Zulässigkeit der Bonusregelung der gesetzlichen Krankenversicherung für gesundheitsbewusstes Verhalten; Gesundheitsprämie
für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen; Abgrenzung von Wahltarif und Bonusregelung
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Betriebskrankenkasse, begehrt die Erteilung der Genehmigung einer Satzungsänderung durch die Aufsichtsbehörde
der Beklagten.
Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 6. Dezember 2007 den ersten Nachtragsantrag zur Satzung der
Klägerin. Danach sollte u. a. Artikel I § 15 der Satzung, in dem ein Bonus für gesundheitsbewußtes Verhalten bei Inanspruchnahme
bestimmter Präventionsleistungen (§ 15 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5) im Kalenderjahr geregelt ist, in Satz 9 mit sofortiger Wirkung
wie folgt geändert werden: "Der Bonus wird um eine Gesundheitsprämie erhöht, wenn der Versicherte zusätzlich außer den in
Punkten 1. bis 5. genannten Leistungen, den zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (§§
22 Absatz
1,
55 Absatz
1 Satz 4
SGB V) sowie den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen (§ 12b der Satzung) keine weiteren Leistungen in Anspruch nimmt."
Der Beschluss wurde der Beklagten mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 mit der Bitte um Genehmigung zugeleitet.
Auf eine Sachstandsanfrage hin teilte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 5. März 2008 mit, dass die vorherige Neufassung
von Art. I § 15 Sätze 9 bis 11 vom 29. Oktober 2007 versehentlich genehmigt worden sei. Die Genehmigung hätte nicht erteilt
werden dürfen, da die genannten Regelungen nicht in Einklang mit §
65a Abs.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) stünden und somit keine gesetzliche Grundlage vorhanden sei. Ein Bonus für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen sei nicht
genehmigungsfähig, da eine Leistungsvermeidung kein gesundheitsbewusstes Verhalten darstelle und somit nicht bonifiziert werden
könne.
Mit Bescheid vom 17. März 2008 genehmigte die Beklagte den ersten Nachtrag zur Satzung mit Ausnahme von Art. I § 15 Satz 9
und einer hier nicht streitgegenständlichen Regelung des Art. II. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß §
65a Abs.
1 SGB V die Kasse einen Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten vorsehen könne. Ein Bonus bei der Nichtinanspruchnahme von Leistungen
sei hiervon allerdings nicht erfasst, zumal gerade die Inanspruchnahme von Präventionsleistungen durch den Bonus angeregt
werden solle und die Leistungsvermeidung kein gesundheitsbewusstes Verhalten darstelle. Hinsichtlich des weiteren Inhalts
des Bescheides wird auf die Ausfertigung auf Bl. 116ff. der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Die Klägerin hat am 15. April 2008 bei dem Sozialgericht Kassel Klage erhoben, die mit Beschluss vom 9. Juni 2008 an das Hessische
Landessozialgericht in Darmstadt verwiesen worden ist.
Die Klägerin ist der Rechtsansicht, dass Art. I §
15 Satz 9 der Satzung genehmigungsfähig sei. Dies folge aus §§ 65a
SGB V, 195
SGB V in Verbindung mit §
90 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (
SGB IV). Mit der streitigen Regelung werde das gesundheitsbewusste Verhalten der Versicherten besonders belohnt, wenn die Versicherten
gerade infolge der regelmäßigen Inanspruchnahme von Angeboten zur Früherkennung von Krankheiten, zur primären Prävention sowie
der Inanspruchnahme der durch die Ständige Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen keine weiteren Leistungen in Anspruch
nähmen. Damit werde das gesundheitsbewusste Verhalten der Versicherten über die bereits ausgelobten Anreize hinaus belohnt.
Der Bonus werde damit erweitert und aufgewertet und somit ein starker Anreiz zur Inanspruchnahme der in § 15 genannten Leistungen
gesetzt. Durch die Voraussetzung der Inanspruchnahme der Präventionsleistungen als Grundvoraussetzung für die Bonuszahlungen
werde gerade nicht die pure Leistungsvermeidung belohnt, sondern das gesundheitsbewusste Verhalten aufgrund der angebotenen
Präventionsleistungen gefördert. Es werde für die Versicherten kein Anreiz gesetzt, notwendige Arztbesuche zu vermeiden. Wenn
die Inanspruchnahme der Präventionsleistungen zu einer Inanspruchnahme der weiteren Leistungen der GKV auf "Null" führe, werde
die Zielrichtung der Präventionsleistungen und somit der Regelungen gemäß §
65a Abs.
