Tatbestand
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für eine bereits durchgeführte Versorgung mit Zahnimplantaten sowie die Gewährung der
darauf aufbauenden Suprakonstruktion als Sachleistung.
Die am 00.00.1958 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte am 22.06.2015 unter Vorlage eines
"privaten Heil- und Kostenplans" des Universitätsklinikums N (UKN) vom 10.03.2015 über eine geplante implantologische Versorgung
(4.930,82 Euro) sowie eines vom 26.05.2015 datierenden Heil- und Kostenplanes des Prof. Dr. Dr. G, UKN, über eine zahnprothetische
Behandlung (6570,10 Euro abzüglich Festzuschüsse in Höhe von 403,52 Euro = 6166,58 Euro Eigenanteil) die Kostenübernahme für
die beabsichtigte Behandlung. Zur Begründung gab sie an, dass eine Ausnahmeindikation im Sinne der Richtlinien des Gemeinamen
Bundesausschusses gemäß §
91 Abs.
6 SGB V, §
28 Abs.
2 Satz 9
SGB V wegen Schleimhautveränderungen im Oberkiefer vorliege, die durch das Tragen einer Zahnprothese entstanden seien.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin sowie der geplanten implantologischen Versorgung durch Prof. Dr. Dr.
F, Chefarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, L-Krankenhaus S. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis,
dass aufgrund der Untersuchung sowie der Wertung eines pathohistologischen Befundes keine Ausnahmeindikation gemäß §
28 Abs.
2 Satz 9
SGB V, Abschnitt VII Nr.
2 der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen zu bejahen sei. Eine konventionelle prothetische Versorgung
sei möglich. Pathohistologisch sei ein Reizfibrom ohne weitere Besonderheiten nachgewiesen (Stellungnahme vom 20.07.2015).
Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung der geplanten implantologischen Versorgung durch den (bestandskräftigen) Bescheid
vom 23.07.2015 ab.
Am 02.12.2015 legte die Klägerin der Beklagten den (an die Klägerin gerichteten) "allgemeinen Bericht der Dr. Q, Klinik für
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, UKN, vom 11.11.2015 vor. Hier heißt es u.a. (wörtlich): "Seit September 2014 besteht
bei Ihnen eine Schleimhautveränderung im Bereich des Hartgaumens mittig. Die weiterführende immunhistologische Untersuchung
deutet eher auf eine Plattenepithelhyperplasie hin. ... Auch im Rahmen der am 23.10.2015 erfolgten ausgedehnteren Exzision
des Befundes sind patho-histologisch weitere Anteile der bereits vorher diagnostizierten pseudoepithelomatösen Plattenepithelhyerplasie
der Gaumenmitte mit einer chronischen Begleitentzündung nachzuweisen ... Nach wie vor fällt auch an diesem Material die Abgrenzung
zu einem hoch differenzierten Plattenepithelkarzinom sehr schwer ... Aufgrund des aktuellen Ergebnisses und der persistierenden
weder klinisch noch patho-histologisch eindeutigen Befundsituation halten wir die Notwendigkeit der Reizreduktion auf die
Mundschleimhaut zur Verhinderung einer entzündlichen Irritation für medizinisch indiziert. Wir empfehlen Ihnen die erneute
Rücksprache mit Ihrer Krankenkasse unter Anbetracht der aktuellen Entwicklung und Ergebnisse zur erneuten Prüfung der beantragten
implantologisch prothetischen Neuversorgung". Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung durch Prof. Dr.
Dr. F. Dieser teilte unter dem 08.02.2016 mit, dass die erneute Untersuchung wiederum ergeben habe, dass keine Ausnahmeindikation
gemäß §
28 Abs.
2 Satz 9
SGB V, Abschnitt VII Nr.
2 der Richtlinie des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen vorliege; eine konventionelle prothetische Versorgung
sei möglich. Durch Bescheid vom 08.02.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme einer Implantatversorgung erneut
ab.
Auf Anregung des Prof. Dr. Dr. F holte die Beklagte ein "Obergutachten" des Prof. Dr. Dr. U, N, ein, der in seiner Stellungnahme
vom 18.03.2016 ausführte, dass die implantatprothetische Versorgung des Oberkiefers medizinisch indiziert sei, um eine weitere
Irritation der Gaumenschleimhaut zu vermeiden. Nach den strengen Kriterien des §
28 SGB V liege trotz der Vorgeschichte und des klinischen Befundes keine Ausnahmeindikation vor. Die Beklagte lehnte daraufhin die
Implantatversorgung durch den weiteren Bescheid vom 29.03.2016 wiederum ab.
