Unzulässigkeit der Klage einer gesetzlichen Krankenkasse auf Feststellung einer Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle aus
einer Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten
Kein Rechtsschutzbedürfnis beim Fehlen eines Verwaltungsakts
Prüfmitteilung ist kein bestandskräftiger Verwaltungsakt
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle. Streitig ist u.a., ob es sich bei einer
Prüfmitteilung der Beigeladenen um einen Verwaltungsakt handelt.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse, bei der als zuständiger Einzugsstelle die Firma C. Personaldienstleistungen
GmbH (Schuldnerin) unter der Betriebsnummer 123456 gemeldet ist. In der Zeit vom 21.12.2010 bis zum 27.02.2013 führte die
Deutsche Rentenversicherung Hessen (Beigeladene) eine Betriebsprüfung bei der Schuldnerin für den Zeitraum vom 01.12.2005
bis zum 31.12.2009 durch. Gegenstand der Prüfung war die Feststellung der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher
Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und sich daraus ggf. ergebende Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Am 08.03.2013 fand eine Schlussbesprechung statt.
Das Amtsgericht Wetzlar hat mit Beschluss vom 01.04.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet
und den Beklagten als Insolvenzverwalter bestellt (Az: 3 IN 16/13).
Die Beigeladene erstellte mit Datum vom 31.05.2013 eine mit "Insolvenzprüfung" überschriebene und an den Beklagten adressierte
"Prüfmitteilung"; in dem Schreiben heißt es:
"Sehr geehrter Herr A.,
diese Prüfmitteilung ergeht an Sie als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma C. Personaldienstleistungen GmbH ( )
und hat nur deklaratorische Bedeutung. Die stichpobenartig durchgeführte Prüfung hat die nachfolgend näher beschriebenen Feststellungen
im Bereich - Beitragsansprüche aufgrund der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages, § 10 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) i.V.m. §
22 SGB IV ergeben. Die sich aus der Prüfung ergebenden Feststellungen betreffen Insolvenzforderungen nach §
38 InsO in Höhe von insgesamt 674.902,61 EUR. Die Gesamtforderung setzt sich zusammen aus Beitragsforderungen für die Hauptniederlassungen
in (.) Diese sind nach §§
187 ff.
InsO zu befriedigen. Die Insolvenzforderungen werden der(n) zuständigen Stellen zur Tabelle nach §
175 InsO gemeldet.
Eine Zahlungsaufforderung ist hiermit nicht verbunden. ( )"
Die "Prüfmitteilung" enthielt außerdem rechtliche Ausführungen zur Unwirksamkeit des einschlägigen Tarifvertrages, zu Prüfzeitraum
und Verjährung, zu den Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung, den Berechnungsrundlagen, zu Säumniszuschlägen, Widerrufsvorbehalt
und Anhörung (Bl. 7-13 der Gerichtsakte). Zu den Säumniszuschlägen war ausgeführt:
" Spätestens mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 war Ihnen bekannt, dass Ihre Meldungen und Beitragsnachweise objektiv
fehlerhaft waren. Sie können nicht geltend machen unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben. Mit
Anschreiben vom 21.12.2010 der Deutschen Rentenversicherung Hessen wurde Sie auf Ihre Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang
zu o.g. Urteil hingewiesen. Aufgrund der daran anschließenden Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung
Hessen zur Klärung des Sachverhaltes werden keine Säumniszuschläge erhoben."
Die Beigeladene überließ der Klägerin die Prüfmitteilung mit Schreiben vom 31.05.2013 "zur weiteren Veranlassung (§
28h Abs.
1 SGB IV)". Im Anschreiben bezifferte die Beigeladene die auf die Klägerin entfallene Nachforderung auf 1.805,70 EUR. Der "Prüfmitteilung"
war als Anlage die Berechnung der Beiträge der bei der Klägerin versicherten Beschäftigten D., E. und F. über 1.464,89 EUR
(Zeitraum 11.08.2006 bis 15.10.2008) beigefügt (Bl. 14 bis 17 der Gerichtsakte).
Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 10.06.2013 eine Gesamtforderung in Höhe von 2.764,65 Euro als Insolvenzforderung zur
Insolvenztabelle bei dem Beklagten wie folgt an:
Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 11.08.06 aus BP bis 15.10.08 aus BP 1.805,70 EUR Säumniszuschläge bis 31.03.13
954,00 EUR Kosten und Gebühren bis 31.03.13 4,95 EUR
Mit Schreiben vom 17.07.2013 und 31.10.2013 teilte der Beklagte mit, dass er die Insolvenzforderung vorläufig bestreiten werde,
weil er das Ergebnis der Betriebsprüfung nicht anerkenne (Bl. 18, 19 der Gerichtsakte) und nahm - trotz mehrmaliger Aufforderung
durch die Klägerin - keine Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle vor. Im Prüftermin beim Amtsgericht Wetzlar (Az:
3 IN 16/13) am 09.10.2013 bestritt der Beklagte die angemeldete Forderung der Klägerin erneut; entsprechendes wurde in der Insolvenztabelle
vermerkt (Bl. 20, 216 der Gerichtsakte).
Die Klägerin hat am 07.02.2014 zunächst vor dem Amtsgericht Wetzlar Klage auf Feststellung ihrer Forderung zur Insolvenztabelle
erhoben. Das Amtsgericht Wetzlar hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten mit Beschluss vom 26.05.2014 für unzulässig
erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Gießen verwiesen.
Zur Klagebegründung hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beigeladene berechtigt gewesen sei, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
eine Betriebsprüfung durchzuführen. Der Betriebsprüfbericht werde dann dem Insolvenzverwalter zugeleitet, der ab Insolvenzeröffnung
Arbeitgeberfunktion ausübe. Der Betriebsprüfbericht sei ein Verwaltungsakt, der bestandskräftig geworden sei. Die vierjährige
Verjährungsfrist sei noch nicht abgelaufen. Die Verjährung sei für die Dauer einer Betriebsprüfung gehemmt. Die Hemmung beginne
mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber und ende mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheids, spätestens aber nach
dem Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei
dem Betriebsprüfbericht um keinen Verwaltungsakt handele. Eine Bestandkraft könne daher nicht eingetreten sein. Zudem bestehe
die Forderung auch materiell-rechtlich nicht. Die Rechtspraxis der Beigeladenen, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
vom 14.12.2010 rückwirkend auf Zeiträume anzuwenden, die vor der Entscheidung lägen, begegne verfassungsrechtlichen Bedenken.
Des Weiteren erhebe der Beklagte die Einrede der Verjährung. Die Klägerin mache Ansprüche wegen Beitragsrückständen für den
Zeitraum vom 11.08.2006 bis zum 15.10.2008 und damit außerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend. Eine 30-jährige
Verjährungsfrist sei nicht einschlägig.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.10.2018 abgewiesen. Das Sozialgericht Gießen sei sachlich zuständig. Für
eine Klage auf Feststellung einer Forderung nach §§
179 ff.
InsO sei gemäß §
185 InsO der Sozialrechtsweg gegeben, wenn die Forderung dem Anwendungsbereich des §
51 SGG unterfalle (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 12. Auflage 2017, §
51 Rn. 39). Vorliegend sei die Forderung - die Erhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen - vom Anwendungsbereich des §
51 SGG umfasst. Die Klage sei jedoch bereits unzulässig. Statthafte Klageart sei die Feststellungsklage gemäß §
184 Abs.
1 InsO i.V.m. §
55 Abs.
1 SGG. §
184 InsO regele, wem es im Falle einer bestrittenen Forderung im Insolvenzrecht obliege, einen Widerspruch durch Klage zu beseitigen
oder zu verfolgen. Nach Absatz 1 der Vorschrift sei dies grundsätzlich Aufgabe des Gläubigers, der eine Forderung zur Insolvenztabelle
angemeldet habe, wenn der Schuldner im Prüfungstermin diese Forderung bestreite. Liege für eine solche Forderung ein vollstreckbarer
Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliege es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin
oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginne, den Widerspruch zu verfolgen (§
184 Abs.
2 InsO). Sei für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht gegeben, sei die Feststellung bei
dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde vorzunehmen. Weiteres regele die
Vorschrift des §
179 InsO. Nach §
179 Abs.
1 InsO bleibe es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben, wenn eine Forderung vom Insolvenzverwalter
oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden sei. Ein Beitragsbescheid sei ein vollstreckbarer Titel im Sinne des §
