Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung.
Das im Hauptsacheverfahren (Aktenzeichen: S 41 AS 1773/19) beklagte Jobcenter hatte den Klägern insgesamt unter dem Bescheid vom 21.02.2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Form des Regelbedarfs, des Mehrbedarfs für dezentrale Warmwassererzeugung sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung
für den Zeitraum vom 01.03.2018 bis zum 31.08.2018 nach § 41a SGB II vorläufig bewilligt. Grund für die vorläufige Bewilligung war, dass das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers
zu 2) noch nicht feststand. Mit Bescheid vom 26.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2019, der im Rahmen
des Hauptsacheverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen streitgegenständlich war, setzte die Beklagte die Leistungen der Kläger für den o.g. Zeitraum endgültig fest.
Es habe aufgrund des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestanden.
Mit zwei weiteren, ebenfalls vom 26.03.2019 datierenden Bescheiden in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 29.05.2019
verlangte die Beklagte die überzahlten Beträge unter Bezugnahme auf § 41a Abs. 6 SGB II erstattet. Ein Erstattungsbescheid richtete sich an die Klägerin zu 1) in ihrer eigenen Leistungsangelegenheit sowie an diese
als gesetzliche Vertreterin der Kläger zu 3) und 4), der andere an den Kläger zu 2). Diese Bescheide waren Streitgegenstand
in dem vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 geführten Verfahrens. Beide Klagen wurden am 28.06.2019 erhoben und mit einem eine DIN A4-Seite umfassenden Schriftsatz vom
10.09.2019 begründet. Mit Beschlüssen des SG vom 23.10.2019 bzw. 25.10.2019 wurde den Klägern in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und jeweils die Beschwerdegegnerin
beigeordnet. Im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis ab und hob den Erstattungsbescheid vom 26.03.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheid
vom 29.05.2019 für die Kläger zu 3) und 4) auf. Das Teilanerkenntnis nahmen die Kläger, vertreten durch die Beschwerdegegnerin,
am 11.11.2019 an. Mit Beschluss des SG Gelsenkirchen vom 13.12.2019 wurde das Ruhen des unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 geführten Verfahren angeordnet. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Ausgang des hiesigen Hauptsacheverfahrens
abgewartet werden solle, da in diesem die endgültige Festsetzung von Leistungen streitgegenständlich sei, auf der die im Verfahren
S 41 AS 1777/19 streitgegenständlichen Erstattungsbescheide beruhten. Nachdem die Beschwerdegegnerin in dem diesen Verfahren zugrundeliegenden
Hauptsacheverfahren in vier weiteren kurzen Schriftsätzen zur Sach- und Rechtslage vorgetragen hatte, hat das SG am 16.02.2021 einen knapp einstündigen Erörterungstermin durchgeführt, in dessen Rahmen die Beteiligten das Verfahren durch
den Abschluss eines Vergleichs beendeten. In Umsetzung des Vergleichs erließ die Beklagte unter dem 25.02.2021 einen Änderungsbescheid,
mit dem der Bescheid vom 26.03.2019 betreffend die endgültige Festsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
geändert wurde. Des Weiteren erließ die Beklagte unter dem selben Datum zwei Änderungsbescheide, mit denen die Erstattungsbescheide
vom 26.03.2019 geändert wurden.
Das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 geführte Verfahren wurde am 03.03.2021 unter dem Aktenzeichen S 41 AS 565/21 fortgeführt.
Im November 2019 beantragte die Beschwerdegegnerin für das unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1773/19 sowie das unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 geführte Verfahren jeweils einen Vorschuss für Prozesskostenhilfe in folgender Höhe:
- Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) in Höhe von 570,00 Euro;
- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 90 % wegen 4 Auftraggebern -
- Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro;
- Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 112,10 Euro;
- Gesamt: 702,10 Euro.
Unter dem 14.11.2019 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 41 AS 1773/19 den Vorschuss auf 702,10 Euro fest.
