Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Anpassung des individuellen Leistungsbudgets (ILB) der Klägerin für das Quartal 2/2014.
Die Klägerin nimmt im Bezirk der Beklagten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im streitbefangenen Quartal waren sie
noch als Gemeinschaftspraxis von Dr. Z. und Dr. M. tätig, die je einen Vertragsarztsitz innehatten. Auf zwei weiteren Vertragsarztsitzen
waren Dr. V. und Frau M1 als angestellte Ärztinnen tätig. Frau K. war zunächst als weitere angestellte Ärztin in der Praxis
tätig, gab diese Tätigkeit aber zum 28. Februar 2014 auf.
Die Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 24. März 2014 über ihr ILB für das Quartal 2/2014. Das ILB für Dr.
M. betrage 42.631,16 Euro, für Dr. V. 35.658,87 Euro, für Frau M1 34.180,53 Euro, für Frau K. 14.841,22 Euro und für Dr. Z.
42.787,72 Euro.
Die Klägerin beantragte am 17. Juni 2014 u. a. die Übertragung des ILB für Frau K. in Höhe von 14.841,22 Euro für das Quartal
2/2014 aus Sicherstellungsgründen auf Dr. Z. und Dr. M.. Die seit dem Ausscheiden von Frau K. freie Stelle habe noch nicht
nachbesetzt werden können. Der Zulassungsausschuss habe die Frist zur Nachbesetzung bis Ende 2014 verlängert. Die Versorgung
der Versicherten in der Übergangszeit sei durch Dr. Z. und Dr. M. sicher zu stellen.
Mit Bescheid vom 19. November 2014 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin für das Quartal 2/2014 fest. Das ILB wurde
mit 155.258,28 Euro zugrunde gelegt, ohne eine Übertragung des ILB von Frau K. zu berücksichtigen. Die angeforderte Vergütung
betrug 193.830,87 Euro. Der das ILB überschreitende Betrag in Höhe von 38.572,59 Euro wurde quotiert mit 4.498 Euro vergütet.
Der Bescheid enthielt ferner den Hinweis, dass eine Anpassung des ILB wegen besonderer Sachverhalte schriftlich bis zum bestandskräftigen
Abschluss des betreffenden Quartals zu beantragen sei. Zusätzlicher Widersprüche gegen den vorliegenden Honorarbescheid bedürfe
es nicht. Nachvergütungen aufgrund von Antragsverfahren erfolgten auch noch nach ansonsten bestandskräftigem Abschluss des
Quartals.
Den Antrag vom 17. Juni 2014 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Dezember 2014 ab. Nach § 19 des Verteilungsmaßstabes
(VM) könne eine Anpassung des ILB bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Grundes wie etwa der Krankheit des Arztes im Vorjahresquartal,
der zu einem außergewöhnlich niedrigen ILB geführt habe, oder aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Diese Voraussetzungen
lägen nicht vor. Es seien im Quartal 2/2014 nicht wesentlich mehr Patienten als im Vorjahresquartal versorgt worden. Dr. Z.
habe im Vergleich zum Vorjahresquartal 11 mehr Fälle (+1 %) und Dr. M. 48 weniger Fälle (–5 %) versorgt. Dies stelle keine
außergewöhnliche starke Erhöhung dar, die zu einer Anpassung des ILB aus Gründen der Sicherstellung zwinge.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 5. Januar 2015 Widerspruch ein. Die Beklagte habe allein auf die Fallzahlen von Dr.
Z. und Dr. M. abgestellt, aber die angestellten Ärzte außer Acht gelassen. Es gehe hier nicht um eine originäre Erhöhung des
ILB, sondern um eine Fortführung des bisher zugewiesenen ILB trotz Vakanz einer Arztstelle im Quartal 2/2014. Der Hinweis
auf eine notwendige wesentliche Erhöhung der Fallzahl sei daher nicht relevant.
