LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2021 - 2 AS 1175/18
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II
Anforderungen an die Zulässigkeit einer Beweislastentscheidung bei Unaufklärbarkeit der Hilfebedürftigkeit aufgrund fehlender
Mitwirkung
Führt die Tatsachenermittlung des Gerichts zur Hilfebedürftigkeit zu keinen Ergebnissen und beruht die Unaufklärbarkeit maßgeblich
auf der Verletzung von Mitwirkungshandlungen durch die Kläger, ist eine Beweislastentscheidung möglich mit der Folge, dass
die Kläger als nicht hilfebedürftig anzusehen sind – hier im Falle des Vorliegens einer Deckungslücke zwischen den Ausgaben
für die Miete und fortlaufend erwirtschafteten Verlusten aus einer selbständigen Tätigkeit.
Normenkette: SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ,
SGB II § 9 Abs. 1 ,
Vorinstanzen: SG Duisburg 28.05.2018 S 45 AS 2911/16
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.05.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Juni 2016 bis November 2016.
Die am 00.00.1957 geborene Klägerin zu 2) und der am 00.00.1953 geborene Kläger zu 1) sind Eheleute. Ab 2005 bezogen sie als
Bedarfsgemeinschaft in wechselnden Zeitabschnitten und jedenfalls seit dem 01.09.2014 laufend SGB Il-Leistungen von dem Beklagten.
Die Klägerin zu 2) erzielte in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit (Besorgung
von Energieanlagen aller Art und Zubehör; Internetmarketing).
Die Kläger bewohnen seit November 2002 eine 106 qm große Mietwohnung in der T-Straße 12, Duisburg. Hierfür war nach dem Mietvertrag
eine Monatskaltmiete von 720 € zu zahlen, ferner waren Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 70 € und Heizkostenvorauszahlungen
in Höhe von 100 €, d.h. insgesamt 890 € monatlich zu entrichten. Die Warmwasserversorgung erfolgt dezentral. 20 qm der Wohnung
werden von der Klägerin zu 2) für ihre selbständige Tätigkeit genutzt. Der Beklagte übernahm jeweils nur die angemessenen
Kosten der Unterkunft (bis Februar 2012 eine Grundmiete von 236,40 €, seitdem 253,20 € zuzüglich Heiz- und Nebenkosten) und
berücksichtigte seit September 2014 Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich insgesamt 439,60 €.
Bereits im März 2005 hatte der Beklagte die Kläger darauf hingewiesen, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien
und sie zur Kostensenkung aufgefordert.
Zwischen den Beteiligten war bereits in der Vergangenheit streitig, ob die Kläger hilfebedürftig sind. Diesbezüglich war im
Jahr 2011 ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg anhängig (Az. S 39 AS 4576/11 ER). Nachfolgend wurden Leistungen weitergewährt.
Nachdem die Kläger ab Februar 2016 die Weiterbewilligung der Leistungen beantragt hatten, forderte der Beklagte sie mit Schreiben
vom 05.02.2016 zur Mitwirkung auf. Der Beklagte führte dabei u. a. aus, die Kläger zahlten monatlich einen Betrag von rund
900 € Miete. Vom Beklagten erhielten sie monatlich rund 440 €. Damit belaufe sich der nicht vom Beklagten übernommene Anteil
der Mietkosten auf rund 460 € monatlich. Bei den Betriebsausgaben der Klägerin zu 2), die diese im Rahmen der Selbständigkeit
geltend machte, seien Raumkosten i.H.v. monatlich 195,60 € berücksichtigt, so dass grundsätzlich 270 € monatlich offen seien.
Die Kläger bezögen jedenfalls seit September 2014 SGB Il-Leistungen. Bereinigt um die Gewinne und Verluste aus der selbständigen
Tätigkeit errechne sich bis August 2016 ein nicht gedeckter Betrag in Höhe von ca. 6300 €. Dies bedeute, dass die Kläger seit
dem 01.09.2014 aus der Regelleistung monatlich 250 € Wohnkosten finanzieren müssten. Da der Regelunterhalt gerade das Existenzminimum
absichere, sei dies unwahrscheinlich. In einem Gespräch vom 13.08.2015 hätten die Kläger erklärt, dass die vorläufige Prognose
über das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit zu vorsichtig gewesen sei und sie außerdem einen größeren Auftrag erwarteten.
