dargelegten Rechtslage zu ändern, wonach die Beklagte die Sachleistungsansprüche ihrer Versicherten dadurch erfüllt,
dass sie durch Vertragsabschlüsse mit LE, deren vertragsgemäße Lieferungen und Übernahme des Vertragspreises abzüglich des
gesetzlichen Eigenanteils die entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung stellt.
Abgesehen davon ist die Behauptung der Klägerin auch der Sache nach durch nichts belegt. In dem von ihr selbst zur Akte gereichten
Informationsschreiben des BVZ vom 14. Juni 2018 wird bekräftigt, dass es seinen Mitgliedern möglich sein müsse, eine hinreichende
Auswahl an Echthaar-Modellen oder Kunsthaar-Modellen mit längerer Nutzungszeit für brutto 934,15 € abzugeben. Es erscheint
auch wenig realistisch, dass der zuständige Verband Verträge zu Bedingungen abschließt, die die eigenen Mitglieder ruinieren
würde. Damit würde er seine eigene Existenz untergraben. Hieran vermögen auch die von der Klägerin überreichten formularmäßigen
Erklärungen einiger LG, wonach eine Versorgung erst zu einem deutlich höheren Preis von – mit großer Bandbreite genannten
– 1150,00 € bis 2000 € (netto!) möglich sei, sowie der Hinweis auf die von ihr zitierten gerichtlichen Entscheidungen nichts
zu ändern. Schon die stark schwankenden Angaben zeigen, dass diese interessengeleitet und nicht fundiert realitätsbezogen
sein dürften. Die den im Berufungsverfahren zitierten Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte betrafen jeweils Echthaar-Perücken
zu ebenfalls deutlich variierenden Preisen von 1199,00 €, 1585,00 und 1785,00 €, wobei der Streit sich jeweils darum drehte,
ob ein Anspruch auf Versorgung mit einer Echthaar- statt einer Kunsthaarperücke bestand. Auch vor diesem Hintergrund erscheint
die Grundlage für die Äußerungen des 5. Senats des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 19. September 2019 vorliegend nicht einschlägig.
Derselbe Senat hat im Übrigen in seinem Urteil vom 19. September 2019 – L 5 KR 121/17 – sogar ausdrücklich festgestellt, dass grundsätzlich nur ein Anspruch auf Erstattung der vereinbarten Vertragspreise besteht,
und lediglich im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen darüber hinausgehenden Erstattungsanspruch im Einzelfall
bejaht, weil die dort beklagte Krankenkasse ebenso wie der LE, dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen müsse, die dahingehende
Beratungspflicht verletzt habe, die dortige Klägerin darüber aufzuklären, dass sich der LE gegenüber der Beklagten vertraglich
verpflichtet hatte, die Leistungsempfänger zu den dort genannten Vertragspreisen zu versorgen. Hiervon kann im vorliegenden
Sachverhalt keine Rede sein. Der LE hat in seiner Beratungsdokumentation mitgeteilt, er habe der Klägerin Versorgungsmöglichkeiten
zu Vertragspreisen/Zuschüssen angeboten, was im Übrigen auch impliziert, dass Versorgungsmöglichkeiten zum Vertragspreis bestanden
haben, wobei die Klägerin zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt hat, warum diese nicht ausreichend sein sollten. Die Beklagte wiederum
hat in ihrem vor der Selbstbeschaffung erteilten Bescheid auf die Höhe des Zuschusses hingewiesen, zu dem eine angemessene
Versorgung gewährleistet sei.“