Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an das Vorliegen "derselben Angelegenheit" im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 1 RVG
Gründe
I.
Streitgegenständlich sind die Rechtsanwaltshonorare nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), die dem Beschwerdegegner nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Landeskasse, die durch den Beschwerdeführer
vertreten wird, zustehen.
Der Beschwerdegegner war im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Klägerin in den Verfahren S 30 AS 1930/16 und S 30 AS 1924/16 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) beigeordnet worden. Gegenstand des Verfahrens S 30 AS 1930/16 war die Erstattung der im Widerspruchsverfahren W-1818/16 entstanden notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach
und der Erklärung der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als notwendig. Das Verfahren S 30 AS 1924/16 betraf inhaltlich ebenfalls die Kostenerstattung dem Grunde nach für ein geführtes Widerspruchsverfahren (W-01774/16).
Den hiesigen Verfahren lag folgender Sachverhalt (S 30 AS 1930/16 und S 30 AS 1924/16) zugrunde: Das beklagte Jobcenter (im Folgenden: Beklagter) bewilligte der Klägerin auf ihrem Antrag vom 21. Juli 2016 mit
Bescheid vom 26. August 2016 für den Zeitraum 21. Juli bis 1. September 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Höhe der jeweiligen monatlichen bzw. anteiligen Regelleistung (für den 1. September in Höhe von 13,47 Euro) und mit Bescheid
vom 2. September 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 2. September 2016 bis 6. September 2016
in Höhe der anteiligen Regelleistung von 67,33 Euro (S 30 AS 1930/16). Die Klägerin reichte am 6. September 2016 eine Veränderungsmitteilung hinsichtlich ihrer Kosten der Unterkunft (KdU) ein
(Mietvertrag ab 1. September 2016 über 315,00 Euro). Gegen den Bescheid vom 26. August 2016 legte die Klägerin durch den Beschwerdegegner
mit Schreiben vom 12. September 2016 Widerspruch ein (S 30 AS 1924/16). Eine Begründung erfolgte nicht. Mit einem Änderungsbescheid vom 14. September 2016 hob der Beklagte u. a. die Bescheide
vom 26. August und 2. September 2016 auf und änderte die Bewilligung für den Monat September 2016 insgesamt auf 447,20 Euro
(Übernahme KdU ab dem 7. September 2016) ab. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 2. September 2016 legte die Klägerin durch
den Beschwerdegegner am 20. September 2016 Widerspruch ein (S 30 AS 1930/16). Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 11. November 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den 1. September 2016 nunmehr
18,95 Euro und für den Leistungszeitraum 2. September bis 6. September 2016 Leistungen in Höhe von 94,17 Euro. Zugleich wies
der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 11. November 2016 die Widersprüche als unbegründet zurück: Die Klägerin habe den
Antrag vom 21. Juli 2016 als Person ohne festen Wohnsitz gestellt. Nach Veränderungsmitteilung seien mit Änderungsbescheiden
vom 11. November 2016 ihr Leistungen in gesetzlicher Höhe bewilligt worden, so dass die Widersprüche keinen Erfolg gehabt
haben. Gegen die ablehnenden Kostengrundentscheidungen in den jeweiligen Widerspruchsverfahren hat die Klägerin am 17. November
2016 jeweils Klage (S 30 AS 1924/16 und S 30 AS 1930/16) zum SG erhoben und zugleich in jedem Verfahren einen PKH-Antrag gestellt. Die jeweilige Klagebegründung umfasst fünf gleichlautende,
in den Daten geänderte, Sätze zur Sachverhaltsdarstellung, und einen jeweils gleichen Satz zur Begründetheit der Klage.
Das SG hat den Beteiligten mit Verfügung vom 19. Dezember 2016 in beiden Verfahren einen richterlichen Hinweis hinsichtlich seiner
vorläufigen Rechtsauffassung zum Sachverhalt erteilt.
Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben vom 4. Januar 2017 in den Verfahren S 30 AS 1924/16 und S 30 AS 1930/16 der Klägerin zur Beendigung des Rechtsstreits einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet, in welchem sich dieser
zur Übernahme der hälftigen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchs- und Klageverfahrens verpflichtete.
Mit Beschlüssen vom 13. Januar 2017 hat das SG der Klägerin in beiden Verfahren ratenfreie PKH unter Beiordnung des Beschwerdegegners bewilligt.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2017 hat die Klägerin in beiden Verfahren den Vergleichsvorschlag angenommen und den Rechtstreit
für erledigt erklärt.