In dem unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 geführten Verfahren setzte er den Vorschuss auf 362,95 Euro fest. Die Verfahrensgebühr sei auf 150,00 Euro zu kürzen gewesen,
da bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen gewesen sei, dass das Parallelverfahren denselben
Inhalt habe. Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin vom 18.11.2019 hat das SG Gelsenkirchen mit Beschluss vom 14.04.2020
unter Abänderung des Vorschussfestsetzungsbeschlusses des UdG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 532,53 Euro
festgesetzt und die Erinnerung im Übrigen zurückgewiesen (Az: S 41 SF 264/19 E). Es sei gerechtfertigt, im Rahmen der Vorschussfestsetzung eine Verfahrensgebühr in Höhe von 225,00 Euro anzusetzen, unter
Berücksichtigung der weiteren Kläger nach Nr. 1008 VV RVG mithin insgesamt 427,50 Euro.
Am 23.02.2021 beantragte die Beschwerdegegnerin für das Verfahren S 41 AS 1773/19 jeweils die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:
- Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 570,00 Euro;
- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 90 % wegen 4 Auftraggebern -
- Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 336,00 Euro;
- Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG von 300,00 Euro;
- Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz nach Nr. 7003 VV RVG von 6,00 Euro;
- Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld für bis zu vier Stunden nach Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG von 25,00 Euro;
- Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro;
- Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 238,83 Euro;
Summe: 1.495,83 Euro abzgl. Zahlungen Staatskasse in Höhe von 702,10 Euro = 793,73 Euro.
Unter dem 26.02.2021 setzte der UdG die Vergütung auf weitere 261,20 Euro fest und führte aus, dass lediglich Gebühren unter
Anrechnung der bereits im Parallelverfahren S 41 AS 1777/19 erstatteten Gebühren in Höhe von 532,53 Euro festgesetzt werden konnten, da es sich in beiden Verfahren in gebührenrechtlicher
Hinsicht um dieselbe Angelegenheit handele.
Gegen die Festsetzung hat die Beschwerdegegnerin am 04.03.2021 Erinnerung eingelegt. Die Verrechnung von Vergütungsansprüchen
sei unzulässig. Die Rechtsprechung kenne allenfalls Synergieeffekte, die jedoch nicht vorlägen. Eine rechtliche Einheit zwischen
dem endgültigen Festsetzungs- und dem Erstattungsbescheid liege ebenfalls nicht vor.
Mit Beschluss des SG vom 31.03.2021, dem Beschwerdeführer zugestellt am 12.04.2021, hat dieses den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.02.2021
abgeändert und die weiteren aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 793,73 Euro festgesetzt. Es handele
sich in dem Verfahren nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG wie in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 (neues Aktenzeichen: S 41 AS 565/21). Das Prüfungsprogramm der angefochtenen Bescheide unterscheide sich wesentlich.
Gegen den Beschluss vom 31.03.2021 hat der Beschwerdeführer am 22.04.2021 Beschwerde eingelegt. Die Verfahren S 41 AS 1773/19 und S 41 AS 565/21 seien als eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG zu beurteilen. Beiden Verfahren liege ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde.
Er beantragt schriftsätzlich wörtlich,
die PKH für die Verfahren S 41 AS 1773/19 und S 41 AS 565/21 (bzw. S 41 AS 1777/19) auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.495,83 Euro festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die vorliegende Beschwerdeentscheidung ist vom Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu treffen. Zwar entscheidet
über Beschwerden der vorliegenden Art gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG grundsätzlich der Einzelrichter. Vorliegend ist das Verfahren aber gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen worden. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit.
