Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; Erfüllung der üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes bei der Notwendigkeit
zusätzlicher Pausen
Tatbestand:
Die am ... 1952 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abschluss der Zehnten Schulklasse im Zeitraum vom 1. September 1969
bis zum 31. Juli 1971 erfolgreich eine Lehre zur Bibliotheksfacharbeiterin. Im Anschluss daran war sie bis 1976 als buchhändlerische
Mitarbeiterin sowie als Instrukteurin beim Rat des Kreises Q. beschäftigt. Die längste Zeit ihres Erwerbslebens arbeitete
die Klägerin im Zeitraum von 1976 bis 1991 als buchhalterische Mitarbeiterin in einem inzwischen nicht mehr existenten Druckereibetrieb.
Nachdem die Klägerin von 1991 bis 1993 arbeitslos war, begann sie 1993 als Verkäuferin in einem Küchenstudio zu arbeiten.
Eine wiederum bis 1996 andauernde Arbeitslosigkeit beendete die Klägerin durch die Eröffnung eines Küchenplanungsstudios,
welches sie selbstständig ohne weitere Mitarbeiter bis 2002 betrieb. Nach Aufgabe dieser selbstständigen Tätigkeit war die
Klägerin wiederum kurzzeitig arbeitslos und nahm 2003 bei einer Sicherheitsfirma eine Tätigkeit als Aufsichtskraft in einer
Bildergalerie auf, die im November 2004 beendet wurde. Im Rahmen der Gründung einer sogenannten Ich-AG betrieb die Klägerin
vom 4. Oktober 2005 bis zum 3. Oktober 2007 als Einzelunternehmen eine Seniorenbetreuung/Hauswirtschaftshilfe. Das Unternehmen
stellte die Klägerin nach eigenen Angaben mit dem Auslaufen der Förderung durch die Agentur für Arbeit und aufgrund ihrer
häufigen Erkrankungen ein.
Am 8. März 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung
gab sie an, seit 2009 aufgrund von Bandscheibenschäden und der Folgen einer Borreliose erwerbsgemindert zu sein.
Die Beklagte holte zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Dem dem Befundbericht des Facharztes für
Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. vom 20. März 2007 beigefügten Entlassungsbericht der O-Klinik M., Klinik für Neurochirurgie,
ist eine am 15. Oktober 2003 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls in Höhe L4/5 durchgeführte Operation zu entnehmen. Im Ergebnis
der durchgeführten Operation habe die Klägerin eine deutliche Besserung der bestehenden Lumboischialgien angegeben. Neue Beschwerden
oder neurologische Ausfälle seien nicht aufgetreten. Eine wegen unveränderter Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS)
am 4. April 2004 durchgeführte ambulante Untersuchung in der bereits benannten Klinik für Neurochirurgie ergab keinen Hinweis
auf eine neurogene Schädigung.
Die Beklagte veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie Dr. B., der die Klägerin
am 22. Mai 2007 ambulant untersuchte und sein Gutachten am 4. Juni 2007 erstattete. Folgende Gesundheitsstörungen lägen bei
der Klägerin vor:
Varusarthrose des rechten Kniegelenkes mit beginnender Streckhemmung.
Lumbales Pseudoradikulärsyndrom links infolge ISG-Blockierung bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 links im Oktober
2003.
Im Vordergrund stehe bei der Klägerin eine Arthrose des rechten Kniegelenkes mit Reizerscheinungen und einem leichten Erguss;
die Streckung sei bei 5° eingeschränkt. Hinsichtlich der Kniegelenksbeschwerden rechts müsse im Laufe der nächsten Jahre mit
einer weiteren Verschlechterung gerechnet werden. Eine orthopädische stationäre Rehabilitationsbehandlung sei erfolgversprechend.
Eine leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen sei vollschichtig möglich.