1 SGB V zu 100 Prozent erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den vom Verwaltungsrat der Klägerin am 6. Dezember 2007 beschlossenen Nachtrag zur Satzung,
nämlich Artikel I § 15 Satz 9, zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass Inhalt der zur Genehmigung vorgelegten Änderung der Satzung der Klägerin die Ergänzung einer
Regelung über die Voraussetzung der Gewährung einer Gesundheitsprämie sei: Versicherte, die bereits die Voraussetzungen für
einen Bonus gemäß § 15 Sätze 1 bis 8 der Satzung erfüllt hätten, könnten darüber hinaus auch eine Gesundheitsprämie erhalten,
wenn sie im Bezugsjahr keine Leistungen in Anspruch nähmen. Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass bereits nach dem Wortlaut
des §
65a Abs.
1 SGB V allein die Inanspruchnahme von qualitätsgesicherten Vorsorgeleistungen als gesundheitsbewusstes Verhalten Voraussetzung für
die Gewährung eines Bonus´ sein könne. Ein entsprechender Hinweis sei auch in der Gesetzesbegründung zu §
65a SGB V enthalten (BT-Drs. 15/1525, S. 95). Der von der Klägerin vorgesehenen Gesundheitsprämie fehle es an einem zwingend erforderlichen
Bezug zur aktiven Vorsorge im Sinne des §
65a Abs.
1 SGB V. Nach der Satzungsregelung der Klägerin müsse die Nichtinanspruchnahme von Leistungen keinesfalls die Folge der Teilnahme
am Bonusprogramm und damit einer damit einhergehenden Inanspruchnahme von Vorsorgeleistungen sein, sondern könne auch aus
einer Leistungsvermeidung aus anderen Gründen herrühren. Wenn aber der Versicherte für den Erhalt der Gesundheitsprämie Leistungsvermeidung
betreibe, könne nicht mehr von einem gesundheitsbewussten Verhalten im Sinne des §
65a SGB V gesprochen werden. Es lasse sich keine Verknüpfung der Vorsorgefolgen mit der Gesundheitsprämie herstellen. Die Gewährung
einer Prämie für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen sei nur im Rahmen eines Wahltarifes gemäß §
53 Abs.
2 SGB V möglich; einen solchen könne die Klägerin der Beklagten jederzeit zur Genehmigung vorlegen. Allerdings müssten sich dann
Wahltarifteilnehmer drei Jahre an ihre Krankenkasse binden, so dass die Teilnahme an einem Wahltarif - anders als die Teilnahme
am Bonusprogramm nach §
65a SGB V - für den Versicherten nicht gänzlich ohne wirtschaftliches Risiko sei. Die Klägerin bewerbe ihre Gesundheitsprämie hingegen
als "risikolose Beitragsrückerstattung". Dies verdeutliche, dass die Gesundheitsprämie in ihrer vorliegenden Form eine Umgehung
der für Wahltarifversicherte im Sinne des §
53 Abs.
2 SGB V geltenden Bindungsfrist bedeute und daher auch unter diesem Gesichtspunkt gegen die gesetzlichen Vorgaben des
SGB V verstoße.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Ablehnung der Genehmigung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da Art. I
§ 15 Satz 9 des ersten Nachtrags zur Satzung wegen der Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht genehmigungsfähig ist.