Geändert habe sich insoweit aber nur, dass die vorläufige Prognose für den Zeitraum März bis August 2015 mit einem Verlust
von monatlich 151,83 € abschließend in einen Verlust von monatlich 193,39 € abgeändert worden sei. Es sei daher davon auszugehen,
dass die Kläger mindestens seit dem 01.09.2014 über Einnahmen verfügten, die sie bisher nicht angegeben hätten.
In der Folgezeit wurde der Beklagte auf eine Internetseite aufmerksam, welche die Klägerin zu 2) unter https://heimarbeit
2016.worldpress.com betrieb und mit der sie einen lukrativen Nebenverdienst durch Heimarbeit bewarb, mit dem sie persönlich
250-500 € pro Tag verdiene. Auf entsprechenden Vorhalt ergänzte die Klägerin am 18.02.2016 ihre Angaben zu den aus dieser
Tätigkeit erzielten Verdiensten.
Der Beklagte lehnte den Weiterbewilligungsantrag der Kläger für den Zeitraum vom 01.03.2016 bis 31.08.2016 mit Bescheid vom
11.03.2016 ab. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und beantragten bei dem SG Duisburg den Erlass einer einstweiligen
Anordnung (Az. S 26 AS 1115/16 ER). Mit Beschluss vom 24.03.2016 verpflichtete das SG den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorläufig für
den Zeitraum vom 15.03.2016 bis zum 31.05.2016 in Höhe von monatlich 1184,34 € zu zahlen.
Mit Schreiben vom 20.04.2016 bat die Klägerin zu 2) darum, den Weiterbewilligungsantrag vom 04.02.2016 umgehend weiter zu
bearbeiten, damit die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 01.06.2016 bis 31.08.2016 gewährleistet seien. Das
Internetmarketing sei ab dem 01.03.2015 nicht mehr beworben und es seien keine Einnahmen generiert worden. Die Klägerin zu
2) reichte zudem die abschließende Erklärung über das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum September 2015
bis Februar 2016 (abschließende EKS- Anlage) bei dem Beklagten ein, aus welcher sich - trotz einer Privateinlage des Zeugen
A V im Januar 2016 in Höhe von 500,- Euro - für den genannten Zeitraum ein Verlust in Höhe von insgesamt 890,30 € ergab.
Unter dem 05.05.2016 stellten die Kläger erneut einen Weiterbewilligungsantrag und reichten die Prognose über das Einkommen
aus selbständiger Tätigkeit für die Monate Juni 2016 bis November 2016 (vorläufige EKS-Anlage) ein, aus welcher sich ein erwarteter
Gesamtgewinn von 363,82 € ergab. Der Beklagte forderte sie daraufhin mit Schreiben vom 23.05.2016 erneut zur Mitwirkung auf.
Es ergebe sich nach der vorläufigen Prognose für Juni 2016 bis November 2016 ein monatlicher Gewinn von 60,64 €. Für den Zeitraum
September 2015 bis Februar 2016 liege nach der abschließenden Erklärung über das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit - ohne
Berücksichtigung der einmaligen Zuwendung des Zeugen V als Betriebseinkommen - ein monatlicher Verlust von 231,72 € vor. Auch
in den Zeiträumen September 2014 bis Februar 2015 und März 2015 bis August 2015 seien ausschließlich Verluste erwirtschaftet
worden. Da die Leistungen nach dem SGB II lediglich das Existenzminimum absicherten, sei es unwahrscheinlich, dass damit durchgehend über einen längeren Zeitraum Verluste
kompensiert werden könnten. Hinzu komme, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft um monatlich rund 470 € höher seien
als der vom Beklagten übernommene Betrag. Mit den Verlusten könne der Fehlbetrag nicht ausgeglichen werden. Da keine Mietrückstände
bestünden, müsse anderes Einkommen vorhanden sein. Dieses sei von den Klägern offenzulegen.
Die Klägerin zu 2) verwies in einer Aufstellung über die Einnahmen (incl. Leistungen des Beklagten und Betriebseinnahmen)
sowie Ausgaben (incl. Bruttomiete und Betriebsausgaben) betreffend den Zeitraum September 2014 bis Februar 2016 darauf, dass
sich in diesen 18 Monaten ein Überschuss von 351,35 € monatlich ergebe. Nach einer vorgelegten Einzelaufstellung waren in
diesem Betrag auch Zuwendungen des Zeugen V und "R. B" in Höhe von insgesamt 1750 € enthalten.