Nach Durchführung der empfohlenen orthopädischen Rehabilitationsmaßnahme in der T. Fachklinik B. im Zeitraum vom 16. Oktober
bis zum 6. November 2007 attestierten die behandelnden Ärzte der Klägerin im Entlassungsbericht vom 21. November 2007 ein
sechs- und mehrstündiges tägliches Leistungsvermögen sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenplanerin als auch
für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen. Der Rehabilitationsentlassungsbericht
wies als Diagnosen ein Postdiskektomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 links (10/2003) und eine beginnende
Gonarthrose rechts aus. Die Klägerin habe nach dreiwöchiger physikalisch-balneologischer Therapie in einem guten Allgemeinzustand
als sofort arbeitsfähig entlassen werden können. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten,
überwiegend im Gehen, zeitweise im Sitzen und Stehen, unter Meidung von häufigem Bücken, Hocken und Knien, ständigem Ersteigen
von Treppen, Leitern und Gerüsten, schwerem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als zehn kg sowie ohne einseitige
Körperhaltungen im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich möglich.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 3. Juli 2007 ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten
im angelernten Beruf als selbstständige Küchenplanerin Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt
werden.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2007 erhob die Klägerin am 18. Juli 2007 Widerspruch. Die ablehnende Entscheidung sei aufgrund
der täglichen Schmerzen nicht nachvollziehbar. Sie leide zudem unter einem Drehschwindel und könne nicht lange sitzen, laufen,
stehen oder liegen. Hinzu kämen die Beschwerden im rechten Knie. Die Ausübung der Tätigkeit einer Küchenplanerin sei unmöglich.
Eine nochmalig durch die Beklagte bewilligte stationäre orthopädische Rehabilitationsmaßnahme lehnte die Klägerin aus gesundheitlichen
Gründen ab. Sie bevorzuge eine ambulante Kur in Heimatnähe.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 als unbegründet zurück. Ausgehend
von dem Hauptberuf der Seniorenbetreuerin/Hauswirtschaftshilfe in einer Ich-AG sei die Klägerin als Angelernte des unteren
Bereichs im Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) einzugruppieren. Die ihr damit zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie noch im Umfang von sechs
Stunden und mehr täglich verrichten.
Mit ihrer am 23. Juni 2008 bei dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie
leide unter Problemen der Lendenwirbelsäule (LWS) und des rechten Kniegelenkes. Ihr körperlicher Zustand lasse befürchten,
dass nicht einmal Wegefähigkeit vorliege. Eine Strecke von 500 m bewältigte sie mit Pausen in einer Zeit von über einer halben
Stunde. Es sei daher davon auszugehen, dass sie diese Strecke täglich viermal nicht bewältigen könne. Beim Gehen stelle sich
ein Taubheitsgefühl im linken Oberschenkel ein, sodass die Gangsicherheit erheblich eingeschränkt sei. Längeres Sitzen, Treppensteigen
und das Tragen von Lasten bereiteten erhebliche Schwierigkeiten. Im Haushalt könne sie nur noch leichteste Tätigkeiten verrichten.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Dr. T., Fachärztin für HNO-Heilkunde/Allergologie, hat unter dem
4. Dezember 2008 mitgeteilt, dass der Verdacht auf eine orofaziale Dyskinesie bestehe, die jedoch aus ihrer fachärztlichen
Sicht nicht zu einer quantitativen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führe. Die orthopädische Gemeinschaftspraxis D. N./M.
hat im Befundbericht vom 10. Dezember 2008 ausgeführt, dass die Klägerin seit August 2001 behandelt werde und bei ihr ein
chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, ein Zervicobrachialsyndrom, eine Epicondylitis sowie eine Hemigonarthrose rechts
vorlägen. Es habe sich ein wechselhaftes Beschwerdebild bei einer leichten Progredienz der degenerativen Veränderungen im
Bereich der HWS gezeigt. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Wechselhaltung seien noch vollschichtig möglich.
Nachdem der Klägerin von der Beklagten nach Durchführung einer Knietotalendoprothesenimplantation (Knie-TEP) rechts am 9.
April 2009 eine ambulante Anschlussheilbehandlung in der T. Fachklinik B. bewilligt worden war, hat das Sozialgericht den
ärztlichen Entlassungsbericht vom 28. Mai 2009 über die im Zeitraum 6. bis zum 28. Mai 2009 durchgeführte Rehabilitation beigezogen.
