Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Versicherungspflicht des Klägers als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson
nach §
3 Satz 1 Nr.1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) betreffend seine Pflegetätigkeit für seine Schwester Frau C S im Zeitraum vom 1.1.2015 bis zum 20.12.2015.
Frau C S erhielt von der Beigeladenen für den Zeitraum vom 1.4.1995 bis 30.9.1997 Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach
Pflegestufe 2. Aufgrund eines Wiederholungsgutachtens wurde sie ab 1.10.1997 in Pflegestufe 1 zurückgestuft. Weitere Wiederholungsgutachten
aus den Jahren 1999 und 2001 bestätigten die Pflegestufe 1. Nach einer Begutachtung vom 31.1.2001 wurden keine weiteren Begutachtungen
mehr durchgeführt.
Ausweislich dieses zeitlich letzten Pflegegutachtens wurde die Pflegestufe 1 mit einem täglichen Gesamtpflegeaufwand von 106
Minuten ermittelt (entspricht 12,37 Stunden wöchentlich). In diesem Gutachten sind als Pflegepersonen Herr P S und Frau F
S, die Eltern des Klägers, angegeben. Herr P S verstarb am 16.12.2008. Frau F S war seit dem 2.1.2012 selbst pflegebedürftig
und zwar bis zum 31.10.2014 nach Pflegestufe 1, vom 1.11.2014 bis zum 31.3.2015 nach Pflegestufe 2 und ab dem 1.4.2015 nach
Pflegestufe 3. Ab dem 2.1.2012 übernahm der Kläger die Pflege seiner Schwester C S, zugleich pflegte er seine Mutter.
Mit Schreiben vom 20.01.2014 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, dass er im Gutachten vom 18.6.2012 als Pflegepersonen
der bei der Beigeladenen versicherten Frau F S genannt worden sei. Da sein Pflegeaufwand mit 64 Minuten täglich angegeben
worden sei, sei er zurzeit nicht rentenversicherungspflichtig. Allerdings sei es seit dem 1.1.2013 gemäß §
44 Abs.
6 SGB XI möglich, mehrere Pflegetätigkeiten, bei denen die Pflege jeweils unter 14 Stunden wöchentlich durchgeführt werde, zusammenzurechnen.
Zur Prüfung einer Rentenversicherungspflicht bat die Beigeladene den Kläger, einen Fragebogen zur Zahlung von Beiträgen zur
gesetzlichen Rentenversicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen auszufüllen.
In diesem Fragebogen vom 1.7.2014 gab der Kläger insbesondere an, dass er neben der Pflegetätigkeit eine nichtselbstständige
Tätigkeit als technischer Angestellter regelmäßig 40 Stunden pro Woche seit 1997 ausübe. Zudem gab er an, dass die Pflegetätigkeit
betreffend Frau F S einen Umfang von regelmäßig 15,75 Stunden pro Woche habe. Die Pflegetätigkeit betreffend Frau C S habe
einen Umfang von insgesamt 12,6 Stunden wöchentlich.
Mit Schreiben vom 22.8.2014 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, dass nach Prüfung des Fragebogens festzustellen sei, dass
der Kläger die vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzungen nicht erfülle. Der Kläger sei anderweitig durchschnittlich mehr
als 30 Stunden in der Woche beschäftigt bzw. selbständig tätig. Damit seien die Voraussetzungen des § 19 Pflegeversicherungsgesetz
nicht erfüllt und eine Rentenversicherungspflicht sei nicht gegeben. In diesem Schreiben war zudem der Hinweis enthalten,
dass, sofern sich in den persönlichen Verhältnissen des Klägers Veränderungen ergeben sollten, die eine Neubeurteilung der
Versicherungspflicht notwendig machten, er die Beigeladene hiervon unterrichten solle.
Mit E-Mail vom 18.12.2014 teilte der Kläger der Beigeladenen mit, dass er ab dem 1.1.2015 bis auf weiteres seine Vollzeitbeschäftigung
in eine Teilzeitbeschäftigung von 30 Wochenstunden reduziert habe. Insoweit bat er um entsprechende Veranlassung sowie Weiterleitung
an den Rentenversicherungsträger.