Der Beklagte lehnte den Antrag vom 05.05.2016 mit Bescheid vom 10.06.2016 ab. In der Begründung führte er aus, dass die Hilfebedürftigkeit
nicht nachgewiesen sei. Der Hilfesuchende müsse beweisen, dass er seinen Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen oder
Vermögen sicherstellen könne. Die Nichtaufklärbarkeit gehe zu Lasten des Hilfeempfängers. Es stehe nach Prüfung der jeweiligen
abschließenden EKS fest, dass die Kläger seit September 2014 laufend Verluste erwirtschaftet hätten. Diese beliefen sich für
den Zeitraum vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 auf 223,06 €, für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis 31.08.2015 auf 1.160,36 € und
für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 29.02.2016 auf 1.390,30 €, insgesamt auf 2.773,72 €. Es sei schon zweifelhaft, ob
mit existenzsichernden Leitungen nach dem SGB II diese laufenden Verluste egalisiert werden könnten. Weiterhin stehe fest, dass die Kläger für die Kosten der Unterkunft und
Heizung rund 460 € aus eigenen Mitteln aufwenden müssten, da keine Mietschulden bestünden. In Betracht käme, den laufenden
offenen Mietanteil durch die selbständige Tätigkeit zu erwirtschaften, davon 190 € als Mietanteil/Betriebskosten und die weiteren
270 € über den Gewinn. Da jedoch gegenüber dem Beklagten keine Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit angegeben worden seien,
verbleibe ein ungedeckter Bedarf von monatlich rund 270 €, insgesamt für den vorgenannten Zeitraum 4.860 €. Unter Berücksichtigung
der zudem angegebenen Verluste ergäben sich getätigte Ausgaben von 7.630 €, für die es keine nachgewiesenes Einkommen gebe.
Dies entspreche einem monatlichen Fehlbetrag von rund 420 €. Die anlässlich einer Besprechung getätigten Angaben, den laufenden
monatlichen Fehlbetrag durch Einsparungen von SGB II-Leistungen an anderer Stelle aufgebracht zu haben und weiter aufbringen zu wollen, seien realitätsfern. Die Hilfebedürftigkeit
sei daher nicht nachgewiesen.
Die Kläger legten gegen den ablehnenden Bescheid am 16.06.2016 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2016
als unbegründet zurückgewiesen wurde. Nach der eigenen Berechnung der Kläger verbleibe der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag
von 150,86 € monatlich. Zur Sicherung des Existenzminimums sei ein Regelbedarf bei Eheleuten i.H.v. jeweils 309 € vorgesehen.
Der Vortrag der Kläger, die monatlichen Bedarfe für zwei Personen mit nur 150,86 € zu decken, sei unglaubhaft.
Die Kläger haben am 06.07.2016 Klage vor dem SG erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass der Beklagte von Amts wegen verpflichtet sei, den Sachverhalt zu ermitteln.
Es fehle allerdings bereits an einer solchen abschließenden Sachverhaltsermittlung. Im ablehnenden Bescheid äußere der Beklagte
lediglich Vermutungen. Er hätte gegebenenfalls weiter ermitteln und bei fehlender Mitwirkung der Kläger einen Versagungsbescheid
nach §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch ( SGB I) erlassen müssen.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid vom 10.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2016 aufzuheben und ihnen Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum Juni 2016 bis November 2016 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass zwischenzeitlich durch ein Kontenabrufverfahren weitere Konten der Kläger bekannt geworden
seien. Dabei habe es sich um zwei Konten der Kläger bei der Stadtsparkasse E, ein Konto des Klägers zu 1) bei der G Bank,
sowie zwei Konten des Sohnes der Klägerin zu 2), A V (Sparkasse E sowie Commerzbank), für die einmal die Klägerin zu 2) und
einmal der Kläger zu 1) verfügungsberechtigt seien, gehandelt. Kontoauszüge lägen dafür nicht vor. Die Kläger hätten insoweit
unvollständige Angaben bei der Antragstellung gemacht und ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen.
Die Kläger haben erwidert, dass die Konten bei der Sparkasse E schon seit Jahren nicht mehr existierten. Mit den beiden Konten
von A V hätten sie nichts zu tun. Für das Konto bei der G Bank habe der Kläger zu 1) die Kontoauszüge bei der Beklagten nachgereicht.