Die ganztägige ambulante Anschlussheilbehandlung habe sich aufgrund der Schmerzsymptomatik im operierten Knie etwas schwierig
gestaltet. Die häufig geänderte Schmerzmedikation habe nur kurzfristig zur Beschwerdelinderung geführt. Die Klägerin leide
unter einer Gonarthrose rechts, einem Zustand nach zementfreier Knie-TEP rechts am 9. April 2009, einem Lumbalsyndrom bei
Zustand nach Nukleotomie L4/5 (2003), einem chronischen atopischen Ekzem sowie einer allergischen Diathese. Die Klägerin sei
in einem subjektiv und objektiv eher verschlechterten Zustand arbeitsunfähig nach Hause entlassen worden. Zum Zeitpunkt der
Entlassung könne noch keine Aussage über den Eintritt der Arbeitsfähigkeit getroffen werden. Es empfehle sich die schnellstmögliche
Vorstellung in der operierenden Einrichtung zur Ursachenforschung der massiven Beschwerden einschließlich der Verschlechterung
des klinischen Bildes. Die Klägerin sei zuletzt als selbstständige Küchenplanerin tätig gewesen. Diese Arbeit sowie körperlich
leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien auch weiterhin sechs Stunden und mehr täglich möglich. Vermieden werden sollten
lange Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, häufiges Arbeiten im Bücken, Hocken, Knien sowie häufiges Heben von Lasten über
zehn kg ohne Hebehilfsmittel. Die Klägerin sollte auf wechselnde Körperhaltungen achten.
Aufgrund einer Prothesenlockerung im rechten Knie ist die Klägerin erneut vom 26. September bis zum 5. Oktober 2009 stationär
im Klinikum Q. behandelt worden. Nach entsprechender Vorbereitung ist am 28. September 2009 ein vollständiger Wechsel der
Knie-TEP rechts vorgenommen worden. Im Anschluss daran hat sich die Klägerin vom 10. bis zum 30. November 2009 erneut zu einer
teilstationären Anschlussheilbehandlung in der T. Fachklinik B. befunden. Im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 7. Dezember
2009 sind als Diagnosen aufgeführt worden:
1. Gonarthrose rechts.
2. Wechsel der Knie-TEP rechts am 28. September 2009.
3. Knie-TEP-Implantation rechts zementfrei.
4. Lokales LWS-Syndrom, Zustand nach Nukleotomie L4/5 (2003).
Die Klägerin könne sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als selbstständige Küchenplanerin als auch körperlich leichte Tätigkeiten
des allgemeinen Arbeitsmarktes nach mindestens dreimonatiger Arbeitsunfähigkeit und anschließender komplikationsloser Rekonvaleszenz
im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Bei wechselnden Körperhaltungen sollten Zwangshaltungen für die Wirbelsäule,
häufiges Bücken, Hocken und Knien vermieden werden. Als objektiver Abschlussbefund sind ein ausreichend sicheres und flüssiges
Gangbild mit zwei Unterarmgehstützen im Vierpunktgang unter Vollbelastung des rechten Beines beschrieben worden. Über dem
rechten Knie hätten sich eine reizlose Narbe, kein Anhalt für eine Ergussbildung, keine Weichteilschwellung und eine Kräftigung
der kniegelenkführenden Muskulatur gezeigt. Der Einbeinstand sei links sicher, rechts noch nicht möglich gewesen.
Nach Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 12. Februar 2010 zu einer beabsichtigten Entscheidung nach §
105 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2010 abgewiesen. Bei der Klägerin liege kein Leistungsvermögen
von unter sechs Stunden täglich vor. Dies ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der im Jahr 2009 durchgeführten Rehabilitation
sowie dem Gutachten von Dr. B. Für das Gericht stehe fest, dass die Klägerin unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide.
Ein rentenberechtigender Grad werde hierbei jedoch nicht erreicht. Bisheriger Beruf der Klägerin sei der der Küchenplanerin,
den sie bis 2002 ausgeübt habe. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne die Klägerin diese Tätigkeit noch zumutbar ausüben.
Gegen den ihr am 4. Mai 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. Mai 2010 Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Sozialgericht
nur auf ältere Befundberichte aus den Jahren 2008 und 2009 sowie einen Rehabilitationsentlassungsbericht vom Dezember 2009
bezogen habe, der sich aber nicht mit allen gesundheitlichen Einschränkungen befasse. Ihre orthopädischen Leiden und der Drehschwindel
ließen eine Berufstätigkeit überhaupt nicht mehr zu. Sie sei nicht wegefähig. Hierzu lägen zudem überhaupt keine Ermittlungen
vor. Ihre letzte Tätigkeit sei als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. April 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2007 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. März 2007 Rente
wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Hinsichtlich der Feststellungen zum Hauptberuf werde auf den Bescheid
über die Versicherungspflicht vom 24. November 2005 verwiesen, aus dem hervorgehe, dass die Klägerin für die Tätigkeit als
Seniorenbetreuerin pflichtversichert gewesen sei.