Die Beklagte teilte daraufhin die Fallzahlen aufgeschlüsselt nach Ärzten und Ärztinnen wie folgt mit:
|
02/2013
|
02/2014
|
Veränderung
|
Dr. M.
|
989
|
941
|
– 48
|
Dr. Z.
|
943
|
954
|
+ 11
|
Frau M1
|
787
|
896
|
+ 109
|
Dr. V.
|
689
|
772
|
+ 83
|
Frau K.
|
287
|
0
|
– 287
|
Gesamt
|
3.695
|
3.563
|
– 132
|
Gesamt (ohne Frau K.)
|
3.408
|
3.563
|
+ 155
|
Nach Auffassung der Beklagten hätten die verbliebenen Kollegen nach dem Austreten von Frau K. praxisintern 246 Fälle übernommen.
Hierbei habe es sich nach der Best-of-Regelung im Vergleich zur Basisfallzahl (+7,4 %) sowie zur durchschnittlichen Fallzahl
der Fachgruppe (+8 %) nicht um eine außergewöhnlich starke Erhöhung gehandelt, die eine Anpassung des ILB aus Gründen der
Sicherstellung rechtfertige.
Die Klägerin trug ergänzend vor, dass sich aus den von der Beklagten vorgelegten Zahlen ergebe, dass praxisintern 246 von
287 Fälle übernommen worden seien und Versorgungskontinuität innerhalb der Praxis vorliege. Insofern liege eine Versorgungsübernahme
zur Sicherstellung vor. Das ILB müsse daher weiterhin nach den Leistungen der Praxis bemessen werden, habe sich durch die
Kündigung von Frau K. aber verringert. Zumindest liege ein Härtefall nach dem VM vor.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2015 zurück. Verlasse ein Arzt die Praxis
entfalle regelmäßig sein arztbezogenes ILB für die Praxis. Ausnahmsweise werde das ILB der Praxis angepasst, wenn sie die
Patienten des ehemaligen Mitgliedes der Praxis übernehme und dadurch eine Fallzahlsteigerung von 10 % erreicht werde, wobei
die 10 % am Vorjahresquartal der Praxis oder mindestens am Fachgruppendurchschnitt zu messen seien. Diese Voraussetzung habe
bei der Klägerin nicht vorgelegen. Auch bei einem Überschreiten der Steigerungsgrenze von 10 % werde eine ILB-Anpassung unter
dem Aspekt eines Härtefalles nur vorgenommen, wenn die Vergütungsquote der Praxis unter dem Fachgruppendurchschnitt liege.
Auch dies sei hier nicht der Fall, weil die Vergütungsquote der Klägerin mit 82,42 % über der Fachgruppenquote von 77,88 %
liege. In dieser Situation würde sich auch bei Erreichen der erforderlichen Fallzahlsteigerung keine Nachvergütung ergeben.
Die dargelegte Systematik der Berechnung sei mit den Gremien der Beklagten, insbesondere dem Beratenden Fachausschuss Hausärzte
diskutiert und vom Fachausschuss bevorzugt worden.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 27. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Patienten von
Frau K. seien ganz überwiegend von den verbleibenden Ärzten behandelt worden. Die von der Beklagten dargestellte Zehn-Prozent-Regelung
könne bei einer Veränderung der Versorgungsstruktur außerhalb der betreffenden Praxis vertretbar sein, um eine normale Patientenfluktuation
von einer, die aus einer Änderung der Versorgungsstrukturen resultiere, abzugrenzen. Den Fall einer vorübergehend vakanten
Arztstelle bilde diese Regelung jedoch nicht ab. Der VM stelle für die Zuweisung von ILB nicht auf den einzelnen Arzt, sondern
auf die Praxis ab (§ 15 Abs. 1 und 2 VM). Die ILB der arztgruppengleichen Ärzte einer Praxis seien gegenseitig verrechenbar.