Der Beschwerdegegner beantragte beim SG am 26. Januar die Festsetzung seiner Vergütung aus der PKH für jedes der Verfahren wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 €
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 200,00 €
Post- u. Telekom.Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € 520,00 €
Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 98,80 €
Gesamtsumme 618,80 €
Mit Schreiben vom 16. Februar 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG den pro Verfahren zu erstattenden Betrag fest und führte hierzu aus: Die angesetzte Verfahrensgebühr sei unbillig. Aus objektiven
Gründen sei lediglich die Mindestgebühr von 50,00 Euro angemessen. Vorliegend sei auch keine Einigungsgebühr angefallen, sondern
eine „fiktive“ Terminsgebühr. Diese betrage nur 90% der Verfahrensgebühr. Der aus der Landeskasse zu erstattende Betrag betrage
jeweils 135,66 Euro:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 50,00 €
Fiktive Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 45,00 €
Post- u. Telekom.Pauschale Nr. 7002 VV RVG 19,00 € 114,00 €
Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 21,66 €
Gesamtsumme 135,66 €
Gegen die Kostenentscheidungen vom 16. Februar 2017 hat der Beschwerdegegner jeweils am 7. März 2017 Erinnerung eingelegt
(S 34 SF 106/17 E – S 30 AS 1924/16 und S 34 SF 107/17 E – S 30 AS 1930/16): Es lägen vorliegend keine identischen Sachverhalte, sondern nur vergleichbare Sachverhalte vor. Auch sei eine durchschnittliche
Tätigkeit anzunehmen. Dies könne aus dem im Verfahren gegebenen richterlichen Hinweis abgeleitet werden. Da sich die Kosten
für das im Klageverfahren streitige Widerspruchverfahren auf ca. 400,00 Euro belaufen, sei die Bedeutung der Angelegenheit
für die Klägerin auch überdurchschnittlich. Zudem sei die Einigungsgebühr angefallen.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2017 teilte die UdG mit, dass in beiden Verfahren der Erinnerung jeweils teilweise abgeholfen werde.
Durch Abschluss des schriftlichen Vergleiches sei eine Einigungsgebühr in Höhe der Verfahrensgebühr angefallen und keine fiktive
Terminsgebühr. Aufgrund dessen werden jeweils weitere 7,14 Euro angewiesen (insgesamt pro Verfahren 142,80 Euro).
Mit Beschlüssen vom 17. Januar 2019 hat das SG der Erinnerung in beiden Verfahren stattgegeben und die Prozesskostenhilfefestsetzungsentscheidungen auf eine Vergütung von
einem Betrag in Höhe von jeweils 452,20 Euro abgeändert: Die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 60 % der Mittelgebühr angemessen. Dies ergebe sich aus der Auswertung der nach § 14 RVG zu berücksichtigen Kriterien. Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens sowie die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin
seien unterdurchschnittlich und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeberin weit unterdurchschnittlich gewesen.
Ein besonderes Haftungsrisiko, welches die Gebühr anheben könnte, sei nicht ersichtlich.
Gegen die am 8. Februar 2019 zugestellten Beschlüsse hat die Landeskasse am 14. Februar 2019 Beschwerde beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt (LSG) eingelegt ( L 4 AS 213/19 B – S 34 SF 106/17 E und L 4 AS 214/19 B – S 34 SF 107/17 E) und die Festsetzung der Vergütung auf jeweils 142,80 Euro beantragt: Vorliegend sei jeweils der Umfang und die Schwierigkeit
der Angelegenheit fehlerhaft bewertet worden. Als Gegenstand des Verfahrens sei die Nebenfolge eines Widerspruchsverfahrens,
jeweils die Kostenentscheidung, streitig gewesen. Diese könne jedoch nicht gebührenrechtlich mehr ins Gewicht fallen als die
eigentliche Hauptsache.
Der Beschwerdegegner hat die Zurückweisung der Beschwerden beantragt und sich zur Begründung auf den gerichtlichen Beschluss
vom 17. Januar 2019, welchen er inhaltlich zustimme, bezogen.
II.
Die Beschwerden sind überwiegend bzw. vollständig erfolgreich.
