Keine Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2101 - Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen-
oder Muskelansätze
Anforderungen an den Vollbeweis des Krankheitsbildes einer Epicondylopathia humeri ulnaris
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Epicondylitis humeri ulnaris als Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 2101 der
Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) sowie Rente wegen der Folgen.
Nach ihrem Studium an der Gesamthochschule E-Stadt in der Zeit von 1978 bis 1981 war die Klägerin im Zeitraum November 1981
bis März 1982 als Betriebshelferin bei der Arbeitsgemeinschaft für Landwirtschaftliche Betriebs- und Haushaltshilfen F-Stadt
tätig. Während dieser Zeit hatte sie bei der Herrichtung der Zuckermaise für die Vermarktung geholfen und dazu Maiskolben
mit einer Gartenschere oben und unten zu kürzen. Im April 1982 bis Oktober 1983 schloss sich eine Ausbildung als Regierungslandwirtschaftsinspektorin
beim Land G-Land an. Ab November 1983 war die Klägerin als Diplom-Ingenieurin in der landwirtschaftlichen Praxis tätig und
führte von Februar 1987 bis Dezember 1996 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann selbständig einen ca. 80 ha großen landwirtschaftlichen
Gutsbetrieb in H-Stadt mit mehreren Angestellten und einer umfassenden Direktvermarktung der Produkte. In dieser Zeit (von
1984 bis 1996) war sie jährlich von Anfang Juli bis Ende Oktober ganztags damit beschäftigt, Maiskolben mit einer Gartenschere
oben und unten zu kürzen. Von 1999 bis Dezember 2005 war sie nebenberuflich selbständig mit einem Büroservice, bevor sie vom
September 2002 bis Dezember 2004 in der Forschung im Ökolandbau bei der J. J-Stadt tätig war. Vom März 2005 bis März 2006
übte sie eine Tätigkeit im Regierungspräsidium I Stadt aus. Dem schloss sich nochmals eine Tätigkeit als Betriebshelferin
für die Zeit vom November 2007 bis Mai 2010 beim Maschinenring K-Stadt an, wobei die Klägerin von Januar 2008 bis Mai 2010
(auch) beim Reb- und Baumschnitt eingesetzt war und dazu eine mechanische Rebschere von Hand bediente.
Die Klägerin beantragte am 30. März 2011 die Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit. Im Rahmen ihres Einsatzes
beim Rebschnitt in den Jahren 2008 bis Mai 2010 habe sie im Schnitt 8 und 9 Stunden täglich Reben geschnitten. Infolge dessen
seien Beschwerden in ihrem Arm entstanden; die Schmerzen hielten bis heute bei allen Tätigkeiten an, die Kraft erforderten.
Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. Demnach war die Klägerin das erste Mal am 11. April 2008 wegen
Beschwerden im rechten Arm beim Rebenschneiden in Behandlung bei Dr. L., der seinerzeit klinisch einen Druckschmerz über dem
rechten Epicondylus radialis humeri erhob. Der Arzt teilte zudem mit, dass er die Klägerin in 2009 auch wegen des Verdachts
auf eine rheumatoide Arthritis bei deutlich erhöhtem Rheumafaktor behandelt hatte (Bericht vom 29. April 2011). In dem chirotherapeutischen
Befundbericht der Praxis Dres. M./N. werden unter dem 24. April 2008 pathologische Blockaden der Wirbelsäule und 1. Rippe
beschrieben. Die Ärzte des Praxiszentrums O. & Coll. stellten die Diagnosen Karpaltunnelsyndrom und HWS-Schmerzen, auf die
sie die Beschwerden der Klägerin zurückführen (Arztbriefe an Dr. L. vom 22. Juni 2009 und 30. Juni 2009). Dr. P. behandelte
die Klägerin von Oktober 2010 bis März 2011 wegen des Verdachts auf Epicondylitis Tendomyesitis der Unterarmmuskulatur (Bericht
vom 20. Mai 2011). Dr. Q. diagnostizierte in seinem Arztbrief an Dr. P. vom 17. Februar 2011 eine "Epicondylitis humeri radialis
rechts", die er mit einer Stoßwellentherapie behandelte; in seinem Bericht an die Beklagte vom 10. Juni 2011 stellte er die
Diagnose "Epicondylitis humeri ulnaris" rechts und beschrieb zudem Beschwerden der HWS ("chronisches HWS-Syndrom mit Ausstrahlung
re Arm").