Der Senat hat zunächst aktuelle Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. S., Facharzt für Orthopädie,
hat unter dem 1. März 2011 mitgeteilt, dass nach dem TEP-Wechsel im September 2010 röntgenologisch ein regelrechter Sitz der
Prothese festgestellt worden sei. Die am 19. Juli 2010 durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) der LWS hätte eine reaktivierte
Osteochondrose in Höhe L4/5, eine Bandscheibenvorwölbung in Höhe L1/2 sowie als Hauptbefund narbige Veränderungen in Höhe
L4/5 ergeben. Dipl.-Med. G., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, hat in seinem Befundbericht vom 7. März 2011 mitgeteilt,
dass er die Klägerin seit 2006 regelmäßig behandele. Infolge der Implantation sei die Klägerin länger nicht arbeitsfähig gewesen.
Die Behandlung sei im Frühjahr 2010 abgeschlossen worden. Danach habe sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit vorgestellt.
Bei der letzten Vorstellung am 2. März 2011 bei ihm habe sich ein unveränderter Gesundheitszustand gezeigt. Mit dem Gelenkoberflächenersatz
käme sie zurecht. Es bestünden jedoch deutliche Einschränkungen im täglichen Leben. Das Bewegungsausmaß und die Belastungsfähigkeit
hätten sich nach dem zweiten operativen Eingriff am Kniegelenk verschlechtert. Am 3. März 2011 hat sich die Klägerin in psychotherapeutische
Behandlung bei Dr. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, begeben. Dieser hat am 14. März 2011 eine schwere depressive
Episode ohne psychosomatische Symptome diagnostiziert. Auf die Frage des Senats, wann, wo und mit welchem Ergebnis klinische
Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden hätten, hat der Facharzt geantwortet, dass trotz eines Suizidversuches im Jahre
1981 psychiatrisch bisher keine Interventionen stattgefunden hätten. Aufgrund der bisher kurzen Behandlungsdauer von zwei
Wochen sei nur eine leichte Besserung zu verzeichnen. Der Facharzt für Neurochirurgie W. hat mitgeteilt, dass er die Klägerin
zwei- bis dreimal jährlich untersuche. Die erhobenen Befunde hätten sich insgesamt leicht verschlechtert. Neue Leiden seien
nicht hinzu gekommen.
Der Senat hat aufgrund der kurzen psychotherapeutischen Behandlungsdauer im August 2011 nochmals einen Befundbericht von Dr.
C. angefordert. Der Facharzt hat am 22. August 2011 als Diagnose eine schwere rezidivierende depressive Episode mitgeteilt.
Die Klägerin sei seit dem 3. März 2011 durchgehend arbeitsunfähig; eine leichte Besserung sei bei Einnahme des Medikaments
Trevilor zu verzeichnen.
Der Senat hat sodann das Gutachten von dem Chefarzt und Ärztlichen Leiter der Neurologischen Klinik im SKH A., Facharzt für
Neurologie/Psychiatrie, Dr. V. vom 29. März 2012 eingeholt, das auf der Grundlage einer Untersuchung der Klägerin am 26. März
2012 erstellt worden ist. Die Klägerin habe sich in einem guten körperlichen Allgemeinzustand befunden, einen Gehstock links
benutzt, den sie aber bei Eintritt in den Untersuchungsraum nicht benötigt habe. Es bestünden als Gesundheitsstörungen eine
mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Bei der Klägerin sei eine familiäre Belastung
mit psychischen Störungen anzunehmen. Schon die Mutter der Klägerin sei in jungen Jahren in nervenärztlicher Behandlung gewesen.
Die Klägerin sei bei ihrer Großmutter aufgewachsen, weil die Mutter offenbar mit ihrer Erziehung überfordert gewesen sei.