Nach §
195 Abs.
1 SGB V i. V. m. §
34 Abs.
1 SGB IV bedarf die Satzung der Krankenkasse der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Diesem Genehmigungsvorbehalt kommt ungeachtet der
sonstigen Ausgestaltung der Mitwirkung des Staates an der autonomen Rechtsetzung der Sozialversicherungsträger eine rechtsaufsichtliche
Funktion zu (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2002 - B 7/1 A 4/00 R - zitiert nach juris; Schneider-Danwitz in: jurisPK-
SGB V §
195 Rdnr. 17f. m. w. N.). Die Genehmigung ist nur zu erteilen, wenn die Satzung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Es handelt
sich um eine gebundene Entscheidung, was nicht zuletzt aus einer systematischen Auslegung im Zusammenhang mit den Befugnissen
nach §
195 Abs.
2 SGB V folgt (" nicht hätte genehmigt werden dürfen ").
Art. I § 15 Satz 9 des ersten Nachtrags zur Satzung der Klägerin verstößt gegen die gesetzliche Ausgestaltung des Leistungs-
und Beitragsrechts des
SGB V, da die Regelung der Ermächtigungsgrundlage des §
65a Abs.
1 SGB V nicht genügt, die hier allein in Betracht kommt. Die Satzungsregelung kann nicht auf §
65a Abs.
1 SGB V gestützt werden, da diese Vorschrift nicht dazu ermächtigt, einen Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten über die Inanspruchnahme
bestimmter Leistungen hinaus von der Nichtinanspruchnahme weiterer Leistungen abhängig zu machen.
Die streitgegenständliche Satzungsregelung verknüpft hingegen die Tatbestandsvoraussetzung, "keine weiteren Leistungen in
Anspruch" zu nehmen, mit der Rechtsfolge einer Gesundheitsprämie gleichsam als zweiter Stufe des Bonussystems der Klägerin.
Nach §
65a Abs.
1 SGB V kann die Krankenkasse in ihrer Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Versicherte, die regelmäßig Leistungen zur
Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 oder qualitätsgesicherte Leistungen der Krankenkasse zur primären Prävention
in Anspruch nehmen, Anspruch auf einen Bonus haben, der zusätzlich zu der in § 62 Abs. 1 Satz 2 genannten abgesenkten Belastungsgrenze
hinaus zu gewähren ist. Die Vorschrift beschränkt die Regelungsbefugnis des Satzungsgebers hinsichtlich der Voraussetzungen,
an die der finanzielle Vorteil geknüpft ist. Die Krankenkasse hat einen Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der genannten
Präventionsleistungen und den Anforderungen an die Regelmäßigkeit. Offen bleiben kann, ob es der Krankenkasse generell verwehrt
ist, die Bonusgewährung mit weiteren Voraussetzungen auf Tatbestandsseite zu verknüpfen, die in §
65a Abs.
1 SGB V nicht genannt sind (so wohl Krauskopf in: ders. (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung - Pflegeversicherung, 58. EL., §
65a SGB V Rdnr. 5). Jedenfalls müssen die satzungsrechtlichen Voraussetzungen stets einen unmittelbaren Bezug zur Inanspruchnahme von
Präventionsleistungen aufweisen; §
65a SGB V ermächtigt daher nicht zu einer Gesundheitsprämie für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen, auch nicht in Verknüpfung
mit der Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Prävention.
Dieses Auslegungsergebnis folgt zunächst aus dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage; zwar deutet der erste Halbsatz auf ein
weites Ermessen der Krankenkasse hin, schließlich obliegt ihr zu regeln, "unter welchen Voraussetzungen" der Bonus für Versicherte
zu gewähren ist. Jedoch folgt bereits aus dem Nebensatz, dass die Voraussetzungen sich auf Inanspruchnahme der dort genannten
Präventionsleistungen beziehen müssen.
In systematischer Hinsicht kommt §
65a Abs.
1 SGB V wegen §§ 30 Abs. 1,
194 Abs.
2 Satz 2
SGB V die Funktion einer begrenzten Einzelermächtigung zu. Aus diesen Normen folgt ein umfassender Vorbehalt der gesetzlichen Ermächtigung
im Bereich der satzungsrechtlichen Regelung von Leistungen und Mittelverwendung. Die Prämierung der Nichtinanspruchnahme von
Leistungen ist in der dem Leistungsrecht zuzurechnenden Vorschrift des §
65a SGB V nicht ausdrücklich vorgesehen. Diese findet sich vielmehr nur in der (auch) beitragsrechtlichen Ermächtigung zu Wahltarifen
