Anspruch auf Gewaltopferentschädigung nach dem OEG
Anforderungen an die Bemessung des Grades der Schädigungsfolgen im Hinblick auf die Anerkennung posttraumatischer Belastungsstörungen
aufgrund schädigungsbedingter und schädigungsunabhängiger Sachverhalte nach einem Überfall mit Mittelgesichtsfrakturen
Gründe
I.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger begehrt Leistungen nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen der Folgen eines von ihm behaupteten Überfalls vom 30.10.1997.
Zu dem Überfall trug der Kläger vor: Als damaliger Schifffahrtstreibender sei er in der Nähe des Stadtzentrums N unterwegs
zu Behörden gewesen. Auf der etwa 300 m langen Strecke im parkähnlichen N1 sei er plötzlich von einem Unbekannten aus einem
Gebüsch angefallen worden. Er sei durch einen Schlag an der linken Gesichtshälfte so stark getroffen worden, dass er mehrere
Meter geflogen und dann gestürzt sei. Dort sei er wohl einige Zeit ohne Besinnung gewesen. Mit Taschentüchern habe er stark
blutende Kopfwunden zugehalten und sei sodann zu dem etwa 200 m entfernten HNO-Arzt Dr. V gelangt. Dort sei die Erstversorgung
erfolgt. Das auf die Anzeige des Klägers vom 30.10.1997 eingeleitete Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft C ein, da ein
Täter nicht ermittelt werden konnte.
Am 04.02.2005 beantragte der Kläger Versorgung wegen ständiger starker linksseitiger Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Ängsten,
Konzentrationsschwierigkeiten, Nervosität, Gesichtsschäden. Beigefügt war ein Bericht über eine cranielle Computertomographie
mit zusätzlicher Darstellung der Orbita und des mittleren Gesichtsschädels am 30.10.1997. Es wurde folgende Beurteilung abgegeben:
1.) Fraktur des linken Jochbogens der dorso-li.-lateralen Orbitawand im unteren Anteil sowie Frakturierung der li. Kieferhöhle
im vorderen und hinteren Anteil mit Dislokation der Fragmente.
2.) Unauffällige Darstellung der Orbitaweichteile bds.
3.) Einblutung bzw. Sekretmassen in den Kieferhöhlen und Siebbeinzellen.
4.) Kein Nachweis einer intracraniellen Blutung.
Darüber hinaus übersandte der Kläger ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin P vom 03.02.2005, die angab, beim Kläger
träten seit einem Überfall 1997 rezidivierende linksseitige Kopfschmerzen auf, die dadurch bedingt sein könnten. Das (seinerzeit
zuständige) Versorgungsamt C nahm Einsicht in die den Kläger betreffenden Schwerbehindertenakten und holte Befundberichte
der behandelnden Ärzte sowie eine Auskunft seiner Krankenkasse ein. In einer vom Versorgungsamt eingeholten schriftlichen
Auskunft der Ehefrau des Klägers teilte diese u.a. mit: Sie habe den Kläger im April 1993 in einer Schiffswerft in T kennengelernt
und zwar wegen des durch ihn dort beauftragten Neubaus eines Kreuzfahrt-Passagier-Schiffes. Sie sei dem Projekt als technische
Beraterin und Dolmetscherin sowie Schiffbauingenieurin zugeordnet gewesen (bis 1997). Während des Baus des Schiffes in Polen
habe der Kläger sich gleichzeitig um seine Eltern in N gekümmert. Er habe oft dreimal in der Woche die Strecke zwischen T
und N zurücklegen müssen. Einige Tage vor ihrem Geburtstag am 00.11.1997 sei der Kläger zu ihr nach T gekommen. Er habe schrecklich
ausgehen. Die linke Seite seines Gesichts sei geschwollen und rot-violett gewesen. Er habe über starke Kopfschmerzen geklagt.
Der Kläger habe ihr erzählt, dass er sämtliche das Schiff betreffenden Unterlagen zur Behörde in die Stadt habe bringen wollen.
Plötzlich sei er so stark ins Gesicht geschlagen worden, dass er ein paar Meter weit geflogen sei und eine Weile ohnmächtig
auf dem Boden gelegen habe. Den Täter habe er nicht erkennen können, weil alles zu schnell passiert sei. Er sei zum ersten
Arzt etwa 500 m weiter gegangen, der ihn weiter zur ärztlichen Versorgung überwiesen habe. Als Folge der Tat leide der Kläger
dauernd unter ständigen linksseitigen Kopfschmerzen, Alpträumen, nächtlicher Unruhe, Schlaflosigkeit, Nervosität und Ängsten
sowie der deformierten linken Gesichtsseite.
Den Antrag lehnte das Versorgungsamt ab. Der Beweis einer Gewalttat sei auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussage der
Ehefrau des Klägers nicht in vollem Umfang erbracht worden. Die Umstände der Tat und der genaue Tathergang hätten nicht aufgeklärt
werden können. Die Angaben des Klägers zum Tatgeschehen seien nicht so eindeutig, dass sie für die Entscheidung ausreichten.
Andere Beweismittel fehlten (Bescheid vom 27.01.2006).
Im Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger weitere medizinische Unterlagen und hielt an seiner Darstellung des Überfallgeschehens
fest. Er sei erst viele Jahre nach dem Überfall im Verlauf seines Rentenverfahrens darauf aufmerksam gemacht worden, dass
Opfer einer Gewalttat Entschädigung nach dem
OEG erhielten. Im Jahr 1997 habe er sich daher durch seine Angaben über den Überfall keinen Vorteil versprechen können. Dies
spreche zusätzlich für die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung N3 zurück. Sie verblieb
bei ihren Zweifeln an der Schilderung des Unfallgeschehens (Widerspruchsbescheid vom 15.09.2006).
In dem vor dem SG Detmold geführten Klageverfahren (S 15 VG 118/08) holte das Gericht zunächst Befundberichte ein und zog Behandlungsunterlagen und Patientendokumentationen, die den Kläger
betreffenden medizinischen Unterlagen der DRV Westfalen sowie die Streitakten S 14 U 63/06 und S 17 P 69/10 bei. Zudem vernahm es einen Kriminalbeamten als Zeugen über die Angaben des Klägers ihm gegenüber zum Überfall am 30.10.1997.
