Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für Lichtschutzmittel bei einer genetisch bedingten Hauterkrankung
Keine Einstufung als zugelassenes apothekenpflichtiges Arzneimittel bzw. Heil- oder Hilfsmittel
Kein Leistungsanspruch im Wege einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten für von ihr benötigte Lichtschutzmittel sowie die Hautcreme
"Daylong Night" -jetzt "Daylong After Sun Repair"- durch die Beklagte.
Die Klägerin leidet an einer genetisch bedingten Hauterkrankung, der sogenannten Xeroderma Pigmentosum (XP).
Mit Schreiben vom 10. und 17.10.2012 beantragten die Eltern der am 00.00.2009 geborenen und bei der Beklagten versicherten
Klägerin ua die Erstattung der Kosten für die Sonnenschutzcreme Ladival für Kinder 50+ sowie der Reparaturcreme Daylong Night
Repair. Bei ihrer Tochter sei die Diagnose XP gestellt worden, so dass Präventionsmaßnahmen zu ergreifen seien. Zur weiteren
Begründung legten sie Befund- und Behandlungsberichte der behandelnden Ärzte sowie eine Bescheinigung des Facharztes für Haut-
und Geschlechtskrankheiten Dr. H vom 10.10.2012 vor, der ausführte, bei der XP handele es sich um eine seltene, hereditäre
Genodermatose mit abnormer Reaktion der Haut auf UV-Strahlen mit vorverlagerter Entwicklung von Altershaut und Ausbildung
maligner Hauttumore infolge Störungen der DNA-Reparatur. Wichtigste prophylaktische Maßnahme sei eine lebenslange, absolute
Vermeidung von UV-Strahlen. Ein systematischer Lichtschutz mit Anwendung aller hierzu notwendigen Maßnahmen, also ein kompletter
physikalischer und chemischer Lichtschutz mittels Spezialkleidung und Lichtschutzpräparaten mit sehr hohem Lichtschutzfaktor
(50+) sei die absolut notwendige, lebenslänglich durchzuführende, wichtigste prophylaktische Maßnahme zur Minimierung des
durch die Erkrankung massiv erhöhten Risikos der Erkrankung von Hauttumoren.
Die Beklagte holt ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK - Dr. T) vom 17.10.2012 ein, der die
Auffassung vertrat, nach den vorliegenden Angaben könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine regelmäßig tödlich verlaufende
Erkrankung vorliege. Zwar könne nach §
2 Abs
1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) bei regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen, für die keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende
Behandlung zur Verfügung stehe, ausnahmsweise auch eine Leistung beansprucht werden, welche nicht dem allgemeinen anerkannten
Stand der medizinischen Erkenntnis entspreche. Der Anspruch beziehe sich aber nicht auf Leistungen, welche der Eigenverantwortung
des Versicherten zuzurechnen seien. Dies gelte beispielsweise für Hautpflegemittel, die keine Arzneimittel seien und den Kosmetika
zugeordnet würden. Hautpflegemittel, die keine Arzneimittel seien, seien auch nicht ausnahmsweise vom Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst.
Mit Bescheid vom 05.11.2012 lehnte die Beklagte ua den Antrag auf Kostenübernahme für die Hautcreme "Daylong Night Repair"
ab. Es handele sich nicht um zugelassene Arzneimittel, sondern um spezielle Produkte zur Haut- und Körperpflege, welche keine
Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen würden. Eine Kostenübernahme sei insofern nicht möglich. Mit weiterem
Bescheid vom gleichen Tage teilte die Beklagten den Eltern der Klägerin mit, dass sie sich im Rahmen einer Einzelfallentscheidung
an den Kosten für Sonnenschutzpräparate für K mit 300,00 Euro im Jahr beteilige. Es bestehe insoweit keine Bindung an einen
bestimmten Hersteller. Die Kostenübernahme habe bis zum 31.12.2013 Gültigkeit, danach werde um einen neuen Antrag gebeten.
