Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
Verfassungsmäßigkeit der Festsetzung der Regelbedarfe durch den Gesetzgeber
Anforderungen an eine Neuermittlung auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Form eines höheren monatlichen Regelbedarfs für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.10.2017.
Mit Bescheid vom 04.10.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger SGB II-Leistungen für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.10.2017 in Höhe von monatlich 713,29 EUR. Der monatliche Gesamtbetrag setzte
sich wie folgt zusammen: Regelbedarf 404 EUR, Mehrbedarf Warmwasserbereitung 9,29 EUR, Mietanteil 220 EUR, Nebenkostenanteil
30 EUR und Heizkostenanteil 50 EUR.
Hiergegen erhob der Kläger am 16.10.2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die Erhöhung der Regelsätze für die Zeit
ab dem 01.01.2016 sei nicht verfassungskonform. In die Berechnung hätte die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) aus
2013 einfließen müssen, die am 10.09.2015 veröffentlicht worden sei. Die gesetzlichen Vorschriften würden zwingend vorschreiben,
dass bei Vorliegen einer neuen EVS die Regelsätze in einem Bundesgesetz neu zu definieren seien. Dies habe der Gesetzgeber
unterlassen. Die Höhe der Regelsätze sei nicht neu ermittelt, sondern nur fortgeschrieben worden. Unter Berücksichtigung der
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) seien die Regelsätze an die EVS 2013 anzupassen.
Mit Bescheid vom 27.12.2016 hob die Beklagte den Bescheid vom 04.10.2016 teilweise auf und bewilligte für die Zeit vom 01.01.2017
bis 31.10.2017 SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 718,41 EUR. Hierbei berücksichtigte die Beklagte nunmehr einen monatlichen Regelbedarf von
409 EUR und einen monatlichen Mehrbedarf Warmwasserbereitung von 9,41 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Einwand des Klägers zur Verfassungswidrigkeit
des Regelbedarfes ab dem 01.01.2016 könne im Widerspruchsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit
gesetzlicher Normen bleibe dem Normenkontrollverfahren vorbehalten. Das BVerfG habe festgestellt, dass die Vorschriften über
die Festsetzung der Höhe des Regelbedarfs sowie deren Fortschreibung mit dem
Grundgesetz vereinbar seien. Im Übrigen habe das Sozialgericht Münster in einem Urteil vom 14.07.2017 darauf hingewiesen, dass die Argumente
des Klägers in verschiedensten anderen Klageverfahren vorgetragen und gerichtlicherseits nicht nur im Land Nordrhein-Westfalen
überprüft worden seien. Ein höherer Leistungsanspruch sei nicht zu rechtfertigen.
Am 18.09.2017 hat der Kläger hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben.
Im Klageverfahren hat der Kläger umfangreich vorgetragen. Der gesetzliche Leistungsanspruch müsse den gesamten existenznotwendigen
Bedarf decken. Die Regelbedarfe seien fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Auf Änderungen der wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen wie auf Preissteigerungen oder auf die Erhöhung von Verbrauchssteuern müsse zeitnah reagiert werden, um
eine aktuelle Bedarfsdeckung sicherzustellen. Das BVerfG habe den Gesetzgeber in seinem Beschluss vom 23.07.2014 verpflichtet,
die Entwicklung der Strompreise zeitnah abzubilden und den Stromkostenanteil in den Regelbedarfen ggf. zu erhöhen. Seit 2008
seien die Strompreise um fast 40% gestiegen, die Erhöhung des Regelbedarfes und damit auch des darin enthaltenen Stromkostenanteils
bleibe weit dahinter zurück. Dies führe zu einer permanenten Bedarfsunterdeckung. Spätestens nach dem Beschluss des BVerfG
vom 23.07.2014 hätte der Gesetzgeber tätig werden müssen. Passiert sei aber auch mehr als drei Jahre später noch immer nichts.