Sodann erhob das SG Beweis durch Einholung eines nervenärztliches Gutachtens von dem Facharzt für Nervenheilkunde, Physikalische und Rehabilitative
Medizin Dr. Dr. X (12.10.2008), eines orthopädischen Gutachtens von dem Facharzt für Orthopädie Dr. P1 (14.10.2008), eines
psychiatrischen Gutachtens von dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie N2 (06.10.2010) und eines hals-nasen-ohrenärztlichen
Gutachtens von dem Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. F (25.08.2010).
Durch Urteil vom 29.09.2011 hat das SG den Beklagten - im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Bewertung des Sachverständigen N2 - verurteilt, eine "psychoreaktive
Störung" sowie "Restzustand nach abgeheilten Mittelgesichtsfrakturen, Kopfschmerzen" als Schädigungsfolgen anzuerkennen und
Beschädigtenversorgung nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG ab Februar 2005 nach einem GdS von 30 zu gewähren.
Im sich anschließenden Berufungsverfahren (L 13 VE 78/11) beanstandete der Beklagte, der Sachverständige N2 habe die Diagnose
einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) allein mit den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau begründet. Zumindest
die Angaben des Klägers wichen so erheblich voneinander ab, dass sie nicht Grundlage der Diagnose sein könnten. Die widersprüchlichen,
zweckorientiert anmutenden Angaben des Klägers gegenüber den verschiedenen Gutachtern (im
OEG-Verfahren und im Verfahren gegen die Pflegekasse) schränkten die Aussagekraft der jeweiligen Angaben gravierend ein.
Im Erörterungstermin vom 15.02.2013 wies der (damalige) Senatsvorsitzende darauf hin, dass der Sachverständige N2 zahlreiche
aktenkundige Befunde außer Acht gelassen habe. Er habe die durchaus berechtigten Einwände in den gutachtlichen Stellungnahmen
nicht entkräften können. Auf Vorschlag des Vorsitzenden schlossen die Beteiligten einen Vergleich, nach dem der Beklagte dem
Kläger unter Anerkennung der Gesundheitsstörungen posttraumatische Kopfschmerzen und anteilige psychovegetative Störungen
(Alpträume, Ängste in Menschenansammlungen und in der Dunkelheit) als Folgen der schädigenden Einwirkungen der Tat vom 30.10.1997
Leistungen nach einem GdS von 30 für die Zeit vom 01.02.2005 bis 31.01.2009 bewilligte. Mit Bescheid vom 07.03.2013 führte
der Beklagte den Vergleich aus. In dem Bescheid heißt es u.a., ab 01.02.2009 betrage der GdS 0.
Am 23.11.2013 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag und machte geltend, zunehmend an Kopfschmerzen, Angst vor plötzlich
auftretenden Angstzuständen mit Herzrasen und Schwindelanfällen zu leiden und keine Menschenansammlungen aushalten zu können.
Außerdem habe er Schlafstörungen durch Alpträume und plötzliche Anfälle mit Herzrasen. Ein Knochensplitter (durch die beim
Überfall erlittenen Frakturen) verursache Kopfschmerzen unter dem linken Auge (Augapfelschmerzen). Durch die Spätfolgen der
Gewalttat sei er mit 53 Jahren zum Pflegefall geworden.
Der Beklagte nahm u.a. Einsicht in die beim Kreis N geführte Schwerbehindertenrechtsakte. In der hierin enthaltenen gutachtlichen
Stellungnahme vom 22.03.2010 sind als Beeinträchtigungen genannt: "Persönlichkeitsstörung, psychosomatische Störungen, Kopfschmerzen"
(GdB 40) und "Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Nervenreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom" (GdB 40). Nach Beiziehung
weiterer Unterlagen und Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme (05.08.2014) lehnte der Beklagte den Antrag auf höhere
Versorgung mit Bescheid vom 06.08.2014 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung eines Berichts
der den Kläger behandelnden Hautärztin zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.10.2014).
Mit der hiergegen bei dem SG Detmold erhobenen Klage hat der Kläger u.a. vorgetragen: Durch die Spätfolgen der Gewalttat hätten
sich seine erheblichen gesundheitlichen Schäden als Gewaltopfer verschlechtert. Er könne das psychische Trauma nicht verarbeiten.
Er sei nervös und habe Konzentrationsschwächen. Er könne sich nichts mehr merken. Vor der Gewalttat habe er als Kapitän schwierigste
Situationen mehr als 20 Jahre lang sicher gemeistert. Jetzt traue er sich nicht mal mehr aus dem Haus, wache nachts wegen
Alpträumen auf und habe Schlafstörungen. Durch die Angstzustände bekomme er plötzlich Anfälle mit Herzrasen. Die Schlange
an der Supermarktkasse müsse er verlassen, weil er es nicht aushalte. So ähnlich sei es auch in anderen Situationen. Bereits
beim Klingeln des Telefons schrecke er auf und vermeide es, den Hörer abzuheben. Nach Möglichkeit - und dies immer in Begleitung
seiner Ehefrau - gehe er nur noch zu seiner Hausärztin, da er kaum noch aus dem Haus gehe und die Menschenansammlungen in
den Wartezimmern als sehr beängstigend und bedrohlich empfinde. Die Medikamente gegen Angstzustände rezeptiere ihm nun seine
Hausärztin. Seine Ehefrau leide zunehmend unter seinen Depressionen und seinem tiefen Misstrauen gegenüber den Mitmenschen.
Er habe sich von der Welt zurückgezogen und bleibe nur noch zuhause und sehe fern. Ständig leide er unter den linksseitigen
Kopfschmerzen, habe einen lauten Tinnitus und verspüre den Zwang, den etwas hervorstehenden Knochensplitter unter seinem linken
Augapfel zu berühren und zu reiben, was ihm zusätzlich Schmerzen bereite.
Der Beklagte hat erwidert, den aktenkundigen Unterlagen (insbesondere dem Pflegegutachten von Dr. O vom 04.02.2008) sei eindeutig
zu entnehmen, dass der Kläger schon seit dem Unfalltod seiner ersten Ehefrau 1975 unter depressiven Verstimmungen und Angstzuständen
leide. Durch die Gewalttat 1997 hätten sich die psychischen Probleme vorübergehend verschlimmert. Die zweifellos vorliegenden
erheblichen psychischen Beeinträchtigungen seien inzwischen nicht mehr durch das schädigende Ereignis aus 1997 bedingt sondern
durch ganz andere Ursachen. Es handele sich um schädigungsunabhängige Vor- und Nachschäden.