184 Abs.
2 InsO, soweit der Schuldner hierin zur Leistung aufgefordert werde. Ein solcher Beitragsbescheid liege hier aber nicht vor. Zum
einen sei die Prüfmitteilung der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom 31.05.2013 kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Bei sogenannten Insolvenzprüfungen im Rahmen des § 28p Abs. 1 Satz 3
SGB IV sei zu unterscheiden, für welchen Zeitraum - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
- Forderungen geltend gemacht würden; je nach Fallgestaltung werde von der Deutschen Rentenversicherung eine Prüfmitteilung
oder ein Bescheid erlassen. Die Prüfung für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§
27 InsO) sei wie eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs.
1 Satz 1
SGB IV durchzuführen. Der Prüfzeitraum ende am Tag vor Eintritt des Insolvenzereignisses. Die Beitragsforderungen für die Zeit vor
der Insolvenzeröffnung stellten i.d.R. Insolvenzforderungen nach §
38 InsO dar. Insolvenzforderungen seien von der jeweiligen Einzugsstelle als Gläubiger des Gesamtsozialversicherungsbeitrags beim
Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden (§§
174,
175 InsO). Diese Forderungen würden dem Insolvenzverwalter mittels einer Prüfmitteilung deklaratorisch angezeigt (Scheer, in SchlegelNoelzke,
jurisPK-
SGB IV, 3 Auflage 2016, § 28p Rn. 202 ff.). Ein Betriebsprüfungsbescheid dürfe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Anmeldung
zur Tabelle und Prüfung der Forderung nicht ergehen (vgl. zur Rechtslage unter Geltung der Konkursordnung: BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 32/00 R - juris Rn. 14f.). Hier würden Forderungen für einen Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens - vom 01.12.2005 bis
zum 31.12.2009 - geltend gemacht. Dabei handele es sich um Insolvenzforderungen nach §
38 InsO. Die Forderungen seien dem Beklagten durch die Deutsche Rentenversicherung Hessen lediglich deklaratorisch angezeigt worden.
Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Prüfmitteilung vom 31.05.2013, in der "deklaratorisch" das Ergebnis der
Prüfung mitgeteilt werde. Eine Regelung im Sinne des § 31 SGB X sei damit nicht getroffen worden. Bestandskraft nach §
77 Sozialgerichtsgesetz könne - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht eintreten. Zum anderen habe auch die Klägerin keinen Bescheid gegenüber
dem Beklagten erlassen. Die Klägerin könne die bestrittene, noch nicht durch Bescheid titulierte Forderung durch Verwaltungsakt
gegenüber dem Beklagten feststellen, sofern sie - wie hier - außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Feststellung der Forderung
durch Verwaltungsakt gegenüber dem Schuldner berechtigt sei. Sähen nämlich die Verfahrensvorschriften ein Vorverfahren vor,
bevor die Gerichte angerufen werden könnten, müsse dieses auch im Insolvenzfeststellungsverfahren zunächst durchgeführt werden.
Werde der Feststellungsbescheid bestandskräftig, schaffe dieser - mit Wirkung des §
183 Satz 1
InsO (§
185 Satz 2
InsO) - die Grundlage für die Korrektur der Tabelle (zum Gesamten: Sinz, in Uhlenbruck,
Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 185 Rn. 5). Zwar würden abweichend von §
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV im Rahmen von Betriebsprüfungen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern erlassen. Allerdings beschränke sich die Übertragung der Zuständigkeiten von den Einzugsstellen
auf die Betriebsprüfungsbehörden gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV nur auf die Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragshöhe, das heißt von Grund und Höhe der Beitrags- und Umlageforderungen.
Die Vollstreckung und Beitreibung der nach Grund und Höhe von den Betriebsprüfungsbehörden festgesetzten Forderungen bleibe
den Einzugsstellen vorbehalten (vgl. SG Dresden, Urteil vom 24.10.2012, S 18 KR 627/09, juris Rn. 26). Diese Auffassung habe auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28.05.2015 (Az: B 12 KR 16/13 R, juris Rn. 20 ff) vertreten: Der Geltendmachung einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen durch Leistungs-
bzw. Zahlungsbescheid stehe ein insolvenzrechtliches Verbot der Einzelzwangsvollstreckung nicht entgegen. Denn selbst wenn
wegen eines solchen Verbots die Beitreibung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge unzulässig sein sollte, schlage dies jedenfalls
nicht auf die Befugnis der Klägerin durch, gegenüber dem Beklagten einen Nachforderungsbescheid zu erlassen. Der Erlass eines
zur Zahlung verpflichtenden Verwaltungsakts stelle als solchen noch keine Vollstreckungsmaßnahme dar. Selbst die Mahnung nach
§ 66 Abs. 4 Satz 2 SGB X zähle noch nicht zu den Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, sondern gehe dieser zunächst noch voraus. Der Leistungs- und Zahlungsbescheid
des prüfenden Rentenversicherungsträgers nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV schaffe erst die Grundlage für das Beitragsverfahren. Ob ein solcher Bescheid dann vollstreckt werden dürfe oder ob die zwangsweise
Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheide, sei erst auf einer späteren
Ebene von den Krankenkassen (als Einzugsstellen) beim Einzug der Beiträge und hier in einem letzten, selbstständigen Verfahrensabschnitt
zu prüfen, wenn die vom Arbeitgeber geschuldete Beitragssumme nicht freiwillig gezahlt werde. Die Klage sei damit mangels
erlassenem Feststellungsbescheid und durchgeführten Vorverfahren unzulässig.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 24.10.2018 zugestellte Urteil am 29.10.2018 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht
erhoben.