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten kam auf Grund der Angaben der Klägerin zu ihren Beschäftigungen sowie nach
Auskünften der Arbeitgeber (landwirtschaftlicher Betrieb H-Stadt und Maschinenring K-Stadt) zu dem Ergebnis, dass die Arbeit
bei der Maisbearbeitung über ein Jahrzehnt mit einer Handschere die größere Belastung gewesen sei. Der Einsatz der Klägerin
beim Reb- und Baumschnitt unter Verwendung von mechanischen Scheren sei nach den Einsatzberichten des Maschinenrings K-Stadt
insgesamt nur an 20 Tagen innerhalb der zwei Jahre und nur über wenige Tage im Jahr erfolgt. Damit sei diese Tätigkeit zwar
sicher ungewohnt, aber nicht langdauernd gewesen. Die Ärzte S./Dr. R. kamen in ihrem orthopädischen Gutachten vom 30. Januar
2012 zu dem Ergebnis, dass eine berufsinduzierte Epicondylitis radialis humeri nicht hinreichend wahrscheinlich gegeben sei.
Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und der Erkrankung lasse sich plausibel nicht begründen. Da die Klägerin
über zehn Jahre beim Maisschneiden gearbeitet habe und diese Tätigkeit mit dem Rebenschneiden bezüglich der Belastung annährend
vergleichbar sei, müssten adaptierte Vorgänge im Bereich des Gewebes erfolgt sein, denn sonst wäre die Klägerin wesentlich
früher mit den Beschwerden ärztlich vorstellig geworden. Folglich könne durch eine gleichgeartete Tätigkeit keine Überbeanspruchung
am Ansatz des Epicondylus radialis humeri beim Rebenschneiden verursacht worden sein.
Die Beklagte hörte den staatlichen Gewerbearzt beim Regierungspräsidium Stuttgart an (Stellungnahme von T. vom 13. Juli 2012)
und lehnte mit Bescheid vom 26. Juli 2012 das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der Anlage 1 zur
BKV ab.
Die Klägerin erhob am 1. August 2012 Widerspruch und berief sich auf Feststellungen ihrer behandelnden Ärzte Dr. U. und Dr.
V ... Die Beklagte holte Befundberichte dieser Ärzte ein und zog die Behandlungsunterlagen bei. Dr. V. teilt in seinem Bericht
vom 24. August 2012 mit, die Klägerin sei nicht wegen einer Sehnenscheidenentzündung behandelt worden. Eine "Epicondylitis
humeri ulnaris" könne als eine durch berufliche Einflüsse verursachte Erkrankung aufgefasst werden, hierbei handele sich aber
nicht um eine Sehnenscheidenentzündung. Dr. U. teilte in seinem Bericht vom 26. August 2012 mit, er habe bei seiner Erstbehandlung
am 23. Januar 2009 auf Grund des Druckschmerzes am rechten Epicondylus humeri ulnaris eine entsprechende Diagnose gestellt.
Die Ärzte S./Dr. R. führten in ihrer Stellungnahme für die Beklagte vom 27. November 2012 nach Auswertung der Berichte aus,
auffällig sei nur, dass durch Dr. U. eine "Epicondylitis humeri ulnaris rechts" dargestellt wurde, während in den Akten (mit
Ausnahme des Befundes von Dr. Q.) eine Epicondylitis humeri radialis rechts dargestellt worden sei. Bei der eigenen Untersuchung
habe eine Schmerzhaftikgeit des Epicondylus humeri radialis beidseitig bestanden. Der Epicondylus humeri ulnaris sei nicht
druckdolent gewesen. Der Diagnosewechsel zusammen mit den anderen bestehenden Erkrankungen an beiden Armen/Handgelenken spreche
eher für eine schicksalhafte Prädisposition. Zudem sei von den behandelnden Ärzten die Möglichkeit einer Schmerzursächlichkeit
durch die HWS diskutiert worden. Eindeutig gegen eine berufsinduzierte Epicondylitis humeri radialis spreche, dass nach dem
Unterlassen der schädigenden Tätigkeit weiterhin Beschwerden bestanden/bestehen. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2013 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 4. März 2013 Klage beim Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben. Sie trägt vor, der Umfang
der vom TAD angenommenen Belastung durch Bearbeitung von Maiskolben in einem Jahrzehnt sei nicht haltbar. Diese Belastung
sei vielmehr gering gewesen, daher seien auch damals keine Beschwerden aufgetreten. Sie leide an der sog. "Rebschnitt-Krankheit".