Die Beschwerde ist gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR und die Zwei-Wochen-Frist
des § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die weiteren an die Beschwerdegegnerin zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind auf 261,20
Euro festzusetzen.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach § 56 Abs. 2 RVG ist die gesamte Kostenfestsetzung, nicht nur die einzelne Gebühr, gegen deren Versagung bzw. Bemessung sich die Beschwerde
richtet (LSG NRW, Beschluss vom 30.09.2015, - L 19 AS 1453/15 B -, juris Rn. 24 m.w.N.; LSG Thüringen, Beschlüsse vom 09.12.2015, - L 6 SF 1286/15 B -, juris Rn. 13, und vom 15.04.2015 - L 6 SF 331/15 B -, juris Rn. 21 m.w.N). Die Überprüfung wird allerdings gegebenenfalls durch den Antrag des Rechtsanwalts und das Verbot
der "reformatio in peius" begrenzt (LSG NRW, Beschluss vom 16.05.2012, - L 19 AS 250/10 B -, juris Rn. 62, und vom 05.10.2016, - L 19 AS 1104/16 B -, juris Rn. 38 m.w.N., Thüringer LSG, Beschluss vom 05.05.2020, - L 1 SF 1394/19 B -, juris Rn. 4).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind die §§ 45 ff. RVG. Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor den Gerichten eines Landes die gesetzliche
Vergütung aus der Landeskasse. In den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren. Da die Kläger des Ausgangsverfahrens kostenprivilegierte Beteiligte im Sinne des §
183 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) waren, scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 Satz 1
SGG).
Die Beschwerdegegnerin kann dem Grunde nach eine Vergütung aus der Staatskasse für das Klageverfahren S 41 AS 1773/19 verlangen, jedoch nur unter Anrechnung der im Verfahren S 41 AS 1777/19 (bzw. S 41 AS 565/21) im Wege des Vorschusses festgesetzten Vergütung von 532,53 Euro. Bei den Verfahren S 41 AS 1773/19 und S 41 AS 1777/19 (bzw. S 41 AS 565/21) handelt es sich gebührenrechtlich um "dieselbe Angelegenheit" i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG (in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung). Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Ob dieselbe Angelegenheit im kostenrechtlichen
Sinn vorliegt, regelt das RVG nicht abschließend. Vielmehr benennen die anwaltlichen Tätigkeitskataloge des § 16 und § 17 RVG nur Regelbeispiele. Der Gesetzgeber hat die abschließende Klärung des hier maßgeblichen Begriffs derselben Angelegenheit
i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie des Bundesgerichtshofs
ist von derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen,
ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit
vorliegt (vgl. BGH Urteil vom 21.06.2011 - VI ZR 73/10 -, juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 02.04. 2014 - B 4 AS 27/13 R -, juris Rn. 15). Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem ausgeführt, dass "dieselbe Angelegenheit" vor allem in Fällen
paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht kommt, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und
Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, so dass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen,
die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt
damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine
inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich
sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen, alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen
Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden,
einlege und begründe. Anders sei es allerdings, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen
Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten habe. Fehle es
an einem inneren Zusammenhang zwischen mehreren, an einen Adressaten gerichteten Verwaltungsakten, scheide schon aus diesem
Grund die Annahme "derselben Angelegenheit" aus (BVerwG, Urteil vom 09.05.2000 - 11 C 1/99 -, juris Rn. 24).
Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin im Verfahren S 41 AS 1773/19 sowie im Verfahren 1777/19 am 28.06.2019 gleichlautende Klagen erhoben, die sich lediglich durch die anliegenden Bescheide
unterschieden. In beiden Verfahren wurde eine vom 28.06.2019 datierende Vollmacht vorgelegt. Mit zwei Schriftsätzen vom 10.09.2019
begründete die Beschwerdegegnerin die jeweiligen Klagen auf einer DIN A4-Seite und trug vor, dass das Geschick der Erstattungsbescheide
der Höhe nach vom Ausgang des Parallelverfahrens gegen die endgültigen Festsetzungsbescheide abhänge. Nach Annahme des Teilanerkenntnisses
durch die Beklagte erklärten die Beteiligten sich mit der Ruhendstellung des unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1777/19 anhängigen Verfahrens in Hinblick auf das unter dem Aktenzeichen S 41 AS 1773/19 geführten Verfahrens einverstanden. Bereits aus dem Verfahrensverlauf ergibt sich, dass ein einheitlicher Auftrag und ein
einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorlag. Die streitgegenständlichen Bescheide hätten seitens der Beklagten
auch in einem einheitlichen Bescheid ergehen können. Zwar sind hier Individualansprüche verschiedener Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft
streitig, jedoch können auch mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein und zwar auch dann,
wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betrifft (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2014, a.a.O., juris Rn. 16). Die Klageverfahren beruhen auf einem vollständig einheitlichen Lebenssachverhalt.
