Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung
Keine Überprüfung bestandskräftiger Rentenbescheide bei fehlender Begründung für einen Überprüfungsantrag
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) bewilligte dem im Jahr 1967 geborenen Kläger mit Bescheid vom
27.07.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 01.06.2002 und zahlte diese in der Folgezeit aus.
Mit Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 15.10.2008 - 55 SF 483/08 - wurde die im Jahr 2002 geschlossene Ehe des Klägers
mit Wirkung zum 30.04.2008 geschieden und ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Nach Rechtskraft dieses Urteils (am 23.12.2008)
berechnete die Beklagte die - um die Rentenanwartschaften seiner ebenfalls eine Rente beziehenden geschiedenen Ehefrau geminderte
- Rente des Klägers ab März 2009 neu und hob die bisherige Rentengewährung vom 27.07.2005 teilweise auf (Bescheide vom 18.02.2009
und 05.03.2009).
Am 17.12.2019 wandte sich der Kläger per E-Mail an die Beklagte und stellte einen Überprüfungsantrag in Bezug auf alle bestandskräftigen
und aktuellen Rentenbescheide. Sein Rentenbescheid sei falsch, es sei zu wenig Rente berechnet worden. Dabei sei auch der
Versorgungsausgleich ein Thema. Mit Schreiben vom 13.01.2020 bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, aus welchem konkreten
Grund er um die Überprüfung der Rentenbescheide bitte, insbesondere, ob etwa Versicherungszeiten nicht berücksichtigt seien.
Hierzu führte der Kläger am 21.01.2020 aus, der Gesetzgeber gebe ihm das Recht, eine Überprüfung seiner Rentenbescheide zu
fordern. Sein Rentenbescheid sei falsch, vor allem sei zu wenig ausgezahlt worden. Laut den Medien seien viele Rentenbescheide,
mindestens jeder zweiter, falsch. Er müsse auch keine lange Begründung für einen Überprüfungsantrag vortragen.
Mit Bescheid vom 13.02.2020 lehnte die Beklagte eine Überprüfung des bestandskräftigen Rentenbescheides vom 27.07.2005 ab.
Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Voraussetzungen des § 44 SGB X erfüllt seien. Er habe keine weiteren Unterlagen vorgelegt, durch die weitere rentenrechtliche Zeiten in der gesetzlichen
Rentenversicherung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Rentenberechnung
fehlerhaft erfolgt sei.
Hiergegen legte der Kläger am 19.02.2020 Widerspruch ein. Der Antrag sei rechtswidrig abgelehnt worden, weil die Beklagte
ihn vorsätzlich um das ihm zustehende Geld betrügen wolle und dadurch weniger auszahle, als ihm zustehe. Die Beklagte wies
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2020 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.05.2020 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und vorgetragen, es gehe um den Versorgungsausgleich und um die Überprüfung seiner Rentenbescheide. Seine
Rente sei falsch berechnet; ihm werde daher zu wenig ausgezahlt.
Der Kläger hat - in der Fassung seines schriftlichen Antrags durch das SG - beantragt,
den Bescheid vom 13.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2020 aufzuheben und den Bescheid vom 27.07.2005
abzuändern und ihm eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der damalige Bescheid rechtswidrig sein solle. Der Kläger habe keine konkreten
Gründe vorgetragen. Es werde nur pauschal behauptet, dass die Rentenhöhe falsch berechnet worden sei.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2020 abgewiesen. Der Kläger habe nicht substantiiert
vorgetragen, aus welchem Grund er meine, Anspruch auf eine höhere Rente zu haben und inwieweit der Bescheid vom 27.07.2005
rechtswidrig sei. Nach eingehender Prüfung des Bescheides ergäben sich für eine Rechtswidrigkeit auch keine Anhaltspunkte.
Die Beklagte habe aus den aus dem Versicherungsverlauf errechneten persönlichen Entgeltpunkten, dem Rentenartfaktor und dem
aktuellen Rentenwert die volle Erwerbsminderungsrente des Klägers berechnet. Konkrete Fehler habe der Kläger nicht moniert,
solche seien auch nicht erkennbar. Soweit er sich gegen einen angeblich durchgeführten Versorgungsausgleich wende, sei ein
solcher dem Bescheid vom 27.07.2005 nicht zu entnehmen. Im Übrigen sei eine Anpassung nach einem rechtskräftigen Versorgungsausgleich
nur nach den Vorschriften der §§ 32 ff. Versorgungsausgleichsgesetz möglich, solche Ansprüche seien jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und damit auch nicht streitgegenständlich.