Es sei für die Anbahnung eines späteren, aber nicht zustande gekommenen Vorhabens eingerichtet worden.
Die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum Kontoauszüge für ein Konto des Klägers zu 1) bei der Volksbank Rhein-Ruhr
eG, für Konten jeweils der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 1) bei der G Bank AG sowie für ein PayPal Konto der Klägerin
zu 2) zur Gerichtsakte gereicht. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 67 - 111 sowie 152 - 157 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Zudem haben sie endgültige EKS-Anlagen für März bis Mai 2016 und für Juni 2016 bis November 2016 übersandt. Für März bis Mai
2016 ergab sich ein Gewinn von insgesamt 143,11 €, wobei als Einnahme 100 € Leihgeld als Zuwendung von "C K" verbucht worden
ist. Für den letztgenannten Zeitraum ist ein Gesamtgewinn vom 376,73 € erzielt worden, dies unter Berücksichtigung von Zuwendungen
von der Zeugen M und V in Höhe von 1150 €. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 123 - 128 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Das SG hat Kontoauszüge für zwei Konten bei der Stadtsparkasse E, die durch das Kontenabrufverfahren bekannt geworden sind, für
den hier streitgegenständlichen Zeitraum eingeholt, aus denen sich keine Umsätze und Salden von 5,62 € bzw. 22,63 € ergaben.
Im Rahmen eines weiteren Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (SG Duisburg, Az. S 45 AS 2298/16 ER) hat das SG den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung dem Grunde nach verpflichtet, den Klägern vorläufig SGB Il-Leistungen in
Höhe der Regelbedarfe einschließlich des Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung ab dem 01.06.2016 bis zur rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30.11.2016 zu zahlen. Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des
Gerichts, gerichtet auf die vorläufige Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung, ist vor dem Landessozialgericht
NRW erfolglos geblieben (LSG NRW, Beschluss vom 15.12.2016, Az. L 12 AS 1757/16 ER). In Ausführung des Beschlusses hat der Beklagte den Klägern für den Zeitraum Juni 2016 bis November 2016 vorläufig Leistungen
i.H.v. jeweils monatlich 372,37 € (insgesamt monatlich 744,74 €) gewährt. Mit Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 26.11.2016 hat der Beklagte den Klägern ab Dezember 2016 SGB II-Leistungen gewährt.
Das SG hat die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2018 persönlich angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung der
Zeugen U M, D X und A V. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.05.2018, Bl. 176-182
der Gerichtsakte, Bezug genommen.
Durch Urteil vom 28.05.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. In der Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf SGB Il-Leistungen nach §§ 7 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 S. 1 SGB II sei nicht gegeben, weil auch nach Durchführung der Beweisaufnahme durchgreifende Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Kläger
verblieben seien, die im Rahmen einer Beweislastentscheidung ("non liquet") zu Lasten der Kläger gingen. Hierzu hat das SG ausgeführt: "Nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen, erhält. Nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Tatsache ist
im Vollbeweis dann erwiesen, wenn sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so ereignet hat. Die Tatsache muss
in so hohem Grade wahrscheinlich sein, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des
Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az. B 9 V 23/01 B, Rn. 4; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015', Az. L 6 U 1053/15, Rn. 28; Bayerisches LSG, Beschluss vom 15.12.2014, Az. L 15 SF 213/14, Rn. 27). Restzweifel stehen dem Vollbeweis nicht entgegen, solange sich diese Zweifel nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten
(BSG, Urteil vom 24.11.2010, Az. B 11 AL 35/09 R, Rn. 21). Können die gewichtigen Zweifel nicht ausgeräumt werden, geht die Frage der Aufklärbarkeit nach den Grundsätzen
der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch geltend macht (Bayerisches LSG, Beschluss vom 15.12.2014, Az.