Das SG hat ein psychiatrisches Sachverständigengutachten von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Q (10.07.2017)
eingeholt. Dem Gutachten beigefügt war ein Arztbrief von Frau F1 (27.04.2017), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die
Sachverständige Dr. Q hat die Auffassung vertreten, eine wesentliche Änderung der anerkannten Schädigungsfolgen könne nicht
festgestellt werden. Im Vergleich mit dem Gutachten des Sachverständigen N2 ergebe sich in jedem Fall keine Verschlechterung
der vom Kläger auf den Überfall im Oktober 1997 zurückgeführten psychischen Beschwerden. Es beständen keine weiteren Gesundheitsstörungen,
die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung auf den Überfall vom 30.10.1997 zurückgeführt
werden könnten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.10.2017 als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt:
"(...) Der Kläger ist am 30.10.1997 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs gegen seine Person geworden. Insoweit
wird auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.09.2011 verwiesen. Durch die Tat hat er gesundheitliche
Schädigungen erlitten. Aufgrund des im Berufungsverfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleichs vom 15.02.2013 sind als Schädigungsfolgen
anerkannt "posttraumatische Kopfschmerzen und anteilige psychovegetative Störungen (Alpträume, Ängste in Menschenansammlungen
und in der Dunkelheit)". Im Bescheid vom 07.03.2013 heißt es, ab 01.02.2009 betrage der GdS 0.
In den für den Bescheid vom 07.03.2013 maßgebenden Verhältnissen ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche
Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen lässt sich nicht feststellen. Auch sind weitere Gesundheitsstörungen des
Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung auf den Überfall vom 30.10.1997
zurückzuführen.
Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. Q. Die Sachverständige hat die Aktenlage
sehr sorgfältig und zutreffend ausgewertet und den Kläger gründlich untersucht. Die Sachverständige ist der Kammer als in
der Beurteilung von Kausalitätsfragen im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts erfahrene und kompetente Gutachterin bekannt.
Die Ausführungen der Sachverständigen stehen auch im Einklang mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen.
Die Formulierung der Schädigungsfolgen im gerichtlichen Vergleich vom 15.02.2013 deckt sich mit dem Regelungsvorschlag des
Beklagten vom 09.06.2009, dem die psychologische Stellungnahme vom 05.06.2009 zugrunde gelegen hat. Diese berücksichtigt insbesondere
das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. Dr. X vom 12.10.2008. Dieser hatte (nach den Mittelgesichtsfrakturen verbliebene)
posttraumatische Kopfschmerzen mit einem GdS von 10 bewertet und anteilsmäßige psychovegetative Störungen (Alpträume und Ängste
in Menschenansammlungen) ebenfalls mit einem GdS von 10. In der psychologischen Stellungnahme vom 05.06.2009 ist ausgeführt,
der Gutachter sei dahingehend zu verstehen, dass innerhalb der psychovegetativen Störungen (Alpträume, Ängste) Bereiche zu
identifizieren seien, die sich auf das Ereignis vom 30.10.1997 bezögen, und solche, die sich eindeutig auf schädigungsunabhängige
Sachverhalte (u.a. Unfälle, Überfälle und Drohungen, tödlicher Unfall der ersten Ehefrau) bezögen. Die Wertung, dass im Gesamtleidensbild
einzelne abgrenzbare Teile schädigungsbedingt seien, sei nachvollziehbar und überzeugend. Es sollte jedoch der Anteil der
psychovegetativen Störungen, die als Schädigungsfolge aufzufassen seien, mit einem GdS von 20 bewertet werden, zumal die vom
Kläger angegebene Unfähigkeit, die Wohnung bei Dunkelheit zu verlassen, bei der gutachtlichen Bezeichnung der Schädigungsfolgen
nicht erwähnt werde. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 09.11.2000 hatte die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,
Sozialmedizin Dr. T1 ausgeführt, die Schädigungsfolgen "psychovegetative Störungen nach Überfall 10/1997, Restzustand nach
abgeheilten Mittelgesichtsfrakturen links" begründeten allenfalls einen GdS von 10. Nach dem Inhalt des Bescheides beträgt
der GdS ab 01.02.2009.
Eine wesentliche Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten "posttraumatischen Kopfschmerzen" lässt sich unter Berücksichtigung
der Ausführungen im Gutachten von Frau Dr. Q nicht feststellen. Die Sachverständige führt aus, der Kläger habe Kopfschmerzen
im linken Schläfenbereich angegeben, die durch Ibuprofen weggingen. Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung
erklärt hat, er nehme wegen der Kopfschmerzen jetzt drei- oder viermal Ibuprofen am Tag, lässt sich hiermit eine schädigungsbedingte
Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten posttraumatischen Kopfschmerzen nach Auffassung der Kammer nicht begründen.
Der vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung angegebene Schmerzmittelkonsum entspricht im Wesentlichen dem, den er
gegenüber dem Sachverständigen Dr. Dr. X im Vorprozess angegeben hat. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch den Sachverständigen
Dr. Dr. X hatte der Kläger linksseitige Kopfschmerzen wechselnden Charakters angegeben. Er nehme aus diesem Grund dreimal
600 mg Ibuprofen pro Tag ein, u.a. auch wegen der Rückenschmerzen. Eine wesentliche Erhöhung der Medikation ergibt sich hier
nicht. Auch bleibt unklar, ob die Schmerzmedikation gerade wegen der als Schädigungsfolge anerkannten posttraumatischen Kopfschmerzen
nach Mittelgesichtsfrakturen erfolgt. Auf Seite 66 des Gutachtens heißt es, nach Angaben des Klägers nehme dieser wegen Nackenschmerzen,
die bis in beide Schultern zögen, Ibuprofen 600 mg. Nach dem Recht für schwerbehinderte Menschen ist in der gutachtlichen
Stellungnahme vom 22.03.2010 als Beeinträchtigung u.a. genannt "Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Nervenreizerscheinungen,
Schulter-Arm-Syndrom" (GdB 40). Im Befundbericht vom 11.07.2014 gibt die Fachärztin für Allgemeinmedizin P "weiterhin bestehende
Kopfschmerzen bei chronischem Wirbelsäulensyndrom" an.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass sich die als Schädigungsfolge anerkannten anteiligen psychovegetativen Störungen
wesentlich verschlimmert haben.