Aufgrund einer plötzlichen Erkrankung der Großmutter sei sie im Alter von sechs Jahren vorübergehend in einem Kinderheim untergebracht
worden. Dies sei für sie ein erstes psychisch traumatisierendes Erlebnis gewesen. Insgesamt seien bei der Klägerin zumindest
zwei depressive Phasen aus der Vorgeschichte abgrenzbar. Im Rahmen einer Depression habe sie 1981 einen Suizidversuch im Zusammenhang
mit ihrer Ehescheidung unternommen. Eine weitere depressive Phase habe es 1992 gegeben, die die Klägerin im Zusammenhang mit
Arbeitslosigkeit und Konflikten mit der Tochter sehe. Beide Phasen hätten nicht zu einer psychiatrischen Vorstellung oder
Behandlung geführt. Wann dann erneut eine depressive Störung aufgetreten sei, sei fraglich. Es sei davon auszugehen, dass
die weit in die Vergangenheit zurückreichenden depressiven Störungen die sich seit Ende der neunziger Jahre manifestierende
Schmerzproblematik mitgestaltet hätten. Sicher sei, dass es in der Vergangenheit mehrere rezidivierende depressive Episoden
gegeben habe und eine erneute anhaltende depressive Episode jetzt länger als ein Jahr bestehe. Eine schwere depressive Episode,
wie sie vom behandelnden Psychiater im März 2011 diagnostiziert worden sei, sei jetzt nicht mehr feststellbar. Derzeit handele
es sich um eine mittelschwere depressive Episode. Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem
Gebiet seien in ihrer Ausprägung und Art indes derzeit nicht so schwerwiegend, dass hieraus quantitative Leistungsminderungen
abzuleiten wären. Die Klägerin bedürfe zwar intensivierter stationärer oder zumindest teilstationärer psychiatrisch/psychotherapeutischer
Behandlung. Sie sei aber in der Lage, körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen im Gehen, Stehen und Sitzen - wobei
der gehende und stehende Anteil 50 Prozent nicht überschreiten sollte - mit gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen
ohne Gerüst- und Leiterarbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Arbeiten mit durchschnittlichen
Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie an mnestische Fähigkeiten und Tätigkeiten mit geistig einfachen und mittelschwierigen
Anforderungen sei sie gewachsen. Die Klägerin könne keine Arbeiten in Nachtschicht, unter Zeitdruck, mit häufigem Publikumsverkehr
sowie unter besonderen emotionalen oder psychischen Belastungen mehr verrichten. Sie benötige über die in einer mehr als sechsstündigen
Arbeitsschicht gewährten üblichen Pausen hinaus zusätzliche Pausen von bis zu dreimal zehn Minuten. Länge und Verteilung der
Pausen könnten den Erfordernissen des Betriebsablaufs angepasst werden. Die Gehfähigkeit sei eingeschränkt. Die Klägerin benutze
einen Gehstock. Sie könne jedoch einen Fußweg von mehr als 500 m vor und nach einer Arbeitsschicht in jeweils unter 20 Minuten
bewältigen.
In der öffentlichen Sitzung am 6. Juni 2012 hat die Klägerin einen Arztbrief von Dr. S. vom 30. Mai 2010 überreicht, der in
Auswertung von Röntgenaufnahmen der LWS eine progrediente Osteochondrose in Höhe L4/5 bei fast vollständig aufgebrauchtem
Zwischenwirbelraum (ZWR) beschreibt. Nach der Vertagung des Rechtsstreits ist Dr. V. um eine ergänzende Stellungnahme zum
aktuell vorgelegten Arztbericht sowie zur Pausengestaltung und -häufigkeit gebeten worden. In seinem hierzu übersandten Schreiben
vom 23. Juli 2012 hat Dr. V. mitgeteilt, dass sich aus dem Arztbrief von Dr. S. keine Anhaltspunkte für eine abweichende Leistungseinschätzung
oder weitere medizinische Ermittlungen ergäben. Die Klägerin leide vordergründig unter einer psychischen Störung, die sich
in emotional-affektiver und psychosomatischer Schmerzverarbeitung äußere. Sie benötige in einer mehr als sechsstündigen Arbeitsschicht
zusätzliche Pausen von bis zu dreimal zehn Minuten. In einer genau sechsstündigen Arbeitsschicht benötige sie außer einer
halbstündigen oder zwei viertelstündigen Arbeitspausen zusätzliche Pausen von bis zu zweimal zehn Minuten. In den jeweils
zehnminütigen Pausen müsse eine sitzende Ruhephase mit dem Verzicht auf berufliche Leistungserbringung gewährleistet sein.