Zur Begründung der hiergegen am 20.11.2012 eingelegten Widersprüche trug die Klägerin vor, bei der Reparaturcreme "Daylong
Night Repair" handele es für sie nicht um einen Kosmetikprodukt, sondern um eine wirksame und durch Studien nachgewiesene
Präventionsmaßnahme gegen aktinische Keratosen und Präkanzerosen. Zudem werde die unbefristete Übernahme von Sonnenschutzmitteln
(SFK 50+) in Höhe der tatsächlich entstehenden Kosten beantragt. Die behandelnden Ärzte hätten übereinstimmend dargelegt,
dass die Sonnenschutzmedikation lebenswichtig sei. Zur weiteren Begründung legte sie eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes
für Kinder und Jugendmedizin Dr. E vom 27.10.2012 vor.
Mit Bescheid vom 13.02.2013 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Es handele sich bei Sonnenschutzmitteln und der Reparaturcreme
"Daylong Night Repair" nicht um zugelassene Arzneimittel, sondern Produkte zur Haut- und Körperpflege, welche keine Leistung
der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen würden.
Am 11.03.2013 hat die Klägerin beim Sozialgericht Münster (SG) Klage erhoben und die Kostenübernahme für die "Daylong Night Repair" Creme sowie Sonnenschutzmittel mit dem Lichtschutzfaktor
50+ beantragt. Das bei ihr vorliegende genetisch bedingte Krankheitsbild der XP bestehe darin, dass die degenerativen Hautveränderungen
aufgrund einer absoluten UV-Lichtunverträglichkeit und extrem trockener Haut auftreten würden. Insbesondere bestehe eine verstärkte
Neigung zu Hautkrebserkrankungen. Aufgrund des extrem trockenen Hautbildes seien bei ihr bereits verschiedene Keratosen/Hyperkeratosen
mit entzündlichen Begleitreaktionen entstanden. Insoweit sei eine Behandlung und Prävention durch eine rückfettende Hautpflege
bzw eine angemessene Reparaturcreme erforderlich. Die Reparaturcreme "Daylong Night Repair" enthalte das Enzym T4-Endonuclease.
Die Anwendung dieses Enzyms verringere die Inzidenz von Basalzellkarzinomen und aktinischen Keratosen bei XP-Patienten. Darüber
hinaus diene die Lotion als Behandlung der extrem trocknen Haut und damit verbundener Symptome. Es handele sich bei Anwendung
der Reparaturcreme um eine zwingend medizinisch notwendige Krankenbehandlung. Das Präparat sei die einzige Maßnahme, um die
Verschlimmerung der Erkrankung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zudem sei als Therapie gegen die UV-Lichtunverträglichkeit
ein systematischer Lichtschutz ua durch Lichtschutzpräparate mit hohem Lichtschutzfaktor erforderlich und medizinisch geboten.
In Ihrem Fall sei eine Sonnencreme mit einem Lichtschutzfaktor von 50+ zwingend notwendig. Aus einem Schreiben des Bundesministeriums
für Gesundheit (BMG) vom 06.05.2009 ergebe sich ebenfalls, dass die Versorgung mit einem nötigen kosmetischen Mittel bei einer schwerwiegenden
Erkrankung nicht allein aus formellen Gründen pauschal abgelehnt werden könne. Der GKV-Spitzenverband empfehle in einem Rundschreiben
vom 08.07.2009 bei der Versorgung von Kindern mit XP "die Ausführungen des BMG... zu berücksichtigen".
Die Beklagte hat unter Vorlage weiterer Stellungnahmen des MDK vom 31.07.2013, 12.06.2013, 17.10.2014 und 21.07.2015 weiterhin
die Auffassung vertreten, die geltend gemachte Kostenübernahme sei nicht zu befürworten, da es sich um Kosmetika handele,
welche gesetzlich ausgeschlossen seien und für die kein Ausnahmetatbestand erkennbar sei.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. T1 vom 18.08.2014 und Prof. Dr. F vom 19.08.2014 sowie eine Auskunft der Firma
Galderma, die das Produkt "Daylong After Sun Repair" vertreibt, hinsichtlich der Wirkungsweise dieser Creme eingeholt.