Eine wesentliche Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten (auf den Überfall vom 30.10.1997 bezogenen) Alpträume
steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Bei der gutachtlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Dr. X hatte
der Kläger angegeben, er leide in Bezug auf das Überfallgeschehen vom 30.10.1997 unter ein- bis zweimal wöchentlich auftretenden
Alpträumen mit Unruhe. Gegenüber dem Sachverständigen N2 hatte der Kläger angegeben, regelmäßig nächtliche Alpträume zu haben,
die in der Frequenz möglicherweise leicht nachließen. Die Ehefrau des Klägers hat im Termin zur mündlichen Verhandlung im
Vorprozess erklärt, dass ihr Ehemann nachts schreie, passiere mehrfach in der Woche, manchmal auch zweimal in einer Nacht.
Bei der Untersuchung durch die Sachverständige Frau Dr. Q hat der Kläger ausgeführt, er wache nachts wegen Unruhe und Alpträumen
auf. Danach gelinge es ihm schlecht, wieder einzuschlafen. Dass er nachts nicht durchschlafen könne, trete mehrmals pro Woche
auf. Die Alpträume habe er seit dem Überfall 1997 und er habe sie morgens vergessen. Den Täter habe er 1997 als Schatten wahrgenommen.
Er denke, dass es ein Mann gewesen sei. Er träume von schwarzen Gestalten. Da sei etwas Bedrohliches. Von dem Unfall seiner
ersten Ehefrau habe er nie geträumt.
Demgegenüber hat der Kläger nach dem Inhalt des Rentengutachtens von Dr. E vom 08.08.2005 diesem gegenüber angegeben, seit
dem tödlichen Unfall der ersten Ehefrau 1975 Alpträume zu haben. Er träume sehr viel vom Schiff. Zuletzt habe er Angst gehabt,
das Schiff zu steuern. Solche Angstsituationen träten auch im Traum auf. Im Rentengutachten von Dr. E heißt es weiter, bei
einem Raubüberfall in T sei er von zwei Männern mit einem Messer bedroht und mit Gummiknüppeln geschlagen worden. Die Sachverständige
führt aus, die Alpträume seien nicht mit ausreichender Sicherheit auf den Überfall im Oktober 1997 zurückzuführen (auch unter
Berücksichtigung des angegebenen Überfalls 1999 und der fehlenden konkreten Erinnerung an Alptraum und Täter). Von einer Verschlimmerung
der als Schädigungsfolge anerkannten (auf den Überfall 1997 bezogenen) Alpträume vermochte sich die Kammer unter Berücksichtigung
der Ausführungen der Sachverständigen und des Akteninhalts nicht zu überzeugen.
Es steht auch nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die als Schädigungsfolge anerkannten Ängste in Menschenansammlungen
verschlimmert haben. Gegenüber Dr. Dr. X hatte der Kläger angegeben, er fühle sich in Menschenansammlungen unsicher. Bei der
Untersuchung durch den Sachverständigen N2 hatte er erklärt, gerade in Menschenansammlungen fühle er sich schlecht und unsicher
und habe bisweilen Panikattacken mit Schweißausbrüchen, einem beschleunigten Herzschlag und großer Angst. Er vermeide es,
die Wohnung ohne Begleitung zu verlassen. Stehe seine Ehefrau nicht zur Verfügung, vermeide er Einkäufe oder ähnliches. Wenn
er die Wohnung dann verlasse, nehme er bevorzugt einen großen Hund mit. Bei der Untersuchung durch die Sachverständige Frau
Dr. Q hat der Kläger erklärt, er habe Ängste, wenn er bei Aldi allein sei und da eine Menschenschlange sei. Dann gehe er weg.
In der Klagebegründung ist ausgeführt, so ähnlich sei es auch in anderen Situationen. Nach Möglichkeit - und dies immer in
Begleitung seiner Ehefrau - gehe er nur noch zu seiner Hausärztin, da er kaum noch aus dem Haus gehe und die Menschenansammlungen
in den Wartezimmern als sehr beängstigend und bedrohlich empfinde. Eine Verschlimmerung der Ängste in Menschenansammlungen
vermag das Gericht hieraus nicht zu entnehmen. Im Übrigen hat die Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, das Ausmaß und
der durch den Überfall 1997 bedingte Anteil der Ängste in Menschenansammlungen könne aufgrund des gerichteten Antwortstils
des Klägers nicht ausreichend sicher abgegrenzt werden. Den GdS für die Ängste in Menschenansammlungen könne sie wegen der
Inkonsistenzen (widersprüchlichen Angaben des Klägers) nicht ausreichend sicher einstufen.
Gegen eine Verschlimmerung sprechen nach Auffassung des Gerichts auch Angaben des Klägers gegenüber der Sachverständigen zu
seinem Tagesablauf. Der Kläger hat u.a. angegeben, er hole die Milch für die jungen Katzen bei Edeka oder Rossmann und Fischreste
vom Fischladen und kaufe mit der Ehefrau zusammen ein.
Eine Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten Ängste in der Dunkelheit lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
Ängste in der Dunkelheit hat der Kläger bei der gutachtlichen Untersuchung nach den Ausführungen der Sachverständigen Frau
Dr. Q nicht mehr angegeben. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen N2 im Vorprozess hatte er angegeben, ein Verlassen
der Wohnung in der Dunkelheit sei ihm ohne Begleitung überhaupt nicht möglich.
Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass in der maßgeblichen Zeit ab Stellung des Änderungsantrages im November
2013 noch die Voraussetzungen einer posttraumatischen Belastungsstörung vorliegen. Hierzu führt die Sachverständige aus, die
Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung könne nicht gestellt werden, und zwar im Hinblick auf Verlauf, angegebene
psychische Symptome und bei der Begutachtung erhobenen psychischen Befund. Der Kläger habe über das Ereignis vom 30.10.1997
ohne feststellbare psychovegetative Erregung und ohne Vermeidungsverhalten berichtet. Dies deckt sich mit den Äußerungen im
Gutachten von Dr. Dr. X. Dort heißt es, Hinweise auf eine gesteigerte psychovegetative Irritation in Form eines Vermeidungsverhaltens,
einer Blassfärbung der Haut oder von Schweißausbrüchen hätten sich nicht ergeben. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung
beständen derzeit nicht. Demgegenüber ergibt sich nach den Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. Q der Hinweis auf eine
noch anhaltende psychische Störung bezogen auf den Unfalltod der Ehefrau 1975. Bei Befragung zu den genauen Umständen sei
eine psychovegetative Erregung des Klägers kurzzeitig feststellbar gewesen.
Weiter führt die Sachverständige aus, eine genaue Diagnose könne wegen der Inkonsistenzen nicht gestellt werden. Am ehesten
handele es sich um eine Angst und depressive Störung gemischt und eine Alkoholabhängigkeit. Sowohl in Bezug auf den Verlauf
als auch die Ursache ergäben sich deutliche Hinweise auf ereignisunabhängige Einflussfaktoren i.S. eines psychischen Vor-
und Nachschadens, die auf den Verlauf des Störungsbildes maßgeblich Einfluss nähmen. Soweit der Sachverständige N2 die Beurteilung
abgegeben hat, "Angst und depressive Störung" seien im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen, ist die Kammer ihm im Urteil
im Vorprozess nicht gefolgt. Im Urteil vom 29.09.2011 ist hierzu u.a. ausgeführt, auch der Sachverständige habe darauf hingewiesen,
dass es außer dem Überfall vom 30.10.1997 erhebliche andere Belastungsfaktoren gegeben habe. Der Sachverständige habe selbst
ausgeführt, dass sich die schädigungsunabhängigen Einflüsse auf die gemischte Angst und Depression schwer eindeutig beziffern
ließen. Dass der Überfall vom 30.10.1997 insoweit einen wesentlichen Einfluss gehabt habe, halte die Kammer nicht für wahrscheinlich.
Soweit die Sachverständige Frau Dr. Q ausführt, der Kläger habe eine Verschlimmerung der depressiven Störung durch Verwaltungs-
und Gerichtsverfahren angegeben, wäre eine solche Verschlimmerung als schädigungsunabhängig zu werten. Als weitere schädigungsunabhängige
Belastungen sind unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. Q der Tod des Adoptivsohns (Sohn der
Ehefrau) im Januar 2016 und eine nachfolgende psychische Erkrankung der Ehefrau zu nennen.
Auch eine somatoforme Schmerzstörung hat der Kläger selbst nicht als Schädigungsfolge geltend gemacht. Diese Diagnose ist
auch von der Sachverständigen Frau Dr. Q nicht gestellt worden. Soweit der Sachverständige N2 im Vorprozess die Auffassung
vertreten hat, eine somatoforme Schmerzstörung sei mit Wahrscheinlichkeit annähernd gleichwertig auf den Überfall zurück zu
führen, folgt ihm die Kammer nicht. Im Urteil im Vorprozess heißt es insoweit: Der Sachverständige führt aus, es könne davon
ausgegangen werden, dass die somatoforme Schmerzstörung ihren Ausgangspunkt in einer Fehlverarbeitung der durch den Überfall
erlittenen Verletzungen gefunden habe. Zu dem Einwand von Frau Dr. T1, ein Kausalzusammenhang zwischen einer somatoformen
Schmerzstörung und der Tat am 30.11.1997 sei keineswegs wahrscheinlich zu machen, hat sich der Sachverständige N2 in seiner
ergänzenden Stellungnahme nicht geäußert.
Soweit der Kläger mit der Klage Konzentrationsschwächen geltend macht, ist ein ursächlicher Zusammenhang mit der Schädigung
am 30.10.1997 nicht wahrscheinlich zu machen. Die Sachverständige Frau Dr. Q führt aus, höhergradige kognitive Einschränkungen
seien gegenüber dem Rentengutachter Dr. E und gegenüber den Sachverständigen Dr. Dr. X und Herrn N2 nicht angegeben worden.
Auch bei ihrer Untersuchung habe sich nicht durchgängig ein höhergradiges Ausmaß dieser Symptomatik bei den anamnestischen
Angaben des Klägers ergeben.
Aktenkundig sei eine höhergradige Auffälligkeit in Zusammenhang mit Alkoholintoxikationen. Im Gutachten von Herrn Dr. Dr.
X heißt es, der Kläger berichte seine umfangreiche persönliche und medizinische Vorgeschichte zusammenhängend unter Angabe
von konkreten Zahlen, Daten und Fakten, welche weitgehend in Übereinstimmung mit der eingesehenen Aktenlage ständen. Wesentliche
Konzentrationsschwächen bilden sich in diesem aufgrund einer Untersuchung am 07.10.2008 erstatteten Gutachten nicht ab. Im
Gutachten von Dr. E wird der Kläger als in allen Ebenen gut orientiert bezeichnet (räumlich, zeitlich und zur Person). Es
wird allerdings auf eine Diskrepanz zwischen Angaben des Klägers und der Berufsgenossenschaft hinsichtlich Unfällen in der
Vorgeschichte hingewiesen. Dr. E führt hierzu aus, ob hinsichtlich der diskrepanten Angaben eine Pseudologie eine Rolle spiele,
bleibe offen.
Der angegebene Tinnitus ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Schädigung durch den Überfall am 30.10.1997 zurückzuführen.
Die Sachverständige führt hierzu aus, der Tinnitus sei nach der testpsychologischen Untersuchung als kompensiert einzustufen.
Er sei nicht mit Wahrscheinlichkeit schädigungsbedingt. Es fehle der Nachweis eines nahen zeitlichen und auch inhaltlichen
Zusammenhangs. Gegenüber den im Vorprozess gehörten Sachverständigen Dr. Dr. X und Dr. F sei kein Tinnitus angegeben worden.
Diese Beurteilung steht im Einklang mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Nach Teil C Ziffer 3 c) der Versorgungsmedizinischen
Grundsätze lässt vielfach allein der große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome den ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich
erscheinen. Die angemessene zeitliche Verbindung ist in der Regel eine Voraussetzung für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen
Zusammenhangs.