Daraufhin wurde der Kläger für seine Pflegetätigkeit betreffend Frau F S zur gesetzlichen Rentenversicherung angemeldet. Dies
erfolgte zunächst mit einem Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden bei Pflegestufe 1. Da bei der Begutachtung vom 23.3.2015
die Pflegestufe 2 mit einem täglichen Gesamtpflegeaufwand von 203 Minuten, rückwirkend ab dem 1.11.2014, ermittelt wurde,
wurde der Kläger nachträglich ab dem 1.1.2015 bei Pflegestufe 2 mit einem Pflegeaufwand von mindestens 21 Stunden in der Woche
zur gesetzlichen Rentenversicherung angemeldet. Da im Zweitgutachten vom 15.5.2015 die Pflegestufe 3 mit einem Gesamtpflegeaufwand
von 321 Minuten pro Tag festgestellt wurde, wurden seit dem 1.4.2015 Rentenversicherungsbeiträge nach Pflegestufe 3 mit einem
Pflegeaufwand von mindestens 28 Stunden in der Woche gezahlt. Die Erhöhung der beitragspflichtigen Einnahmen nach Änderung
der Pflegestufe auf Stufe 2 und 3 wurde dem Kläger mit Schreiben vom 11.6.2015 mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 23.6.2015 legte der Kläger Widerspruch gegen die im Schreiben vom 11.6.2015 aufgeführte fiktive Rentenhöhe
ein. Zur Begründung führte er insbesondere an, dass für den Zeitraum vom 1.1.2015 bis 31.5.2015 lediglich der Pflegeaufwand
für seine Mutter berücksichtigt worden sei. Der ebenfalls geleistete Pflegeaufwand für seine Schwester C sei nicht berücksichtigt
worden. Im Rahmen der Additionspflege gem. §
166 SGB VI seien diese Zeiten jedoch nicht nur zur Erfüllung eines Rentenanspruchs heranzuziehen, sondern auch der Höhe nach für die
Berechnung der Rente zu berücksichtigen, so dass hier vom Höchstsatz der Bemessungsgrundlage auszugehen sei.
Der Kläger und die Beigeladene tauschten im Februar mehrere Mails aus. Die Beigeladene klärte zunächst darüber auf, dass der
Berechnung ein fiktives Einkommen zu Grunde liege. Für die Pflege seiner Schwester sei keine Rentenversicherungspflicht gegeben.
Dem widersprach der Kläger. Bei ihm seien 12,36 Stunden für die Schwester und 16,21 Stunden für die Pflege der Mutter zu addieren.
Die Beigeladene vertrat die Auffassung, die Addition solle (ausschließlich) Fälle erfassen, in denen ohne diese eine Rentenversicherungspflicht
(überhaupt) nicht erreicht werden könne. Bestehe bereits Rentenversicherungspflicht aufgrund einer Pflegetätigkeit, käme es
zu keiner Addition.
Die Beigeladene teilte mit Schreiben vom 7.7.2015 mit, dass sie seinem Widerspruch nicht habe abhelfen können und ihn zuständigkeitshalber
der Beklagten zur Entscheidung vorgelegt habe. Er werde von dort einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid erhalten.
Die Beklagte fragte bei dem Beigeladenen an, ob der Pflegeaufwand für die Schwester des Klägers weiterhin unter 14 Stunden
liege und verwies darauf, dass das Pflegegutachten aus dem Jahr 2001 stamme. Die Beigeladene teilte mit, dass es nach zwei
Wiederholungsgutachten, welche zu keiner Änderung geführt hätten, zu keiner weiteren Begutachtung mehr gekommen sei. Ein Verschlimmerungsantrag
sei nicht gestellt worden.
Mit darauf ergangenem und hier streitgegenständlichem Bescheid vom 11.9.2015 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit
dem 1.1.2015 nicht der Versicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen nach §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI bezogen auf seine Pflegetätigkeit für Frau C S unterliege. Versicherungspflicht wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege liege für
Personen in der Zeit vor, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des §
14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn der Pflegebedürftige Anspruch
auf Leistungen aus der Pflegeversicherung hat und eine neben der Pflege ausgeübte Erwerbstätigkeit der Pflegeperson regelmäßig
nicht mehr als 30 Stunden in der Woche umfasst. Beitragspflicht aufgrund von Additionspflege trete beim Kläger nicht ein,
weil er bereits ab dem 1.1.2015 für die Pflegetätigkeit von F S der Versicherungspflicht unterliege.
Der Kläger legte gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.9.2015 am 13.10.2015 Widerspruch ein. Eine Begründung des Widerspruches
erfolgte nicht.