Es käme daher auch für die Frage der Sicherstellung nicht auf die Fallzahlen einzelner Ärzte, sondern darauf an, ob die Praxis
insgesamt ihrem Versorgungsauftrag weiterhin voll nachgekommen sei. In ständiger Rechtsprechung werde ein Vakanzzeitraum von
sechs Monaten gebilligt, bevor das Bild der tatsächlichen Versorgung als verfälscht angesehen werde. Auch die Beklagte gehe
wohl davon aus, dass bei einer Nachbesetzung innerhalb von sechs Monaten das ILB des Vorgängers wegen Fortführung zuzuweisen
sei. Die von der Beklagten geltend gemachte Fallzahlsteigerung von 10 % zur Annahme eines Härtefalles sei schon nach dem Wortlaut
des § 19 VM auf die einzelnen Ärzte und nicht die Praxis insgesamt zu beziehen. Der Verteilungsmaßstab differenziere gerade
zwischen diesen Begriffen. In der Auslegung der Beklagten enthalte der VM für die Versorgungsübernahme innerhalb einer Praxis
keine Regelung und müsse ein ungeschriebener Härtefall angenommen werden. Im Falle des Ausscheidens eines Arztes aus einer
Praxis verringere sich nach den Prämissen der Beklagten das Honorar während es bei der Sicherstellung der Versorgung außerhalb
der Praxis zu einer ILB-Anpassung bei der die Versorgung übernehmenden Praxis käme.
Die Härtefallregelung des BSG stelle zwar auf eine Existenzgefährdung ab. Dies aber nur wenn der Verteilungsmaßstab bereits Härtefallregelungen für die
betreffende Situation abbilde. Werde allerdings § 19 VM so ausgelegt, wie es die Beklagte tue, enthalte der Verteilungsmaßstab
für den Fall einer fortgesetzten Versorgung wegen Wegfalls des Leistungserbringers in der eigenen Praxis keine Regelung mehr.
Die auf die gesamte Praxis abstellende Betrachtungsweise sei nur dann angemessen und verhältnismäßig, wenn die Gewährung von
ILB-Zuschlägen wegen außerhalb der Praxis liegender Besonderheiten geprüft werde. Das Abstellen auf die Praxis sei sicher
berechtigt, wenn eine strukturell unveränderte Praxis Zuschläge wegen einer Versorgungsübernahme beantrage, ohne jedoch mehr
Patienten als im Vorjahresquartal zu behandeln. Hier gehe es darum, dass die Berufsausübungsgemeinschaft die bisher versorgten
Patienten weiter versorge, jedoch mit einem Arzt und damit nach der Beklagten einem ILB weniger. Bei einem Härtefallantrag
könne nicht nach § 19 VM auf die Praxis insgesamt abgestellt werden und bei der Zuweisung eines ILB auf den einzelnen Arzt.
Zudem sei die hausärztliche Versorgung in Neugraben nicht sichergestellt.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dass nach § 16 VM die Bemessung des ILB bei den zugelassenen und ermächtigten Ärzten
arztbezogen und nur bei angestellten Ärzten sitzbezogen zu ermitteln sei. Die Härtefallregelung des § 19 VM beziehe sich trotz
der Verwendung des Begriffs „Arzt“ auch auf Berufsausübungsgemeinschaften. Für die Annahme eines Härtefalls sei daher auch
bei einer Praxis eine Fallzahlsteigerung von 10 % zu verlangen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. April 2018 abgewiesen. Die Bestandskraft des Honorarbescheides der Beklagten
vom 19. November 2014 stehe der Zulässigkeit nicht entgegen. Der Honorarbescheid enthalte entsprechend § 19 Abs. 2 und 3 VM
den Hinweis auf Nachvergütungen aus Antragsverfahren, wenn ein Antrag auf ILB-Anpassung vor bestandskräftigem Abschluss des
Abrechnungsquartals gestellt worden ist. Die Klägerin habe aber keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf ILB-Anpassung
für das Quartal 2/2014. Als angestellte Ärztin habe Frau K. während ihrer Tätigkeit bei der Klägerin nach § 16 Abs. 1 VM ein
sitzbezogenes ILB erhalten, welches mit ihrem Ausscheiden ohne eine Nachfolge entfallen sei. Eine Fortzahlung des ILB sei
danach nur unter den Voraussetzungen des § 19 VM möglich. Dabei sei die Praxis als Ganzes in den Blick zu nehmen. § 19 Abs.