Dagegen legte die Klägerin am 18.04.2016 Widerspruch ein, den die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 18.06.2016 zurückwies.
Dagegen hat die Klägerin am 14.07.2016 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgebracht, dass die Versorgung mit Implantaten in ihrem Fall medizinisch notwendig sei; es könne
ihr nicht zugemutet werden, das Risiko einer ernsthaften Krebserkrankung in Kauf zu nehmen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 23.07.2015, 28.02.2016 und 29.03.2016 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2016
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Klägerin die Kosten einer Implantatversorgung im Oberkiefer zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Oberarztes
Dr. N1, Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie des Universitätsklinikums B. Dieser
Sachverständige ist im Gutachten vom 25.11.2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ausnahmeindikationen i.S.d. Richtlinie des
Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragsärztliche
Versorgung nicht erfüllt seien. Eine konventionelle prothetische Versorgung des Oberkiefers mit einer Totalprothese sei möglich
und stelle angesichts des gut ausgeformten Alveolarkamms kein großes zahnmedizinisches und zahntechnisches Problem dar. Aufgrund
der bestehenden Schleimhautveränderungen im Gaumen und des daraus bestehenden Risikos einer möglichen Konversion in eine maligne
Veränderung sei es medizinisch ratsam und indiziert, den Gaumen in der Region offen zu lassen, was nur durch die Verwendung
von Implantaten möglich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 25.11.2017 Bezug
genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11.06.2018 abgewiesen. Wegen der Begründung wird
auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 27.07.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.08.2018 Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens
hat die Klägerin die implantologische Versorgung durch den Zahnarzt Dr. D, H, durchführen lassen und hierfür 6.544,45 Euro
aufgewandt (Rechnung vom 24.07.2019). Ferner hat sie am 05.07.2019 auch die zahnprothetische Behandlung von Dr. D vornehmen
lassen und hierfür 7.002,49 Euro gezahlt (Rechnung vom 24.07.2019).
Zur Begründung der Berufung wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt: Jedenfalls aufgrund der
Vorschrift des §
13 Abs.
3a SGB V sei der Anspruch auf die umfassende implantologische Versorgung einschließlich der Suprakonstruktion gegeben. Die Beklagte
habe den mit der Vorlage des Arztbriefes der Dr. Q am 02.12.2015 erneut gestellten Antrag auf implantologische und prothetische
Versorgung nicht innerhalb der Frist des §
13 Abs.
3a Satz 4
SGB V (sechs Wochen) entschieden; die Entscheidung sei erst durch den Bescheid vom 08.02.2016 ergangen. Allerdings begehre sie
lediglich Kostenerstattung hinsichtlich der implantologischen Versorgung. Die zahnprothetische Versorgung durch Dr. D sei
nicht lege artis vorgenommen worden. Die Versorgung mit dem eingebrachten Zahnersatz sei völlig unzureichend und beruhe auf
der Verwendung chinesischen Zahnersatzes. Insofern begehre sie von der Beklagten die Gewährung der prothetischen Versorgung
als Sachleistung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.06.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23.05.2015,
08.02.2016, 29.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2016 zu verurteilen, an sie 6.544,45 Euro nebst
5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2019 zu zahlen und sie mit implantatgetragenem Zahnersatz zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der
Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin
steht ein Anspruch auf Kostenerstattung für die bereits durchgeführte implantologische Versorgung sowie ein Anspruch auf Versorgung
mit auf den Implantaten aufbauenden Zahnersatz weder aufgrund einer Genehmigungsfiktion gemäß §
13 Absatz
3a SGB V (dazu 1.) noch nach §
13 Absatz
3 SGB V in Verbindung mit §
28 SGB V zu (dazu 2.). Schließlich kann die Klägerin auch keine Ansprüche aus §
2 Absatz
1a SGB V herleiten (dazu 3.).