L 15 SF 213/14, Rn. 27). Die objektive Beweislast tragen hier der Kläger, da sie einen Anspruch auf SGB Il-Leistungen verfolgen (vgl. Schoch,
in: Münder, SGB II, 5. Aufl. 2013, § 38, Rn. 29). Auch nach der Würdigung der Gesamtumstände und insbesondere nach der Würdigung der Zeugenaussagen verbleiben bei
der erkennenden Kammer gewichtige Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Kläger. Das Gericht verkennt dabei zunächst nicht,
dass aus den zur Verwaltungs- und zur Gerichtsakte gelangten Kontoauszügen kein Einkommen oder Vermögen erkennbar ist, das
den Bedarf der Kläger decken würde. Insbesondere auch aus den Kontoauszügen hinsichtlich der beiden Sparbücher der Kläger
bei der Sparkasse E, die das Gericht im Laufe des Gerichtsverfahrens eingeholt hat, sind keine Kontobewegungen oder Guthaben
erkennbar, die auf Einkommen oder Vermögen hinweisen. Dem Gericht ist insbesondere bewusst, dass die vernommenen Zeugen unabhängig
voneinander und glaubhaft bekundet haben, dass sie den Klägern in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum, nachdem der Beklagte
die Leistungen abgelehnt hatte und bevor Leistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bewilligt worden sind, Geld in
nicht unerheblichem Umfang geliehen haben, um insbesondere die Miete für die Wohnung der Kläger sicherzustellen. Das Gericht
zweifelt insbesondere die generelle Rückzahlungsverpflichtung dieser finanziellen Unterstützung nicht an und hält die Aussagen
der Zeugen insgesamt für glaubhaft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Zeugen U M als Polizeioberkommissar die Bedeutung
einer Falschaussage besonderes bewusst gewesen sein dürfte und der Zeuge für das Gericht damit besonders glaubwürdig war.
Auch wenn die Zeugen jeweils nichts Genaueres über die einzelnen finanziellen Verhältnisse der Kläger wussten, haben die Zeugen
jedoch auch ihren Eindruck bekundet, dass es bei den Klägern finanziell knapp bzw. ein "auf und "ab" gewesen sei. Demgegenüber
steht jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer gleichbedeutend, dass die Kläger keine ernsthaften Bemühungen unternommen
haben, ihre tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu senken, obwohl der Beklagte bereits seit mehreren Jahren etwa
nur 50 Prozent dieser Kosten übernommen hat. Da die Kläger in den vergangenen Jahren nach ihren eigenen Angaben keine größeren
Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit erzielt haben, bedurfte es - legt man den Vortrag der Kläger zu Grunde - zum großen
Teil einer Finanzierung der Mietdifferenz aus dem Regelbedarf. Wie das Gericht bereits in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren
(S 45 AS 2298/16) anhand der Kontoauszüge für den Zeitraum September 2015 bis Juni 2016 dargelegt hat, konnten die Kläger mit den zur Verfügung
stehenden Mitteln zwar die aus den Kontoauszügen ersichtlichen Ausgaben - sowohl in privater wie in geschäftlicher Hinsicht
- gerade decken. Es war also nicht, wie der Beklagte meint, zusätzlich dazu ein weiterer Verlust zu kompensieren. Nach der
Auffassung der Kammer konnten die Kläger mit den zur Verfügung stehenden Mitteln jedoch gerade das absolut Notwendigste und
existenziell Wichtigste finanzieren. Diese Situation ließ über mehrere Jahre hinweg keinerlei finanziellen Spielraum (insbesondere
für Kleidung und andere Anschaffungen [insbesondere auch keine größeren Sprit- und Reparaturkosten für den nach Aussage der
Kläger für die selbständige Tätigkeit notwendigen Pkw]) zu. Dass die Kläger diese erhebliche Unterschreitung des Existenzminimums
über einen langen Zeitraum hingenommen haben sollen, obwohl eine Verbesserung der finanziellen Situation nicht konkret absehbar
war, wäre für die Kammer nur nachvollziehbar, wenn ein Verbleiben in der Wohnung für die Kläger trotz der erheblichen finanziellen
Einbußen gewissermaßen "zwingend" erscheinen musste und keine für die Kläger ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit
bestanden hätte, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu senken. Denn die finanzielle Situation der Kläger
hätte sich durch einen Umzug in eine kostengünstigere Wohnung erheblich verbessert. Die Kläger konnten der Kammer jedoch nicht
plausibel darlegen, warum sie in der Wohnung trotz der prekären finanziellen Lage seit Jahren verblieben sind. Der Vortrag
der Kläger, sie seien nicht umgezogen, weil der Beklagte auf (mehrmalige) Nachfrage eine finanzielle Unterstützung des Umzuges
abgelehnt habe und sie seien nicht in der Lage gewesen, einen Umzug i.H.v. 3000 € bis 4000 € mit Maklergebühren und Kaution
zu finanzieren, ist für die Kammer nicht glaubhaft. Zum einen kann nach Auffassung der Kammer ein Umzug mit entsprechender
Hilfe (z.B. des in der Nähe wohnenden Sohnes A V) zu erheblich niedrigen Kosten finanziert werden, zum anderen stünden dem
Umzug deutliche monatliche Einsparungen gegenüber, die die Umzugskosten ohne weiteres rechtfertigen würden. Dass der Umzug
ohne Hilfe des Beklagten nicht finanzierbar gewesen sei, ist für das Gericht auch vor dem Hintergrund, dass die Kläger wiederum
Darlehen aufgenommen haben, um die Mietzahlungen in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum zu begleichen, nicht nachvollziehbar.