1 VM stelle nach seinem Wortlaut auf die Arztpraxis und nicht auf einzelne Ärzte ab. Systematisch sei dies auch im Hinblick
auf die Verrechenbarkeit der ILB arztgruppengleicher Ärzte einer Arztpraxis bei der Honorarabrechnung nach § 15 Abs. 1 VM
nachvollziehbar.
Nach § 19 Abs. 1 VM könne auf Antrag der Arztpraxis eine Anpassung des ILB bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Grundes im
Vorjahresquartal (z. B. Krankheit des Arztes), der zu einem außergewöhnlich niedrigen ILB des Arztes geführt habe, vorgenommen
werden. Das sei hier angesichts der von der Klägerin erzielten Honorare aus ILB und der Gesamthonorare nicht ersichtlich.
Darüber hinaus könne eine Anpassung des ILB aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs
orientiere sich die Beklagte an dem Beschluss des Bewertungsausschusses nach §
87 Abs.
1 Satz 1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 mit Wirkung zum 1. Juli 2010, Teil F Beschluss gemäß §
87b Abs.
4 Satz 1
SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V mit Wirkung zum 1. Juli 2010. Dort heiße es unter 3.5 u. a., Leistungen könnten über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen
hinaus von der Abstaffellung ausgenommen, d. h. unquotiert vergütet werden, wenn die Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten
Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft oder in der näheren Umgebung der Arztpraxis zu einer außergewöhnlich
starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten geführt habe. Gegen diese Auslegung bestünden keine Bedenken, obwohl
der Beschluss zur Vergütungssystematik der Regelleistungs- und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina und nicht zur Systematik
der ILB ergangen sei. Die zu regelnde Grundkonstellation eines Bedarfs an Budgeterweiterung sei in beiden Systematiken gleich.
Sie betreffe den Fall der Versorgungsübernahme und trage dem legitimen Bedürfnis von Patienten und Patientinnen, wohnortnah
oder sogar in der gleichen Praxis weiter betreut zu werden, wenn der/die bisher behandelnde Arzt/Ärztin nicht mehr tätig sei,
Rechnung. Darüber hinaus sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von einer starken Erhöhung der Fallzahl erst ausgehe,
wenn diese mindestens 10 % im Vergleich zum Vorjahresquartal betrage. Die Zahl der behandelten Patientinnen und Patienten
in vertragsärztlichen Praxen unterliege regelmäßig Schwankungen. Diese seien auch darauf eingestellt, mit geringfügigen Schwankungen
unter 10 % organisatorisch und betriebswirtschaftlich sinnvoll umzugehen. Einer Stützung durch die Beklagte bedürfe es daher
in dem Bereich unter 10 % nicht. Ohne die von Frau K. bearbeiteten Fälle habe die Klägerin im Vorjahresquartal (2/2013) 3.408
Fälle bearbeitet, im streitgegenständlichen Quartal 3.563 Fälle. Dies stelle eine Fallzahlsteigerung von nur 4,5 % dar. Auf
den Umstand, dass die Klägerin in diesem Quartal auch eine Vergütungsquote erreicht habe, die über dem Fachgruppendurchschnitt
gelegen habe, komme es daher nicht mehr an.