Mit Urteil vom 02.03.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Weder bei der von der Klägerin begehrten Sonnenschutzcreme mit dem Lichtschutzfaktor 50+ noch bei der
Hautcreme "Daylong Night"/"Daylong After Sun Repair" handele sich um Arzneimittel. Die Mittel seien auch nicht apothekenpflichtig,
was eine weitere Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Beklagte sei. Es handele sich vielmehr um kosmetische Produkte.
Nach der Gesetzeskonzeption würden Kosmetika nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen.
Auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) habe mit Urteil vom 06.10.2011 (Az: L 1 KR 469/10) entschieden, dass Lichtschutzmittel nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und auf die
in §
34 SGB V normierte Eigenverantwortung des Versicherten verwiesen. Es bestehe auch kein Anspruch auf Grundlage des §
2 Abs
1a SGB V. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nach Rechtsprechung des BSG im Sinne des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht schon dann vor, wenn irgendwann in Zukunft mit einer Konkretisierung
der Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs zu rechnen ist, andererseits sei aber auch nicht erforderlich, dass die Gefahr
des Todes bereits akut ist. Maßgebend sei das Vorliegen einer durch hohe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage,
welche es geboten erscheinen lasse, auch solche ärztlichen Behandlungen in die Leistungspflicht der Krankenversicherung einzubeziehen,
bei denen der Nachweis einer dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Qualität und Wirksamkeit
der Behandlung noch nicht erbracht sei. Diese Situation liege bei der Klägerin nicht vor. Durch die Anwendung der Sonnenschutzcreme
solle verhindert werden, dass ein lebensbedrohlicher Zustand erreicht wird. Dies sei unbestreitbar notwendig, sei aber nicht
mit Mitteln, die die Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen hat, zu erreichen, sondern könne durch im Rahmen der allgemeinen
Daseinsvorsorge vorhandene Mittel erreicht werden. Der Entscheidung des BVerfG wie auch der zu §
2 Abs
1a SGB V ergangenen Rechtsprechung sei nicht zu entnehmen, dass Leistungen, wie Kosmetika, die keine Arzneimittel sind und explizit
nicht zum Leistungskatalog nach §
27 SGB V gehören, über die Regelung des §
2 Abs
1a SGB V einbezogen werden sollen. §
2 Abs
1a SGB V setze nur den Qualitätsstandard für Behandlungsmethoden bei Erkrankungen herab, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen
Standard entsprechende Methode nicht zur Verfügung stehe.
Gegen das am 08.03.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.04.2016 Berufung eingelegt. Sie habe aufgrund des Gendefekts
und der damit verbundenen unheilbaren Erkrankung XP ein mehr als tausendfach erhöhtes Risiko an Hautkrebs zu erkranken. Diesem
Risiko könne sie nur begegnen, wenn sie sich vor der Sonne mit Sonnenschutzmitteln schütze. Ein Therapieansatz zum Ausgleich
des Gendefekts bestehe nicht. Die Klägerin müsse einen systematischen Lichtschutz mit Anwendung aller hierzu notwendigen Maßnahmen
durchführen, um die Folgen der Erkrankung nicht zu verschlimmern. Diese Maßnahmen seien lebenslänglich notwendig, um das Risiko
der Entwicklung von Hauttumoren zu minimieren. Die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung XP führe zu einen drastisch reduzierten
Lebenserwartung. Patienten würden oft bereits im Kindesalter an den Folgen multipler Tumore und Kachexien versterben. Das
Risiko für die Klägerin, ohne entsprechende Prophylaxe innerhalb der nächsten Jahre an den Folgen der Erkrankung zu versterben,
sei sehr hoch. Auch sei bislang keine Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf die Beurteilung der Lebensbedrohlichkeit der
Erkrankung erfolgt. Die Situation der Klägerin sei als "Notstand ähnlich" im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zu beurteilen.