Soweit der Kläger mit dem Änderungsantrag eine Hörverschlechterung links und Schwindelanfälle geltend gemacht hat, handelt
es sich hierbei ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit um Schädigungsfolgen. Gegenüber dem hals-nasen-ohrenärztlichen Gutachter
im Vorprozess sind Hörverschlechterung und Schwindelanfälle nicht geltend gemacht worden.
Zu der im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Herzrhythmusstörung hat bereits der Sachverständige N2 ausgeführt, es sei
wissenschaftlich nicht haltbar, diese auf den Überfall 1997 zurückzuführen. Für Herzrhythmusstörungen gebe es die unterschiedlichsten
Ursachen. Angst- und Panikattacken könnten zwar zu einer Beschleunigung des Herzschlages führen, aber nicht zu organischen
Herzschäden.
Eine Schuppenflechte ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Schädigung am 30.10.1997 zurückzuführen. Im Widerspruchsverfahren
hatte der Kläger geltend gemacht, die Schuppenflechte an den Beinen sei psychisch bedingt. Dies sei eindeutig auf die Gewalttat
zurückzuführen. Nach Einholung eines Befundberichts der Hautärztin des Klägers wird in der gutachtlichen Stellungnahme vom
17.09.2014 nachvollziehbar die Auffassung vertreten, ein ursächlicher Zusammenhang der 2013 aufgetretenen Hautveränderungen
mit dem 16 Jahre zurückliegenden tätlichen Angriff sei nicht wahrscheinlich. Im Befundbericht der Hautärztin Dr. I ist eine
Psoriasis vulgaris diagnostiziert worden mit dem Hinweis, der Kläger habe Stress mit einem Nachbarn als Provokationsfaktor
genannt. Am 26.06.2014 seien die Psoriasis-Herde an den seitlichen Unterschenkeln nur noch als leichte Rötung mit kaum Verdickung
zu sehen gewesen. Der Kläger hat im Klageverfahren die im Juni 2014 festgestellte deutliche Beschwerdebesserung bestätigt.
Die Angabe des Klägers im Änderungsantrag und zur Klagebegründung, ein Knochensplitter (durch die bei dem Überfall am 30.10.1997
erlittenen Mittelgesichtsfrakturen) verursache Kopfschmerzen unter dem linken Auge (Augapfelschmerzen) und er habe zusätzlich
Schmerzen durch den verspürten Zwang, den etwas hervorstehenden Knochensplitter zu reiben, ist nicht geeignet, einen Anspruch
des Klägers auf Grundrente zu begründen. Zu den körperlichen Folgen des Überfalls vom 30.10.1997 mit Mittelgesichtsfrakturen
haben sich die Gutachter im Vorprozess eingehend geäußert. Anhaltspunkte für eine wesentliche Verschlimmerung neurologischer
Folgen des Überfalls bestehen nicht. Frau Dr. Q fand eine lokale Hypästhesie an der linken Schläfe. Sie hat ausgeführt, bei
ihrer klinisch-neurologischen Untersuchung habe der Kläger eine deutlich größere Sensibilitätsstörung als bei den Voruntersuchungen
angegeben. Eine derartige Zunahme bzw. ein neues Auftreten einer Gefühlsstörung sei medizinisch nicht zu begründen. Die Folgen
der Mittelgesichtsfrakturen hält die Kammer durch die im Vorprozess eingeholten Gutachten von Dr. F, Dr. Dr. X und Dr. P1
für ausreichend geklärt. Wie bereits im Urteil im Vorprozess ausgeführt, kam es danach bei dem Überfall vom 30.10.1997 zu
einem Bruch des linken Jochbogens mit Beteiligung der dorsolateralen Orbitawand und der linken Kieferhöhle mit Dislokation
der Fragmente im vorderen und hinteren Anteil. Der abgeheilte Jochbeinbruch und Orbitabodenbruch links ist nach den Ausführungen
des Sachverständigen Dr. P1 nicht mit einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung verbunden und bedingt keinen GdS von wenigstens
10. Dr. P1 fand keinen Druckschmerz über den Kiefergelenken und keine wesentliche Störung der Kaufunktion. Das linke Jochbein
erschien ihm gegenüber rechts dezent abgeflacht. Der Sachverständige Dr. Dr. X nannte als Schädigungsfolge posttraumatische
Kopfschmerzen, für die er einen GdS von 10 vergab. Der Kläger hatte bei Dr. Dr. X angegeben, im weiteren zeitlichen Verlauf
nach dem Überfall unter linksseitigen Kopfschmerzen wechselnden Charakters zu leiden. In der vom Beklagten übersandten gutachtlichen
Stellungnahme vom 08.06.2009 heißt es, bzgl. der erlittenen Frakturen sei von einer Ausheilung unter bleibenden Knochennarben
ohne messbaren GdS auszugehen. Hierdurch evtl. verursachte Beschwerden seien unter den posttraumatischen Kopfschmerzen ausreichend
berücksichtigt. Im Gutachten vom 25.08.2010 hat Dr. F die linksseitigen Kopf- / Gesichtsschmerzen nicht für schädigungsbedingt
gehalten. Er hat Restzustände nach (spontan abgeheilten, nicht operativ gerichteten) Mittelgesichtsfrakturen ab Februar 2005
mit einem GdS von 10 bewertet und seit operativer Sanierung der Nase mit einem GdS von weniger als 10. Der Sachverständige
Dr. F fand eine kleine tastbare Stufe im mittleren Orbitaunterrand links. Der Kläger äußerte einen Druckschmerz des Kiefergelenkköpfchens
links beim Öffnen und Schließen des Mundes sowie einen Druckschmerz der Kaumuskulatur links. Dr. F hat die beklagten Kopf-
/ Gesichtsschmerzen bei lückenhaftem Gebiss und fehlendem Gegenbiss als Ausdruck muskulärer Verspannungen der Kaumuskulatur
links angesehen. Nach Vorliegen des Gutachtens von Dr. F hat der Beklagte das Regelungsangebot vom 27.11.2009 wiederholt (Schriftsatz
vom 11.11.2010). In der beigefügten gutachterlichen Stellungnahme vom 09.11.2010 wird dem Gutachten von Dr. F gefolgt mit
Ausnahme des von Dr. F angenommenen GdS von 10 für eine schädigungsbedingte Nasenatmungsbehinderung (bis zu der bereits erfolgten
operativen Korrektur).