in §
53 Abs.
2 SGB V; mithin ist systematisch eine Abgrenzung der beiden Ermächtigungsgrundlagen geboten, die beiden Regelungen zu größtmöglicher
Wirksamkeit verhilft. §
53 SGB V knüpft an die Rechtsfolge der Gewährung einer Prämienzahlung strengere Anforderungen als sie in der streitgegenständlichen
satzungsrechtlichen Regelung verwirklicht sind. So beträgt nach §
53 Abs.
8 Satz 1
SGB V die Bindungsfrist für Wahltarife mit Ausnahme der Tarife nach Absatz
3 drei Jahre: Abweichend von §
175 Abs.
4 SGB V kann der Versicherte die Mitgliedschaft frühestens zum Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist kündigen. Derartige Beschränkungen
enthält die streitgegenständliche Satzungsregelung nicht, obwohl die Prämienzahlung gleichermaßen an die Nichtinanspruchnahme
von Leistungen geknüpft ist. Zudem stellt §
53 Abs.
9 SGB V weitere Anforderungen an die Gegenfinanzierung (dazu auch unten). Diese strengen Anforderungen des §
53 SGB V sprechen gegen eine Interpretation im Sinne der Klägerin, wonach die Anforderungen des §
65a SGB V "übererfüllt" werden würden, weil die Gesundheitsprämie sowohl die Inanspruchnahme von Präventionsleistungen als auch die
Nichtinanspruchnahme anderweitiger Leistungen voraussetze. Wenn nämlich eine andere Ermächtigungsgrundlage gerade an diese
Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge strengere Anforderungen stellt, so fordert der Vorbehalt des Gesetzes, dass eine
solche Regelung nur dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen beider Ermächtigungsgrundlagen erfüllt sind. Die Konstruktion
einer Gesundheitsprämie steht schließlich auch latent im Widerspruch zu dem die Gesetzliche Krankenversicherung als Sozialversicherung
prägenden und europarechtlich wie verfassungsrechtlich rechtfertigenden Element des sozialen Ausgleichs. Der soziale Ausgleich
wird in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht zuletzt durch die solidarische Finanzierung nach §§
3, 220ff.
SGB V verwirklicht. Die Finanzierung durch Beiträge ist ausgerichtet an den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder; maßgeblich
ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes und nicht die Risikoadäquanz der Prämie, wie etwa in der Privaten
Krankenversicherung. Das Verhältnis der Beitragslast zu den Leistungen ist auch grundsätzlich nicht durch das Äquivalenzprinzip
geprägt. In Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips wird der volle Versicherungsschutz unabhängig von der Höhe der Beiträge
gewährt. Die Gesundheitsprämie hat demgegenüber die wirtschaftliche Bedeutung einer Beitragsrückerstattung, die den Grundsatz
der gleichmäßigen Belastung der Mitglieder entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit (§
241 Satz 2
SGB V) durchbricht (Linke, NZS 2003, 126 (129)). Das Prinzip der solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung würde zudem ausgehöhlt, wenn durch die Nichtinanspruchnahme
von Leistungen Prämienansprüche gesunder Versicherter begründet würden, die wiederum solidarisch zu finanzieren wären (vgl.
die Kritik der Spitzenverbände der Krankenkassen am Wahltarif des §
53 Abs.
2 SGB V, Stellungnahme vom 24.10.2006 zum Entwurf des GKV-WSG, S. 88.). Der Wahltarif nach §
53 Abs.
2 SGB V ist daher auch nur rechtmäßig, wenn die Gesundheitsprämie durch die aus dem Wahltarif selbst folgenden Einnahmen, Einsparungen
und Effizienzsteigerungen gegenfinanziert werden kann (§
53 Abs.
9 SGB V). Außerhalb der engen Voraussetzungen des §
53 SGB V ist daher aus systematischen Gründen keine dem Wahltarif gleichende Rechtsfolge einer Geldleistung oder Erstattung für die
Nichtinanspruchnahme von Leistungen auf der Grundlage des §
65a Abs.
1 SGB V zulässig.
Auch die Gesetzgebungsmaterialien sprechen gegen eine Befugnis des Satzungsgebers, nach eigenem Ermessen weitere Voraussetzungen
für die Gewährung des Bonus´ aufzustellen, die keinen Bezug zur Inanspruchnahme der in §
65a Abs.