Die Klägerin verweist auf die politische Diskussion zur Problematik der Kostenübernahme für die Versorgung mit Hautschutzpräparaten
mit hohem Lichtschutzfaktor bei Patientinnen und Patienten mit Mondscheinkrankheit und vertritt die Auffassung, die nunmehr
in §
2 Abs
1a SGB V genannten Kriterien für Einzelfallentscheidungen würden den Rahmen für erweiterte Leistungsansprüche innerhalb des vom Gesetzgeber
in legitimer Weise abgesteckten Leistungskatalogs durch grundrechtsorientierte Auslegung eröffnen. Auch der GKV Spitzenverband
habe in seinem Rundschreiben vom 08.07.2009 unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 05.05.2009
darauf hingewiesen, dass es das BMG vor dem Hintergrund des sogenannten "Nikolausurteil" für geboten halte, bei Patientinnen mit XP und anderen lebensbedrohlichen
Erkrankungen im Einzelfall zu prüfen, ob eine Leistungsbewilligung bei Sonnenschutzcremes erfolgen könne. Eine Ablehnung aus
reinen formalen Gründen sei nicht möglich. Der GKV habe empfohlen bei der Genehmigungspraxis bezüglich der Versorgung von
"Mondscheinkindern", die Ausführungen des BMG sowie den Beschluss BVerfG vom 06.12.2005 zu berücksichtigen. Sie begehre Kostenerstattung seit 2012 für Lichtschutzmittel
in Höhe von 430,72 € und für die "Daylong After Sun Repair Creme" in Höhe von 1806,29 € sowie die Übernahme der hierauf entfallenden
Kosten für die Zukunft. Die Klägerin hat zur Klärung der Frage, ob bei ihr eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt, die
Einholung eines Gutachtens gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Prof. Dr. C beantragt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 02.03.2016, Aktenzeichen S 13 KR 196/13 zu ändern und die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013
zu verurteilen, die der Klägerin seit 2012 entstandenen weiteren Kosten für Lichtschutzmittel in Höhe von 430,72 € und für
die "Daylong After Sun Repair Creme" in Höhe von 1806,29 € zu erstatten sowie künftig die Kosten für die Versorgung mit der
Sonnenschutzcreme "Ladvidal Kindercreme für das Gesicht" sowie der "Daylong After Sun Repair Creme" vollständig zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei unbestritten, dass es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine schwerwiegende Erkrankung mit einer verkürzten Lebenserwartung
handele. Eine unmittelbar lebensbedrohliche Situation im konkreten Fall bestehe jedoch nicht. Längere Krankhausaufenthalte
oder Arzneimittelverordnungen, die auf eine fortschreitende und sich ständig verschlechternde Erkrankung hinweisen würden,
lägen nicht vor. Die begehrten Leistungen seien keine Arzneimittel im Sinne der Arzneimittelrichtlinien, sondern ein Hautpflegemittel
bzw ein Kosmetikum. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach der Leistungskatalog durch §
2 Abs
1a SGB V nicht erweitert worden sei, träfen zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung, über die der Berichterstatter mit Zustimmung der Beteiligten gemäß §
155 Abs
3 und
4 i.V.m. §
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.02.2013
sind rechtmäßig. Die Klägerin kann weder die Erstattung ihrer nach Antragstellung im Oktober 2012 bereits verauslagten noch
die Übernahme der ihr künftig noch entstehenden Kosten für Lichtschutzmittel sowie die "Daylong After Sun Repair Creme" verlangen.