Parallel kam es zwischen der Beigeladenen und Frau C S zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über ihre Mitgliedschaft,
welche sich im Ergebnis bestätigte. Aufgrund der zwischenzeitlich ungeklärten Pflegeversicherung würde Frau C S bei der AOK
angemeldet, welche durch den MDK am 21.12.2015 einen Gesamtzeitaufwand für die Pflege von 14 Stunden 7 Minuten pro Woche feststellte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.3.2016 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.09.2015 zurück.
Der Kläger hat dagegen am 21.4.2016 bei dem Sozialgericht Münster Klage erhoben.
Die Beigeladene hat im Laufe des Verfahrens aufgrund eines Gutachtens des MDK vom 21.12.2015 eine neue Entscheidung getroffen
und die Versicherungspflicht des Klägers als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen gem. §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI für die zu pflegende Frau C S ab dem 21.12.2015 festgestellt.
Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger insbesondere aus, dass er aufgrund seiner seit dem 1.1.2015 auf 30 Wochenstunden
reduzierten Arbeitszeit Anspruch auf eine Rente aus Pflegetätigkeit hätte. Diese würde sich nach dem in den Pflegegutachten
ermittelten Pflegeaufwand bemessen. Laut Gutachten vom 18.2.1999 habe der Pflegeaufwand für seine Schwester 106 Minuten täglich
bzw. 12,37 Wochenstunden betragen, also unterhalb der Grenze zur Versicherungspflicht von 120 Minuten bzw. 14 Wochenstunden.
Gleichzeitig habe bei seiner Mutter F S laut Gutachten vom 26.5.2014 für den Zeitraum ab 1.1.2014 ein Pflegeaufwand von 139
Minuten täglich bzw. 16,22 Wochenstunden bestanden. Es sei jedoch nur die Pflegetätigkeit i. H. v. 16,22 Stunden anerkannt
worden. Der Pflegeaufwand für seine Schwester C sei unberücksichtigt geblieben. Klagegrund sei die durch die Nichtanerkennung
der Pflegetätigkeit bei seiner Schwester C falsch ermittelte Rentenhöhe. Neben dem Zeitraum von 16,22 Wochenstunden bei seiner
Mutter seien auch 12,37 Wochenstunden für die Pflege seiner Schwester in Ansatz zu bringen. Das würde eine Gesamtleistung
von 28,59 Wochenstunden bedeuten und Anspruch auf den Höchstsatz von 80 % der Bezugsgröße begründen. Die an der Systematik
des §
166 SGB VI orientierte Argumentation der Beklagten könne nicht verfange. Zwar würden nach §
166 Abs.
2 SGB VI Pflegetätigkeiten im Sinne des Absatzes 3 bei der Berechnung nach Satz 2 unberücksichtigt, bei ihm würde aber kein Fall des
Absatzes 3 vorliegen. Es gebe daher keine Vorschrift, welche eine Zusammenrechnung untersage. Keine Rechtsnorm würde die Nichtanrechnung
des Pflegeaufwandes in voller Höhe für die Rente aus nichterwerbstätiger Pflegetätigkeit rechtfertigen.
Überdies würde eine unterlassene Amtsermittlungspflicht der Beigeladenen vorliegen. Die letzte Begutachtung seiner Schwester
C S sei im Jahr 1999 durch die Beigeladene vorgenommen worden. Insoweit läge ein langer Zeitraum zwischen der im Januar 1999
erfolgten Begutachtung und derjenigen, die in dem Jahr 2015 erfolgt ist. Die Beigeladene sei jedoch zur Anspruchsüberprüfung
verpflichtet gewesen. Wenn eine frühere Gutachtenerstellung stattgefunden hätte, hätte diese zu dem Ergebnis führen können,
dass bereits früher im streitgegenständlichen Zeitraum, d.h. frühestens am 1.1.2015, ein Pflegeumfang von über 14 Stunden
vorgelegen haben könnte und insoweit schon seit dem 1.1.2015 entsprechende Beitragszeiten auch für die Pflege seiner Schwester
anzuerkennen wären. Die Pflegekasse sei zur Beratung verpflichtet. Das in Rede stehende Pflegegutachten sei zum Zeitpunkt
der Abfrage mehr als zehn Jahre alt gewesen. Spätestens bei der am 18.12.2014 mitgeteilten Änderung der Wochenarbeitszeit
von 40 auf 30 Wochenstunden hätte die Beigeladene die Unterlagen für die Feststellung der Rentenversicherungspflicht genau
prüfen und sich fragen müssen, ob und inwieweit ein über zehn Jahre altes Gutachten noch eine taugliche Grundlage für eine
Beurteilung des Pflegeaufwandes sein könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Zeitansatz des vorhandenen Gutachtens knapp
an einer Bemessungsgrenze liege. Da es an dieser Stelle nicht um Feststellung eines Pflegegrades gegangen sei, sondern um
eine andere Leistung, nämlich die der Rentenversicherungspflicht, hätte hier zwingend seitens der Beigeladenen eine Begutachtung
erfolgen müssen, was jedoch unterblieben sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.9.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.3.2016 aufzuheben und festzustellen,
dass er im Zeitraum vom 1.1.2015 bis 20.12.2015 der Versicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson nach §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI betreffend seine Pflegetätigkeit für Frau C S unterliegt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nahm sie insbesondere Bezug auf den Inhalt der Akten und den angefochtenen Bescheid. Zudem führt sie insbesondere
an, dass die sogenannte Additionspflege beim Kläger für die zu pflegende Frau C S nicht berücksichtigt werden könne, weil
der Pflegeumfang für Frau F S bereits wöchentlich 14 Stunden übersteige.
Die Beigeladene beantragte, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene war der Auffassung, dass sie keinen Anhaltspunkt für eine Verschlimmerung vor dem 21.12.2015 habe erkennen
können. Das Gutachten des MDK vom 21.12.2015 sei nicht von ihr, sondern von der AOK in Auftrag gegeben worden. Mit Bescheid
der Beklagten vom 11.9.2015 sei dem Kläger folgender Hinweis gegeben worden: "Sofern sich der Hilfebedarf für Frau C S erhöht
haben sollte, wäre eine neue Begutachtung bei der Pflegekasse zu beantragen." Da dies nicht erfolgt sei und aus dem Gutachten
nicht hervorgehe, dass der Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden bereits im Oktober 2015 vorgelegen habe, gebe es keinen
Anhaltspunkt für eine Verschlimmerung vor dem 21.12.2015. Für die Pflege von Frau C S könnten daher vor dem 21.12.2015 keine
Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger gezahlt werden.
Mit Urteil vom 23.6.2020 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Der Kläger sei hinsichtlich seiner Schwester
nicht nach §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI versicherungspflichtig als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, weil er diese nicht wenigstens 14 Stunden wöchentlich
gepflegt habe. Erst im Rahmen des Gutachtens vom 21.12.2015 sei ein Gesamtzeitaufwand für die Pflege von 14 Stunden und 7
Minuten festgestellt worden.
Die Kammer habe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Versicherungspflicht vor dem Zeitpunkt der Begutachtung eingetreten sei.
Könne ein solcher Zeitpunkt nicht konkret festgestellt werden, sei auf den Tag der Begutachtung abzustellen. Eine Versicherungspflicht
- dem Grunde nach - folge auch nicht aus der sogenannten Additionspflege. Da bereits eine Versicherungspflicht bezogen auf
die Pflegetätigkeit für Frau F S bestanden habe, erfolge keine Zusammenrechnung. Gegenstand des Klageverfahrens sei allein
die Rentenversicherungspflicht nach §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI für die Pflegetätigkeit für die Schwester des Klägers.
Es sei unerheblich, ob die Beigeladene tatsächlich verpflichtet gewesen wäre, frühzeitig ein entsprechendes weiteres Gutachten
einzuholen. Selbst wenn dies erfolgt wäre, würde daraus noch keine Rentenversicherungspflicht folgen. Weitere Voraussetzung
wäre, dass in diesem Gutachten ein Pflegeaufwand von 14 Stunden wöchentlich und mehr festgestellt worden wäre. Es fehle daher
jedenfalls an einer Kausalität zwischen einer möglichen Pflichtverletzung und der Rentenversicherungspflicht. Aus diesem Grunde
scheitere auch ein Anspruch über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Begutachtungen würden zudem zur
Feststellung der Pflegebedürftigkeit für die Leistungen des Versicherten, nicht zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht
nach §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI erfolgen.
Gegen das ihm am 14.7.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.8.2020 bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Berufung eingelegt. Seine Berufung richte sich im Wesentlichen dagegen, dass die Gründe für die Nichteinholung eines zwischenzeitlichen
Gutachtens nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Er habe am 22.8.2014 zwei Bescheide bekommen über die Rentenversicherungspflicht
aus der Pflegetätigkeit für seine Mutter und über die Rentenversicherungspflicht aus der Pflegetätigkeit für seine Schwester.