Ein Ruheraum oder eine liegende Position sei hierfür nicht erforderlich.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung
einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb
nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Gemäß §
43 Abs.
1 und
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nicht erwerbsgemindert. Sie ist noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr
täglich körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen im Gehen, Stehen und Sitzen, wobei der gehende und stehende Anteil
50 Prozent der täglichen Arbeitszeit nicht überschreiten sollte, zu verrichten. Arbeiten mit gelegentlichen einseitigen körperlichen
Belastungen bzw. Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Bücken, Heben, Tragen sind möglich. Das Bewegen von Lasten ohne mechanische
Hilfsmittel sowie Gerüst- und Leiterarbeiten sind nicht mehr zumutbar. Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das
Seh- und Hörvermögen sowie an mnestische Fähigkeiten und mit geistig einfachen bis mittelschwierigen Anforderungen ist sie
gewachsen. Die Gebrauchsfähigkeit ihrer Hände ist erhalten. Die Klägerin kann Arbeiten in Wechselschicht unter Vermeidung
von Nachtschicht, Zeitdruck und häufigem Publikumsverkehr und ohne besondere emotionale und psychische Belastungen im genannten
Umfang bewältigen.
Dieses Leistungsbild ergibt sich unter anderem aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. V., die mit den
Feststellungen in den Rehabilitationsentlassungsberichten vom 28. Mai und 7. Dezember 2009 sowie denen im Gutachten von Dr.
B. vom 4. Juni 2007 übereinstimmen.
Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin unter einer Gonarthrose rechts nach einer Knie-TEP-Implantation am 9. April
2009 sowie einem Wechsel der Knieprothese am 28. September 2009. Zudem besteht bei der Klägerin ein lokales LWS-Syndrom bei
einem Zustand nach Nukleotomie L4/5 im Jahr 2003. Diese Gesundheitsstörungen beeinträchtigen nur das qualitative Leistungsvermögen.
Die Klägerin kann unter Berücksichtigung dieser Erkrankungen nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen Räumen
unter Vermeidung von Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Hocken sowie Knien ausführen. Dabei sollte sie auf eine wechselnde
Körperhaltung achten; der gehende und stehende Anteil der täglichen Arbeitszeit sollte auf 50 Prozent beschränkt werden. Die
Klägerin kann keine Arbeiten verrichten, die mit Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel verbunden sind.
Gerüst- und Leiterarbeiten sind ebenfalls ausgeschlossen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist erhalten.
Die Haupterkrankung der Klägerin ist derzeit auf nervenärztlichem Fachgebiet festzustellen. Die Klägerin leidet unter einer
mittelgradigen depressiven Episode sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Bei ihr ist eine familiäre Belastung
mit psychischen Störungen anzunehmen. Weit in die Vergangenheit reichende traumatisierende Erlebnisse, wie die zeitweise Unterbringung
in einem Kinderheim und ein 1981 im Zusammenhang mit der Ehescheidung erfolgter Suizidversuch, die jeweils nicht - trotz indizierter
medizinischer Notwendigkeit - in eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung mündeten, führten zu immer wieder
auftretenden depressiven Phasen, welche letztlich auch die sich seit den neunziger Jahren entwickelnde Schmerzstörung mitgestalteten.
Bei der Klägerin bestehen trotz der vorliegenden Erkrankung keine kognitiven Einschränkungen oder Hinweise auf eine rasch
nachlassende Konzentration oder Aufmerksamkeit. Die Befunde und festgestellten somatoformen Anteile der Schmerzproblematik
sprechen gegen das Auftreten einer unzumutbaren Beschwerdeverstärkung im Laufe einer sechsstündigen leidensgerechten Tätigkeit.
Die Klägerin ist unter Berücksichtigung der Erkrankung nicht in der Lage, Nachtschichten, Arbeiten unter Zeitdruck sowie Arbeiten
mit häufigem Publikumsverkehr und besonderen emotionalen oder psychischen Belastungen auszuführen. Sie ist aber geistig einfachen
bis mittelschwierigen Anforderungen sowie Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Reaktionsvermögen, Übersicht,
Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Der gerichtliche Sachverständige Dr. V. führt nachvollziehbar
aus, dass die Gesundheitsstörungen in ihrer Ausprägung und Art derzeit nicht so schwerwiegend sind, dass hieraus quantitative
Leistungsminderungen abzuleiten wären. Die Klägerin bedarf allerdings intensivierter stationärer oder zumindest teilstationärer
psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung.