Die Einwände des Klägers gegen das Gutachten von Frau Dr. Q vermögen nicht zu einer für ihn günstigeren Beurteilung zu führen.
Die Kammer hält das Gutachten für verwertbar. Der Kläger trägt vor, es fehle eine Würdigung der ereignisunabhängigen Belastungsfaktoren
als konkurrierende Ursachen. Die Sachverständige habe einen weiteren Überfall durch zwei Männer mit Messer und Gummiknüppeln
am 20.03.1999 genannt. Sie habe ausgeführt, das aktuell wirklich bestehende Störungsbild könne nicht ausreichend sicher beurteilt
werden. Insoweit ist nach Ansicht des Gerichts zu berücksichtigen, dass die diagnostische Einordnung, die Einschätzung der
Auswirkungen schädigungsunabhängiger Belastungsfaktoren und auch der Höhe des GdS für Ängste in Menschenansammlungen erschwert
ist durch die wechselnden Angaben des Klägers. Dem trägt die Beurteilung der Sachverständigen folgerichtig Rechnung. Zu der
Frage, ob die Bezeichnung der Schädigungsfolgen zu ändern oder zu ergänzen sei, hat die Sachverständige auf Widersprüche in
den Angaben des Klägers (deutliche Inkonsistenzen) hingewiesen und auf ereignisunabhängige Belastungsfaktoren (das laufende
Gerichtsverfahren, Tod des Adoptivsohnes im Januar 2016 und nachfolgende psychische Erkrankung der Ehefrau).
Nach Auffassung der Kammer ergäbe sich im Übrigen auch dann kein Anspruch auf Grundrente, wenn der gegenüber Dr. E angegebene
Überfall vom 20.03.1999 nicht als konkurrierende Ursache und nicht als möglicher Inhalt der angegebenen Alpträume zu berücksichtigen
wäre. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nur um die Folgen des Überfalls vom 30.10.1997. Es soll in diesem Zusammenhang
noch auf die Angabe auf Seite 5 des Gutachtens von Dr. E hingewiesen werden. Die Berufsgenossenschaft hatte danach am 28.11.2001
verschiedene Unfälle des Klägers mitgeteilt. Das Schreiben ist in dem Auszug aus den SchwbG-Akten (Beiakten des LWL) enthalten. In dem Schreiben wird dem Kläger mitgeteilt, dass die über seine Unfälle entstandenen
Vorgänge nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden seien. Die gespeicherten Daten wiesen u.a. Unfälle
am 10.10.1977 (Gesichtsweichteile/Quetschung) und 23.10.1985 (Hirnschädel-Schädelbasis/Quetschung) aus. Durch einen angeblichen
Unfall vom 01.01.1973 -erstmalig gemeldet 1979 durch die Krankenkasse- sollen zwei Schneidezähne abgebrochen sein. Ein Arbeitsunfall
habe nicht bewiesen werden können. Der Unfall der Ehefrau sei nicht angezeigt/registriert worden. Dr. E führt aus, der Kläger
beschäftige sich sehr intensiv mit früheren Unfällen und Raubüberfällen, die er in der Bedeutung als erhöht wahrnehme.
Auch ohne Berücksichtigung des "gerichteten Antwortstils" des Klägers ist ein Anspruch auf Grundrente für den Zeitraum ab
November 2013 nach Auffassung der Kammer nicht zu begründen. Ein Anspruch auf eine monatliche Grundrente setzt gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG einen GdS von mindestens 25 v.H. voraus. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdS ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung
auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen,
ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte
Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung (Teil
A Ziffer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Ein Gesamt-GdS von mindestens 25 setzte einen höheren GdS als 20 für
die anteiligen psychovegetativen Störungen voraus. Denn ein höherer GdS als 10 ist für posttraumatische Kopfschmerzen ist
unter Berücksichtigung aller Gutachten jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Die Beurteilung der als Schädigungsfolge anerkannten
anteiligen psychovegetativen Störungen richtet sich nach Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Voraussetzung
für einen höheren GdS als 20 für die anteiligen psychovegetativen Störungen wäre danach, dass es sich um stärker behindernde
Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische,
asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) handelt. Das Gericht hat keine
Anhaltspunkte dafür, dass die als Schädigungsfolge anerkannten anteiligen psychovegetativen Störungen ab November 2013 ein
Ausmaß erreicht haben, dass sich ein Anspruch auf Grundrente begründen ließe. Wenn man eine "Angst und depressive Störung
gemischt" als Schädigungsfolge ansähe, ergäbe sich aufgrund der Angaben über die Alltagsgestaltung des Klägers nach den überzeugenden
Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. Q kein Hinweis auf eine stärker ausgeprägte depressive Störung. Als Hobbies hat
der Kläger nach den Ausführungen im Gutachten Modellschiffsbau, Portraitzeichnungen und Aktmalerei angegeben. Im Übrigen kontrolliere
er am Computer die Übersetzungen seiner Ehefrau und beschäftige sich mit den Pflanzen in dem 3000 qm großen Garten sowie mit
den Tieren. Er mache eigentlich alles gemeinsam mit seiner Frau (z.B. Essen, Einkaufen, Fernsehen). Eine Alkoholabhängigkeit
als Schädigungsfolge hat der Kläger mit dem Änderungsantrag selbst nicht geltend gemacht. (...)"
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung
seines bisherigen Vorbringens in vollem Umfang aufrecht hält.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1.