Der Senat hat mit Beschluss vom 13.05.2019 die Deutsche Rentenversicherung Hessen zum Verfahren gemäß §
75 SGG beigeladen.
Zur Berufsbegründung trägt die Klägerin vor: Das Sozialgericht habe rechtsirrig eine Feststellungsklage gemäß §
184 InsO angenommen; einschlägig sei §
185 InsO, da der Insolvenzverwalter die Forderung bestritten habe und eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung nicht streitig
sei. Die Beitragsforderung betreffe die bei ihr Versicherten D., E., F. und G ... Der Betriebsprüfungsbericht vom 31.05.2013
sei ein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X, denn die Prüfmitteilung des Rentenversicherungsträgers stelle gemäß § 7 BeitrVV einen Verwaltungsakt dar (SG Landshut 22.01.2014 - S 10 R 5023/11 und Mutschler in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht 84. Ergänzungslieferung Dezember 2014, 5 31 SGB X Rn 19; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14.11.2012, L 5 R 890/12 B ER). Dieser Verwaltungsakt sei bestandskräftig geworden, da der Beklagte hiergegen keinen Widerspruch erhoben habe. Es
sei daher auch nicht notwendig gewesen, einen weiteren Feststellungsbescheid zu erlassen. Im Übrigen sei zwischen den Beteiligten
streitig gewesen, ob die Forderung verjährt sei oder nicht; hierzu enthalte das Urteil des Sozialgerichts keine Angaben. Außerdem
habe das Sozialgericht den Streitwert unzutreffend festgesetzt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18.10.2018 aufzuheben und die Insolvenzforderung der Klägerin gegen den Beklagten
in Höhe von 2.764,65 Euro unter laufender Nummer 55 zur Insolvenztabelle festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Klägerin sei zuzustimmen, dass eine Feststellungsklage nach §
185 InsO und nicht gemäß §
184 InsO einschlägig sei. Dennoch habe das Sozialgericht zutreffend die Unzulässigkeit einer Feststellungsklage bejaht, denn die Klägerin
habe vor Klageerhebung zunächst einen Bescheid erlassen müssen. Die Prüfmitteilung vom 31.05.2013 sei kein Verwaltungsakt
und ersetze keinen Feststellungsbescheid.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Auf Nachfrage der Berichterstatterin des Senats hat die Beigeladene mitgeteilt, dass die Unterlagen der Betriebsprüfung angesichts
abgelaufener Aufbewahrungsfristen nicht mehr vorhanden seien; eine Überprüfung von Amts wegen scheide daher aus. Überdies
werde die Zuständigkeit der Sozialgerichte bezweifelt.
Die Berichterstatterin des Senats hat am 09.05.2019 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten
durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 164 bis 166 der Gerichtsakte) wird verwiesen. Ergänzend hat das Gericht eine
Kopie der Insolvenztabelle (Stand 16.10.2019) beigezogen (Bl. 194 bis 240 der Gerichtsakte).
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens eines Terminsvertreters der Klägerin und der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, da
diese ordnungsgemäß zum Termin geladen wurden. Die Ladungen enthielten den Hinweis, dass auch im Falle des Ausbleibens verhandelt
und nach Lage der Akten entschieden werden kann, §§
153 Abs.
1,
110 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage mit Urteil vom 18. Oktober 2018 zu Recht abgewiesen. Die Klage ist bereits unzulässig.