Streitig und sowohl für die Höhe der endgültigen Leistungsbewilligung als auch die der Erstattung relevant war die Frage nach
der Anrechnung von Betriebsausgaben im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 2). Es wurden keine unterschiedlichen
Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vorgetragen oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten,
wie subjektive Aufhebungsvoraussetzungen, geprüft (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 30.11.2020 - L 13 AS 109/18 B -, juris Rn. 30; Thüringer LSG, Beschluss vom 17.10.2018 - L 1 SF 263/18 B -, juris Rn. 23). Zwar hat die Klägerbevollmächtigte in drei kurzen Absätzen zur Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids
in Bezug auf die Kläger zu 3) und 4) vorgetragen, woraufhin die Beklagte in dem Verfahren S 41 AS 1777/19 diesbezüglich ein Teilanerkenntnis abgegeben und den Erstattungsbescheid vom 26.03.2019 teilweise aufgehoben hat. Aus Sicht
des Senats hätte es der Teilaufhebung jedoch nicht bedurft. Denn aus der individuellen Aufschlüsselung der überzahlten Leistungen
für die Klägerin zu 1) sowie die Kläger zu 2) und 3) sowie der Angabe unterschiedlicher persönlicher Verwendungszwecke ergab
sich durch Auslegung, dass die Beklagte bei Erlass des Erstattungsbescheids nicht davon ausging, dass die Klägerin zu 1) Gesamtschuldnerin
der Rückforderungssumme war. Eine nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheit ergibt sich hieraus nicht.
Auch die Tatsache, dass die Prozessbevollmächtigte die beiden Klageverfahren vertauscht und im Rahmen des Verfahrens S 41 AS 1773/19 vorgetragen hat, dass Gegenstand des Klageverfahrens die Erstattungsbescheide vom 26.03.2019 seien, verdeutlicht den einheitlichen
Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit.
Der Vergütungsanspruch der Beschwerdegegnerin aus § 45 Abs. 1 RVG beläuft sich insgesamt auf 1.495,83 Euro.
Die Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG, ist nach Auffassung des Senats - wie von der Beschwerdegegnerin am 23.02.2018 beantragt - in Höhe der Mittelgebühr von 300,00
Euro festzusetzen. Der sich aus Nr. 3102 VV RVG ergebende Rahmen der Verfahrensgebühr beträgt 50,00 Euro bis 550,00 Euro. Innerhalb dieses Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt
nach § 14 Abs. 1 RVG die Höhe der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und
der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers und seines besonderen
Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 S. 1 und 3 RVG). Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt im Verfahren nach § 55 RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Deshalb sind der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung zu prüfen. Bei Angemessenheit
der angesetzten Gebühr haben der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bzw. das Gericht den Kostenansatz zu übernehmen, bei Unbilligkeit
die Höhe der Betragsrahmengebühr festzusetzen. Hinsichtlich der Überprüfung der Billigkeit der angesetzten Gebühr billigt
die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt einen Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu, wenn es sich nicht um einen Durchschnitts-/Normalfall
handelt (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R -, juris Rn. 19). Der Ansatz der Verfahrensgebühr durch die Beschwerdegegnerin i.H.v. 300,00 Euro (Mittelgebühr) entspricht
vorliegend billigem Ermessen.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kann im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren vorliegend als durchschnittlich
gewertet werden. Zu berücksichtigen ist hier der Arbeits- und Zeitaufwand, den ein Rechtsanwalt in der Sache betrieben hat
und den er objektiv auf die Sache verwenden musste. Der durchschnittliche Umfang orientiert sich am Leitbild der zugehörigen
Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens, jeweils bezogen auf das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld
(BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O.). Mit der Verfahrensgebühr in Klageverfahren vor dem Sozialgericht wird der Aufwand für Besprechung
und Beratung des Mandanten, das Anfordern und die Sichtung von beigezogenen und eingeholten Unterlagen, die Rechtsprechungs-
und Literaturrecherche, den Schriftverkehr mit dem Mandanten und dem Gericht sowie alle Tätigkeiten, für die mangels entsprechender
Gebührenvorschriften nicht eine besondere Gebühr angesetzt werden kann, vergütet. Dazu gehört auch der Arbeits- und Zeitaufwand
für die Vorbereitung eines anberaumten gerichtlichen Termins (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 05.10.2016 - L 19 AS 1104/16 B -, juris Rn. 51 m.w.N.; Beschluss vom 14.06.2010 - L 19 AS 470/10 B -, juris Rn. 49; Thüringer LSG, Beschluss vom 26.11.2014 - L 6 SF 1079/14 B -, juris Rn. 18). Durchschnittlich umfangreich ist eine anwaltliche Tätigkeit, bei der die Klage erhoben, Akteneinsicht
genommen, die Klage begründet und zu den Ermittlungen des Gerichts Stellung genommen wird (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 02.02.2018
- L 19 AS 1472/17 B -, juris Rn. 51). Die Zahl der gefertigten Schriftsätze einschließlich ihres Inhalts kann ein Indiz für den zeitlichen
Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit darstellen (BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O., Rn. 31).
Die Beschwerdegegnerin hat eine einseitige Klageschrift mit Anträgen in der Hauptsache und einen Prozesskostenhilfeantrag,
eine knapp einseitige Klagebegründung mit rechtlicher Würdigung des Sachverhalts, eine 1/2-seitige sowie drei wenige Zeilen
umfassende Repliken auf die Klageerwiderung der Beklagten gefertigt. Zeitintensive Tätigkeiten - wie etwa das Lesen und Auswerten
von medizinischen Gutachten, das Verfassen von Schriftsätzen, die sich mit komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen
auseinandersetzen, die Sichtung und Auswertung von Rechtsprechung -, die den Rückschluss auf einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand
zulassen, sind nicht angefallen bzw. belegt.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Routinefall die durchschnittliche
Schwierigkeit begründet (zu diesem Maßstab BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O., juris Rn. 35), als durchschnittlich zu bewerten. Als Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts
ist die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften,
aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur zu werten (BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O., juris Rn. 35). Ausgehend von diesem Maßstab bestand im vorliegenden Fall eine durchschnittliche
Schwierigkeit. Denn es war zu beurteilen, ob zunächst vorläufig bewilligte Leistungen in rechtmäßiger Weise endgültig festgesetzt
wurden.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist als überdurchschnittlich zu bewerten. Bei deren Beurteilung ist auf die
unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht
aber für die Allgemeinheit abzustellen. Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum
sichern, wie die Streitigkeiten über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, unabhängig davon, ob die Leistung dem Grunde nach oder die Höhe
der Leistung umstritten ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 01.07.2009, a.a.O., juris Rn. 37, wonach monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen
streitigen Zeitraum von längstens sechs Monaten eine durchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den
Auftraggeber haben kann). Streitgegenstand des Verfahrens war die endgültige Festsetzung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum von März bis August 2018.
Die Einkommensverhältnisse der Kläger, denen Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, stellen sich unterdurchschnittlich dar.
Ein besonderes Haftungsrisiko der Beschwerdegegnerin ist nicht erkennbar.