Gegen den am 26.10.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am selben Tag Berufung eingelegt. Er verbleibe bei seinen
Eingaben und Anträgen. Es erfolgten zu niedrige Rentenzahlungen. Insbesondere werde der Versorgungsausgleich noch immer von
der Beklagten berücksichtigt, dies zu Unrecht und auch viel zu lange.
Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.10.2020 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 13.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2020 zu verpflichten, ihm unter Abänderung des Bescheids
vom 27.07.2005 höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich in vollem Umfang den Gerichtsbescheid sowie den darin dargelegten Entscheidungsgründen an.
Nach Anhörung der Beteiligten (Schreiben vom 12.01.2021) hat der Senat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25.02.2021 gem.
§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Berichterstatter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte aufgrund des Beschlusses vom 25.02.2021 gem. §
153 Abs.
5 SGG durch den Berichterstatter als Einzelrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden.
Die zulässige, insbesondere statthafte (§
144 Abs.
1 SGG) und fristgerecht eingelegte (§
151 Abs.
1 SGG) Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten, §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 13.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2020, mit dem die Beklagte
eine Rücknahme des Bescheides vom 27.07.2005 abgelehnt hat. Weitere Rentenbescheide hat die Beklagte ausdrücklich nicht überprüft,
so dass eine Überprüfung anderer bestandskräftiger Rentenbescheide auch nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Vor diesem
Hintergrund kann offen blieben, ob die Beklagte auf den Antrag des Klägers, der eine Überprüfung pauschal aller Rentenbescheide
beantragt hat, überhaupt zu einer inhaltlichen Prüfung einzelner Bescheide verpflichtet war bzw. ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13.02.2014 - B 4 AS 22/13 R - Rn. 14 ff., juris).
Die zulässige Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
1 S. 1, Abs.
4, §
56 SGG statthaft; neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 13.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.05.2020 begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 27.07.2005 abzuändern und ihm eine höhere
Rente zu gewähren.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitige (Überprüfungs-)Bescheid vom 13.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.05.2020 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 44 Abs. 1 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 27.07.2005 und Gewährung höherer Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Zeit ab dem
01.06.2002.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass der Bescheide weder das Recht unrichtig angewandt, noch
ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist.
Die Beklagte hat unter Anwendung der Regelungen zur Berechnung und Anpassung der Renten in §§
64 ff.
SGB VI die dem Kläger gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 10.06.2002 zutreffend berechnet. Dabei hat sie ausweislich
der Anlagen zu dem Rentenbescheid vom 27.07.2005 die persönlichen Entgeltpunkte unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors,
den Rentenartfaktor und den aktuellen Rentenwert bei Rentenbeginn berücksichtigt. Fehler in der Berechnung sind nicht ersichtlich.
Hierzu hat der Kläger auch nichts Konkretes vorgebracht, er hat lediglich pauschal auf einen zu niedrigen Auszahlungsbetrag
verwiesen. An welcher Stelle eine falsche Berechnung vorliegen soll hat er dabei nicht dargelegt. Ebenso wenig hat er - auch
nicht auf die ausdrückliche Nachfrage der Beklagten - neue Erkenntnisse etwa zu Versicherungszeiten vorgetragen, die zu einer
Änderung der Rentenberechnung führen könnten. Soweit er schließlich auf den durchgeführten Versorgungsausgleich nach der Scheidung
von seiner Ehefrau verweist, ist dieser erst ab März 2009 für die Rentenberechnung relevant geworden (vgl. §
100 Abs.
1 S. 1
SGB VI i.V.m. § 1587p
Bürgerliches Gesetzbuch in der bis zum 01.09.2009 geltenden Fassung) und hat auf den hier überprüften Bescheid vom 27.07.2005 keinerlei Auswirkungen.
Eine Überprüfung der infolge des Versorgungsausgleichs ergangenen Änderungsbescheide (vom 18.02.2009 und 05.03.2009) ist hier
- vgl. dazu oben - nicht Streitgegenstand.
Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren keine weiteren Tatsachen oder Erkenntnisse vorgebracht, die zu einer anderen Einschätzung
führen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG bestehen nicht.