Im Januar sei der Rebschnitt jeweils die wichtigste Arbeit auf dem 7 ha großen Winzerhof gewesen, auf dem sie 2008 und 2009
tätig gewesen sei. So habe sie im Januar/Februar 2008 121 Stunden und im Januar 2009 85 Stunden im Rebschnitt gearbeitet.
Allein die Tatsache, dass sich der Rebschnitt auf ein paar Wochen gedrängt habe, und die lange Arbeitszeit täglich sprächen
für die Entstehung der Erkrankung bei dieser für sie ungewohnten Arbeit. Pro Tag seien bis zu 5.000 Rebschnitte und mehr erfolgt.
Unberücksichtigt geblieben sei dabei das Scharfschleifen der Rebschere, welches zu einer zusätzlichen Belastung geführt habe.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. W. vom 5. Juni 2013 eingeholt und die Behandlungsunterlagen
dieses Arztes beigezogen, worunter sich ein MRT von Dr. X., Radiologie X-Stadt, vom 8. Februar 2012 sowie Befunde von Prof.
Dr. Y., Orthopädische Klinik Hessisch Lichtenau, vom 24. Februar 2012 und ein Entlassungsbericht der Ärzte der Karl Aschoff
Klinik, Bad Kreuznach vom 7. Januar 2013 befinden, wo der Kläger ein Reha-Verfahren durch den Rentenversicherungsträger (DRV
Bund) durchgeführt hat. Zudem hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Beiziehen eines orthopädischen Gutachtens von Dr.
Z. vom 27. Oktober 2014 im Rentenverfahren der Klägerin gegen die DRV Bund vor dem Sozialgericht (Az: S 8 R 403/13) und durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens vom 10. Februar 2014 von der Chefärztin der Orthopädischen Abteilung
der Klinik Hoher Meißner, Dr. CC ... Die Sachverständige Dr. CC. hat eine "blande Epicondylits humeri ulnaris rechts" angenommen
und dazu ausführt, das Schmerzbild, welches sich im Rahmen der aktuellen Begutachtung am rechten Ellenbogen gezeigt habe,
sei eher diffus gewesen. Die Testungen seien nicht exakt reproduzierbar gewesen und könnten keinem Substrat zugeordnet werden.
Differentialdiagnostisch zeigten sich bei anderen Krankheitsbildern ähnliche Symptome wie bei einer Epicondylitis, vor allem
beim HWS-Syndrom, aber auch beim Ulnarisrinnensyndrom. Ein Kausalzusammenhang könne nicht angenommen werden, es spreche mehr
gegen als für eine durch die berufliche Tätigkeit verursachte Erkrankung. Die ca. 165-stündige Tätigkeit im Rebschnitt stelle
nicht eine zureichende Belastung für die Entstehung einer BK Nr. 2101 dar. Gegen die berufliche Verursachung spreche zudem,
dass trotz langjähriger Entbindung aus jeglicher beruflicher Tätigkeit die Epicondylitis zumindest nach der Schmerzbeschreibung
fortbestehe.
Mit Urteil vom 17. März 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach der Nr. 2101 liege nicht
vor. Zwar leide die Klägerin an einer Epicondylitis humeri ulnaris rechts. Diese Erkrankung könne indes nicht auf die Tätigkeit
der Klägerin im Rebschnitt zurückgeführt werden. Nach den Aufzeichnungen der Klägerin habe die belastende Tätigkeit nur im
Januar/Februar 2008 und Januar 2009 stattgefunden. Die für eine BK Nr. 2101 zu fordernde Gesamtbelastungszeit von fünf Jahren
sei damit nicht gegeben. Auch Dr. Z. habe in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2014 darauf hingewiesen, dass nur eine länger
andauernde ungewohnte Tätigkeit mit einer Astschere überlastungsbedingte Beschwerden am Epicondylus hätte auslösen können.
Das Sozialgericht hat auf eine Entscheidung des HLSG vom 29. Oktober 2013 Bezug genommen (L 3 U 287/10), bei der die Anerkennung der betreffenden Berufskrankheit beim Einsatz der Computermaus streitig war.