Wie sich aus dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus dem Jahre 2011 und der Aussage des Zeugen Schmuck ergibt, haben die
Kläger bereits 2011 Darlehen aufnehmen müssen, um die Mietzahlungen nach einer Versagung der Leistungen durch den Beklagten
und nach Rechtshängigkeit einer Räumungsklage sicherzustellen. Schon zu diesem Zeitpunkt hat der Beklagte nicht die vollständigen
Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen. Nach Auffassung der Kammer hätte sich daher schon damals - angesichts der Überschreitung
des Existenzminimums - die Notwendigkeit eines Umzuges nach allgemeiner Lebenserfahrung aufdrängen müssen, um die finanzielle
Situation der Kläger zu konsolidieren. Auch der Vortrag des Klägers zu 1), er habe bei Immobilienscout nach Anzeigen für Wohnungen
von 60 bis 70 qm geschaut, aber keine günstigeren Wohnungen gefunden, die einen Umzug gerechtfertigt hätten, und es sei daher
auch nicht zu konkreten Wohnungsbesichtigungen gekommen, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn angesichts der Größe
der derzeitigen Wohnung, die der Kläger zu 1) mit etwa 104 qm angibt, und der daraus resultierenden hohen Miete, ist es nicht
verständlich, dass ein Umzug in eine kleinere - selbst nach dem Konzept des Beklagten nicht kostenangemessenen - Wohnung nicht
zu deutlichen Einsparungen hätte führen sollen. Für das Gericht ist es auch widersprüchlich, dass die Kläger einerseits in
der Vergangenheit und in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum Darlehen aufnehmen mussten, um die Mietzahlungen zeitweise
zu gewährleisten, die Zeugen aber andererseits übereinstimmend bekundet haben, dass ein Umzug aus der Wohnung, da sie zu teuer
sei, nie konkret thematisiert worden sei. Es sei allenfalls darüber gesprochen worden, dass die Wohnung für zwei Personen
letztendlich zu groß (Zeuge U M) bzw. die alte Wohnung schöner gewesen sei (Zeuge X). Angesichts der gleichzeitig von den
Zeugen beschriebenen knappen finanziellen Situation der Kläger und der Aufnahme von Darlehen hätte sich nach Auffassung der
Kammer eine Thematisierung der Notwendigkeit eines Umzuges aber geradezu aufdrängen müssen. Der Kammer ist bewusst, dass aus
den fehlenden Umzugsbemühungen nicht gleichermaßen auf das Vorhandensein von Einkommen oder Vermögen geschlossen werden kann.
Aber gerade angesichts des Vortrags des Klägers zu 1), er sei 35 Jahre selbständig tätig und immer bemüht gewesen, ohne Leistungen
auszukommen, sowie der von den Klägern vorgetragenen finanziellen Entbehrungen (z.B. Besuche der Tafel; kein Bargeld), stehen
die über mehrere Jahre hinweg fehlenden konkreten Bemühungen der Kläger dazu in einem so deutlichen Widerspruch, dass die
Kammer nicht alleine auf eine "Unvernunft" der Kläger schließen kann. Vielmehr ergeben sich daraus gewichtige Zweifel an der
Hilfebedürftigkeit, da die Kammer aufgrund dieses Widerspruchs nicht auszuschließen kann, dass die Kläger nicht ihren Bedarf
jedenfalls teilweise aus Einkommen oder Vermögen, das dem Beklagten und dem Gericht nicht offengelegt wurde, decken konnten.