Gegen die Entscheidung des SG über die Erinnerung ist abweichend von §
178a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) der weitere Rechtsbehelf der Beschwerde zum Landessozialgericht eröffnet (§
73a Abs.
1 SGG; § 1 Abs. 3 RVG iV.m. § 56 Abs. 2 RVG, § 33 Abs. 3 bis 8 RVG; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017, Az. L 4 AS 141/16 B , juris). Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Die Beschwerden des Beschwerdeführers sind im vorliegenden Fall statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands einschließlich
der Umsatzsteuer (vgl. LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 27. September 2017, Az.: L 5 AS 585/15 B , juris RN 16 m.w.N.) 200 € übersteigt (vgl. § 1 Abs. 3 iVm § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist zudem fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist (§ 56 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) erhoben worden.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers im Verfahren L 4 AS 213/19 B ist überwiegend und im Verfahren L 4 AS 214/19 B in beantragter Höhe begründet.
Im Verfahren L 4 AS 213/19 B hat das SG dem Festsetzungsantrag des Beschwerdegegners zu Unrecht in genannter Höhe festgesetzt.
Grundlage des Erstattungsbegehrens des Beschwerdeführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach sind einem – wie hier – im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren aus der Landeskasse
zu erstatten. Jene richten sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen. Das GKG ist gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG nicht anzuwenden. Die Kläger waren Beteiligte iSv §
183 Satz 1
SGG, und es handelte es sich nicht um ein Verfahren wegen überlangem Gerichtsverfahren (§
202 Satz 2
SGG), so dass das Gerichtsverfahren für sie kostenfrei war.
Im Einzelnen bestimmt sich die Vergütung, d.h. die Gebührentatbestände, die Spannenwerte der Betragsrahmengebühren usw. aus
dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Bemessung der Betragsrahmengebühren ist nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmen. Hiernach steht es dem Rechtsanwalt zu, eine solche Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände,
vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Bei Rahmengebühren, die sich – wie hier – nicht nach einem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen
(§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG folgt, dass auch weitere im Einzelfall vorliegende Kriterien zur Bemessung herangezogen werden können. Aus der Aufzählung
der benannten Kriterien kann nicht auf ein vorgegebenes abstraktes Rangverhältnis geschlossen werden. Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts,
jedenfalls die in § 14 RVG genannten und gegebenenfalls noch weiter relevante Kriterien im Einzelfall zu gewichten.
Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse) zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht
verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Bei der Bestimmung der im Einzelfall zutreffenden Rahmengebühr ist dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht
eingeräumt. Eine Unbilligkeit kann allenfalls angenommen werden, wenn die vom Rechtsanwalt angesetzte Gebühr die nach den
gesetzlichen Kriterien angemessene Gebühr um mehr als 20 % übersteigt (vgl. BSG Urteil vom 1. Juli 2009, Az.: B 4 AS 21/09 R, juris RN 19). Ist die Bestimmung unbillig, erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Eine Verfahrensgebühr ist hier nach Anlage 1 zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 2 iVm Nr. 3102 VV RVG in der Höhe von einem Drittel der Mittelgebühr (100,00 Euro) gemäß den aus Nr. 3102 VV RVG folgenden Spannwerten entstanden.
Aus der Vorgabe von Spannwerten folgt, dass die Mittelgebühr – rechnerisch die Hälfte der Summe aus Mindest- und Höchstgebühr
– nicht der Regelfall der Vergütung ist. Sie ist vielmehr nur für einen Regel- bzw. Durchschnittsfall die angemessene Vergütung.
Die Mittelgebühr bietet dann für die Bestimmung der konkret angemessenen Gebühr einen Richtwert, wenn es sich um eine in jeder
Hinsicht durchschnittliche Angelegenheit handelt. Das ist nicht der Fall, wenn teilweise über- oder unterdurchschnittlich
zu bewertende Einzelkriterien vorliegen. Dann sind Zu- oder Abschläge vom Richtwert vorzunehmen. Die Mittelgebühr kann sich
aber auch daraus ergeben, dass die Überdurchschnittlichkeit einzelner Kriterien die Unterdurchschnittlichkeit anderer Kriterien
kompensiert.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend weit unterdurchschnittlich. Maßgebend ist dabei nur das in der jeweiligen
Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld, hier das "Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" nachdem ein
"unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter…in einem gerichtlichen Verfahren" erfolgt ist (Anlage 1
zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 1 und 2). Insofern eingegrenzt ist beim Umfang der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den
der Rechtsanwalt im Vergleich mit den üblichen Sozialgerichtssachen tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon
objektiv auch auf die Sache verwenden musste.