Gegen das ihr am 24. März 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. April 2015 Berufung beim Sozialgericht eingelegt,
die von dort an das zuständige Hessische Landessozialgericht in Darmstadt weitergeleitet worden ist. Sie macht geltend, das
Sozialgericht habe zu Unrecht die arbeitstechnischen Voraussetzungen verneint. In dem Merkblatt zur BK Nr. 2101 seien überhaupt
keine Feststellungen über die Dauer einer Berufskrankheit - schon gar nicht von fünf Jahren - vermerkt. Fest stehe lediglich,
dass die berufliche Beanspruchung mehrere Stunden täglich bestehen müsse, um die Qualität einer wesentlichen Teilursache für
die Entstehung der Erkrankung zu erlangen. Für die Entstehung der Muskelansatzerkrankung genüge bei entsprechender Disposition
die Belastung schon von wenigen Tagen. Bei der Epicondylitis spiele die Kraftanstrengung eine Rolle. Rebenschneiden sei sehr
kraftanstrengend. Das angefochtene Urteil beziehe sich auf eine Erkrankung durch Schreibmaschinenschreiben, diese Tätigkeit
könne nicht mit dem Rebschnitt verglichen werden und aus diesem Grund auch nicht eine fünfjährige Tätigkeit verlangt werden.
Konkurrierende Krankheitsbilder würden bei ihr nicht vorliegen, sie sei auch wegen HWS-Beschwerden nie in Behandlung gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. März 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26.
Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2013 zu verurteilen, bei ihr eine Epicondylitis humeri ulnaris
als Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der Anlage 1 der
BKV anzuerkennen und ihr Rente nach einer MdE in Höhe von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen Dr. CC. vom 11. September
2015, auf Antrag der Klägerin durch Einholung eines orthopädischen Zusammenhangsgutachtens durch Dr. DD., Facharzt für Chirurgie/Handchirurgie/Plastische
Chirurgie, Chefarzt, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main (BGU), vom 2. Mai 2017 sowie einer ergänzenden
Stellungnahme des Sachverständigen vom 22. Mai 2018: Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakten
(Band II und III) verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten
(Band I - II) sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Band 3) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist im Ergebnis zu Recht ergangen.
Soweit die Klägerin Rentenleistungen beantragt, ist die Klage schon unzulässig. Die Beklagte hat erkennbar nicht über einen
Anspruch auf Rente entschieden, sie hat mit dem angefochtenen Bescheid nur die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der
Nr. 2101 abgelehnt. Die hier erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
4 SGG setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Sozialleistungsträger die Leistung durch Verwaltungsakt abgelehnt hat (Keller
in: Meyer-Ladewig,
SGG, 12. Auflage, §
54 Rn. 38). Zulässig ist hier im Sinne der §§
54 und
55 SGG daher nur die geltend gemachte Anfechtung kombiniert mit der Feststellung des Vorliegens des Versicherungsfalles (Keller,
a. a. O., § 55 Rn. 3b).
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2101 abgelehnt.
Berufskrankheiten sind nach §
9 Abs.
1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet
und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden.
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist zunächst, dass die versicherte Tätigkeit, die
schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei
der Feststellung des Sachverhalts dabei nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit,
wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, §
118 Rn. 5 m.w.N.). Der Grad der Wahrscheinlichkeit muss so hoch sein, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung
des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung
hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Zur Anerkennung einer Berufskrankheit muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende
schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. Einwirkungskausaliät) und diese
Einwirkung muss die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Als Beweismaßstab genügt für die ursächlichen Zusammenhänge statt des Vollbeweises die hinreichende Wahrscheinlichkeit, d.
h. bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden
Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen
Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542
RVO a. F.). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich
ist (BSGE 60, 58, 59).
In der Anlage 1 zur
BKV ist unter Nr. 2101 bezeichnet:
"Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze, die zur Unterlassung aller
Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich
waren oder sein können."
Die hier geltend gemachte Erkrankung am Sehnenansatz des Ellenbogengelenks gehört zu den nach dieser Berufskrankheit geschützten
Krankheitsbildern (Epicondylitis; richtige Bezeichnung: Epicondylopathia, vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 1239). Der Oberarm hat im Bereich des Ellenbogengelenks zwei Epicondylen (einem
Gelenkknorren aufsitzender Knochenvorsprung für Muskelansätze). Unterschieden wird der radiale (speichenseitig) und ulnare
(ellenseitig) gelegene. Am radialen Epicondylus setzt die Unterarmstreckmuskulatur, am ulnaren die Beugemuskulatur der Hand
und Finger an.