Soweit sie die Erstattung bereits verauslagter Kosten begehrt, sind die Voraussetzungen des allein als Anspruchsgrundlage
in Betracht kommenden §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V nicht erfüllt. Diese Vorschrift setzt voraus, dass die Krankenkasse eine unaufschiebare Leistung nicht rechtzeitig erbringen
konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung
Kosten entstanden sind; die Kosten sind dann von der Krankenkasse in der entsprechenden Höhe zu erstatten, soweit die Leistung
notwendig war. Da die Beklagte den Anspruch der Klägerin ablehnend beschieden hat, kommt hier nur Alt 2 in Betracht. Deren
Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die von der Klägerin benötigten Lichtschutzmittel sowie die "Daylong After Sun Repair
Creme" nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und die Beklagte die Leistung deshalb nicht
zu Unrecht abgelehnt hat. Da die Beklagte nicht zu der von der Klägerin begehrten Leistung verpflichtet ist, besteht auch
kein Leistungsanspruch für die Zukunft.
Zum Leistungsanspruch der Versicherten gehört die Krankenbehandlung (§
11 Abs
1 Nr
4 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden
zu lindern (§
27 Abs
1 Satz 1
SGB V). Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst insofern den hier allein in Betracht kommenden Anspruch auf Versorgung mit Arznei-,
Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB V). Sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit als auch der Anspruch auf Versorgung oder Kostenfreistellung
für die Zukunft reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte
bzw beanspruchte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung
zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl BSG, Urteil vom 06.11.2008 B 1 KR 6/08 R- in juris). Einen Leistungsanspruch auf Versorgung mit Lichtschutzmitteln der Reihe Ladival-Kindercreme sowie mit der "Daylong
After Sun Repair Creme" hat die Klägerin jedoch nicht, weil diese Mittel nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
gehören. Denn es handelt sich weder um zugelassene apothekenpflichtige Arzneimittel, die §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V allein erfasst (1), noch Heil- oder Hilfsmittel (2). Die Klägerin hat auch bei grundrechtsorientierter Auslegung bzw unter
Berücksichtigung von §
2 Abs
1a SGB V keinen Anspruch auf die Lichtschutzmittel und die "Daylong Sun Repair Creme" (3).
1. Versicherte haben (nur) Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach
§
34 SGB V oder durch Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V (Arzneimittelrichtlinien-AMR-) ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§
31 Abs
1 Satz 1
SGB V). Bei den von der Klägerin beanspruchten Mitteln handelt es sich um schon vom Arzneimittelbegriff (§ 2 Abs 3 Nr 2 Arzneimittelgesetz -AMG-; zum Rückgriff auf die Begrifflichkeiten des Arzneimittelrechts im Krankenversicherungsrecht vgl BSG, Urteil vom 19.03.2002 -B 1 KR 37/00 R- in juris Rn 11) nicht umfasste kosmetische Mittel. Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Gemische aus Stoffen, die ausschließlich
oder überwiegend dazu bestimmt sind, ua äußerlich am Körper des Menschen zur Erhaltung eines guten Zustandes angewandt zu
werden (§ 2 Abs 5 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch). Diese Definitionen erfasst auch hautschützende Sonnenschutzmittel sowie die "Daylong After Sun Repair Creme". Für die Abgrenzung
zu Arzneimitteln ist der überwiegende Zweck des Mittels entscheidend (vgl BSG, Urteil vom 04.04.2006 -B 1 KR 12/04 R- in juris Rn 16). Sowohl die begehrten Sonnenschutzpräparate als auch die "Daylong After Sun Repair Creme" werden ganz überwiegend
nicht zu therapeutischen, sondern von gesunden Menschen zu kosmetischen Zwecken verwendet. Hinsichtlich der "Daylong After
Sun Repair Creme" ergibt sich aufgrund der insofern auch seitens der Klägerin nicht bestrittenen Stellungnahmen des MDK vom
31.07.2013, 17.10.2014 und 21.07.2015, dass es sich um ein Kosmetikum handelt. Diese Einschätzung ist durch die Auskunft der
Firma Galderma vom 28,05.2015 bestätigt worden, die ausgeführt hat, der regulatorische Status der "Daylong After Sun Repair
Creme" sei "Kosmetikum", da keine pharmazeutische Wirkung belegt sei. Zu den Arzneimitteln im Sinne des §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V gehört zumindest das von der Klägerin beanspruchten Lichtschutzmittel der Firma Ladival (Sonnenschutzcreme Ladival Kindercreme)