Eine quantitative Leistungsminderung lässt sich weder aus dem Gutachten des Dr. V. vom 29. März 2012 noch aus den Rehabilitationsentlassungsberichten
vom 28. Mai und 7. Dezember 2009 oder dem Gutachten von Dr. B. vom 4. Juni 2007 ableiten. Eine entgegenstehende Auffassung
hat nur der die Klägerin seit dem 3. März 2011 behandelnde Neurologe/Psychiater Dr. C. vertreten. Allerdings konstatiert auch
er eine leichte Besserung unter medikamentöser Therapie und kann aufgrund der erst kurzen Behandlungsdauer letztlich nur gesicherte
Angaben für den Zeitraum von März bis August 2011 treffen. Insoweit besteht auch Übereinstimmung mit den Ausführungen von
Dr. V., der nicht ausschließt, dass zwischen März und August 2011 die depressive Störung stärker ausgeprägt war als zum Zeitpunkt
der Begutachtung. Hieraus kann jedoch kein Anspruch auf eine Rentenbewilligung resultieren, da die stärkere Ausprägung der
Erkrankung nicht mindestens sechs Monate andauerte. Eine Rente wegen Erwerbsminderung wird nach §
101 Abs.
1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.
Bei der Klägerin liegen auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung, eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen,
ein Katalog- oder Seltenheitsfall vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit
des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen.
Das Leistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der Körperhaltungen
und damit auch für Tätigkeiten wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben,
Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris, Rn. 17 ff. m.w.N.)
Die Benennung einer konkreten Tätigkeit durch die Beklagte ist hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Wegefähigkeit
im sozialmedizinischen Sinne erforderlich. Eine rentenrelevante Einschränkung der Fähigkeit, die Wegstrecken zur Arbeit zurücklegen
zu können, liegt nicht vor, wenn der Versicherte viermal täglich knapp mehr als 500 m in 20 Minuten zurücklegen und öffentliche
Verkehrsmittel benutzen kann. Hinter diesen Anforderungen zurückbleibende Fähigkeiten der Klägerin sind im Ergebnis - trotz
eingeschränkter Gehfähigkeit - nicht feststellbar. Der Sachverständige Dr. V. gibt bei der allgemeinkörperlichen Untersuchung
an, dass die Klägerin einen Gehstock links benutzt, diesen jedoch bei Eintritt in den Untersuchungsraum nicht benötigt hat.
Die Fußpulse sind beidseits gut tastbar gewesen. Kraft, Motorik, Muskeltonus und Trophik der unteren Extremitäten haben sich
regelrecht gezeigt. Der Spontangang war mit einem diskretem Schongang, der Blind-, Seiltänzer-, Fersen- und Zehengang ungestört
möglich. Im Befundbericht des die Klägerin behandelnden Orthopäde Dr. S. vom 1. März 2011 und im Rehabilitationsentlassungsbericht
vom 7. Dezember 2009 wird nach dem notwendig gewordenen Wechsel der Knieprothese ein röntgenologisch nachzuweisender regelrechter
Sitz derselben bestätigt. Dr. G. teilte in seinem Befundbericht vom 7. März 2011 mit, dass die Klägerin mit dem Gelenkoberflächenersatz
zurecht kommt und das Kniegelenk eine reizfreie Narbe, keinen Erguss und keine Übererwärmung bei stabiler Bandführung zeigt.
Die von ihm benannten deutlichen Einschränkungen im täglichen Leben lassen keinen Schluss auf eine fehlende Wegefähigkeit
zu. Dr. V.s Einschätzung, dass die Klägerin einen Weg von mehr als 500 m viermal täglich in jeweils unter 20 Minuten bewältigen
kann, ist insofern nachvollziehbar. Zudem kann die Klägerin öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Die Klägerin kann auch unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein (§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI). Grundsätzlich ist eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich, wenn nicht nur die theoretische
Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. Urteil des BSG vom 30. November 1983 - 5a RKn 28/82 -, in SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Das BSG hat in seiner ständigen Rechtsprechung zu der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage folgendes ausgeführt: Kann ein
Versicherter vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten, wenn auch nur mit bestimmten Einschränkungen, ausüben, ist zumindest
die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Als eine solche schwere Einschränkung ist beispielsweise - in
Verbindung mit anderen Einschränkungen - die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen
(vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 136), angesehen worden. Zur Bestimmung des Begriffs der betriebsüblichen Arbeitsbedingungen kann die Rechtsprechung zu