Angesichts der deutlichen Strompreiserhöhungen sei auch der Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserversorgung erkennbar zu
niedrig bemessen. Dieser müsse etwa doppelt so hoch sein, um annähernd realistisch zu sein. Das BVerfG habe auch die Berechnung
des Regelbedarfsanteils für Verkehrsdienstleistungen kritisiert. Auf dem Papier sei hier zwar eine Korrektur erfolgt. Andere
Ausgabenpositionen wie Nahrung, Haushalt, Einrichtung, Gesundheitspflege, Freizeit und Bildung seien aber gekürzt worden.
Hier sei nur innerhalb des Regelbedarfs verschoben worden. Darüber hinaus habe das BVerfG die Gefahr einer Bedarfsunterdeckung
bei langlebigen Gebrauchsgütern (z.B. Kühlschrank oder Waschmaschine) gesehen. Auch hier sei der Gesetzgeber bislang nicht
tätig geworden. Die Regelsatzberechnung sei zudem nicht schlüssig und transparent. Gegen die Auswahl der Referenzgruppe würden
Bedenken bestehen. Sie sei willkürlich festgelegt worden und im Übrigen viel zu klein. Bei der EVS 2008 hätten die durchschnittlichen
Ausgaben der Referenzgruppe mit ca. 843 EUR über den durchschnittlichen Einnahmen mit 716 EUR gelegen. Dies deute auf eine
nicht unerhebliche Zahl von "verdeckten Armen" hin. Dies bedeute, dass in der Referenzgruppe eine nicht unerhebliche Anzahl
an Personen enthalten sei, die einen bestehenden Anspruch auf Sozialleistungen nicht geltend mache. Die durchschnittliche
Höhe der Einnahmen sei erst durch eine kleine Anfrage im Bundestag öffentlich geworden, in den entsprechenden Gesetzgebungsunterlagen
würde sich dies nicht finden. Das BVerfG sei hinsichtlich der Einkommensverhältnisse der Referenzgruppe von der Bundesregierung
vorsätzlich getäuscht worden. Daher habe dem BVerfG der erhebliche Fehlbetrag beim Einkommen der Referenzhaushalte nicht auffallen
können. Dieses Missverhältnis bestehe auch bei der EVS 2013 (Einnahmen 764 EUR, Ausgaben 884 EUR). Die EVS könne zwar Hinweise
darauf liefern, welche Waren und Dienstleistungen in bestimmten Einkommensgruppen konsumiert würden. Über die Deckung existenznotwendiger
Bedarfe könne sie jedoch keine Auskunft geben. Ein erfolgter Verbrauch lasse keinen Rückschluss auf die Bedarfsdeckung zu.
Denn soweit arme Haushalte relevante Bedarfe nicht abdecken könnten, würden diese auch in der EVS nicht abgebildet. Dies sei
etwa an den Ausgaben der Referenzhaushalte für Strom erkennbar. 330.000 Stromsperren und 6,6 Mio. Sperrandrohungen durch Stromversorger
allein im Jahr 2016 würden hinsichtlich einer angeblichen Bedarfsdeckung in den unteren Einkommensschichten eine mehr als
deutliche Sprache sprechen. Die Regelleistungen würden dem Bedarf stets zwei bis drei Jahre hinterherhinken. Die Festlegung
der Regelsätze sei von widersprüchlichen Erwägungen getragen. Beispielsweise werde ein PKW im SGB II als Schonvermögen berücksichtigt, im Regelsatz dagegen nicht. Ebenso habe das Bundessozialgericht entschieden, dass Mietkautionsdarlehen
gegen die Regelleistung aufgerechnet werden dürften. Bei der Berechnung der Regelleistung selbst würden diese Beträge aber
nicht berücksichtigt. Der Kläger hat auf das Gutachten von Frau Dr. J C "Regelbedarfsbemessung: Gutachten zum Gesetzentwurf
2016" Bezug genommen. Selbst der Bundesminister für Arbeit und Soziales Herr I habe in einer Fernsehsendung eingestanden,
dass die Regelbedarfe den Vorgaben des BVerfG nicht genügen würden. Nur die Sozialgerichte würden diese Realität nicht zur
Kenntnis nehmen wollen. Zudem habe der Sozialausschuss am UN-Hochkommissariat für Menschenrechte die Berechnung und Höhe der
Regelsätze als unzureichend kritisiert. Der Kläger hat darüber hinaus auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Kosten
für Schulbücher verwiesen. Demnach sei die Ermittlung des Regelbedarfs aufgrund des bundesweiten durchschnittlichen Verbraucherverhaltens