aber auch deshalb nicht, weil es nicht -wie in §
31 Abs
1 Satz 1
SGB V vorausgesetzt- apothekenpflichtig (§ 43 AMG) ist (zur Verfassungsmäßigkeit des noch weitergehenden Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel vgl BSG, Urteil vom 06.11.2008 -B 1 KR 6/08- in juris). Ausnahmen vom Ausschluss aus der Leistungspflicht der Krankenkassen gemäß
§
31 Abs
1 Satz 2
SGB V sehen die AMR in §
12 nur für bestimmte nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel vor, setzen dabei aber die gesetzlich vorgeschriebene Apothekenpflicht
voraus. Da die Lichtschutzmittel und die "Daylong After Sun Repair Creme" nicht zugelassen sind, stellt sich auch nicht die
Frage, ob ein zulassungsüberschreitener Einsatz (off-label-use, vgl BSG, Urteil vom 19.02.2003 -B 1 KR 37/00 R- in juris; Urteil vom 27.03.2007 -B 1 KR 17/06 R- in juris; Urteil vom 13.10.2010 -B 6 KA 48/09 R- in juris) der von der Klägerin beanspruchten Mittel in Betracht kommt (vgl zusammenfassend für Lichtschutzmittel Landessozialgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.10.2011 -L 1 KR 469/10- in juris Rn 24).
2. Die Lichtschutzmittel und die "Daylong After Sun Repair Creme" fallen auch unter keinen anderen Tatbestand der im Rahmen
der Krankenbehandlung nach §
27 SGB V zu gewährenden Leistungen. Sie sind insbesondere keine Heil- (a) oder Hilfsmittel (b) iSv §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB V.
(a) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach §
34 ausgeschlossen sind (§
32 Abs
1 SGB V). Eine Behandlung mit Heilmitteln liegt im Falle der Erkrankung der Klägerin nicht vor, denn dies setzt eine Anwendung voraus,
die am Patienten von speziell ausgebildeten Personen erbracht wird, was hier nicht der Fall ist (vgl BSG, Urteil vom 28.06.2001 -B 3 KR 3/00 R- in juris).
(b) Hilfsmittel (§
33 SGB V) sind Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg
der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die
Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 ausgeschlossen sind.
Zwar bewirken Lichtschutzmittel wie auch die "Daylong After Sun Repair Creme" bei der Klägerin wie "andere" Hilfsmittel den
(teilweisen) Ausgleich einer Behinderung, nämlich der eingeschränkten Schutzfunktion des Organs Haut. Jedoch fallen sie als
Gegenstände, die nicht spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen, sondern regelmäßig
auch von Gesunden benutzt werden, auch bei hohen Kosten nicht als Hilfsmittel in die Leistungspflicht der Krankenversicherung
(vgl BSG, Urteil vom 16.09.1999 -B 3 KR 1/99 R- in juris).
3. Der Anspruch der Klägerin lässt sich auch nicht auf eine erweiterte Auslegung des §
27 SGB V nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Krankenbehandlungsanspruch in bestimmten Extremsituationen
einer krankheitsbedingten Lebensgefahr (vgl BVerfG Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98- in juris Rn 66) bzw den in Folge dieser Rechtsprechung am 01.01.2012 in Kraft getretenen §
2 Abs
1a SGB V stützen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es mit Artikel
2 Abs
1 Grundgesetz (
GG) in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, den Einzelnen unter den Voraussetzungen des
§
5 SGB V einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankenbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihm andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen
oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leide, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung
einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb
der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Entsprechend können gemäß §
2 Abs
1a SGB V Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren
Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht,
von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistungen beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder
auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zum einen
bestehen schon erhebliche Zweifel am Vorliegen einer beschriebenen lebensbedrohlichen Situation bei der Klägerin, da sich
nach den unwidersprochenen Ausführungen der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.02.2019 keine Hinweise auf längere Krankenhausaufenthalte
oder Arzneimittelverordnungen, die auf eine fortschreitende und sich ständig verschlechternde Erkrankung hinweisen, finden.