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18.10.2017 und den Bescheid vom 06.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.10.2014 aufzuheben,
2.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab November 2013 Beschädigtenversorgung nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG nach einem GdS von mindestens 40 zu gewähren,
3.
die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Der erkennende Senat hat den Kläger, seine Ehefrau, seinen Therapeuten U und die Sachverständige Dr. Q in mehreren Terminen
vernommen. Auf die Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der Akten wird Bezug genommen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss
gemäß §
153 Abs.
4 SGG zurückzuweisen (Schreiben vom 21.09.2020).
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der beigezogenen Streitakten
und Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Der Senat konnte gemäß §
153 Abs.
4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, nachdem der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind unter dem 21.09.2020 angehört worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Es ist kein Grund für eine rechtliche oder tatsächliche Falschbehandlung der Sache
in erster Instanz ersichtlich. Das SG hat die Klage sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen, weil der Kläger durch den angefochtenen
Bescheid nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert wird. Das SG ist unter zutreffender Auswertung des von Dr. Q erstatteten Gutachtens zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der vom Kläger
geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Die Beweisaufnahme zweiter Instanz hat hieran nichts geändert. Daher wird zur Vermeidung
von Wiederholungen in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§
153 Abs.
2 SGG analog).
Darüber hinaus gilt mit Blick auf die zweitinstanzlichen Ermittlungen - insbesondere die Vernehmung der Sachverständigen Dr.
Q im Termin vom 16.03.2018 sowie die von ihr erstellte ergänzende Stellungnahme vom 30.03.2020 - und dem daraus resultierenden
Beweisergebnis Folgendes:
Während ihrer Vernehmung im Termin vom 16.03.2018 hat die Sachverständige mit Blick auf die vom Kläger geltend gemachte PTBS
dargelegt, dass in dem von Dipl.-Psych. U verfassten Bericht überwiegend nur unspezifische Symptome vermerkt seien, die aber
gerade auch bei anderen Erkrankungen, wie etwa bei Abhängigkeitserkrankungen vorkämen und nicht beweisend für eine PTBS seien,
bei der ohnehin nach den Daten in der Literatur zwischen 30 und 50 Prozent simuliert sein könnten. Was für die Diagnose der
PTBS erforderlich sei, seien Auffälligkeiten bei der Schilderung des betreffenden Ereignisses. Daran fehle es hier. Bei dem
Kläger sei auch kein Vermeidungsverhalten, wie es für die Diagnose der PTBS gefordert werde, dokumentiert. Demgegenüber sei
in der Begutachtung eine psychovegetative Reaktion festzustellen gewesen, als es um den Unfalltod seiner ersten Ehefrau gegangen
sei. Hinzuweisen sei ferner auf einen Bericht von Herrn Dr. G aus dem Jahr 1995, der eine psychische Störung schon 1995, also
schon vor dem streitgegenständlichem Ereignis, festgestellt habe. Insoweit sei die von ihm beschriebene Depression im Zusammenhang
mit Arbeitsrausch und Foetor Alkoholikus ein Hinweis auf einen schon zuvor bestehenden Vorschaden. Zu einer fachpsychiatrischen
Vorstellung sei es erst 2005 im Zusammenhang mit dem
OEG-Verfahren gekommen. Auch die zwischenzeitlich erstellten Entlassungsbriefe über eine Entgiftung im Jahr 1998 erwähnten einen
Familienstreit, aber keine Symptomatik im Zusammenhang mit dem hier streitgegenständlichen Ereignis. Was die beim Kläger diskutierten
Kopfschmerzen als Störungsbild betreffe, so seien mittlerweile drei Ursachen in den Akten diskutiert: Zum einen auf Hals-Ohren-Nasenärztlichem
Fachgebiet, hier habe man allerdings keine neuropathologische Schmerzsymptomatik festgestellt. Zum anderen eine cervikogene
Verursachung dieser Kopfschmerzen als Folge einer Hals- oder Wirbelsäulensymptomatik. Dies habe (der Facharzt für Orthopädie)
Dr. T2 angenommen. Schließlich habe der Sachverständige Dr. F eine posttraumatische Verursachung ausgeschlossen. Was das Gutachten
des Sachverständigen N2 betreffe, so habe dieser, soweit ersichtlich, erstmals die Diagnose einer PTBS angenommen. Ihm hätten
allerdings eine Vielzahl der zur Verfügung gestellten Akten damals nicht vorgelegen. Die Resistenz oder sogar das Wiederauftreten
einer PTBS nach längerer Latenz sei besonders begründungspflichtig. Daran fehle es hier.
Einen Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Ereignis und den beim Kläger vorhandenen Herzbeschwerden hat nicht nur die
Sachverständige Dr. Q, sondern bereits der im vorausgegangenen Rechtsstreit gehörte Sachverständige N2 ausgeschlossen (vgl.
Stellungnahme der Sachverständigen Dr. Q vom 30.03.2020).
Angesichts der Inkonsistenzen in den klägerischen Schilderungen ist es schon zweifelhaft, ob der behauptete Überfall überhaupt
stattfand. Selbst wenn aber hiervon zu seinen Gunsten ausgegangen wird, so lässt sich ein höherer als der bereits anerkannte
Grad der Schädigungsfolgen nicht feststellen. Die in diese Richtung weisenden Angaben des Therapeuten U sind nämlich ohne
Beweiswert. Zum einen ist er als Psychologe zur Beurteilung medizinischer Fragen vor allem im Hinblick auf die somatisch begründeten
Schädigungsfolgen grundsätzlich nicht kompetent. Zum anderen kennt er die zur Beurteilung der Ursachenfrage zwingend erforderliche
Vorgeschichte nur teilweise, wie vor allem die Sachverständige Dr. Q in ihrer Stellungnahme vom 30.03.2020 nochmals überzeugend
dargelegt hat. Demnach ist allein das Gutachten von Frau Dr. Q für die gerichtlichen Feststellungen maßgeblich. Sie verfügt
als Ärztin auf dem einschlägigen Gebiet über die erforderliche Fachkunde. Sie hat den Befund und die Krankengeschichte gründlich
erhoben und sämtliche Akten ausführlich ausgewertet.
Soweit der Kläger schließlich das "Versagen von Anerkennung" für die Verschlechterung seines Stimmungsbildes verantwortlich
macht, begründet dies keinen entschädigungspflichtigen Tatbestand, sondern stellt lediglich eine nicht entschädigungspflichtige
Verschiebung der Wesensgrundlage dar.
Demnach ist schon der früher vom Beklagten angenommene GdS wohl eher medizinisch zu hoch angesetzt gewesen und mittlerweile
auf keinen Fall mehr gegeben. Die angefochtenen Bescheide sowie das erstinstanzliche Urteil waren daher in der Berufung zu
bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung bestehen nicht (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG).