Grundsicherung für Arbeitsuchende
Beschwerde gegen die Ablehnung einer einstweiligen Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen zur Begleichung von Mietschulden
Voraussetzungen für die begehrte Übernahme der Mietschulden
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die von den Antragstellern beantragte einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen (hilfsweise
durch Darlehensgewährung) zum Zwecke der Begleichung von Mietschulden ist unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Verhältnisse
vom Sozialgericht im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden.
Gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt
mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiellrechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen
Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an einem Anordnungsanspruch
fehlt. Die Voraussetzungen für die begehrte Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft
oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und
notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Eine Übernahme der Schulden ist hier schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil dadurch eine Sicherung der gegenwärtigen
Unterkunft nicht mehr möglich wäre. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Schuldenübernahme nicht gerechtfertigt, wenn die entsprechende
Unterkunft bereits geräumt ist oder deren Räumung auch bei Übernahme der Rückstände nicht mehr abgewendet werden könnte und
damit eine längerfristige Sicherung der Unterkunft nicht mehr zu erreichen ist (siehe Luik in Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn. 248 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Übernahme von Mietschulden
erfolgt nicht, um den Mieter von zivilrechtlichen Forderungen freizustellen oder um Ansprüche des Vermieters zu sichern. Zweck
der Leistung ist allein die (längerfristige) Sicherung der Unterkunft. Ist dieser Zweck nicht mehr erreichbar (beispielsweise,
weil die Wohnung schon geräumt wurde) oder kann dieser Zweck aus anderen Gründen nicht erreicht werden, ist es nicht gerechtfertigt,
Steuermittel für eine allenfalls noch vorübergehende weitere Nutzung der Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Eine Sicherung der Wohnung durch Übernahme der Mietschulden ist hier ausgeschlossen, weil das Mietverhältnis bereits gekündigt
wurde und die Antragsteller zum Auszug verpflichtet sind. Das Amtsgericht Recklinghausen hat durch Versäumnisurteil vom 24.11.2015
die Antragstellerin zu 1) als alleinige Mietvertragspartei zur Räumung der betreffenden Wohnung verurteilt. Die Räumungsklage
war unter dem 07.11.2015 zugestellt worden (siehe die Angaben der Antragsteller auf Seite 2 der Antragsschrift vom 15.12.2015).
Damit ist nunmehr ausgeschlossen, dass die wegen Mietrückständen ausgesprochene Kündigung wegen des in §
569 Abs.
3 S. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) geregelten Nachholrechts des Mieters unwirksam wird. Nach dieser Vorschrift wird eine Kündigung dann unwirksam, wenn der
Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich
der fälligen Miete befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Diese Zweimonatsfrist
ist zwischenzeitlich abgelaufen, so dass auch eine Befriedigung des Vermieters die Kündigung jetzt nicht mehr unwirksam werden
lassen könnte. Zwar hat der Vermieter die Möglichkeit, eine von ihm ausgesprochene Kündigung zurückzunehmen, hier ist vom
Vermieter jedoch zuletzt gegenüber dem Sozialgericht ausdrücklich erklärt worden, dass er auch bei einer Tilgung der Mietschulden
keinesfalls an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses interessiert ist. Damit ist der Wohnungsverlust auch bei einer Nachzahlung
der Mietschulden nicht mehr abzuwenden.
Eine im Ergebnis abweichende Beurteilung im vorliegenden Verfahren würde sich auch dann nicht ergeben, wenn aufgrund des Versäumnisurteils
des Amtsgerichts Recklinghausen eine Räumung der Wohnung deshalb nicht möglich sein sollte, weil sich der Räumungstitel allein
gegen die Antragstellerin zu 1) nicht aber gegen den Antragsteller zu 2) richtet. Hat ein Mieter in die Mietwohnung einen
nichtehelichen Lebensgefährten aufgenommen, ist für die Räumungsvollstreckung ein Vollstreckungstitel auch gegen den nichtehelichen
Lebensgefährten erforderlich, wenn dieser Mitbesitz an der Wohnung begründet hat (siehe Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss
vom 19.03.2008 zum Az. I ZB 56 / 07, Rn 13 bei [...]). Ob der Antragsteller zu 2) Mitbesitzer der Wohnung ist (ein Mitbesitz
muss sich aus den Umständen klar und eindeutig ergeben; allein aus der Aufnahme in die Wohnung folgt dieser nicht zwangsläufig,
siehe BGH, a.a.O., Rn 16 bei [...]) kann hier aber offen bleiben. Würde Mitbesitz festgestellt, wäre zwar möglicherweise noch
eine fristgemäße Befriedigung des Vermieters gemäß §
569 Abs.
3 Nr.
2 BGB mit der Folge möglich, dass die Kündigung dann unwirksam wird. Zu einem Erfolg in diesem Antragsverfahren könnte dies jedoch
nicht führen, weil es dann derzeit an einem Anordnungsgrund fehlen würde. Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, dass
eine Übernahme von Mietschulden im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur dann in Betracht kommen kann, wenn ein Wohnungsverlust
unmittelbar einzutreten droht. Dies ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn aufgrund einer anhängigen Räumungsklage der baldige
Eintritt von Obdachlosigkeit nicht fernliegend ist (siehe zuletzt: Beschluss des erkennenden Senates vom 28.12.2015, L 2 AS 2191/15 B, Rn. 5 bei [...]; Beschluss vom 23.12.2015, L 2 AS 1622/15 B ER, Rn. 8 bei [...] mwN). Wäre aber zur Räumung der Wohnung auch ein Titel gegen den Antragsteller zu 2) erforderlich,
würde es daran derzeit fehlen. Es ist im übrigen nichts dafür ersichtlich, dass der Vermieter ein Interesse daran haben könnte,
allein die Antragstellerin zu 1) vorab aus der Wohnung zu entsetzen, denn nach Lage der Akten ist der Vermieter allein wegen
der Mietrückstände nicht aber aufgrund eines sonstigen in der Person der Antragstellerin zu 1) liegenden Verhaltens nicht
zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.
Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren konnte wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten
nicht erfolgen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.