Eine Erhöhung des ILB durch Übertragung des ILB von Frau K. auf die Klägerin komme auch unter dem Gesichtspunkt eines ungeschriebenen
oder sonstigen Härtefalls nicht in Betracht. Die von der Klägerin geltend gemachte Ungleichbehandlung von Praxen im Zusammenhang
mit einer Versorgungsübernahme bestehe nicht. Auch wenn die Zahl der Patientinnen und Patienten in einer Praxis ansteige,
weil sie aus einer (ehemaligen) Nachbarpraxis zu übernehmen seien, finde eine Anpassung des ILB erst statt, wenn die Fallzahlsteigerung
10 % im Vergleich zum Vorjahresquartal erreicht habe. Dabei dürfe der Kostenaufwand aufgrund notwendiger organisatorischer
(z. B. betreffend die Patientenunterlagen) und betriebswirtschaftlicher (z. B. die Menge an nichtärztlichem Personal betreffend)
Veränderungen bei der Übernahme von Patientinnen und Patienten aus einer externen Praxis höher ausfallen als bei einer praxisinternen
Übernahme. Eine Besserstellung der Praxen, die Patientinnen und Patienten praxisintern weiter betreuten, nachdem ein Arzt
oder eine Ärztin ausgeschieden sei, sei vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 4. September 2016 zugestellte Urteil am 27. September 2018 Berufung eingelegt. Bei der Auslegung
des Sozialgerichts von § 19 VM sei eine Erfüllung bestehender Versorgungsaufträge nicht mehr mit einer angemessenen Honorierung
möglich. Jedenfalls hätte das Sozialgericht unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilungsgerechtigkeit und dem Recht auf
eine angemessene Honorierung unter Berücksichtigung des HVM-immanenten Härtefallantrages eine Erhöhung des ILB zusprechen
müssen. Nicht nachvollziehbar sei, dass zur Prüfung der Frage, ob eine wesentliche Versorgungsübernahme erfolgt sei, auf die
Praxis als Ganzes abzustellen sei. Die hier vorliegende Situation des Wegfalls eines Leistungserbringers innerhalb der eigenen
Praxis führe jedoch naturgemäß nicht dazu, dass sich die Fallzahl der Praxis insgesamt wesentlich steigere. Die zu einem Bedarf
der Budgetausweitung führende Situation spiele sich hier allein innerhalb der Praxis und im Verhältnis der tätigen Leistungserbringer
ab. Die Budgeterhöhung ginge auch nicht zu Lasten der Arztgruppe. Es sei daher auf die einzelnen Ärzte abzustellen. Dann wären
bei Beachtung des von der Beklagten angelegten Maßstabes einer 10 prozentigen Fallzahlerhöhung jedenfalls die Budgets von
Frau M1 und Frau Dr. V. anzupassen gewesen. Bei beiden sei die individuelle Fallzahl im Quartal 2/2014 um mehr als 10 Prozent
im Vergleich zum Quartal 2/2013 gestiegen. Würde es sich bei den beteiligten Ärzten jeweils um zugelassene Ärzte in Einzelpraxen
handeln, wäre auch nach Auffassung der Beklagten eine ILB-Erhöhung angezeigt. Das Sozialgericht habe hier zu Unrecht die Sachverhalte
eines Wegfalls außerhalb der Praxis und eines Wegfalls innerhalb der Praxis gleichbehandelt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 24. April 2018, den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2014
in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich der erstinstanzlichen Entscheidung an. Die Klägerin rechne ihre Leistungen einheitlich gegenüber
der Beklagten ab und trete ihr wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Es habe sich lediglich
eine Steigerung von 8 % ergeben. Selbst wenn man von einer Fallzahlsteigerung von 10 % hätte ausgehen können, wäre wie bereits
ausgeführt, dadurch keine nachträgliche Vergütung durch die Beklagte errechnet worden, denn die Honorarquote der Klägerin
habe trotz geringerem ILB-Volumen immer noch über dem Fachgruppendurchschnitt (Quote Praxis: 82,43 %/Quote Fachgruppe 77,88
Prozent) gelegen. Die Frage einer Erhöhung des ILB aufgrund eines Härtefalles könne nicht Gegenstand des Antragsverfahrens
nach § 19 VM sein. Die Prüfung zur Erhöhung des ILB aufgrund eines Härtefalles hätte bereits im Rahmen der Anfechtung des
Honorarbescheids stattfinden müssen. Unabhängig davon gebe es auch keine Anhaltspunkte für einen Härtefall, da die Honorarquote
der Klägerin über dem Fachgruppendurchschnitt gelegen habe.