Da sich nach Nr. 1008 VV RVG die Verfahrensgebühr um 30 % erhöht, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind, war die Verfahrensgebühr
um 270,00 Euro (30 % x 3 weitere Kläger = 90 % x 300,00 Euro = 270,00 Euro) zu erhöhen.
Unter Zugrundelegung des vorgegebenen Gebührenrahmens der Nr. 3106 VV RVG von 50,00 EUR bis 510,00 Euro ist die von der Beschwerdegegnerin nach § 14 Abs. 1 RVG bestimmte Terminsgebühr von 336,00 Euro billig. Nach wertender Gesamtbetrachtung handelt es sich vorliegend um einen leicht
überdurchschnittlichen Fall, so dass der Ansatz einer um 20 % erhöhten Mittelgebühr jedenfalls nicht unbillig erscheint.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war leicht überdurchschnittlich. Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit
ist auf den tatsächlichen Arbeits- und Zeitaufwand für die Terminsteilnahme, der wesentlich durch die Anzahl und die Dauer
der anberaumten Termine bestimmt wird, abzustellen. Der Arbeits- und Zeitaufwand für die Vorbereitung eines anberaumten gerichtlichen
Termins ist nicht zu berücksichtigen, da mit der Terminsgebühr nur die Tätigkeit des Rechtsanwalts während eines gerichtlichen
Termins - Vertretung des Mandanten im Termin - abgegolten wird. Ein Termin beginnt mit dem Aufruf der Sache (§
112 Abs.
1 S. 2
SGG). Die übrigen prozessualen Tätigkeiten werden, abgesehen von dem besonderen Mitwirken i.S.v. Nr. 1006 VV RVG, durch die Verfahrensgebühr abgegolten. In dem Verfahren fand am 26.02.2021 ein Erörterungstermin statt. Dieser Termin dauerte
von 10:55 Uhr bis 11:52 Uhr. Damit betrug die Dauer des Termins 57 Minuten. Zudem ist eine Wartezeit von 25 Minuten angefallen,
da der Termin für 10:30 Uhr geladen war. Gemessen an der durchschnittlichen Terminsdauer vor den Sozialgerichten von 30 bis
50 Minuten (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 16.12.2015, - L 19 AS 1475/15 B -, Rn. 46 bei juris), stellte sich der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in Bezug auf die Terminsteilnahme als leicht überdurchschnittlich
dar.
Ferner ist eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1006 VV RVG in Höhe der Verfahrensgebühr (300,00 Euro) angefallen, da der Rechtsstreit durch einen Vergleich im Rahmen des Erörterungstermins
erledigt werden konnte.
Schließlich waren Reiskosten der Beschwerdegegnerin von 6,00 Euro nach Nr. 7003 VV RVG, das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG von 25,00 Euro sowie eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 Euro zu erstatten
Damit errechnen sich die Gebühren der Beschwerdegegnerin wie folgt:
- Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 570,00 Euro;
- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 90 % wegen 4 Auftraggebern -
- Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 336,00 Euro;
- Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG von 300,00 Euro;
- Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz nach Nr. 7003 VV RVG von 6,00 Euro;
- Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld für bis zu vier Stunden nach Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG von 25,00 Euro;
- Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro;
- Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 238,83 Euro;
Summe: 1.495,83 Euro
Hiervon waren die am 14.11.2019 vorschussweise festgesetzten und geleisteten Zahlungen der Staatskasse in Höhe von 702,10
Euro abzuziehen. Ferner war die im Parallelverfahren (S 41 AS 1777/19 bzw. S 41 AS 565/21) mit Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.04.2020 (S 41 SF 264/19 E) vorschussweise festgesetzte Verfügung in Höhe von 532,53 Euro abzuziehen, da es sich bei diesem und dem hiesigen Verfahren
um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handelt (s.o.) und der Rechtsanwalt Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Mithin sind weitere aus
der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 261,20 Euro (1.495,83 Euro - 702,10 Euro - 532,53 Euro) festzusetzen.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).