Hier sind die Vorbereitung und das Verfassen der Klageschrift einschließlich der Klagebegründung zu würdigen. Vorliegend war
das mit einem weitaus geringeren als dem durchschnittlichen Aufwand verbunden. Denn es handelt sich vorliegend ausschließlich
um eine kostenrechtliche Entscheidung dem Grunde nach und um keine Sachentscheidung. Der geltend gemachte kostenrechtliche
Erfolg des Widerspruchverfahrens ergibt sich allein aus der einheitlichen Einarbeitung des Mietvertrages ab dem 1. September
2016. Allein dies darzulegen war Gegenstand des Klageverfahrens. Mithin war eine kurze Sachverhaltsdarstellung, wie auch vom
Beschwerdegegner vorgenommen, ausreichend. Eine Aufarbeitung in der Sache war nicht erforderlich.
Vorliegend war bei der Geltendmachung der Kosten eines Vorverfahrens dem Grunde nach von einer weit unterdurchschnittlichen
Schwierigkeit auszugehen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem
objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann
und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur,
zu bearbeiten. Bei dieser Rechtsmaterie „Kostenerstattung dem Grund nach“ handelt es sich um eine der Grundlagen der rechtsanwaltlichen
Tätigkeit, welche im vorliegenden Fall keiner weiteren speziellen Aufbereitung bedurfte.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin ist als durchschnittlich zu bewerten. Die Bedeutung einer Angelegenheit beurteilt
sich nach ihrer individuellen und unmittelbaren tatsächlichen, ideellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen
Relevanz für den Auftraggeber. Hier ist die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin wegen der Art der Leistung, der notwendigen
Kosten des Widerspruchverfahrens dem Grunde nach, als durchschnittlich zu bewerten. Es geht vorliegend noch nicht um die Höhe
der im Widerspruchsverfahren angefallenen Kosten, sondern um die Vorfrage, ob und in welchem Umfang eine Beteiligung an den
angefallenen, jedoch der Höhe nach noch zu bestimmenden Kosten, zu erfolgen hat. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Klägerin sind als weit unterdurchschnittlich anzusehen, weil sie die persönlichen Voraussetzungen für die PKH erfüllte.
Ein besonderes Haftungsrisiko ist angesichts der Klageforderung nicht zu erkennen.
Dem Beschwerdegegner steht wegen der Beilegung des Rechtsstreits durch Vergleich eine Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr zu.
Die Erledigungsgebühr, die in Höhe der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen ist, Nr. 1006 VV RVG, ist daher ebenfalls mit einem Drittel der Mittelgebühr (100,00 Euro) zu bemessen.
Unter Zugrundlegung der angesprochenen Gebührenpositionen sowie der weiteren Kostenfestsetzung, die nicht zu beanstanden ist,
ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 100,00 €
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 100,00 €
Post- u. Telekom.Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € 220,00 €
Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 41,80 €
Gesamtsumme 261,80 €
Im Verfahren L 4 AS 214/19 B ist der Beschwerde vollständig stattzugeben und die Festsetzung des UdG wiederherzustellen. Durch die Entscheidung des
UdG, welche der Beschwerdeführer für zutreffend hält, ist der Beschwerdegegner jedenfalls nicht beschwert. Ein Erstattungsanspruch
für dieses Verfahren stand ihm nicht zu.
Der Beschwerdegegner kann für dieses Klageverfahren keine Erstattung beanspruchen, denn bezogen auf das maßgebliche Leistungsbegehren
ist er für die Kläger in "derselben Angelegenheit" im Sinne des RVG tätig geworden. Ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält die Gebühr nach
§ 7 Abs. 1 RVG nur einmal.
Wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG nicht abschließend geregelt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007, Az.: B 6 KA 4/07 R, juris RN 16). Die anwaltlichen Tätigkeitskataloge des § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit") und des § 17 RVG ("verschiedene Angelegenheiten") benennen nur Regelbeispiele.