Rechtsgrundlage für die Klage auf Feststellung der hier streitigen Forderung auf Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
sind §
185 Satz 1
InsO in Verbindung mit §§
180 Abs.
2,181, 183 und 184
InsO.
Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren eine Forderung bestritten bzw. ihr widersprochen, so kann
der Gläubiger grundsätzlich Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben (§
184 Abs.
1 Satz 1
InsO). Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen
einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt,
den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben (§
184 Abs.
2 Sätze 1 bis 3
InsO). Ist für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht gegeben, so ist die Feststellung
bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde vorzunehmen (§
185 Satz 1
InsO); §
180 Abs.
2 und die §§
181,
183 und
184 gelten entsprechend (§
185 Satz 2
InsO).
Zunächst ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten - entgegen den Zweifeln der Beigeladenen - eröffnet. Zum einen hat das Amtsgericht
Wetzlar den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.05.2014 gemäß §
17a Abs.
2 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) an das Sozialgericht Gießen verwiesen. Gemäß §
17a Abs.
2 Satz
GVG ist die Rechtswegverweisung für die Sozialgerichtsbarkeit bindend. Zum anderen ist vorliegend für eine Klage auf Feststellung
einer Insolvenzforderung gemäß §
185 InsO der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes (Beschluss vom 4. Juni 1974, BSGE 37, 292), der sich auch das Bundessozialgericht für die Sozialgerichtsbarkeit angeschlossen hat (BSG SozR 5910 § 13 Nr. 1 m.w.N.), richtet sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.
Maßgeblich ist, wie sich das Rechtsverhältnis nach dem Vorbringen eines Klägers objektiv darstellt. Von wesentlicher Bedeutung
ist auch, dass es für die Rechtsnatur der Forderung nicht auf die Person des Verpflichteten ankommt, vielmehr auf die Art
der Forderung, und dass sich diese nicht ändert, wenn der Verpflichtete wechselt (BSG a.a.O.; BGHZ 90, 187, 192). Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Forderung auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge zur Insolvenztabelle;
eine solche Forderung unterliegt dem Anwendungsbereich des §
51 SGG (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 12. Auflage, §
51 Rn. 39 - Insolvenz). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Insolvenzschuldner (bzw. der Insolvenzverwalter für die Schuldnerin)
auch deliktisch gemäß §
823 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) in Verbindung mit §
266a Abs.
1 Strafgesetzbuch (
StGB) haftet. Denn für die Feststellung, dass für eine Forderung der Rechtsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlung in Anspruch
genommen werden kann, ist ausschließlich der Zivilrechtsweg gegeben. Dies gilt z.B. auch wegen Nichtabführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile, wenn diese auf §
823 Abs.
2 BGB i.V.m. §
266a StGB beruht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.10.2013 - L 1 KR 161/13 B - juris; OLG Schleswig, Beschluss vom 15.04.2011 - 16 W 50/11; LG Freiburg, Beschluss vom 13.04.2011 - 3 T 23/11; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2005, L 9 SF 863/05 B). Vorliegend wird der Schuldnerin ein deliktisches Handeln aber gerade nicht vorgeworfen; die Forderungsanmeldung der Klägerin
beschränkt sich auf eine Forderung aus Betriebsprüfung; andernfalls hätte die Forderung in der Anmeldung entsprechend deklariert
werden müssen (vgl. auch §
175 Abs.
2 InsO).
Die Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle ist jedoch unzulässig, denn als "direkte Insolvenzfeststellungsklage"
fehlt ihr mangels eines Verwaltungsaktes das Rechtsschutzbedürfnis.
Mit der Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten sind gemäß §
185 Satz 1, 2. Alt.
InsO die Feststellungen bestrittener Forderungen durch Verwaltungsakt zu treffen, sofern die Gläubigerin (hier: die Klägerin)
auch außerhalb des Insolvenzverfahrens dem Schuldner gegenüber hierzu berechtigt ist (BVerwG 22.8.1985 - 5 C 18/82, NJW 1986, 1365; OVG Münster 13.5.1996 - 4 A 2970/94, NWVBl 1997, 24; Frankfurter Kommentar zur
InsO, 9. Auflage, §
185 Rn 7; MüKo-Schumacher §
185 Rn 4, 11; Gerhardt in: Jaeger,
Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2010, §
185, Rn. 12). Sofern ein außergerichtliches Vorverfahren durchzuführen ist, ist dies auch zur Vorbereitung einer entsprechenden
Feststellungsklage nach §
185 InSO erforderlich (Andres/Leithaus/Leithaus,
InsO-Kommentar 4. Aufl. 2018,
InsO §
185 Rn. Randnummer 2). Entsprechend erfolgt auch die Handhabung durch die Krankenkasse als Einzugsstelle. Sie erlässt einen Verwaltungsakt
über rückständige Sozialversicherungsbeiträge (§
28h Abs.