jedenfalls für Haushalte, in denen keine Lernmittelfreiheit bestehe, strukturell unzutreffend. Eine derartige strukturell
nicht realitätsgerechte Bedarfserfassung sei auch bei anderen Regelbedarfspositionen zu beobachten. Dies gelte etwa für Brillen,
die ein nicht unerheblicher Teil der Leistungsberechtigten überhaupt nicht benötige. Gleiches gelte für elektrische Großgeräte
wie Herd, Kühlschrank oder Waschmaschine, die teilweise in Mietverträgen enthalten seien, so dass hierfür keine Kosten entstehen
würden. Dort wo ein Bedarf aber tatsächlich auftrete, sei der errechnete Regelbedarfsanteil aufgrund der vorgenommenen Durchschnittsbetrachtung
regelmäßig unzureichend.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 04.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2017 (gemeint 29.08.2017)
abzuändern und den Regelbedarf entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts neu zu berechnen, entsprechend neu
zu bescheiden und dem Kläger die bisher einbehaltenen Leistungen zuzüglich gesetzlicher Zinsen auszuzahlen; den Sachverhalt
zu Prüfung und Klärung dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht
in dem ebenfalls den Kläger betreffenden Klageverfahren S 5 AS 418/16 die Höhe der Regelbedarfe für das Jahr 2016 nicht beanstandet habe. Auch die Höhe der Regelbedarfe für das Jahr 2017 sei
in mehreren Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit für verfassungsgemäß erklärt worden.
Mit Urteil vom 29.11.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung höherer
Leistungen nach dem SGB II. Zu Recht habe die Beklagte bei der Berechnung der SGB II-Leistungen für 2016 einen Regelbedarf von 404 EUR bzw. ab dem 01.01.2017 von 409 EUR zugrunde gelegt. Die Regelbedarfe seien
weder rechtswidrig noch verfassungswidrig. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf die Ausführungen in seinem Urteil vom
14.07.2017 zum Verfahren S 5 AS 418/16 sowie auf Entscheidungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, denen es sich anschließe, Bezug genommen. Im Klageverfahren
hätten sich keine Erkenntnisse ergeben, die eine Entscheidung zugunsten des Klägers rechtfertigen würden. Soweit der Kläger
den Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung als zu niedrig erachte, sei es ihm unbenommen, im Einzelfall einen abweichenden
Bedarf darzulegen und zu belegen, wie es § 21 Abs. 7 SGB II als möglich vorsehe. Eine Verfassungswidrigkeit hinsichtlich der vom Gesetzgeber geregelten Pauschale auf der Basis eines
prozentualen Anteils der Höhe des Regelbedarfes lasse sich nicht begründen.
Gegen das ihm am 20.12.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.01.2020 Berufung eingelegt. Seine wesentlichen Argumente
habe das Sozialgericht nicht berücksichtigt. Weder die nachweislichen Mängel in den EVS-Daten noch das Eingeständnis der Verfassungswidrigkeit
der Regelbedarfe durch den Bundesminister I seien bei der Entscheidung beachtet worden. Bezüglich der Regelbedarfsberechnung
liege ein kompletter Ermittlungsausfall vor. Hierzu nimmt der Kläger unter anderem auf Aussagen in Bundestagsdrucksachen,
Äußerungen in Fernsehsendungen, Zeitungsberichte (z.B. Zeit-Online und Spiegel-Online) und Stellungnahmen aus Fachkreisen
Bezug. Der Kläger verweist darauf, dass die Referenzgruppe für die Berechnung der Regelbedarfe so klein sei, dass ihr jegliche
statistische Aussagekraft fehle. Im Rahmen der EVS 2013 umfasse sie lediglich 2.023 Haushalte. Dies habe auch das Statistische
Bundesamt bestätigt. Der Beschluss des BVerfG vom 23.07.2014 habe das Thema nicht abschließend geklärt. Die Regelleistungen
seien damals nur oberflächlich geprüft worden. Wesentliche Informationen hätten dem BVerfG seinerzeit gar nicht vorgelegen.