§
119 Abs.
4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung -
SGB III) bzw. zum früheren § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) herangezogen werden (BSG in SozR 3-2200 § 1247 Nr.14). Danach müssen auch die Dauer, Lage und Verteilung der Pausen arbeitszeitüblichen Bedingungen entsprechen (vgl. BSG in SozR 4100 § 134 Nr.3; SozR 4100 § 103 Nrn. 17 und 23). Benötigt der Versicherte zusätzliche Arbeitspausen, die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nicht vorgesehen sind, ist zu prüfen, ob Arbeitnehmer unter solchen Bedingungen eingestellt werden (BSG in SozR 2200 § 1247 Nr. 43 und Urteil vom 22. April 1993 - 5 RJ 34/92 -). Nach § 4 Satz 1 ArbZG ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs
bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Eine Unterteilung
in kleinere Zeitabschnitte ist nach § 4 Satz 2 ArbZG ebenfalls möglich.
Soweit Dr. V. in seinem Gutachten und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Juli 2012 zusätzliche Pausen von bis zu dreimal
zehn Minuten in einer mehr als sechsstündigen Arbeitsschicht für erforderlich hält, führt dies nicht dazu, dass die Klägerin
nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes tätig sein kann. Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei
Stunden gelten im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (vgl. Urteile des Bundesarbeitsgerichts
(BAG) vom 30. März 1989 - 6 AZR 326/86 -, in EzBAT § 4 BAT Betriebliche Übung Nr. 11; vom 27. April 2000 - 6 AZR 861/98 -, in NZA 2001, 274). Für Büroarbeiten hat das Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie deswegen die von den Arbeitgebern zugestandene persönliche
Verteilzeit mit etwa 12 Prozent der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt (vgl. Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, DRV
8 - 9/93 S. 493, 527). Zusätzliche zehnminütige Ruhepausen sind im Rahmen der sogenannten persönlichen Verteilzeit realisierbar
(vgl. auch Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - sowie vom 26. Oktober 2010 - L 11 R 5203/09 -, jeweils zitiert nach juris; Urteile des Bayerischen LSG vom 25. Mai 2009 - L 18 R 535/04 - sowie vom 29. April 2009 - L 18 R 866/06 -, jeweils zitiert nach juris).
Aus der Einschätzung von Dr. V., dass die Klägerin in einer genau sechsstündigen Arbeitsschicht außer einer halbstündigen
oder zwei viertelstündigen Arbeitspausen zusätzliche Arbeitsunterbrechungen von bis zu zweimal zehn Minuten einhalten muss,
ergeben sich für den Senat ebenfalls keine Konsequenzen hinsichtlich einer Einsetzbarkeit der Klägerin unter betriebsunüblichen
Bedingungen. Zwar steht Arbeitnehmern nach § 4 Satz 1 ArbZG erst bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause zu. Hier kann die Klägerin mehr als sechs Stunden arbeiten
und benötigt dabei keine über die ihr nach dem ArbZG zustehenden Pausen hinausgehenden sogenannten unüblichen Pausen. Vor dem Hintergrund, dass seit dem Inkrafttreten des §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen Voraussetzung für den Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
ist, trägt das Risiko, noch sechs, aber nicht mehr acht Stunden täglich arbeiten zu können, der Versicherte. Insoweit ist
der Versicherte, der mehr als sechs Stunden arbeiten kann, nicht besser zu stellen, als derjenige, der nur noch über ein genau
sechsstündiges Leistungsvermögen verfügt.
Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruches auf Bewilligung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit ergeben sich keine von der Entscheidung des Sozialgerichts abweichenden Möglichkeiten. Sowohl die Tätigkeit
der Küchenplanerin/Möbelverkäuferin als auch die der Seniorenbetreuerin/Hauswirtschaftshilfe lassen keine Eingruppierung in
eine für die Klägerin günstigere Stufe des Mehrstufenschemas des BSG zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung
der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.