2 S. 1 Hs. 1
SGB IV) und ggf. auch einen Widerspruchsbescheid (§
28 Abs.
2 S. 1 Hs. 2
SGB IV; vgl. Braun/Specovius,
InsO-Kommentar 7. Aufl. 2017, § 185 Rn. 5; vgl. auch: BSG 29.4.1971 - 3 RK 55/67, BSGE 32, 263; BSG 30.4.1981 - 8/8a RU 42/80, ZIP 1981, 998, 1000). Wichtigste praktische Konsequenz des §
185 Satz 1
InsO ist also, dass dort, wo der Gläubiger seine Forderung selbst durch hoheitlichen Bescheid festsetzen kann - also insbesondere
(vielfach) im Steuer-, Verwaltungs- und Sozialrecht - diese Möglichkeit grundsätzlich auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
und Bestreiten der Forderung noch fortbesteht (MüKo InsO/Schumacher, 4. Aufl. 2019,
InsO §
185 Rn. 1, 4). Im Steuerrecht ordnet §
251 Abs.
3 AO dies ausdrücklich an (zu §
185 bei Steuerforderungen eingehend (MüKoInsO/Schumacher, 4. Aufl. 2019,
InsO §
185 Rn. 5 ff.); aber auch im Sozialrecht kann die Krankenkasse als Einzugsstelle aufgrund der fortbestehenden Kompetenz nach
§
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV die Beitragsforderung unmittelbar durch Bescheid feststellen. Einer direkten Insolvenzfeststellungsklage fehlt in diesen
Fällen das Rechtsschutzbedürfnis (Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke,
InsO-Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Oktober 2019, §
185, Rn. 3 und 4). Der Feststellungsbescheid ergeht unmittelbar gegen den Bestreitenden (hier: Insolvenzverwalter). Gegen die
Feststellung durch Verwaltungsakt stehen dem Bestreitenden sodann diejenigen Rechtsbehelfe zu, die der Schuldner gegen die
Festsetzung der Forderung außerhalb des Insolvenzverfahrens einlegen könnte (Widerspruch, Einspruch, Klage). Letztlich wird
so "durch die Hintertür" nachträglich die Situation des §
179 Abs.
2 InsO (bzw. §
184 Abs.
2 InsO) herbeigeführt. War hingegen bereits vor Eröffnung des Verfahrens ein Bescheid gegen den Schuldner erlassen worden, ist dieser
nach §
179 Abs.
2 InsO bzw. §
184 Abs.
2 InsO direkt vom Bestreitenden mit den eröffneten (behördlichen bzw. gerichtlichen) Rechtsbehelfen (Widerspruch, Einspruch oder
Klage) anzugreifen (BeckOK InsO/Zenker, 13. Ed. 28.1.2019,
InsO §
185 Rn. 3, 3.1 m.w.N.).
Nach Auffassung des Senats liegt bisher weder ein Verwaltungsakt vor, noch wurde ein entsprechendes Vorverfahren durch die
Klägerin durchgeführt. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der - nach Insolvenzeröffnung - dem Beklagten
zugesandten Prüfmitteilung der Beigeladenen vom 31. Mai 2013 nicht um einen bestandskräftigen Verwaltungsakt im Sinne des
§ 31 SGB X.
Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines
Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Wesentliches Begriffsmerkmal des Verwaltungsaktes ist eine Regelung. Nach dem Wortlaut des § 31 SGB X muss diese Regelung auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein. Die Außenwirkung grenzt sie von dem Verwaltungsinternum
ab. Die zielgerichtete Rechtsfolge grenzt die Regelung gegenüber dem verwaltungsrechtlichen Realhandeln (faktischen Verwaltungshandeln)
ab, welches lediglich eine Zustandsänderung, aber keine Rechtsänderung zur Folge hat. "Gerichtet" auf eine Rechtswirkung ist
die Regelung nur dann, wenn sie vom Willen der Behörde getragen ist (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 12/11, § 31 SGB X, Rn. 47 m.w.N.).