Der Gesetzgeber hat die abschließende Klärung des Begriffs "derselben Angelegenheit" iSv § 7 Abs. 1 RVG sowie des § 15 Abs. 2 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007, a.a.O.). Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der sich mit dem prozessrechtlichen
Begriff des Verfahrensgegenstandes decken kann, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten
Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibt der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition,
für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen vorgibt. Daher kommt es bei der Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit
vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an.
Mithin ist für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren der Begriff „dieselbe Angelegenheit“ nach inhaltlichen
Kriterien abzugrenzen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. August 2020, Az.: L 4 AS 4/20 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 30. Juli 2019, Az.: L 1 SF 155/19 B, juris RN 8 f.; Thüringer LSG, Beschluss vom 15. April 2015, Az.: L 6 SF 331/15 B, juris RN 18; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. November 2019, Az.: L 2 AL 27/17 B , juris, RN 32 ; v.Seltmann in: BeckOK RVG, Stand: 1. März 2020, § 15 RN 5; Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG-Kommentar, 7. Aufl. 2018, § 15 RN 4; Isolde Bölting, Heinz Rulands in: Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht/RVG, 2. Aufl. 2019, § 15 RN 5; a.A. Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Mai 2020, Az.: L 7 AS 31/19 B, RN. 27, juris).
Von derselben Angelegenheit iSv § 15 Abs. 2 RVG ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen,
ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit
vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2011, Az.: VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167 mwN). Es ist daher grundsätzlich ausreichend, wenn die Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden
können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein
innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung
des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (BGH, Beschluss vom 24.
März 2016, Az.: III ZB 116/15 RN. 6, juris). Für ein Tätigwerden "in derselben Angelegenheit" (§ 7 Abs. 1 RVG) kann es im gerichtlichen Verfahren regelmäßig schon genügen, dass die Begehren mehrerer Auftraggeber einheitlich in demselben
Verfahren geltend gemacht werden und zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember
2013, Az.: 1 BvQ 33/11; BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1997, Az.: 1 BvR 1174/90, BVerfGE 96, 251).
Vor diesem Hintergrund gehen die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG (vgl. Urteil vom 2. April 2014, Az.: B 4 AS 27/13 R, juris RN 15ff.) davon aus, dass es sich auch bei Individualansprüchen nach dem SGB II grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit iSv § 15 Abs. 2 RVG handeln kann, wobei die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft dann eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG auslöst (vgl. BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009, Az.: B 14 AS 83/08 R, juris RN 20 ff.; BSG, Urteil vom 27. September 2011, Az.: B 4 AS 155/10 R, juris RN 22 mwN). Grundsätzlich können daher auch im SGB II mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein. Gleiches gilt grundsätzlich auch unter Berücksichtigung
der maßgebenden Umstände des Einzelfalls, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben
betrifft (BGH, Urteil vom 21. Juni 2011, a.a.O.). Selbst wenn die Aufhebung und Erstattung der individuellen SGB II-Ansprüche für einen Zeitraum für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft in getrennten Bescheiden erfolgt, gegen die
selbstständige Widersprüche eingelegt worden sind, für die dem Rechtsanwalt jeweils gesonderte Vollmachten erteilt wurden,
und die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide - in gleicher Weise wie die Leistungsbewilligungen – sich auf die (der Höhe nach
unterschiedlichen) Individualansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft beziehen, ist von derselben Angelegenheit auszugehen,
wenn die Verfahren auf einem vollständig einheitlichen Lebenssachverhalt beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014, a.a.O., RN 17; LSG Thüringen, Beschluss vom 6. November 2014, Az.: L 6 SF 1022/14, RN. 19, juris; so auch Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, Kommentar, 23. Auflage, 2017, § 15, RN 5). Auch hinsichtlich eines Auftraggebers kann dieselbe Angelegenheit zu bejahen sein, wenn mehrere Bescheide zwar unterschiedliche
Leistungszeiträume betreffen, diesen jedoch dieselbe Sach- und Rechtsfrage zu Grunde liegt (so etwa SG Berlin, Beschluss vom
27. Januar 2011, Az.: S 127 SF 9411/00 E, juris, RN 16; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08. November 2019,
Az.: L 2 AL 27/17 B , juris, RN. 32 ). Darüber hinaus kann die Annahme derselben Angelegenheit noch in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren
in Betracht kommen, „die sich daraus ergeben, dass dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund
im engen zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, so dass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch
zusammengefasst in einem einzigen Bescheid ergehen können“ (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Mai 2000, Az.: 11 C 1/99, juris). Wenn der Adressat dann einen Rechtsanwalt damit beauftragt, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich
gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit tätig, wenn nicht ausnahmsweise eine
inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den einzelnen Verfahren geboten ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 14.