Anders ist es der Kammer (im Rahmen eines Vollbeweises) nicht plausibel, dass die Kläger die erhebliche Unterschreitung des
Existenzminimums hingenommen haben. Dazu stehen die von den Zeugen bestätigten Darlehen in dem hier streitgegenständlichen
Zeitraum auch nach Auffassung der Kammer nicht in einem zwingenden Gegensatz. Denn diese Darlehen dienten gerade nicht dazu,
die existenziellen Lebensbedarfe (Lebensmittel etc.) sicherzustellen, sondern zum überwiegenden Teil alleine, um die unangemessen
hohe Miete zu gewährleisten. Da die Kammer keine Möglichkeit sieht, diese "non-liquet" Situation durch weitere Ermittlungen
aufzulösen, gehen die Zweifel der Kammer zu Lasten der Kläger (vgl. dazu allgemein BSG, Urteil vom 24.11.2010, Az. B 11 AL 35/09 R, Rn. 20)."
Gegen das ihnen am 04.07.2018 zugestellte Urteil haben die Kläger am 16.07.2018 Berufung eingelegt. Sie seien in dem streitigen
Zeitraum hilfebedürftig gewesen. Zweifel daran könnten sich nicht daraus ergeben, dass sie weiterhin in einer Wohnung lebten,
die nach den Richtsätzen des Beklagten als unangemessen teuer gelte. Es habe zwar eine angespannte finanzielle Situation bestanden,
die jedoch durch Einsparungen und Darlehen bei den durch das SG gehörten Zeugen kompensiert worden sei. Sie hätten auf viele Dinge verzichtet und auch die Leistungen der Tafel in Anspruch
genommen. Die Unterstellung, es sei Einkommen und Vermögen nicht offengelegt worden, sei angesichts des Umstandes, dass sie
stets ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen seien und alle leistungsrelevanten Unterlagen vorgelegt hätten, nicht nachvollziehbar.
Die von dem SG getroffene Beweislastentscheidung sei unzulässig, denn diese beruhe weder auf einer fehlenden Mitwirkung der Kläger noch
resultierten die Zweifel des SG auf einer den Klägern anzulastenden Mitwirkungspflichtverletzung. Zudem fehle es an einer realistischen Schätzung ihrer Einkommensverhältnisse.
Schließlich habe der Beklagte für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis 31.05.2017 Leistungen bewilligt, obgleich maßgebliche tatsächliche
Unterschiede zum vorangegangenen Zeitraum nicht bestünden. Die Ungleichbehandlung sei nicht verständlich.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.05.2018 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.06.2016
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2016 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis zum 30.11.2016 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Allein aus dem Umstand, dass für Folgezeiträume SGB II-Leistungen erbracht worden seien, lasse sich kein Leistungsanspruch für den hier streitigen Zeitraum ableiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen
Akte des SG Duisburg (Az. S 41 AS 179/18) und den Inhalt der die Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats.
Entscheidungsgründe
Die gem. § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 144, 151 SGG) Berufung ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 10.06.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt
die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten im Zeitraum Juni bis November 2016.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben bzw. die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind
und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren
Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen,
insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die Kläger erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nummern 1, 2 und 4 des
§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Wie das Sozialgericht Duisburg in seinem Urteil vom 28.05.2018 zu Recht ausgeführt hat, lässt sich jedoch nicht im Vollbeweis
feststellen, dass die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II waren.
Wegen der Begründung wird zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Diese macht sich der Senat nach eigener Prüfung der
Sach- und Rechtslage zu Eigen.
Aus dem Vortrag der Kläger im Berufungsverfahren ergibt sich nichts anderes. Die Voraussetzungen für eine Beweislastentscheidung
liegen entgegen dem Vorbringen der Kläger vor. Grundsätzlich bedarf die Tatsache der Hilfebedürftigkeit dem Beweismaßstab
des Vollbeweises. Dieser ist dann erbracht, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des
Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind,
die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (vgl. nur Haupt in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 128 SGG [Entscheidung nach freier Überzeugung], Rn. 5). Die Frage der Beweislast wird durch das anzuwendende materielle Recht bestimmt.
Das heißt, jeder trägt die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen
(Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 103 Rn. 19a m.w.N.). Auch derjenige, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, trägt die Folgen der objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel die
Leistungsvoraussetzungen nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R - juris Rn. 21; vgl. auch Haupt, a.a.O., § 128 SGG, Rn. 3). Dazu hat das Gericht zunächst die entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln und dabei auch die Beteiligten
heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 41/15 R, juris Rn. 32). Wenn dies nicht zu Ergebnissen führt und die Unaufklärbarkeit maßgeblich auf der Verletzung von Mitwirkungshandlungen
durch die Kläger beruht und aufgrund dieser Umstände erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestehen, ist eine Beweislastentscheidung
möglich mit der Folge, dass die Kläger als nicht hilfebedürftig anzusehen sind (vgl. BSG, a.a.O.).