Ob die Behörde eine Regelung getroffen hat, ist eine Frage der Auslegung des Verwaltungsakts (BSG, Urteil vom 06.08.2009 - B 3 KR 4/09 B, juris). Die Auslegung behördlicher Schreiben im Hinblick darauf, ob sie eine Regelung im Sinne des § 31 SGB X enthalten, richtet sich nach denselben Grundsätzen wie die Auslegung eines Verwaltungsaktes: Maßgeblich ist der "Empfängerhorizont"
eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§
133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen BSG SozR 4-2600 § 96a Nr. 14 RdNr. 25; SozR 4-5868 § 3 Nr. 3 RdNr. 19; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 8 S 26; Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 RdNr. 25 m.w.N.), d.h. maßgeblich ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung, die darin abgegebene Erklärung und der aus
dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wie er für den Adressaten des Verwaltungsaktes erkennbar ist (Mutschler in: Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2017, § 31 SGB X Rn. 21 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).
Grundsätzlich sind nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung ermächtigt, Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern zu erlassen. Der Verfügungssatz eines Bescheides nach § 28p
SGB IV enthält damit regelmäßig eine Beitragsnachforderung - unter Einbeziehung der Feststellungen zur Beitragshöhe und Versicherungspflicht.
Bleibt eine Betriebsprüfung beanstandungsfrei, ergeht in der Regel eine Prüfmitteilung ohne materielle Bindungswirkung (vgl.
BSG, Urteil vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R, Rn. 29 ff.).
Die Beigeladene hat entsprechend dem in § 28p
SGB IV in Verbindung mit der damals geltenden Beitragsverfahrensordnung (§ 7 Beitragsverfahrensordnung (BVV) in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung) vorgesehenen Verfahren in der Zeit vom 21.12.2010 bis zum 27.02.2013 eine Betriebsprüfung
bei der Schuldnerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 durchgeführt. Gegenstand der Prüfung war die Feststellung
der Tarifunfähigkeit der CGZP und sich daraus ggf. ergebender Nachforderungen von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Am 08.03.2013
fand eine Schlussbesprechung statt. Die Beigeladene erstellte sodann - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - mit Datum
vom 31.05.2013 eine mit "Insolvenzprüfung" überschriebene und an den Beklagten adressierte "Prüfmitteilung", nach welcher
die stichprobenartige Prüfung eine Insolvenzforderung in Höhe von insgesamt 674.902,61 EUR ergeben habe.
Mit der Formulierung, dass diese Prüfmitteilung "nur deklaratorische Wirkung" habe und "eine Zahlungsaufforderung hiermit
nicht verbunden" sei, distanzierte sich die Beigeladene aus Sicht eines objektiven Empfängers ausdrücklich von einer Regelung
im Einzelfall mit Außenwirkung. Der Wille, eine Erklärung in Form einer Regelung zu erlassen, wird durch diese Formulierung
für einen objektiven Empfänger ausdrücklich verneint. Aus Sicht des Beklagten wollte die Beigeladene keine Regelung in Form
eines Verwaltungsaktes treffen: Sie benennt ihr Schreiben nicht als Prüfbescheid, sondern als Prüfmitteilung und schreibt
dieser Mitteilung bzw. Information lediglich deklaratorischen Bedeutung zu; d.h. die Beigeladene wollte entgegen § 28p Abs.
1 Satz 5
SGB V ausdrücklich keinen Prüfbescheid erlassen, um den Beklagten rechtwirksam zur Zahlung aufzufordern, sondern den Beklagten
lediglich über das Ergebnis der Betriebsprüfung und das weitere Procedere im Rahmen des Insolvenzverfahrens informieren. Eine
Rechtswirkung sollte mit dem Schreiben nicht verbunden sein; ausdrücklich verweist die Beigeladene daher auch darauf, dass
eine Zahlungsaufforderung mit dem Schreiben nicht verbunden sei.
Soweit die Prüfmitteilung die Formulierung enthält "( ) Diese sind nach §§
187 ff.