Vielmehr bestand die Arzneimittelverordnung zu 50% aus einem Vitamin-D-Produkt. Auch ist nicht vorgetragen oder ersichtlich,
dass eine Pflegestufe oder ein Grad der Behinderung zuerkannt oder die Einschaltung eines Pflegedienstes erforderlich geworden
wäre. Schließlich hat auch die Klägerin auf das entsprechende Schreiben des Berichterstatters vom 11.04.2019 keine Umstände
vorgetragen oder Unterlagen vorgelegt, aus denen sich aktuell eine konkrete unmittelbar lebensbedrohliche Situation der Klägerin
ergibt.
Diese Frage kann jedoch dahinstehen, so dass auch keine Notwendigkeit bestand, dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines
Gutachtens gemäß §
109 SGG zur Klärung dieser Frage stattzugeben, da eine erweiternde Auslegung daran scheitert, dass die Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenversicherung die Versorgung mit Lichtschutzmitteln und der "Daylong After Sun Repair Creme" schon deshalb nicht umfasst,
weil diese keine Krankenbehandlung im Sinne des §
27 SGB V darstellt.
(vgl hierzu oben 1 und 2; unzutreffend deshalb: SG Braunschweig, Urteil vom 10.12.2007 - S 6 KR 319/05- in juris, Anwendung von Sonnencremes bei aktinischer Prurigo wegen der Schwere der Erkrankung und des guten Behandlungserfolges).
Entsprechend erweitert auch die in §
2 Abs
1a SGB V getroffene Regelung den Leistungskatalog nicht. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug (§
153 Abs
2 SGG). Krankenkassen sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung
der Gesundheit verfügbar ist (BVerfG aaO; BSG Beschluss vom 23.10.2009 -B 1 KR 98/99 B- in juris). Deshalb ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerfG, aaO, Rn 58), dass die gesetzliche Krankenversicherung
den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§
11 SGB V) nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§
12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistung nicht -wie hier- der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden
(vgl §
2 Abs
1 Satz 1
SGB V). Die Betroffenen sind hierdurch nicht schutzlos gestellt, denn wer die notwendigen Kosten wegen eigener Hilfebedürftigkeit
nicht aufbringen kann, hat wegen eines unabweisbaren Bedarfs, der seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen
Bedarf abweicht, ggf Anspruch auf Sozialhilfe (§ 27a Abs 4 Nr 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; vgl auch hierzu LSG NRW, aaO, Rn 28).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin, Frau Ulrike Flach, vom 24.05.2013,
da diese in der Folge zu keinen entsprechenden gesetzlichen Änderungen geführt hat. Gleiches gilt für das Rundschreiben des
GKV Spitzenverbandes vom 08.07.2009. In diesem Rundschreiben ist lediglich ausgeführt, dass bei Patientinnen mit XP und anderen
lebensbedrohlichen Erkrankungen im Einzelfall geprüft werde, ob eine Leistungsbewilligung erfolgen könne. Weiter wird empfohlen,
bei der Genehmigungspraxis bezüglich der Versorgung von Mondscheinkindern die Ausführungen des BMG sowie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 zu berücksichtigen. Eine entsprechende Einzelfallprüfung
ist im vorliegenden Falle aber gerade erfolgt und hat dazu geführt, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.11.2012
einen jährlichen Zahlbetrag für Lichtschutzmittel in Höhe von 300,00 Euro nach Prüfung im Einzelfall bewilligt hat. Die darüber
hinaus gehende Ablehnung ist auch nicht aus rein formalen Gründen erfolgt, sondern entspricht der geltenden Gesetzeslage.
Insofern wäre es Sache des Gesetzgebers, eine entsprechende Rechtsgrundlage für die Versorgung mit Lichtschutzpräparaten bei
XP-Patienten zu schaffen. Dies ist -soweit ersichtlich- bislang aber nicht geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.