1. §
13 Absatz
3a Satz 7
SGB V gewährt - soweit eine beantragte Leistung nach Absatz 3a als genehmigt gilt - nicht nur einen Anspruch auf Kostenerstattung,
sondern auch einen Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbaren Anspruch (Bundessozialgericht <BSG> stRspr, vergl.
grundlegend BSGE 121,40= SozR 4-2500 § 13 Nr 33). Hier hat die Klägerin indes keine derartigen Ansprüche auf Kostenerstattung
(6.544,45 Euro) bzw. Naturalleistung (Suprakonstruktion). Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion sind
weder hinsichtlich des von der Klägerin am 22.06.2015 gestellten Antrags (dazu a.) noch eines (möglicherweise) mit der Vorlage
des Berichts der Dr. Q am 02.12.2015 gestellten weiteren Antrags (dazu b.) erfüllt.
a. Die Regelung des §
13 Absatz
3a SGB V ist auf den Antrag der Klägerin unproblematisch zeitlich anwendbar, aber auch sachlich. Die Regelung erfasst ua Ansprüche
auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen
Reha gerichtet sind (vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 11 ff; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 §
13 Nr 36, RdNr 14 mwN); auf letztere finden die §§
14 f
SGB IX Anwendung (§
13 Abs
3a S 9
SGB V). Die Klägerin begehrt demgegenüber die Gewährung von Krankenbehandlung in Form von Zahnersatz.
Den am 22.06.2015 mit der Vorlage der Heil- und Kostenpläne gestellten Antrag auf Versorgung mit Implantaten und darauf aufbauender
Suprakonstruktion hat die Beklagte allerdings durch den Bescheid vom 23.07.2015 fristgerecht beschieden. Denn sie hat die
hier - wegen der Einschaltung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. F im Rahmen des Gutachterverfahrens nach dem Bundesmantelvertrag
für Zahnärzte - maßgebliche Frist des §
13 Absatz
3a Satz 4
SGB V (6 Wochen) gewahrt. Eine Genehmigungsfiktion ist insoweit deshalb nicht eingetreten.
b. Wertet man den von der Klägerin am 02.12.2015 bei der Beklagten vorgelegten "allgemeinen Bericht" der Dr. Q vom 11.11.2015
als erneuten Antrag der Klägerin auf implantologische Versorgung nebst Suprakonstruktion unter gleichzeitiger Bezugnahme auf
die der Beklagten früher vorgelegten Heil- und Kostenpläne, so hat die Beklagte zwar die auch hier maßgebliche 6-Wochen-Frist
des §
13 Abs
3a Satz 4
SGB V nicht eingehalten (Fristablauf am 13.01.2016, Erteilung des ablehnenden Bescheides unter dem 08.02.2016). Indes kann die
Klägerin ihr Leistungsbegehren nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintritt einer fingierten Bewilligung von Zahnersatz aufgrund
eines eingereichten Heil- und Kostenplans nicht mehr auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion stützen. Denn eine solche beantragte
Leistung lag ab diesem Zeitpunkt nach der klaren, rechtskonformen Aussage des Heil- und Kostenplans offensichtlich außerhalb
des Leistungskatalogs der GKV. Dies muss jedem Versicherten klar sein, der auf einen Heil- und Kostenplan gestützt Zahnersatz
beantragt. Der vorgeschriebene Formular-Heil- und Kostenplan enthält im Feld für die Genehmigung durch die KK den drucktechnisch
hervorgehobenen Hinweis, dass Voraussetzung der Kostenübernahme durch die KK ist, dass der Zahnersatz innerhalb von sechs
Monaten eingegliedert wird (vergl. BSG, Urteil vom 27.08.2019, B 1 KR 9/19 R). Diese Voraussetzung konnten die Heil- und Kostenpläne vom 10.03.2015 und vom 26.05.2015 mit dem am 02.12.2015 gestellten
Antrag nicht erfüllen. Hieran änderte auch der Umstand nichts, dass die Klägerin das Vorliegen einer Ausnahmeindikation geltend
machte, denn gerade auch dann sollte die Versorgung nach Maßgabe der der Beklagten vorgelegten Heil- und Kostenpläne erfolgen.