InsO zu befriedigen. Die Insolvenzforderungen werden von der(n) zuständigen Einzugsstelle(n) zur Tabelle nach §
175 InsO gemeldet", ergibt sich hieraus aus Sicht des Senats keine andere Beurteilung. Der allgemeine Verweis auf Vorschriften der
Insolvenzordnung gibt keinen Aufschluss darüber, in welcher Form die Einzugsstelle ihrerseits die Forderung - im Falle eines Bestreitens durch
den Insolvenzverwalter - nach der Meldung zur Tabelle (§
179 InsO) - geltend machen muss (a.A. Bayerisches LSG, Beschluss vom 30.08.2016, L 7 R 5125/16 B ER, juris Rn. 20).
Es kommt aus Sicht des Senats auch nicht darauf an, ob die Beigeladene gegebenenfalls rechtsirrig davon ausging, dass sie
nach Insolvenzeröffnung keinen Prüfbescheid gemäß § 28p
SGB IV in Form eines Grundlagenbescheids (vgl. BSG, Urteile vom 28.05.2015, B 12 R 16/13 R und vom 15.09.2016, B 12 R 2/15 R) habe erlassen dürfen. Ob eine Berechtigung zum Erlass eines Bescheids auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht
oder ob der Erlass eines Prüfbescheids insbesondere vor Anmeldung der Forderung zur Tabelle unzulässig ist (so noch zur Konkursordnung: BSG, Urteil vom 17.05.2001, B 12 KR 32/00 R), kann vorliegend dahinstehen. Denn die Beigeladene hat nach Auffassung des Senats keinen Prüfbescheid gemäß §
28 Abs.
1 Satz 5
SGB IV erlassen, sondern dem Beklagten lediglich eine Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter zugesandt. Die Gründe, warum die Beigeladene
keinen Bescheid erlassen hat, sind ohne Belang. Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 19.09.2019 (B 12 R 25/18 R, juris Rn. 29 ff.) nichts anderes: In diesem Urteil verneinte das Bundessozialgericht (lediglich) für Prüfmitteilungen,
die nach einer abgeschlossenen beanstandungsfreien Prüfung ergangen waren, einen Verwaltungsaktcharakter mit der Folge, dass
sich der Arbeitgeber bei nachfolgendem Erlass eines belastenden Prüfbescheids nicht auf die vorangegangenen insoweit beanstandungsfreien
Betriebsprüfungen berufen konnte. Auch wenn vorliegend die Betriebsprüfung nicht beanstandungsfrei verlaufen ist und die Beigeladene
in der Prüfmitteilung eine Insolvenzforderung in Höhe von insgesamt 674.902,61 EUR benennt sowie rechtliche Ausführungen zur
Unwirksamkeit des einschlägigen Tarifvertrages, zu Prüfzeitraum, Verjährung und Versicherungs- und Beitragspflicht macht,
fehlt der Prüfmittelung der Beigeladenen vom 31.05.2013 - wie dargelegt - Verwaltungsaktqualität.
Im Übrigen sind die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 28.05.2015 (B 12 R 16/13 R) und vom 15.09.2016 (B 12 R 2/15 R) nach Auffassung des Senats vorliegend nicht einschlägig. In diesen Urteilen hat das Bundessozialgericht entschieden, dass
der prüfende Rentenversicherungsträger Masseverbindlichkeiten, d.h. Forderungen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
entstanden sind, in einem Grundlagenbescheid festsetzen kann, auch wenn die Masseunzulänglichkeit nach §
208 InsO angezeigt wurde. Vorliegend sind hingegen Forderungen aus dem Zeitraum von 11.08.2006 bis zum 15.10.2008 streitig, d.h. Insolvenzforderungen
im Sinne des §
38 InsO, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
Die Klägerin hat auch selbst auf der Grundlage des §
28h Abs.
2 Satz 1
SGB IV keinen Verwaltungsakt erlassen. Nach dieser Vorschrift entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.
Wie bereits dargelegt, sind mit der Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten gemäß §
185 Satz 1, 2. Alt.
InsO die Feststellungen bestrittener Forderungen durch Verwaltungsakt zu treffen, sofern die Gläubigerin (hier: die Klägerin)
auch außerhalb des Insolvenzverfahrens dem Schuldner gegenüber berechtigt ist. Das Bundessozialgericht hat noch zur Konkursordnung entschieden, dass die Einzugsstelle eine Konkursforderung, die zur Konkurstabelle angemeldet und im Prüfungstermin bestritten
worden ist, durch Verwaltungsakt feststellen kann. Lediglich der Erlass eines Bescheids nach Konkurseröffnung, aber vor Anmeldung
der Forderung zur Tabelle ist unzulässig (BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 32/00 R). Der Senat verweist insoweit ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Gießen im Urteil vom 18.10.2018
(§
153 Abs.
2 SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.