Dies ist vorliegend geschehen. Das Sozialgericht hat insoweit bereits sämtliche Erkenntnisquellen ausgeschöpft, insbesondere
durch Anhörung der Kläger, Zeugeneinvernahme und Beiziehung der Kontounterlagen. Gleichwohl konnte die Tatsache der Hilfebedürftigkeit
der Kläger nicht erwiesen werden. Weitere Beweismittel sind weder im Berufungsverfahren benannt worden noch sonst ersichtlich.
Soweit die Kläger vortragen, sie hätten ihre Mitwirkungspflichten erfüllt und ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend
dargelegt, verkennen sie, dass bereits das Sozialgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zutreffend von einer fehlenden Offenlegung
von Einkommen oder Vermögen durch die Kläger ausgegangen ist. Die Unaufklärbarkeit der Einkommens- und Vermögenssituation
beruht maßgeblich auf dem Verhalten der Kläger, Anhaltspunkte für eine realistische Schätzung des nicht offengelegten Einkommens
oder Vermögens bestehen nicht. Sie haben weder weitere als die im Verfahren bislang nachgewiesenen Konten und Einkünfte bzw.
Vermögen dem Grunde nach eingeräumt noch irgendwelche anderen Erklärungsansätze dafür vorgetragen, dass sie eine erhebliche
Unterschreitung ihres Existenzminimums über einen langen Zeitraum hingenommen haben, obgleich eine Verbesserung der finanziellen
Situation nicht konkret absehbar war. Damit fehlt es an Ansätzen für weitere Ermittlungen von Amts wegen aufgrund von in der
Sphäre der Kläger verwurzelten Umständen, die eine Bezifferung oder auch nur Verbesserung der Schätzungsgrundlagen hinsichtlich
des Umfangs der im streitigen Zeitraum erzielten Einkünfte oder des vorhandenen Vermögens erlauben könnten.
Aufgrund dieser Umstände bestehen erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat. Es ist auch für den Senat in keiner Weise plausibel, wie die Kläger die durch die Ausgaben
für die Miete und die im Rahmen der selbständigen Tätigkeit fortlaufend erwirtschafteten Verluste entstandene Deckungslücke
geschlossen haben. Unter Berücksichtigung der Angaben der langjährig im SGB II-Leistungsbezug stehenden Kläger hat die Klägerin zu 2) allein im Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 28.02.2015 monatliche Verluste
aus der selbständigen Tätigkeit von durchschnittlich 37,18 €, vom 01.03.2015 bis zum 31.08.2015 von monatlich durchschnittlich
193,39 € sowie vom 01.09.2015 bis zum 29.02.2016 von monatlich durchschnittlich 231,72 € erzielt. Im Zeitraum März bis Mai
2016 konnte nur unter Berücksichtigung eines Darlehens ein Gewinn von durchschnittlich 47,70 € monatlich erzielt werden, unter
Außerachtlassung der Zuwendung von 14,37 €. Auch nach der für den streitigen Zeitraum vorgelegten Erklärung zum Einkommen
aus selbständiger Tätigkeit konnte ein Gewinn in Höhe von insgesamt 376,73 €, d.h. 62,79 € monatlich im Durchschnitt, nur
durch die für Juni bzw. September 2016 verbuchten Zuwendungen der Zeugen M und V in Höhe von insgesamt 1.150 € erzielt werden.
Ohne Berücksichtigung der (privaten) Darlehen ergab sich dagegen ein Verlust in Höhe von 773,27 €, d.h. monatlich im Durchschnitt
128,88 €. Eingedenk des Umstandes, dass neben den erwirtschafteten Verlusten weitere rund 270 € ungedeckte Kosten für die
Miete aufgebracht werden mussten und die Kläger gleichwohl fortwährend sowohl an der keinen nennenswerten Ertrag bringenden
Tätigkeit als auch an der unangemessen teuren Wohnung festgehalten haben, vermochte sich auch der Senat von der Hilfebedürftigkeit
der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu überzeugen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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