1 SGB V genannten Leistungen haben. Nach der Entwurfsbegründung muss sich der Bonus auf die Inanspruchnahme von Leistungen beziehen.
In ihrer Satzung könne die Krankenkasse "nur festlegen, dass die Teilnahme an den genannten Programmen durch eine Bescheinigung
nachgewiesen werden muss. Die Erhebung weiterer Daten, z. B. über die Lebensführung der Versicherten, darf in der Satzung
nicht als weitere Voraussetzung vorgesehen werden" (BT-Drs. 15/1525, S. 95).
Zweck des §
65a SGB V ist die Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens gerade durch die Inanspruchnahme bestimmter Leistungen der Gesetzlichen
Krankenversicherung. Die Regelung stellt ein Instrument zur ökonomischen Aktivierung des Versicherten bzw. zur Verhaltenslenkung
durch ökonomischen Anreiz bereit (vgl. zum Folgenden aus gesundheitsökonomischer Sicht: Sundmacher, Sozialer Fortschritt 2006,
168 (169f.)): Da ein Versicherter nur für einen Teil der Folgekosten unterlassener Prävention aufkommen muss und Informationsdefizite
über die Folgen unterlassener Prävention bestehen, wird aus gesundheitsökonomischer Sicht eine Unterkonsumtion von Präventionsleistungen
vermutet, die durch Maßnahmen der Präventionsförderung auszugleichen sei. Ein solches Instrument ist u. a. der Präventionsnachweis,
der entweder bei fehlendem Nachweis negativ sanktioniert werden kann, wie z. B. früher durch die Erhöhung des Eigenanteils
bei Kosten für Zahnersatz, oder - wie hier - durch ein Bonusmodell positiv prämiert wird. Ziel ist die Effizienzsteigerung
der Gesundheitsversorgung im Sinne einer Kostenreduktion bei kurativen Maßnahmen, die durch die kostengünstigere Prävention
künftig nicht erforderlich werden, und die Steigerung der Effektivität, nämlich eine Qualitätsverbesserung der Gesundheitsversorgung
im Hinblick auf gerade durch Prävention vermeidbare Krankheitseffekte (vgl. auch §
65a Abs.
3 SGB V). Demgegenüber zielt die Prämie für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen - ebenso wie Selbstbehalt und Selbstbeteiligung
- insbesondere auf den "Bagatell"-Leistungsverzicht durch den Versicherten. Im Unterschied zum Präventionsnachweis wird eine
direkte Verhaltenslenkung im Sinne einer Nichtinanspruchnahme im Idealfall nicht erforderlicher oder selbstfinanzierbarer
Leistungen bezweckt. §
65a SGB V ist hiernach zur zielgenauen Implementierung des beschriebenen Anreizes eng auszulegen: Wie bereits dargestellt, soll mit
der Bonusregelung allein eine Verhaltenslenkung in Richtung der Inanspruchnahme von Präventionsleistungen erreicht werden.
Erst als Fernwirkung soll die durch das gesundheitsbewusste Verhalten erzielte Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes
kostensenkend wirken. Eine direkte Verhaltenssteuerung zur Nichtinanspruchnahme von Leistungen ist damit gerade nicht intendiert.
Wegen dieser grundsätzlich unterschiedlichen Wirkungsweise der beiden Anreizinstrumente wäre es auch rein hypothetisch, die
Nichtinanspruchnahme von Leistungen als kausalen Erfolg der Inanspruchnahme von Präventionsleistungen darzustellen, worauf
auch die Beklagte hinweist. Die Gesundheitsprämie kann daher nicht als zweite Stufe eines Präventionsnachweises angesehen
werden, sondern ist ein qualitativ anderes Instrument der Verhaltenssteuerung. Sinn und Zweck des §
65a SGB V sprechen daher unter Berücksichtigung der intendierten Wirkungsweise des Bonussystems ebenfalls nicht für die Zulässigkeit
einer Gesundheitsprämie als zweiter Stufe der Bonusregelung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für eine Zulassung nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.