Besondere berufliche Einwirkungen, die generell geeignet sind, eine solche Erkrankung hervorzurufen, liegen hier vor. Bei
dem Einsatz im Rebschnitt fallen biomechanisch relevante Bewegungsabläufe an, die das Krankheitsbild einer Epicondylitis humeri
ulnaris bewirken können. Für diese Feststellung stützt sich der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. DD., die
dieser auf der Grundlage und unter Darlegung entsprechender Studien im Weinbau getroffen hat. Demnach können die kraftvollen
Bewegungen der Fingerbeuger zu Belastungsbeschwerden in Höhe des Ellenbogens und hier des Epicondylus ulnaris führen (sog.
Golferellenbogen), wenngleich nach dem Sachverständigen in den Studien überwiegend Belastungsbeschwerden der Hand und des
Handgelenks geschildert werden.
Die Einwirkungen müssen für die Anerkennung einer Berufskrankheit auch nach Dauer und Intensität geeignet gewesen sein, die
entsprechende Erkrankung hervorzurufen (vgl. zu der Voraussetzung der Qualität und Quantität Brandenburg in JurisPK-
SGB VII; §
9 Rn. 68). Der noch vom TAD angenommene Trainingseffekt durch die Vermarktung in der Jugendzeit steht hier der Annahme einer
solchen Eignung nicht entgegen. Dr. DD. weist nachvollziehbar darauf hin, dass dieser Trainingseffekt, sollte er überhaupt
über die lange zurückliegende Zeit angehalten haben, nur die Anpassung an den speziellen Arbeitsablauf der Vorbereitung der
Maiskolben betroffen haben kann, dieser sei aber vollkommen unterschiedlich zu der Tätigkeit im Rebschnitt. Ebenso wie schon
Dr. CC. sieht Dr. DD. die Forderung nach einer Gesamtbelastungszeit von fünf Jahren als zu hoch gegriffen und nur eine mehrmonatige
Einwirkung für erforderlich an. Dies entspricht dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu der BK Nr. 2101 (vgl.
Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seiten 1240, 1241; Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung (
BKV), Stand: September 2018, M 2101, Seite 7). Der Rebschnitt fiel im konkreten Fall indes nicht mehrere Monate, sondern während
der versicherten Tätigkeit der Klägerin als Betriebshelferin beim Maschinenring nur jeweils einige Wochen in den Jahren 2008
und 2009 an. Ob diese konkrete Belastung wegen ihrer Intensität geeignet gewesen ist, eine Epicondylitis humeri ulnaris zu
verursachen, wie es Dr. DD. annimmt, kann im vorliegenden Fall indes dahinstehen, da die Anerkennung der Berufskrankheit an
dem Fehlen einer anderen Voraussetzung scheitert.
Nach Auffassung des Senats ist das Krankheitsbild einer Epicondylopathia humeri ulnaris, das wie ausgeführt den Abläufen beim
Rebschnitt grundsätzlich zugeordnet werden kann, nicht im Vollbeweis gesichert.
Dr. DD. hat zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im März 2017 keine belastbaren Hinweise für Veränderungen am ellenseitigen Epicondylus
finden können und beruft sich dazu auch auf das unauffällige MRT vom 15. März 2016, das ihm vorgelegen hat. Damit stimmen
auch die Untersuchungsergebnisse von Dr. CC. überein, die nach ihrer Untersuchung in 2014 mitteilt, die durchgeführten Testungen
seien nicht exakt reproduzierbar, die Schmerzangaben eher diffus, seien mal für eine Epicondylitis humeri radialis, mal für
eine Epicondylitis humeri ulnaris positiv gewesen und so keinem Substrat zuzuordnen. Dr. DD. hält die Diagnose einer Epicondylitis
humeri ulnaris indes für nachvollziehbar während der akuten Phasen der Beschwerden, also in 2008 und 2009. Dies gilt wohl
auch für Dr. CC., die trotz des diffusen Schmerzbildes eine "blande" (nicht entzündliche) Epicondylitis humeri ulnaris rechts
diagnostiziert. Dr. DD. weist dabei darauf hin, dass die Diagnose zum Zeitpunkt der akuten Beschwerden ausschließlich durch
den körperlichen Untersuchungsbefund (Anamnese, Lokalisation der Beschwerden) gestellt wurde, Provokationstests und bildgebende
Verfahren seien nicht durchgeführt worden. Vorliegend genügt dies zur vollen Überzeugung des Senats indes nicht, um von dem
Vorliegen des Krankheitsbildes in der akuten Phase der Beschwerden auszugehen. Denn zum einen sind die Angaben der Klägerin
zur Lokalisation in den Jahren 2008 und 2009 ebenso diffus, wie es die Sachverständige Dr. CC. bei ihrer späteren Untersuchung
geschildert hat. So geben die behandelnden Ärzte zur Zeit der akuten Belastung der Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 auf
Grund der Lokalisation des angegebenen Druckschmerzes teilweise eine Epicondylopathia humeri radialis an (so Dr. L. und Dr.
Q.), teilweise eine Epicondylopathia humeri ulnaris (so Dr. U. im Jahr 2009). Auch die Ärzte Dres. S./Dr. R. schildern auf
Grund ihrer Untersuchung im Januar 2012 nur eine Druckdolenz des Epicondylus humeri radialis (und zwar beidseitig) und nicht
des Epicondylus humeri ulnaris. Zweifel am Vorliegen des zum Rebschnitt passenden Krankheitsbildes am ellenseitigen Epicondylus
ergeben sich zudem aus der Tatsache, dass sich die Beschwerden der Klägerin (sie klagt über Schmerzen am gesamten rechten
Arm) auch in der akuten Phase durch andere (nicht durch die BK Nr. 2101 geschützte) Krankheitsbilder erklären lassen. Schon
Dr. L. hat bei seiner Erstuntersuchung am 11. April 2008 auf das Vorliegen eines rechtsseitigen Karpaltunnelsyndroms als Ursache
für die Beschwerden der Klägerin hingewiesen. Die Ärzte des Praxiszentrums O. & Coll. (Dr. EE.) haben diese Diagnose nach
weiterer Diagnostik bestätigt, zudem Einschränkungen der HWS diagnostiziert und machen beide Diagnosen für die Schmerzen der
Klägerin verantwortlich (Arztbrief an Dr. L. vom 22. Juni 2009). Auch Dr. Q. hat die Klägerin wegen eines chronischen HWS-Syndroms
mit Ausstrahlung in den rechten Arm behandelt (Bericht an die Beklagte vom 10. Juni 2011). In dem MRT-Befund der HWS vom 8.
Februar 2012 durch Dr. X., Radiologie X-Stadt, werden degenerative Veränderungen der Bandscheiben C5/6 und C6/7 beschrieben
mit sekundärer geringgradiger Deformierung der Neuro-foramina (= Verengungen der Nervenwurzelaustrittsöffnungen) C5/6 und
C6/7. Dr. CC. bestätigt die Diagnose an der HWS in ihrem Gutachten vom 10. Februar 2014 als "pseudoradikuläres degeneratives
HWS-Syndrom mit sensiblem Defizit C7/C8 rechts". Auch für die Folgezeit ergeben sich Diagnose und Behandlung einer beidseitigen
Cervicobrachialgie aus den von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Berichten von Dr. FF., Orthopädische Klinik Hessisch
Lichtenau, vom 3. Juli 2014, von dem Orthopäden Dr.
GG. vom 16. Juni 2014 und dem Orthopäden Dr. HH. vom 30. Juni 2014, wenngleich der Neurologe Dr. II. in seinem Arztbrief vom
23. Juni 2014 neurologisch keine Auffälligkeiten feststellt (vgl. zu dem Inhalt diese Arztbriefes das beigezogene Gutachten
des Orthopäden Dr. Z.). Dr. CC. weist zutreffend darauf hin, dass sich bei diesen hier beschriebenen anderen Krankheitsbildern
ähnliche Symptome zeigen wie bei einer Epicondylitis. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand sind solche Krankheitsbilder
daher auch bei der Prüfung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2101 als Differentialdiagnose auszuschließen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin,
a. a. O., Seite 1242; dies gilt übrigens ebenso für das Krankheitsbild einer Fibromyalgie, das hier nach dem eigenen Vorbringen
der Klägerin im Raum steht nach Rheumafaktorerhöhung und entsprechender Abklärung).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf §
160 Abs.
2 SGG.