Im Übrigen entspricht die von der Klägerin tatsächlich durchgeführte Versorgung mit Zahnimplantaten sowie die beabsichtigte
Versorgung mit dem darauf aufbauenden Zahnersatz nicht der fiktiven Genehmigung aufgrund des am 02.12.2015 gestellten Antrags:
Nach dem "privaten Heil- und Kostenplan" vom 10.03.2015 sollten Implantate im Oberkiefer im Bereich der Zähne 17, 14, 23 und
25 gesetzt werden. Tatsächlich aber befinden sich die Implantate, für die die Klägerin vorliegend Kostenerstattung begehrt,
im Bereich der Zähne 12, 14, 16, 22, 24 und 26 (Rechnung des Dr. D vom 24.07.2019). Damit steht aber zugleich weiter auch
fest, dass der auf den Implantaten aufbauende Zahnersatz, die Suprakonstruktion, ebenfalls nicht der fiktiven Genehmigung
(Heil- und Kostenplan vom 26.05.2015) entsprechen kann. Die (unterstellte) fiktive Genehmigung der am 02.12.2015 beantragten
Leistungen entspricht deshalb nicht den Leistungen, die sich die Klägerin selbst beschafft hat bzw. den Leistungen, die sie
im Hinblick auf die Suprakonstruktion von der Beklagten gewährt haben will. Leistungsansprüche der Klägerin bestehen (auch)
deshalb nicht.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit implantologischen Leistungen nach § 27 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr
2 und
2a, §
28 Abs
2 Satz 9
SGB V i.V.m. Abschnitt B VII der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für eine ausreichende, zweckmäßig und wirtschaftliche
vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) vom 04.06.2003/24.09.2003 (BAnz Nr 226, S 24 966, mWv 01.01.2004,
zuletzt geändert am 01.03.2006, BAnz Nr 111, S 4466, mWv 18.06.2006). Nach diesen Vorschriften umfasst der Anspruch auf Krankenbehandlung
ua zahnärztliche Behandlung (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB V) und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung
von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst
auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen
und Suprakonstruktionen erbracht werden (§
28 Abs
2 Satz 1
SGB V). Welche Tätigkeiten des Zahnarztes danach zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten
nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sind, konkretisiert die Behandlungsrichtlinie auf der
Grundlage des §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB V.
Implantologische Leistungen schließt §
28 Abs
2 Satz 9
SGB V von der zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich aus. Umgekehrt soll durch die Regelung aber auch sichergestellt werden, dass
Versicherte in zwingend notwendigen Ausnahmefällen mit Implantaten versorgt werden (BT-Drucks 13/7264, S 59). Versicherte
haben deshalb in seltenen, vom GBA in Richtlinien nach §
92 Abs
1 SGB V festzulegenden Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle Anspruch auf implantologische Leistungen, wenn sie einschließlich
der Suprakonstruktion im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung als Sachleistung zu erbringen sind. Nach der auf dieser
Grundlage erlassenen Behandlungsrichtlinie, Abschnitt B VII Nr 2 Satz 4, liegen besonders schwere Fälle vor:
a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache in Tumoroperationen,-in Entzündungen des Kiefers,- in Operationen
infolge von großen Zysten (zB große follikuläre Zysten oder Keratozysten),- in Operationen infolge von Osteopathien, sofern
keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt,- in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-,
Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien) oder- in Unfällen haben,
b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung
c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen,
d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (zB Spastiken).
Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nach
Abschnitt B VII Nr 2 Satz 2 nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist.
In den Fällen Buchstaben a) bis c) gilt dies nur, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten
Zahnersatz nicht belastbar ist (Abschnitt B VII Nr 2 Satz 3).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe liegt bei der Klägerin keine Ausnahmeindikation für Implantate vor. Dies ist das übereinstimmende
Ergebnis sowohl des vom Sozialgericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. N1 vom 25.11.2017 wie auch der von der
Beklagten eingeholten Gutachten des Prof Dr. Dr. F und des Prof. Dr. Dr. U. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat
insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, denen er sich in vollem Umfang anschliesst (§
153 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
3. Letztlich vermag die Klägerin ihr Begehren mit Erfolg auch nicht auf §
2 Abs
1a SGB V zu stützen. Es fehlt schon am Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder zumindest einer
wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung. Den bei der Klägerin gegebenen Schleimhautveränderungen kommt eine solche Qualität
nicht zu, denn eine maligne Erkrankung hat keiner der behandelnden Ärzte festgestellt. Der Sachverständige Dr. N1 hat ausdrücklich
angemerkt, dass der Nikotinkonsum der Klägerin (ebenfalls) Ursache der Schleimhautveränderungen sein kann. Da somit gegenwärtig
nicht davon auszugehen ist, dass die Schleimhautveränderungen allein durch die Versorgung mit Implantaten so beeinflussbar
sind, dass das Auftreten einer bösartigen Erkrankung vermieden werden kann, lassen sich die Voraussetzungen des §
2 Abs
1a SGB V keinesfalls bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass, die Revision zu zulassen, hat nicht bestanden.