Außerdem habe das BVerfG die Regelbedarfe lediglich als "derzeit noch" verfassungsgemäß angesehen. Dies sei inzwischen sechs
Jahre her. Ob die vom BVerfG verlangten schlüssigen Zahlen, auf denen die Regelbedarfsberechnung basieren solle, tatsächlich
schlüssig seien, habe das BVerfG nicht überprüft. Eine gründliche Prüfung der Berechnungsgrundlagen sei unterblieben. Entsprechende
Plausibilitätsprüfungen seien von der Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt vorgenommen worden. Dies gelte sowohl für die EVS-Daten
an sich als auch für die sich daraus ergebenden Regelbedarfe; dies, obwohl das BVerfG eine solche Bedarfsdeckungsprüfung ausdrücklich
verlangt habe. Selbst wenn das Verfahren für die Regelbedarfsberechnung rein abstrakt gesehen nicht verfassungswidrig sei
- woran angesichts der zu kleinen Datenbasis der EVS erhebliche Zweifel bestehen würden -, führten jedenfalls die zahlreichen
Manipulationen der Berechnung zur Verfassungswidrigkeit des Ergebnisses. Eine derart manipulative Vorgehensweise sei in jedem
anderen Zusammenhang mit Fug und Recht als Betrug zu bezeichnen. Der Kläger nimmt Bezug auf eine vom Institut Forsa im Auftrag
des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes durchgeführte Umfrage, wonach ca. 80% der Befragten die Regelbedarfe für zu niedrig
halten würden. Laut dieser Umfrage werde in Regelbedarfsstufe 1 ein Betrag von durchschnittlich 728 EUR als angemessen angesehen.
Die Inanspruchnahme von Tafeln und anderer Billigstangebote werde bei der Festlegung der Regelbedarfe offenbar von vornherein
eingeplant.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.11.2019 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 04.10.2016
und 27.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2017 zu verurteilen, ihm einen höheren Regelsatz nach dem
SGB II für die Zeit vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2017 zu gewähren,
hilfsweise die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 GG vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist erneut darauf, dass die Berechnungen der Regelbedarfe für die Jahre 2016 und 2017 in einer Reihe von Entscheidungen
als verfassungsgemäß anerkannt worden seien.
In der mündlichen Verhandlung am 20.11.2020 hat der Senat den Beteiligten eine vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
herausgegebene Übersicht über die Strompreisentwicklung in den Jahren 2010 bis 2019 ("Entwicklung der Strompreise für Privathaushalte
in Deutschland, 10 Jahre") überreicht und ihren Inhalt mit den Beteiligten erörtert.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Die innerhalb der Monatsfrist des §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG ausgeschlossen. Danach bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss
des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung
oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Der Kläger hat im Berufungsverfahren auf
eine im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes durchgeführte Umfrage des Instituts Forsa Bezug genommen, wonach ein
(monatlicher) Regelbedarf von durchschnittlich 728 EUR angemessen sei. Dieser Betrag liegt monatlich 324 EUR (2016) bzw. 319
EUR (2017) über den von der Beklagten für den hier streitigen Zeitraum 01.11.2016 bis 31.10.2017 bewilligten Regelbedarfsleistungen
von monatlich 404 EUR (2016) bzw. 409 EUR (2017). Die Wertgrenze des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG wird damit überschritten.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 04.10.2016 in
der Fassung des Bescheides vom 27.12.2016 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2017 ist rechtmäßig. Der Kläger
ist hierdurch nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Er hat für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.10.2017 keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II in der Form eines höheren monatlichen Regelbedarfs, auf den sich der Antrag und das Begehren des Klägers zuletzt bezog (vgl.
hierzu a.). Der Senat sieht keinen Anlass, das Berufungsverfahren auf den Hilfsantrag des Klägers hin auszusetzen und eine
Entscheidung des BVerfG einzuholen (vgl. hierzu b.).
a. Die Beklagte hat dem Kläger zutreffend für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.12.2016 einen monatlichen Regelbedarf von 404
EUR und für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.10.2017 einen monatlichen Regelbedarf von 409 EUR bewilligt.
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie
ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.
Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt (§ 20 Abs. 1 Satz 3 SGB II) und in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt (§ 20 Abs. 1a Satz 1 SGB II). Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig
ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in
einem Bundesgesetz neu ermittelt (§ 28 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII)). Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2 sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen
(§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben
unterer Einkommensgruppen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt
mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind (§ 28 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Die EVS des Statistischen Bundesamtes wird nur alle fünf Jahre durchgeführt und beruht auf einer repräsentativen Befragung
(Gutzler in jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 28 Rn. 25). In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 erfolgt, werden die Regelbedarfsstufen jeweils zum 1. Januar mit
der sich nach Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate fortgeschrieben (§ 28a Abs. 1 Satz 1 SGB XII).
Die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen erfolgt gemäß § 28a Abs. 2 Satz 1 SGB XII aufgrund der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der
bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung (Mischindex). Maßgeblich ist jeweils die Veränderungsrate, die sich aus der Veränderung in dem Zwölfmonatszeitraum,
der mit dem 1. Juli des Vorvorjahres beginnt und mit dem 30. Juni des Vorjahres endet, gegenüber dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraum
ergibt (§ 28a Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Für die Ermittlung der jährlichen Veränderungsrate des Mischindexes wird die sich aus der Entwicklung der Preise aller
regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen ergebende Veränderungsrate mit einem Anteil von 70 vom Hundert und die sich
aus der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer ergebende Veränderungsrate mit einem Anteil
von 30 vom Hundert berücksichtigt (§ 28a Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Mit der Ermittlung der jährlichen Veränderungsrate für den Zeitraum nach Absatz 2 Satz 2 für die Preise aller regelbedarfsrelevanten
Güter und Dienstleistungen und die durchschnittliche Nettolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer
beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt (§ 28a Abs. 3 SGB XII). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung
mit Zustimmung des Bundesrates den für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a maßgeblichen Vomhundertsatz zu
bestimmen und die Anlage zu § 28 um die sich durch die Fortschreibung nach Nummer 1 zum 1. Januar eines Jahres ergebenden
Regelbedarfsstufen zu ergänzen (§ 40 Satz 1 SGB XII). Die Bestimmungen nach Satz 1 erfolgen bis spätestens zum Ablauf des 31. Oktober des jeweiligen Jahres (§ 40 Satz 3 SGB XII).
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass die Beklagte die Höhe des monatlichen Regelbedarfs für Alleinstehende für den
Kläger für die Jahre 2016 und 2017 im Einklang mit diesen einfach-rechtlichen Vorgaben festgesetzt hat. Für die Zeit ab dem
01.01.2016 sieht § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2016 vom 22.10.2015 (RBSFV 2016) in der Regelbedarfsstufe
1 einen monatlichen Regelbedarf von 404 EUR vor. Durch das Regelbedarfsermittlungsgesetz vom 22.12.2016 (RBEG 2017) wurden
die Zusammensetzung und die Höhe der bisherigen Regelbedarfsstufen zum 01.01.2017 neu bestimmt. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 RBEG 2017 beläuft sich die Regelbedarfsstufe 1 ab dem 01.01.2017 auf 409 EUR. Diese Beträge hat die Beklagte der im Berufungsverfahren
streitigen Leistungsbewilligung für den Kläger für den Zeitraum 01.11.2016 bis 31.10.2017 zugrunde gelegt.
b. Im Hinblick auf den von dem Kläger gestellten Hilfsantrag hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, das Berufungsverfahren
gemäß Art.
100 Abs.
1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Der Senat konnte sich nicht von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen
Regelungen, die der Ermittlung des monatlichen Regelbedarfs für Alleinstehende für die Jahre 2016 und 2017 zugrunde liegen,
überzeugen und hält diese nicht für verfassungswidrig. Die Voraussetzungen des Art.
100 Abs.
1 GG liegen daher nicht vor.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) die Frage entschieden, ob das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 - Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG 2011) - den Anforderungen aus Art.
1 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gerecht wird. Der Gesetzgeber hatte die Regelbedarfe zum 01.01.2011
neu regeln müssen, nachdem das BVerfG im Jahr 2010 die bisherige Festsetzung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres für die Zeit ab 2005 für verfassungswidrig erklärt und den
Gesetzgeber verpflichtet hatte, spätestens bis zum 31.12.2010 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen (dazu Blüggel,
jurisPR-SozR 22/2014 Anm. 1, juris). Das BVerfG hat im Jahr 2014 sodann die entsprechenden Vorschriften mit dem Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG als "derzeit noch vereinbar" angesehen (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rn. 73). Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
erstrecke sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung
eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dem Gesetzgeber komme ein Gestaltungsspielraum
bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er habe einen Entscheidungsspielraum
bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Es komme
dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen
Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Hinsichtlich der Bemessung des Existenzminimums
gebe das
Grundgesetz selbst keinen exakt bezifferten Anspruch vor. Deswegen könne auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des
Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden (BVerfG, a.a.O., Rn. 80).
Die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz beschränke sich daher
darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Diese Kontrolle beziehe sich im Wege einer Gesamtschau auf die Höhe
der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend
seien Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich sei, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen könnten, Hilfebedürftigen
in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sei (BVerfG, a.a.O.,
Rn. 81). Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüfe das BVerfG, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher
Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das BVerfG setze sich dabei nicht mit eigener
Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung
von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen (BVerfG, a.a.O., Rn. 81). Es lasse
sich nicht feststellen, dass die Leistungen evident unzureichend festgesetzt seien. Die Vorgaben für die Bestimmung der Leistungshöhe
würden derzeit den Anforderungen an eine sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe genügen; der Gesetzgeber habe jedoch
nach Maßgabe der Gründe dafür Sorge zu tragen, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung existenzsichernder Bedarfe nicht
eintreten. Die Vorgaben für die Fortschreibung des Regelbedarfs seien mit der Verfassung vereinbar. Ein Verstoß gegen weitere
Grundrechte liege nicht vor (BVerfG, a.a.O., Rn. 86). Die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf lasse nicht erkennen,
dass der existenzsichernde Bedarf offensichtlich nicht gedeckt sei (BVerfG, a.a.O., Rn. 87).
Ausgehend von dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und den verfassungsrechtlichen Vorgaben steht zur Überzeugung
des Senates fest, dass die Höhe des monatlichen Regelbedarfs für Alleinstehende für die Jahre 2016 und 2017 im Einklang mit
den verfassungsrechtlichen Vorgaben ermittelt worden ist. Die Festsetzung der Regelbedarfe lässt eine offensichtliche Unterdeckung
des existentiellen Bedarfs nicht erkennen. Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers überzeugen nicht.
In diesem Zusammenhang wird zunächst darauf hingewiesen, dass der in Art.
103 Abs.
1 GG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör das entscheidende Gericht verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten
zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, Rn. 43). Gerichte brauchen allerdings nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich
zu bescheiden (BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94 -, Rn. 43). Insbesondere besteht keine Verpflichtung, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe
eines Verfahrens von der einen oder der anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 05.10.2010 - B 8 SO 62/10 B -, Rn. 9). Der Senat hat das umfangreiche Vorbringen des Klägers im Klage- und
Berufungsverfahren vollumfänglich zur Kenntnis genommen, in Erwägung gezogen und sich hiermit im Rahmen der Entscheidungsfindung
ausführlich auseinandergesetzt.
Entgegen der Ansicht des Klägers war der Gesetzgeber nicht gehalten, die Ergebnisse der EVS 2013 bereits in die Ermittlung
des Regelbedarfs für die Zeit ab dem 01.01.2016 einfließen zu lassen. Zwar sind die Ergebnisse der EVS 2013 vom Statistischen
Bundesamt am 10.09.2015 veröffentlich worden (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 01.12.2016
- L 19 AS 2235/16 B -, juris). Bevor die Regelbedarfsstufen nach Vorliegen einer neuen EVS in einem Bundesgesetz entsprechend § 28 Abs. 1 SGB XII neu ermittelt werden, sind durch das Statistische Bundesamt allerdings umfangreiche Sonderauswertungen durchzuführen (§ 28 Abs. 3 SGB XII). Auch das Gesetzgebungsverfahren selbst nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch (LSG NRW, Beschluss vom 01.12.2016 - L 19 AS 2235/16 B -, juris). Daraus ergibt sich nachvollziehbar, weshalb die Neuermittlung des Regelbedarfs aus der EVS 2013 erst für die
Regelbedarfsstufen 2017 zum Abschluss gebracht werden konnte (LSG NRW, Beschluss vom 08.03.2017 - L 12 AS 1825/16 NZB -, juris). Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Neuermittlung durch den Gesetzgeber oder die am Ermittlungsverfahren
beteiligten Behörden verschleppt worden wäre (LSG NRW, Beschluss vom 27.10.2016 - L 9 SO 447/16 B -, juris).
Sofern der Kläger die EVS-Daten für unzureichend hält, etwa im Hinblick auf die Auswahl der Referenzgruppe, folgt der Senat
dem nicht. Der Gesetzgeber stützt sich im Ausgangspunkt mit der EVS auf geeignete empirische Daten. Die EVS bildet in statistisch
hinreichend zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rn. 95). Die vom Gesetzgeber getroffene Auswahl der für die Ermittlung des Regelbedarfs zu berücksichtigenden Referenzhaushalte
ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, a.a.O., Rn. 96). Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Gesetzgeber
die Höhe der Leistungen für den Regelbedarf an dem in der EVS ermittelten Verbrauchsverhalten der unteren Einkommensgruppen
orientiert (BVerfG, a.a.O., Rn. 97). Im Hinblick auf die EVS 2008, die dem RBEG 2011 zugrunde gelegen hat, hat es das BVerfG
ausdrücklich als mit der Verfassung vereinbar angesehen, bei der Bestimmung der Referenzhaushalte nur die unteren 15% der
nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte zugrunde zu legen (BVerfG, a.a.O., Rn. 98). Auf diese Weise ist
der Gesetzgeber auch bei der Neuermittlung der Höhe der Regelbedarfe für die Zeit ab dem 01.01.2017 vorgegangen (vgl. § 4
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBEG 2017). Bezogen auf die EVS 2008 hat das BVerfG zudem festgestellt, dass die Referenzgruppe mit 1.678
Einpersonenhaushalten hinreichend groß gewesen ist (BVerfG, a.a.O., Rn. 99). Der Einwand des Klägers, im Rahmen der EVS 2013
sei die Referenzgruppe mit 2.023 Haushalten zu klein gewesen, greift insoweit nicht durch.
Auch der beispielhafte Hinweis des Klägers, es sei widersprüchlich, im Rahmen der Berechnung des Regelbedarfs keine Kosten
für einen PKW zu berücksichtigen, verfängt nicht. Die Entscheidung, bestimmte Ausgaben nicht als regelbedarfsrelevant anzuerkennen,
ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich insoweit um wertende Entscheidungen des Gesetzgebers im Rahmen
des ihm zustehenden Ausgestaltungsspielraums (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rn. 113). Insbesondere ist die wertende Entscheidung des Gesetzgebers, ein Kraftfahrzeug im Grundsicherungsrecht nicht als
existenznotwendig zu berücksichtigen, vertretbar, sofern die ohne Kraftfahrzeug zwangsläufig steigenden Aufwendungen der Hilfebedürftigen
für den öffentlichen Personennahverkehr berücksichtigt werden (BVerfG, a.a.O., Rn. 114). Dass in Bezug auf die Berechnung
des Regelbedarfsanteils für Verkehrsdienstleistungen eine Korrektur durch den Gesetzgeber erfolgt ist, hat der Kläger jedenfalls
eingeräumt, wenngleich nach Ansicht des Klägers lediglich eine Verschiebung innerhalb des Regelbedarfs erfolgt ist.
Eine Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs im hier streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt
einer permanenten Bedarfsunterdeckung infolge erheblicher Strompreiserhöhungen.
Das BVerfG hat entschieden, dass die Ermittlung des existentiellen Bedarfs wegen der anfallenden Kosten für Haushaltsstrom
den grundgesetzlichen Anforderungen im Ausgangspunkt genügt (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rn. 88). Im Fall des Haushaltsstroms liege keine über Jahrzehnte reichende Veränderung mit einem ständig anwachsenden Preisanstieg
vor, die der Gesetzgeber nicht beachtet hätte. Zugleich hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der Preise
für Haushaltsstrom berücksichtigt werden muss (BVerfG, a.a.O., Rn. 144). Angesichts außergewöhnlicher Preissteigerungen bei
einer derart gewichtigen Ausgabeposition sei der Gesetzgeber verpflichtet, nicht nur den Index für die Fortschreibung der
Regelbedarfe, sondern auch die grundlegenden Vorgaben für die Ermittlung des Bedarfs hinsichtlich des Haushaltsstroms zu überprüfen
und, falls erforderlich, anzupassen.
Die Entwicklung der Strompreise für Privathaushalte in Deutschland im Zeitraum 2010 bis 2019 lässt in den Jahren 2010 bis
2013, d.h. vor der Entscheidung des BVerfG vom 23.07.2014, einen durchaus erheblichen Preisanstieg erkennen. Der Senat stützt
sich insoweit auf die vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft herausgegebene Übersicht über die Strompreisentwicklung
in den Jahren 2010 bis 2019 ("Entwicklung der Strompreise für Privathaushalte in Deutschland, 10 Jahre"). In der mündlichen
Verhandlung am 20.11.2020 hat der Senat den Beteiligten einen Ausdruck hiervon überreicht und den Inhalt mit ihnen erörtert;
die Übersicht ist zudem im Internet abrufbar (unter https://strom-report.de/strompreise/strompreisentwicklung/#strompreisentwicklung-10-jahre).
Während der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Strom bei einem Durchschnittsverbrauch von 3.500 kWh pro Jahr im Jahr 2010
bei 23,69 Cent lag, stieg er bis zum Jahr 2013 auf 28,84 Cent an. In der Zeit ab dem Jahr 2013 sind die Strompreise hingegen
im Wesentlichen konstant geblieben (2014 = 29,14 Cent/kWh, 2015 = 28,80 Cent/kWh, 2016 = 28,70 Cent/kWh und 2017 = 29,16 Cent/kWh).
Dies ergibt eine Preiserhöhung von nur ca. 1,011% im Zeitraum von 2013 bis 2017. Eine außergewöhnliche Preissteigerung vermag
der Senat hierin nicht zu erkennen. Dies gilt auch für die streitgegenständlichen Jahre 2016 und 2017.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
4. Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG ist nicht gegeben. Eine solche erfordert eine Rechtsfrage, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus
Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich - Klärungsbedürftigkeit - und deren
Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist - Klärungsfähigkeit - (Voelzke in jurisPK-
SGG, 1. Auflage 2017, §
160 Rn. 81). Hier fehlt es bereits an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Denn die Rechtsfrage, ob die Höhe des Regelbedarfs
für die Jahre 2016 und 2017 verfassungsgemäß ist, ist aufgrund der bereits vorliegenden und zuvor dargestellten Rechtsprechung
des BVerfG dazu ohne Schwierigkeiten zu beantworten. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs sind auch in der
obergerichtlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bislang nicht geäußert worden (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 27.10.2016
- L 9 SO 447/16; Beschluss vom 28.11.2016 - L 19 AS 1372/15; Beschluss vom 01.12.2016 - L 19 AS 2235/16; Beschluss vom 08.03.2017 - L 12 AS 1825/16 NZB; Beschluss vom 05.10.2017 - L 12 AS 1595/17 B; Beschluss vom 19.12.2017 - L 2 AS 1900/17 B; Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.09.2018 - L 7 AS 195/18 NZB; Urteil vom 20.03.2019 - L 11 AS 905/18; Hessisches LSG, Beschluss vom 09.10.2017 - L 4 SO 166/17 B; Sächsisches LSG, Urteil vom 24.05.2018 - L 7 AS 1105/16; alle juris). Ein Revisionsgrund ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG). Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Entscheidung des BVerfG ab. Vielmehr gelangt er gerade in Anwendung
der von dem BVerfG aufgestellten Rechtsgrundsätze zu der Überzeugung, dass der Regelbedarf auch im streitgegenständlichen
Zeitraum den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.