Nach beiden Schreiben habe damals einer Anerkennung der Rentenversicherungspflicht jeweils seine Vollzeitbeschäftigung entgegengestanden
wie auch das Unterschreiten des Pflegebedarf von 14 Stunden wöchentlich. Es habe aber kein Hinweis darauf gegeben, wie hoch
der von der Beigeladenen berücksichtigte Pflegeaufwand jeweils war. Wäre dies erfolgt, so hätte er bereits zu diesem frühen
Zeitpunkt Kenntnis davon bekommen, dass ein Gutachten aus dem Jahr 2001 zu Grunde lag. In der Korrespondenz nach Reduzierung
seiner wöchentlichen Arbeitszeit über die Anerkennung der Pflegetätigkeit für seine Schwester hätte die Beigeladene erneut
ausreichend Gelegenheit gehabt, ihn über das Gutachten in Kenntnis zu setzen, welches ihrer Entscheidung zugrunde lag. Die
Beigeladene habe daher gegen ihre Informationspflichten verstoßen. Darüber hinaus sei es seiner Auffassung nach rechtswidrig,
auf der Basis eines 15 Jahre alten Gutachtens über die Rentenversicherungspflicht zu entscheiden. Es sei auch zu berücksichtigen,
dass es sich nicht um große Veränderungen im Pflegeaufwand gehandelt habe, welche er als Laienpfleger habe erkennen können.
Der Pflegeaufwand für seine Schwester habe sich (lediglich) um 15 Minuten verändert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.6.2020 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 11. 9.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21.3.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass er im Zeitraum vom 1.1.2015 bis 20.12.2015
der Versicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Person nach §
3 Satz 1 Nr. 1a
SGB VI für seine Pflegetätigkeit für seine Schwester C S unterliegt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.6.2020 zurückzuweisen.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene erwidert, dass es selbst bei einer unterstellten Pflichtverletzung der Beigeladenen weder über einen Amtshaftungsanspruch
noch über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu einer Pflichtversicherung im
SGB VI käme. Auf die erstinstanzliche Entscheidung werde verwiesen.
Wegen des weiteren Sachverhaltes nimmt der Senat auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen
Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Der Pflegeaufwand für Frau C S überstieg in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum nach dem von der Beigeladenen eingeholten
Pflegegutachten14 Stunden wöchentlich nicht.
Der Senat hat bereits Zweifel, ob es - wie der Kläger meint - überhaupt eine Pflicht zu einer Wiederholungsbegutachtung gegeben
hat, mit welcher - womöglich, dazu sogleich - zu einem früheren Zeitpunkt ein höherer Pflegeaufwand hätte festgestellt werden
können. Darüber hinaus bestehen weiter Zweifel, ob eine solche Pflicht - diese unterstellt - gegenüber der Pflegeperson und
nicht allein gegenüber dem Pflegebedürftigen besteht.
Das alles kann aber dahinstehen, denn ein Anspruch scheitert in jedem Fall an der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung
und dem eingetretenen Schaden. Selbst bei unterstellter behördlicher Pflichtverletzung, ein weiteres Gutachten pflichtwidrig
nicht eingeholt zu haben. würde diese Pflichtverletzung nicht kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Klägers führen.
Über den Herstellungsanspruch könnte nämlich nur die unterbliebene Amtshandlung fingiert werden, hier somit allein Einholen
eines Gutachtens. Nicht unterstellt oder fingiert werden können dagegen die in einem solchen Gutachten möglicherweise festgestellten
Tatsachen, hier die medizinische Feststellung, dass ein Pflegeaufwand von wenigstens 14 Stunden wöchentlich bereits vor dem
21.12.2015 gegeben war.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Verfassungsrecht.
d) Schließlich hat zu Recht die Beklagte und nicht die Beigeladene über die Versicherungs- und Beitragspflicht entschieden.
Über die Versicherungs- und Beitragspflicht in einem Versicherungszweig hat der Versicherungsträger zu entscheiden, bei dem
die behauptete Versicherungspflicht bestehen würde, es sei denn, es gibt eine abweichende Zuständigkeitsregelung. Der Rentenversicherungsträger
hat, vorbehaltlich abweichender Regelungen, über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe in der
Rentenversicherung selbst zu entscheiden (zum Gesamten BSG, 22.3.2001 - B 12 P 3/00 R -, Rn. 16).