Ein von den Beteiligten im Erörterungstermin am 10. Oktober 2019 geschlossener Vergleich unter Widerrufsvorbehalt wurde von
der Beklagten widerrufen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten
sowie die Sitzungsniederschriften vom 10. Oktober 2019 und 10. November 2021 ergänzend Bezug genommen.
Wie das Sozialgericht ebenfalls zu Recht ausgeführt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für eine Anpassung des ILB allein §
19 Abs. 1 VM in Betracht. Danach kann auf Antrag der Arztpraxis eine Anpassung des ILB bei Vorliegen eines außergewöhnlichen
Grundes im Vorjahresquartal (z. B. Krankheit des Arztes), der zu einem außergewöhnlich niedrigen ILB des Arztes geführt hat,
oder aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Eine Anpassung nach der ersten Alternative kommt vorliegend nicht in Betracht,
da kein außergewöhnlich niedriges Leistungsbudget im Vorjahresquartal vorgelegen hat. Dies wird von der Klägerin auch nicht
geltend gemacht.
Nach § 19 Abs. 1, 2. Alt. VM kann eine Anpassung des ILB auch aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Der bloße Umstand
einer Fallzahlensteigerung vermag per se indes keine ILB-Anpassung aus Sicherstellungsgründen zu rechtfertigen; er führt (lediglich)
zu einer Erhöhung des ILB im entsprechenden Quartal des Folgejahres. Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass sie den Tatbestand
des § 19 Abs. 1 Var. 2 VM nur dann annimmt, wenn eine Fallzahlensteigerung von mehr als 10 % auf eine Versorgungsübernahme
zurückzuführen ist. Dies steht in Übereinstimmung mit der Wertung, die in dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26.
März 2010 in dessen Teil F Abschnitt I Nr. 3.5 zum Ausdruck gebracht wurde und die angesichts des Zwecks der Sicherstellung
der vertragsärztlichen Versorgung ohne weiteres nachvollziehbar ist (so bereits: LSG Hamburg, Urteil vom 19. November 2020
– L 5 KA 26/17 , juris). Das Erfordernis gravierender Veränderungen in der Versorgungsstruktur an eine Versorgungsübernahme mit einer Fallzahlensteigerung
mit mehr als 10 % zu knüpfen, ist nicht zu beanstanden. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Patienten praxisintern
oder von außerhalb übernommen werden. Denn es soll nicht auf jede gewöhnliche Schwankung reagiert werden müssen, die dem Vergütungssystem
nach ILB systemimmanent ist, sondern erst wenn eine außergewöhnliche Abweichung eingetreten ist. Liegt schon keine außergewöhnliche
Versorgungsübernahme vor, ist auch der Grund für die Abweichung nicht mehr zu prüfen.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lag die Fallzahlsteigerung vorliegend bei lediglich 4,5 %, so dass bereits
aus diesem Grund keine Anpassung des ILB aus Sicherstellungsgründen erforderlich ist. Die Beklagte differenziert hierbei noch,
indem sie die Fallzahlsteigerung einerseits im Verhältnis zur Gesamtfallzahl andererseits aber auch im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt
mit 8 % berechnet. Auf die Gründe für die Fallzahlsteigerung – vakante Arztstelle, Unterversorgung – kommt es insoweit nicht
mehr an. Anhaltspunkte für eine Unterversorgung sind im Übrigen aber auch nicht erkennbar.