Oktober 2016, Az.: L 15 SF 229/14 E, juris, RN 31 unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Mai 2000, Az.: 11 C 1/99; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 30. November 2020, Az.: L 13 AS 109/18 B, juris, RN 26).
So liegt der Fall hier. Ausgehend von diesen Anforderungen handelte es sich bei den vor dem Sozialgericht geführten Verfahren
S 30 AS 1924/16 und S 30 AS 1930/16 um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Zwar existieren zwei Klageverfahren für zwei Kostenentscheidungen aus zwei Widerspruchverfahren. Jedoch liegt ein einheitlicher
Rahmen für diese anwaltliche Tätigkeit, beruhend auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt vor: Vorliegend sollten mit den
Klageverfahren die Kosten für ein Vorgehen, aufgeteilt auf zwei Widerspruchsverfahren, geltend gemacht werden, welche die
Einarbeitung eines Mietverhältnisses ab 1. September 2016 in die Leistungsbewilligung umfasste. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass mit Änderungsbescheid vom 14. September 2016 ab dem 1. September 2016 bis zum 30. Juni 2017 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Klägerin bewilligt und die Bescheide vom 26. August 2016 und 2. September 2016 aufgehoben wurden. Mithin lag zum
Zeitpunkt der Widerspruchserhebung am 20. September gegen den Bescheid vom 2. September 2016 bereits kein eigener angreifbarer
Bescheid mehr vor, sondern die vormals in zwei Bescheiden getroffene Regelung für denselben Monat wurde nunmehr (richtigerweise)
einheitlich geregelt, so dass der Widerspruch vom 20. September 2016 vielmehr ein bereits laufendes Widerspruchsverfahren
betraf, welches ggf. durch Auslegung des nunmehrigen weiteren Widerspruchs hätte fortgeführt werden müssen. Ein weiteres eigenständiges
Widerspruchsverfahren war hier unzulässig. Dass der Beklagte, entgegen der gebotenen Vorgehensweise nunmehr ein weiteres Widerspruchsverfahren
führte und aufgrund dessen dann den einheitlichen Bescheid vom 14. September 2016 mit zwei getrennten Änderungsbescheiden
vom 11. November 2016 wieder tageweise abänderte und dadurch zwei Kostenentscheidungen traf, kann nicht die Beurteilung ändern,
dass dieser Vorgehensweise ein einheitlicher Rahmen zugrunde liegt. Dieser hätte auch in einem einheitlichen Bescheid geregelt
werden können. Die Klägerin wollte ihre Mietkosten seit dem 1. September 2016 berücksichtigt wissen und da dies (fälschlicherweise)
mit Bescheid vom 14. September 2016 noch nicht erfolgt war, auch die Kosten für das Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten
in dem dafür vorgesehenen Widerspruchsverfahren erstattet haben. Denn nach der Regelung im SGB II (§ 41 Abs. 1) werden die Leistungen für einen Bedarfszeitraum (12 bzw. 6 Monate) nur dann tageweise erbracht, wenn die Leistungen nicht
für einen vollen Monat zustehen. Dies trifft vorliegend jedoch nicht zu. Bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung
des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs gehören hier die Verfahren auf Kostengrundentscheidung
für die Widerspruchverfahren zusammen.
Liegt demnach dieselbe Angelegenheit iSv § 15 Abs. 2 RVG vor, hat der Beschwerdegegner dem Grunde nach keinem Anspruch auf eine (weitere) Vergütung aus der Landeskasse für seine
Tätigkeit im Klageverfahren gegen die Kostenentscheidung im weiteren Widerspruchsbescheid vom 11. November 2016 (S 30 AS 1930/16). Dieser Umstand ist bislang im Vergütungsverfahren unberücksichtigt geblieben. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist
im vollem Umfang erfolgreich. Die Vergütungsfestsetzung war – wie beantragt – zu ändern. Aufgrund des bezifferten Antrags
des Beschwerdeführers ist eine weitergehende Verböserung zu Lasten des Beschwerdegegners nicht statthaft.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar; eine Beschwerde zum Bundessozialgericht ist nicht gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).